Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

(Zuruf)

- Eine Wortmeldung von Herrn Inselmann liegt mir nicht vor.

(Inselmann [SPD]: Ich habe die doch abgegeben!)

Frau Steiner, einen Moment. - Ich habe zwei Zettel, einen von Frau Steiner und einen von Frau Zachow. - Herr Inselmann, ich habe den Zettel nicht; er hat sich hier irgendwie atomisiert. - Sind Sie damit einverstanden, dass er zuerst spricht?Bitte schön, Herr Inselmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte sagen: Die unendliche Geschichte vom Streit um den Nationalpark „Wattenmeer“ wird heute zu Ende gebracht. Wir sind stolz darauf, dass es gelungen ist, in dieser Frage einen Kompromiss zwischen den Inselgemeinden, den Küstengemeinden, den Naturschützern und der Politik herzustellen. Das liegt heute als Gesetzentwurf vor. Wir hoffen, dass er in Zukunft halten wird. Alle Beteiligten sind aufgefordert, die vertrauensvolle Arbeit fortzusetzen, die begonnen worden ist.

Sie kennen alle die Vorgeschichte; ich will sie deswegen nicht ausführlich wiederholen. Es ist

schon bei der Einbringung dargestellt worden: Die Verordnung wurde umgewandelt in ein Gesetz, danach eine Phase der Konsensgespräche, ein Bericht der Landesregierung, der in ein neues Gesetz umgesetzt worden ist. Dann wurde festgestellt: Wir müssen noch einmal novellieren, um bestimmte berechtigte Forderungen und Interessen der Inselgemeinden und der Küstengemeinden umzusetzen. Das wird heute passieren. - Dies so weit zur Vorgeschichte, meine Damen und Herren.

Ich glaube, dass man, wenn man bilanziert, feststellen kann, dass die Gesetzesberatungen sowohl beim Gesetz über die Region Hannover als auch hier leitbildgerecht waren, weil versucht worden ist, Kompromisse mit den Interessen der verschiedenen Benutzergruppen herzustellen. Dies geschah in umfangreichen Dialogen. Es war nicht ganz einfach. Viele Reisen an die wunderschöne Nordseeküste waren nötig, um diese Gesprächen zu führen.

Ich will auch deutlich sagen: Im Verfahren haben wir eine Menge über die berechtigten Problemlagen der Insel- und Küstengemeinden dazugelernt. Das, was wir dazugelernt haben, haben wir versucht umzusetzen, auch im Konsens mit den Naturschutzverbänden, die wir immer wieder in die Beratung eingebunden haben. Ich glaube, es ist ein Kompromiss entstanden, der tragen wird.

Die Aufgabe war klar: Es musste ein Kompromiss zwischen Naturschutz und den Wirtschafts- und Tourismusinteressen der Insel- und Küstengemeinden gefunden werden. Das Ziel war eine Befriedung der Inseln und eine Akzeptanzsteigerung für den Naturschutz. Das wird meistens vergessen.

Das Ergebnis für den Naturschutz - ich will es kurz bilanzieren - ist eine erhebliche Erweiterung der Nationalparkfläche auf 280 000 Hektar - eine Steigerung um 44 000 Hektar, das sind 19 % -, eine erhebliche Erweiterung der Ruhezone um 43 000 Hektar - das sind die naturschutzfachlich hochwertigen Flächen -, die Zwischenzone ist um 600 Hektar erweitert worden, und die Ruhezone um 200 Hektar. Wir haben wichtige Bereiche wie Borkum Riff und den Rysumer Nacken in den Nationalpark einbeziehen können, wofür ich mich außerordentlich bei meinen ostfriesischen Kollegen, insbesondere bei Hans-Dieter Haase aus Emden, bedanken möchte. Es war nicht ganz einfach für die Emder, sich mit diesem Kompromiss anzufreunden. Aber es ist gelungen, der Rysumer Nacken, seit Jahren Streitpunkt, ist jetzt im National

parkgesetz und wird Ruhezone. Wir haben DorumNeufeld bei Cuxhaven, wir haben einen Zuwachs der Ruhezone auf allen Inseln - auch das, finde ich, ist interessant - erreicht, und wir haben erreichen können, dass wichtige Schutzsicherungen für die Restbestände der Seegraswiesen in das Gesetz eingebaut worden sind, deren Bestände erschreckend zurückgegangen sind. Und auch der Schutz der Sandkoralle ist neu aufgenommen worden. Schließlich ist in der Ruhezone eine Einschränkung der Jagd auf dem Festland auf Wasserwild erreicht worden. Auch das ist ein Kompromiss, ein wichtiges Ergebnis.

