b) Schröders Zusage ist nichts wert - Gabriel bleibt auf CASTOR-Transportkosten sitzen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2482
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende April 2001 soll Bundeskanzler Schröder im Zusammenhang mit den CASTORTransportkosten an Ministerpräsident Gabriel geschrieben haben: „Sie können gewiss sein, dass ich um die besonderen Belastungen, sowohl die politischen wie auch die kostenmäßigen weiß, die sich aus der Rolle des Landes bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen ergeben.“ Der Bund wolle, so die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 27. April 2001, auf 10 Millionen DM an Kosten verzichten, die beim Einsatz des Bundesgrenzschutzes beim CASTOR-Transport entstanden sind. Dementsprechend hieß es nach einem Gespräch von Gabriel und Trittin, dass der Bund etwa ein Drittel der Kosten tragen werde. Die anderen Bundesländer - so der Kanzler - sollten ebenfalls 10 Millionen DM aufbringen, sodass Niedersachsen ebenfalls nur 10 Millionen DM für den Polizeieinsatz zu bezahlen hätte. Für Gabriel sei das Ergebnis, so die Presse weiter, durchaus Anlass, sich für erfolgreich zu halten.
Nach den Berechnungen des Innenministeriums belaufen sich aber die einsatzbedingten Mehrkosten des Bundesgrenzschutzes lediglich auf 2,6 Millionen DM, sodass sich der Beitrag des Bundes nur auf diese vorgenannte Summe beschränkt. Dies ist aber nur ein Bruchteil der jetzt zuletzt geschätzten Kosten von insgesamt 40 Millionen DM für den CASTOR-Transport.
1. Aufgrund welcher Erkenntnisse ist der Ministerpräsident zu dem Schluss gekommen, dass der Bund tatsächlich ein Drittel der Kosten übernehmen werde?
2. Wie hat die Landesregierung auf die nicht eingehaltene Zusage der Bundesregierung, ein Drittel der Kosten übernehmen zu wollen, reagiert?
3. Welche Zusagen hat die Landesregierung von anderen Bundesländer, sich an diesem CASTORTransport und an künftigen Transporten finanziell zu beteiligen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rücktransport der Glaskokillen erfüllt eine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesregierung gegenüber Frankreich. Niedersachsen nimmt insoweit mit der Sicherung und damit Realisierung der Transporte eine gesamtstaatliche Aufgabe für die Bundesrepublik wahr. Die besondere Belastung wird auch dadurch deutlich, dass nach der Atomkonsens-Vereinbarung die Transporte abgebrannter Brennelemente innerhalb Deutschlands und zur Wiederaufbereitung deutlich reduziert, die Glaskokillentransporte nach Gorleben dagegen über viele Jahre verstärkt durchgeführt werden sollen. Mit der Hauptlast der CASTOR-Transporte, dem Transportbehälterlager Gorleben und den weiteren Atomanlagen wie der Pilot-Konditionierungsanlage und Schacht Konrad leistet Niedersachsen damit bundesweit ein Sonderopfer.
Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie aufgrund der Verpflichtungen gegenüber Frankreich weitere Transporte zwingend für erforderlich hält. Es ist nicht auszuschließen, dass Frankreich die Entgegennahme abgebrannter Brennelemente aus deutschen Kernkraftwerken weiterhin von der Fortführung der Rücknahme der Glaskokillen abhängig macht.
Niedersachsen handelt mit der Durchführung weiterer Transporte sowohl im Interesse des Bundes als auch im Interesse der Länder, insbesondere auch der unionsregierten süddeutschen Länder,
die im Hinblick auf eigene Kernkraftwerksstandorte oder auch den Aspekt der Entbehrlichkeit innerdeutscher Transporte von der ungehinderten Fortführung der Wiederaufbereitungstransporte profitieren. Es geht um eine Aufgabe von bundesweiter, von nationaler Bedeutung. Niedersachsen hat bislang die Hauptlast dieser nationalen Aufgabe getragen. Die Landesregierung hält es deshalb unter Berücksichtigung der genannten Gesichts
punkte für erforderlich, dass der Bund und die anderen Länder einen finanziellen Beitrag zu den CASTOR-Kosten erbringen. Das ist, soweit bekannt, auch Ansicht der Opposition hier im Landtag.
