Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

Von daher, meine Damen und Herren, glaube ich, haben wir das auf das zurückgeführt, was es nämlich ist: Es geht um den Versuch, eine Kritik des Landesrechnungshofs in einen parteipolitischen Vorteil umzumünzen.

Meine Damen und Herren, dass das verfassungsrechtlich auch ganz anders betrachtet werden kann, zeigen nicht nur andere Bundesländer. Auch Ihre eigene Bundesregierung, die ja bis 1998 noch im Amt war, hatte solche Konstruktionen im Bundeskanzleramt. Von daher ist es wohl wenig sinnvoll, so etwas jetzt zu diskutieren, weil die Realität und auch die verfassungsmäßige Beurteilung nicht unbedingt nur so gesehen werden kann, wie es der Landesrechnungshof in seinem Schreiben dargestellt hat. Von daher, meine Damen und Herren, glaube ich, ist es sinnvoll, das Verfassungsrechtliche noch einmal genau zu untersuchen. Das werden wir in den entsprechenden Ausschüssen auch tun. Ich will darauf heute verzichten.

Ich möchte gern noch etwas zu der Ausstattung der Staatskanzlei sagen. Wir alle sind uns wohl einig, dass es bestimmte Aufgaben im Bereich eines Ministerpräsidenten gibt. Herr Wulff, wenn Sie es mal schaffen sollten, was ich nicht glaube, wären Sie wohl der Letzte, der darauf verzichten könnte, dass auch Ministerien in einer Staatskanzlei personell abgebildet werden müssen.

(Möllring [CDU]: Das bestreitet doch gar keiner! Das ist seit dem Kriege so!)

Die Frage ist, in welchem Ausmaß das passieren muss. Da dürfen Sie natürlich nicht ausblenden, dass bestimmte Aufgaben in den letzten Jahren zusätzlich in die Staatskanzlei verlagert worden sind. Das wissen Sie auch ganz genau. Sie müssen sich nur die Darstellung einmal ansehen.

1980 hatte die Staatskanzlei 100 Beschäftigte. Als Albrecht abgedankt hat oder abgewählt wurde,

(Zuruf von der SPD: Abgedankt wur- de!)

waren es 50 mehr,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Einschließlich Frauen!)

also eine Vergrößerung um 50 %.

(Lachen bei der CDU)

Sie hat heute am Standort Hannover 227 Beschäftigte. Sie müssen dabei bitte berücksichtigen, dass inzwischen das Bundesratsministerium aufgelöst worden ist. Die Grünen haben damals sehr gut damit gelebt, dass es ein eigenes Ministerium für Herrn Trittin gab, sogar mit Staatssekretär und einer großen Abteilung dabei. Das ist von den Kosten her nie kritisiert worden. Heute, meine Damen und Herren, ist es aus parteipolitischen Gründen ein Problem, obwohl wir alle in Europa mehr machen wollen. Man kann also wirklich deutlich sagen, dieser Antrag dient nicht dazu, eine Sachlage zu erläutern und Klarheit zu bringen. Es geht darum, dass man meint: Sachthemen haben wir nicht mehr, nehmen wir dieses Thema, das passt gerade so gut. Vielleicht greift das ja die Presse auf. Dann haben wir eine öffentliche Wirkung. Darum geht es Ihnen, gar nicht um die Sache.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wenn man sich diese Veränderungen in der Staatskanzlei ansieht, dann stellt man fest, dass es heute 23 Beschäftigte mehr sind, wenn man die anderen Abteilungen dazu rechnet, die gegenüber früher hinzugekommen sind. Ich finde, dass das keine Aufblähung ist.

Meine Damen und Herren, Sie, auch die Grünen, weinen nach wie vor Krokodilstränen, wenn nach dem Ausscheiden von Bediensteten die Stellen aufgelöst werden. Zugleich sagen Sie, vor Ort müsse eigentlich viel mehr passieren. Sie müssen sich mal für eines entscheiden. Ich bin durchaus dafür, dass man vielleicht auch mehr delegieren kann. Sie dürfen sich dann aber nicht gleichzeitig hier hinstellen, wie Herr Althusmann das immer gern macht. Er redet im Ausschuss, wenn es um das Thema Personal geht, immer darüber, wie schrecklich das alles sei, wie schwierig das alles sei, dass man das so nicht machen könne.

(Zuruf von der CDU: Da hat er ja auch Recht!)

Wenn es um den Haushalt geht, redet er aber genau umgekehrt. Das ist es wohl, was Ihnen auch die Öffentlichkeit seit langem nicht mehr abnimmt. Sonst gäbe es nicht diese Umfragewerte, Herr Wulff.

(Möllring [CDU]: Können Sie das wiederholen? Das war nicht verständ- lich!)

Von daher haben wir es gar nicht nötig, so ausführlich auf den Antrag der Grünen heute einzugehen.

Ich stelle fest: Diese Staatskanzlei ist nicht aufgebläht.

(Möllring [CDU]: Natürlich!)

Diese Staatskanzlei ist im Vergleich zu denen in anderen Bundesländern auch personell in einer vernünftigen Verfassung. Sie ist im Verhältnis zu vielen anderen sogar kleiner.

Zur Frage der Staatsmodernisierung, zur Frage der Mitwirkung des Personalrats hat der Innenminister schon etwas gesagt. Wir werden in den Ausschüssen ausführlich über den Antrag reden, und es ist wohl klar, dass wir Ihren Antrag dann ablehnen werden.