Für die Inseln haben wir festzustellen: Die Ortslagen, Landeplätze, Kläranlagen und Strände und andere touristisch intensiv genutzte Bereiche, wie etwa Wege zu den Stränden etc., sind herausgenommen worden. Eine wesentliche Forderung der Inseln ist damit erfüllt worden. Flächen für zusätzliche kommunale Freizeitaktivitäten sind herausgenommen worden. Das liegt künftig in der kommunalen Planungshoheit. Ich will hier ganz deutlich sagen: Wir haben gesichert, dass künftig auf den Inseln - das sage ich auch als Kommunalpolitiker - nicht mehr von irgendwelchen Zentralen ich will gar nicht sagen von Naturschutzverbänden oder anderen Interessengruppen - über die kommunalen Belange von Insel- oder Küstengemeinden entschieden wird, sondern diese tragen selbst die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Das ist jetzt gesichert worden, und ich finde, es ist wichtig, dass wir das erreicht haben. Das schafft Vertrauen, setzt aber auch Verantwortungsbereitschaft vor Ort voraus. Wir haben feststellen können, dass die vorhanden ist. Deshalb ist es so in das Gesetz hineingekommen.

Wir haben zusätzlich einen eigenen Paragrafen für die wirtschaftliche Entwicklung der Inselgemeinden in das Gesetz aufgenommen, und wir haben die Erweiterung der kommunalen Mitwirkungsund Beteiligungsmöglichkeiten im Gesetz durchgesetzt. Zukünftig gibt es immer die Benehmensherstellung. Über die Köpfe der Insel- und Küstengemeinden hinweg wird nichts mehr entschieden, meine Damen und Herren!

Wir haben im Beratungsverfahren eine enge Abstimmung mit den Inseln erreicht. Ich glaube, wir haben Vertrauen aufbauen können. Die Karten sind jeweils ausgetauscht worden. Ich weiß, dass es am

Schluss noch einen Fehler gegeben hat; den wird der Minister noch erklären. In über 50 Gesprächen mit den Inseln und in einem Controllingverfahren, dass sehr aufwändig war, wurden jeweils die entsprechenden Veränderungen gegengecheckt, und die Inseln haben dann ihr Okay gegeben. Deshalb sind die Karten auch richtig gezeichnet worden. Bei den Koordinaten gab es Fehler; der Minister wird das noch erklären.

Letzte Bemerkung zum Thema FFH. Es ist bereits im Januar in den Konsensgespräche mit den Inseln erreicht worden, das Thema FFH aufzunehmen. Nachdem klar war, wie das Verfahren abzulaufen hat, und auch die Termine feststanden, haben wir erneut im April die Inselgemeinden zu einem Gespräch nach Oldenburg eingeladen, um das Thema FFH nun in einem konkreten Verfahren zu erörtern und einer Lösung zuzuführen. Dort in dieser Konferenz in Oldenburg ist Einvernehmen darüber erreicht worden, wie das Verfahren aussehen soll, und auch darüber, wie gesichert werden soll, dass die berechtigten Interessenlagen der Insel- und Küstengemeinden zum Thema FFH umgesetzt und durchgesetzt werden können. Es gibt auch die Zusage des Ministers, der in einem Brief an Frau Pruin deutlich gesagt hat, dass er dieses Verfahren unterstützt. Es gibt die Zusage der Regierungsfraktion. Es gibt nun als Kompromiss auch noch den Entschließungsantrag zum Thema FFH, den wir nachher verabschieden werden, der noch einmal einen konkreten Auftrag beinhaltet und sichert, dass dies auch so stattfindet.

Ich will zum Schluss Dank sagen an alle, die dieses Verfahren konstruktiv begleitet haben, z. B. an das Umweltministerium, das sehr viel leisten und zuarbeiten musste.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es ist nötig, dass man das auch einmal anerkennt. Danke an Herrn Davidsohn, an Herrn Jörn, an Herrn Hilke und Herrn Dube. Aber ich will vor allen Dingen auch Dank sagen an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, der uns konstruktiv beraten hat,

(Beifall im ganzen Hause)

an die Nationalparkverwaltung mit Frau Remmers, die geholfen hat, einen Konsens zu finden, an die Landtagsverwaltung. Einen besonderen Dank will ich an dieser Stelle meinen ostfriesischen Landtagskollegen aussprechen, angefangen bei Herrn Collmann über Herrn Haase, Herrn Pickel, Herrn

Peters und Frau Evers-Meyer, die gemeinsam erreicht haben, dass wir die Kompromisse konstruktiv umsetzen konnten.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ich glaube, die SPD hat zu viel Redezeit!)