Ziel der Landesregierung ist es, meine Damen und Herren, eine Drittelung der Gesamtkosten zwischen dem Bund, Niedersachsen und den anderen Ländern zu erreichen. Nach Auffassung der Landesregierung würde das einer fairen und gerechten Lastenverteilung entsprechen. Ministerpräsident Gabriel hat in diesem Sinne mit dem Bundeskanzler ein Gespräch geführt und dabei einen Standpunkt vertreten, wie er von Niedersachsen bereits aus Anlass der Kosten für die in den Jahren 1995 bis 1997 durchgeführten CASTOR-Transporte in den Bund-Länder-Gesprächen vorgetragen wurde. Damals war der Niedersächsischen Landesregierung und damit auch der niedersächsischen Initiative leider kein Erfolg vergönnt. Sie wissen, dass die damalige Bundesregierung noch von einer anderen Partei geführt wurde. Die jetzt gegebenen Zusagen des Bundeskanzlers gegenüber dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten sind nicht nur zu begrüßen, sie sind vor allem im Gegensatz zu der im Tenor der Anfrage vertretenen Auffassung und vor allem im Vergleich zu der Haltung der seinerzeitigen CDU-geführten Bundesregierung von erheblichem Wert.
Erstens. Der Bundeskanzler hat anerkannt und festgestellt, dass Niedersachsen sowohl politisch als auch kostenmäßig mit der Rückführung der Glaskokillen besondere Belastungen hat und dass Niedersachsen diese Belastungen bisher allein trägt.
Zweitens. Der Bundeskanzler hat anerkannt, dass der Wunsch Niedersachsens nach einer gerechten Kostenverteilung ein berechtigtes Anliegen ist.
Drittens. Der Bundeskanzler hat erklärt, dass der Bund seinen Anspruch auf die Erstattung von einsatzbedingten Mehrkosten nicht geltend macht.
Das ist gegenüber der bisherigen Haltung der Bundesregierung aus unserer Sicht ein enormer Fortschritt, und es wäre gut - aus meiner Sicht jedenfalls -, wenn die Länder dem Beispiel des Bundes folgten. Die CDU-Fraktion wäre wohl besser beraten, bei ihren Parteifreunden in den CDU-geführten Ländern, insbesondere südlich des Mains, für eine solche Kostenbeteiligung zu werben und dafür einzutreten, als hier aus, wie ich
sage, taktischen Gründen die bisher erzielten Ergebnisse schlechtzureden. Meine Damen und Herren, Sie haben es in der Vergangenheit offenbar nicht geschafft, die damalige Bundesregierung zu irgend einer Zusage oder zu einem Kostenverzicht zu bewegen. Hätte eine solche Regelung schon früher bestanden, hätte Niedersachsen eine erheblich geringere Belastung zu tragen gehabt. Schon von daher erscheint mir die Beurteilung des Kanzlerbriefes durch Sie abwegig. Das Gegenteil Ihrer Bewertung ist der Fall. Jede Million, die wir an Erstattung an Bund und Länder nicht zahlen müssen, entlastet unseren Haushalt.
Der Bundeskanzler geht in seinem Schreiben davon aus, dass die Länder dem Beispiel des Bundes folgen, und hat die Unterstützung durch die Bundesregierung in diesem, wie es der Bundeskanzler ausdrücklich bezeichnet hat, berechtigten Anliegen des Landes zugesagt. Daran ist jetzt anzuknüpfen. Auf der Innenministerkonferenz in der vergangenen Woche in Schierke bzw. auf dem Brocken habe ich das Anliegen des Landes bereits vorgebracht. Weitere Gespräche und Verhandlungen darüber werden folgen. Ich will nicht verschweigen, dass ich dort bei dem Vorbringen dieses Anliegens nicht sehr erfolgreich war. Der Ministerpräsident hat in diesen Tagen, anknüpfend an die Ergebnisse des Gespräches mit dem Bundeskanzler, ein Schreiben an die Ministerpräsidenten der anderen Länder gerichtet und angekündigt, diese Thematik im Rahmen der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz zu erörtern. Schon in der nächsten Woche werde ich im Auftrage des Ministerpräsidenten weitere Gespräche im Kanzleramt mit Herrn Steinmeier zu dem Thema führen.