(Starker Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hagenah, Sie haben noch einmal ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, in diesem Antrag, Herr Möhrmann, steckt tatsächlich Herzblut aus Richtung Verwaltungsreform.

(Beifall bei den GRÜNEN – Lachen bei der SPD)

Es ist schon erstaunlich, dass der jetzt mit dieser Aufgabe hauptsächlich beauftragte Minister, Herr Bartling, so wenig davon verstanden hat, dass er die Fragen und die Widersprüche, die wir in unserem Antrag aufdecken, lediglich mit der Gegenfrage beantwortet, was das mit Verwaltungsreform zu tun habe.

(Frau Leuschner [SPD]: Das bezog sich auf Ihre Ausführungen!)

Wenn Sie das noch fragen müssen, Herr Bartling, dann, muss ich sagen, sind Sie der falsche Minister, den Herr Gabriel dafür ausgesucht hat, den Reformprozess jetzt voranbringen zu sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Offensichtlich hat die Landesregierung erkannt, dass es ein Fehler war, bei Ihnen, Herr Gabriel, beim Ministerpräsidenten, die Reform zentral anzusiedeln und dort auch die Reformkräfte zu bündeln, einen Staatsbeauftragten zu ernennen, dort auch quer zu den Ministern und Ministerinnen durchzugreifen, um eine Reform tatsächlich überall von der Spitze weg gerecht, transparent und erfolgreich durchzusetzen.

Der Schritt, den Sie jetzt machen, ist ein Rückfall in das, was ursprünglich da war, ohne dass ich von irgendjemandem landesweite Kritik an vor drei Jahren gefundenen Lösung gehört habe, ohne dass uns Herr Bartling oder die SPD-Fraktion irgendwie haben erklären können, welcher geheime neue Plan - abgesehen von der Tatsache, dass jetzt jeder wieder machen kann, was er will - hinter der Zersplitterung der Reform steckt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Das neue geflügelte Wort über die Regierung Gabriel, das eigentlich seit dem ersten Tag ihrer Wahl von Ihnen hier im Land einzuführen versucht wird, kehrt sich doch langsam gegen die Erfinder selbst. Die Fraktion hat schon aufgehört, kreativ zu sein, weil Sie ohnehin alles selber machen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Wider- spruch und Zurufe von der SPD: Na, na!)

Ihre Ministerinnen und Minister treiben Sie doch auch in die innere Kündigung dadurch, dass Sie Ihren Apparat immer mehr aufblähen, um ihnen, egal, wo sie sich gerade befinden, ob nun beim Friseur oder im Ministerium, immer wieder einmal einen neuen Einfall aus Ihrem Hause schicken zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass Sie tatsächlich nicht begreifen oder jedenfalls so tun, als würden Sie nicht begreifen, dass all das, was wir aufgezählt haben, Gift für jeden Reformprozess ist, zeigt, dass die SPD-Fraktion und die Landesregierung wirklich nicht fähig sind, so einen Prozess mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortlich durchzuführen; denn nur dann, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon ausgehen können, dass es Ihnen wirklich ernst damit ist, überall in der Landesverwaltung mit der gleichen Elle zu messen, überall in der Landesver

waltung den gleichen Druck zu machen mit dem Ziel, Hierarchien abzuflachen und sozusagen gemeinsam den Gürtel enger zu schnallen, werden Ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Gefallen tun, bei dem Reformprozess mitzumachen.

Bei der Art und Weise, in der Herr Gabriel das durchführt, wird sich kein anderer bemüßigt fühlen, bei diesem Prozess mitzumachen. Kein anderer wird Ihnen, Herr Bartling, noch glauben, dass Sie es mit der Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst meinen, wenn die Personalvertretung schon zu dem Mittel der Klage greifen muss, um ihre Mindestinteressenvertretung sicherstellen zu können.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Minister Bartling hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Minister!

(Decker [CDU]: Wo ist denn der Eu- ropaminister? Interessiert ihn das nicht?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne noch ein paar wenige Aspekte hinzufügen, um deutlich zu machen, dass Herr Wulff von Dingen redet, von denen er anscheinend gar keine Ahnung hat. Zunächst möchte ich aber gern Herrn Möhrmanns Frage, warum gerade Herr Wulff so viel Herzblut in diesen Antrag legt, beantworten. Herr Möhrmann, ich habe den Eindruck, da wird die Koalitionsverhandlung zwischen Herrn Laurenz Meyer und Jürgen Trittin im Jahre 2014 vorbereitet. Das könnte ich mir durchaus vorstellen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dahin werden wahrscheinlich Herr Möllring und Herr Golibrzuch gehen, um sich zu erkundigen, wie so etwas läuft. Das ist meine Vermutung.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ach, deshalb haben Sie das vorhin zur Sudelnum- mer gemacht!)

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt gern etwas zu der Frage sagen, was „ins eigene Fleisch

schneiden“ bedeutet. Herr Wulff, Sie nehmen anscheinend nicht zur Kenntnis, dass das Personal in den obersten Landesbehörden, d. h. in den Ministerien, von ungefähr 3 200 auf 2 500 Mitarbeiter abgebaut wurde

(Möllring [CDU]: Wo denn?)