Besonders Herrn Collmann will ich ausdrücklich erwähnen. Er hat anders als andere sehr geschickt immer wieder die Interessenlagen der Küsten- und Inselgemeinden eingebracht und hat dafür gesorgt,

(Frau Harms [GRÜNE]: Haben Sie auch noch etwas in der Sache zu sa- gen, Herr Inselmann? - Zurufe von der CDU)

dass Kompromisse entwickelt worden sind.

(Zuruf von Frau Pruin [CDU] und weitere Zurufe von der CDU)

Ich danke ihm dafür, dass er uns Umweltpolitikern gegenüber das Vertrauen aufgebracht hat, dass wir diesen Konsens finden werden.

(Fischer [CDU]: Herr Inselmann, Sie sollten auch Frau Pruin erwähnen!)

- Ich kann ja verstehen, meine Damen und Herren, dass Sie das ärgert. Aber ich will mich ausdrücklich für die konstruktive Mitarbeit bedanken.

Ein Wort noch zu den Kritikern dieses Gesetzes. Wir haben mit diesem Gesetz mehr für die Akzeptanz für den Naturschutz getan als alle Werbebroschüren des WWF. Wir haben mit diesem Gesetz erreicht, dass die Inseln zukünftig mit dem Gütesiegel „Nationalpark“ werben werden. Sie werden ihr Verhältnis zum Nationalpark befrieden, sie werden sich damit versöhnen. Wir werden erreichen, dass insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region vorangebracht wird. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Steiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Inselmann, wenn jemand so marktschreierisch auftritt, wie Sie es uns gerade vorgeführt haben,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

dann muss an dem Produkt etwas faul sein. Sonst müsste man es nicht in dieser Art anpreisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist der Endpunkt einer Entwicklung, die Sie vor zwei Jahren mit der Ankündigung eingeleitet haben, das Gesetz, das wir gerade im Landtag beschlossen hatten, wieder zu novellieren. Was wir damals Schlimmes geahnt haben, ist jetzt durch Ihre Verfahrensweise noch übertroffen worden. Im Wochenabstand sind immer längere Listen mit Änderungswünschen der Inselgemeinden eingetroffen, und sie sind von Ihrer Fraktion, Herr Inselmann, bis zum bitteren Ende im Gesetzentwurf abgearbeitet worden. Von jeder ihrer zig Reisen sind die Vertreter Ihrer Fraktion mit neuen Änderungsvorschlägen zurückgekehrt, die auch flugs in den Gesetzentwurf eingearbeitet worden sind.

(Inselmann [SPD]: Vielen Dank!)

Das Verfahren glich zeitweise mehr einer Pokerrunde als einem Gesetzgebungsverfahren.

(Frau Janssen Kucz [GRÜNE]: Nur das Bluffen war nicht gekonnt!)

Die SPD-Fraktion wollte die Rücknahme der Klagen der Inselgemeinden vor der Kommunalwahl, die Inselgemeinden haben hoch gepokert für die Ausweitung der touristischen Nutzung des Nationalparkes und haben gewonnen. Verloren hat der Nationalpark!

(Beifall bei den GRÜNEN - Insel- mann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das Nationalparkgesetz ist zum Nationalparkausnahmegesetz geworden.

(Inselmann [SPD]) : Ihr seid nur sauer, dass ihr nicht dabei wart!)

Es ist überhaupt kein Wunder, dass sich bei diesem Veränderungsmarathon unter hohem Zeitdruck, den Sie produziert haben, Fehler in der Koordinatendarstellung eingeschlichen haben. Wenn die SPD-Fraktion immer neue Überarbeitungen der Karten verlangt, und zwar mit dem Auftrag sofort und von heute auf gestern, dann müssen Sie sich auch die Verantwortung für die Fehler, die passiert

sind, anrechnen lassen. Diese peinliche Panne wäre vermeidbar gewesen.