In dem Brief des Bundeskanzlers ist bewusst auf die Benennung eines Betrages verzichtet worden. Zum Zeitpunkt des dem Brief vorangegangenen Gesprächs zwischen dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler lagen noch keine hinreichend genauen Erkenntnisse über die entstandenen Kosten und ihre Verteilung vor. Insoweit wäre es nicht sinnvoll gewesen, bereits einen Betrag oder einen Kostenanteil festzuschreiben. Dazu muss man wissen, meine Damen und Herren, dass die Kosten und die Kostenstrukturen naturgemäß vom konkreten Verlauf des Polizeieinsatzes abhängig sind. Sie können insoweit stark schwanken und sind auch nur bedingt planbar. Bis weit in den April hinein haben wir uns weitgehend nur auf die Erfahrungen des Transportes im Jahre 1997 stützen können. Bis heute liegen keine Erstattungsforderungen der anderen Länder, also
Kostenabrechnungen, vor. Die Bezirksregierung Lüneburg hat auf der Basis der bekannten Personalstärken und Einsatzzeiten in einer ersten überschlägigen Berechnung erst vor wenigen Tagen ermitteln können, dass der Erstattungsanspruch des Bundes bei ca. 2,6 Millionen DM gelegen hat. Dabei sind noch einzelne Positionen, z. B. der Einsatz von Hubschraubern, vernachlässigt worden. 2,6 Millionen DM sind gegenüber den Kosten aus dem Jahre 1997, nämlich rund 2,1 Millionen DM, eine relativ geringe Steigerung. Der Grund dafür ist der gegenüber 1997 geringere Einsatzzeitraum, in dem die Kräfte des Bundesgrenzschutzes der niedersächsischen Landespolizei unterstellt waren. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Transport auf der Schiene endet und der Straßentransport beginnt. Bis zur Unterstellung seiner Kräfte trägt der Bund seine Kosten ohnehin selbst. Das hat etwas mit der Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bundesgrenzschutz einerseits und Landespolizei andererseits zu tun.
Hätte der Straßentransport, meine Damen und Herren, der ja recht reibungslos und zügig durchgeführt werden konnte, annähernd die Probleme bereitet, die noch 1997 aufgetreten sind, würden wir jetzt über ganz andere Beträge reden müssen. Das zur Begründung, warum diese Beträge bis zur Endabrechnung noch nicht im Einzelnen feststellbar sind.
Meine Damen und Herren, als Ergebnis ist festzuhalten, dass der Bundeskanzler die Sonderlast Niedersachsens bei der Bewältigung der CASTOR-Transporte anerkannt hat und dass über die weitere Kostenverteilung noch Gespräche mit Bund und Ländern geführt werden.
Zu Frage 1: Der Schluss des Ministerpräsidenten entsprach, wie ich eben in den Vorbemerkungen dargestellt habe, dem damaligen Kenntnisstand.
Zu Frage 2: Wie in den Vorbemerkungen dargestellt, hat der Bund keine Zusage gegeben, einen bestimmten Prozentsatz der Kosten zu übernehmen. Er hat jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Kostenentlastung geleistet und vor allem ein Zeichen und ein Beispiel für die anderen Länder gesetzt. Die Landesregierung wird, wie beabsichtigt, weitere Gespräche und Verhandlungen führen. Statt sich, meine Damen und Herren, mit der Landesregierung zu reiben, wäre ein gemeinsames
Herr Minister, bei der Schilderung der Ausgangsbasis haben Sie in Ihrer Antwort die Behauptung aufgestellt, dass Niedersachsen ein Sonderopfer erbringe. Dies haben Sie damit begründet, dass wohl unter anderem die PKA in Gorleben und Schacht Konrad auf Niedersachsen zukämen. Muss ich diese Antwort dahin gehend interpretieren, dass Sie davon ausgehen, dass es, wie bei der PKA, auch zu einer Genehmigung und Inbetriebnahme von Schacht Konrad kommen wird?
Das müssen Sie nicht nur nicht annehmen, sondern das dürfen Sie auch nicht annehmen, Herr Schwarzenholz. Ich habe dies nur deshalb im Zusammenhang genannt, um deutlich zu machen, dass Niedersachsen besondere Belastungen trägt. Es ging mir insbesondere darum, das miteinander zu verbinden, und zwar auch mit den CASTORTransporten, die in der Gesamtdarstellung eine besondere Belastung für Niedersachsen darstellen. Deswegen habe ich die anderen Dinge nicht ausgeschlossen. Aber solche Schlussfolgerungen dürfen Sie daraus nicht ziehen.
Herr Minister, ich komme auf die Kosten zurück. Welche Kosten entfallen anteilmäßig auf den Einsatz der Polizei und des Bundesgrenzschutzes?
Herr Coenen, ich verweise auf meine Antwort von eben. Die Größenordnung richtet sich je nach der Einsatzsituation. Wir können das im Einzelnen nur im Nachhinein, also für bereits durchgeführte Transporte, genau berechnen. Das lässt sich nicht von vornherein sagen. Denn - das schilderte ich bereits - würde der Transport, insbesondere auf der Straße, stark behindert, dann wäre natürlich der Einsatz von Landespolizeikräften wesentlich stärker. Damit würde der Kostenanteil steigen. Wenn es z. B., wie es in Gorleben passiert ist, stärkere Einsätze durch luftbewegliche Teile des Bundesgrenzschutzes gäbe, dann kämen dadurch höhere Kosten auf uns zu. Insoweit ist im Moment eine genaue Bezifferung nicht möglich. Die Zusatzkosten des Bundes in Höhe von 2,6 Millionen DM - diesen Betrag habe ich Ihnen eben schon genannt - sind der Betrag, den ich für den letzten Einsatz ungefähr beziffern kann. Aber auch dieser ist noch nicht endgültig.
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass es beim Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem Ministerpräsidenten nicht um konkrete Zahlen gegangen ist. Wie erklären Sie sich dann, dass sich laut Presseveröffentlichungen der Ministerpräsident für die Übernahme der Kosten in Höhe von einem Drittel ausdrücklich bedankt hat, und wie ist die Reaktion des Ministerpräsidenten, nachdem dieses nicht eingetreten ist? Ich weiß nicht, wer diese Fragen besser beantworten kann. Vielleicht kann der Ministerpräsident, der ja zurzeit nicht anwesend ist, diese Fragen nachher beantworten.
Herr Schünemann, Sie beziehen sich auf einen Zeitungsartikel, in dem das zum Ausdruck kommt. Dieses Ziel möchten wir gerne erreichen. Wir werden so lange weiterverhandeln, bis wir hoffentlich dieses Ziel erreichet haben. Wir bohren da dicke Bretter. Ich kann Ihnen gerne bei weiteren
Zusatzfragen vortragen, was in den vergangenen Jahrzehnten dazu alles beschlossen worden ist und welche Appelle es gegeben hat. Aber mit dem Bohren dicker Bretter ist man nicht weitergekommen.
- Den Dank an die Bundesregierung will ich nachdrücklich unterstützen, und zwar deshalb, Herr Busemann, weil hier eine völlig neue Situation aufgetreten ist. Es ist das erste Mal, dass der Bund, und zwar durch den Brief des Bundeskanzlers, eine solche Sonderlast anerkennt. Das ist für mich der entscheidende Wert. Ich hoffe, dass wir zu der Zielmarke von einem Drittel kommen. Darum werden wir uns weiterhin bemühen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von 1978 bis 1993 hat es Finanzvereinbarungen zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen für die Erstattung von erhöhten Kosten des Landes Niedersachsen im Zusammenhang mit nuklearen Entsorgungs- oder Versuchsstandorten gegeben. Diese Vereinbarungen hat es zwischen den Regierungen Schmidt und Albrecht, Kohl und Albrecht und bis zum Jahre 1993 Kohl und Schröder/Trittin gegeben. Der Bund hat also damit seine Verantwortung klargemacht.
Ich frage jetzt: Warum geht die Landesregierung nicht auf diesen Standpunkt zurück, und warum nimmt die Landesregierung die Frage des Finanzausgleiches nicht mit in die Bund-LänderFinanzausgleichsverhandlungen hinein? Hier gibt es eine Dauerbelastung.