Schon jetzt finde ich es problematisch für Menschen mit jenen Behinderungen, die mittels PID ausgeschlossen werden sollen und als Argument für PID angeführt werden. Wie fühlt sich ein an Mukoviszidose erkrankter Mensch, wenn er hört, dass er mithilfe von PID nicht geboren worden wäre, weil diese Krankheit angeblich ein lebenswertes Leben unmöglich macht?
Es stellt sich für mich aber auch die Frage - Frau Kollegin Pothmer hat dies auch angesprochen -, ob nicht derjenige, der die Abtreibung kranker Föten erlaubt, auch die PID zulassen müsste. Der Mensch hat eine neue Dimension erreicht. In der Gentechnik geht es nicht mehr nur um technologischen Fortschritt und dessen Chancen und Risiken für Mensch und Umwelt. Der Mensch scheint fähig, sich selbst nach eigenen Wünschen zu schaffen. Das ängstigt die Menschen. Niemand kann heute sagen, wohin eine solche Entwicklung unserer Gesellschaft führt.
Wo führt es aber unsere Gesellschaft hin, wenn wir uns diesen technologischen Entwicklungen verschließen? Wirtschaftliches Wachstum, das internationale Mithalten in Forschung und Technik, Arbeitsplätze, Wohlstand und Fortschritt sind ebenfalls gesellschaftliche Aspekte, die etwas mit ethischer Verpflichtung zu tun haben. Darf der Mensch alles, weil er es kann? Welcher von den vielen gehbaren Wegen ist der Richtige oder zumindest gut? Was müssen wir tun, was dürfen wir keinesfalls?
Ich finde, die eindeutige Beantwortung dieser Fragen ist sehr schwer. Gerade deshalb sollten wir in dieser Frage nichts überstürzen. Ich meine, Eile ist nicht angebracht. Die wissenschaftlichen Erkennt
nisse schreiten so schnell voran, dass vielleicht der Eindruck entstehen mag, wir müssten uns beeilen. Auf diesen Druck sollten wir uns aber nicht einlassen. Da es sich hier um eine schwierige und umfassende Thematik handelt, müssen wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, um alle Für und Wider abzuwägen. Es muss in erster Linie darum gehen, einen breiten Konsens quer durch alle Teile der Gesellschaft zu finden. Wir brauchen die öffentliche Diskussion, die sachliche Aufklärung, die keine Fragen offen lassen. - Ich bedanke mich bei Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns, so meine ich, in einer historischen Epoche. Die Dimensionen, die diese Epoche hat, sind schwer zu vermitteln, und es ist auch schwer, das in Worten auszudrücken. Ich fühle mich sehr stark an eine Phase in den 60er-Jahren erinnert, als bei uns über die Medien der Eindruck entwickelt wurde, wir würden einen neuen Menschheitsqualitätssprung erreichen, als die Raumfahrt begann und sich im Zuge der Technik, die sich dort entwickelte, eine Vielzahl von Problemen scheinbar löste.
Heute habe ich ein bisschen das Gefühl, dass die Teflonpfanne geblieben ist, dass aber viele Erwartungen keine entsprechende reale Basis hatten. Das war eine kleine Revolution. In der Sowjetunion sind damals in dem Wahn, man könne alles regeln, alles sei machbar, Pläne dafür aufgestellt worden, wie man das Wetter regelt, wie man alle möglichen Zusammenhänge im naturwissenschaftlichen Bereich dazu nutzen könnte, Produktionsfortschritte zu erzielen. Alle diese Pläne haben keine Basis gehabt.
Jetzt aber passiert etwas, was eine Basis hat, jetzt passiert etwas, was den Menschen und alle Beziehungen, in denen wir leben, grundsätzlich umgestalten will und wird, und wir sind in einer Situation, in der die politische Kaste insgesamt hinterherrennt. Ich meine, das kann auch gar nicht anders sein, weil die revolutionären Auswirkungen dessen, was technologisch jetzt passiert, kaum zu fas
sen sind. Es sind aber Tendenzen erkennbar, auf die man meiner Ansicht nach politisch jetzt bereits reagieren kann.
Es gibt meiner Ansicht nach trotz der Notwendigkeit, eine relativ offene Debatte über Chancen und Risiken zu führen, in der wirklich ein genauer Abwägungsprozess ablaufen muss, kurzfristige Regelungsnotwendigkeiten und Handlungsnotwendigkeiten. Diese sind nach meinem Gefühl vor allem daraus herzuleiten, dass sich - dies nicht etwa politisch von irgendjemanden herbeigeführt eine latente neue Rassismusgefahr zu entwickeln beginnt. Diesen Rassismus verstehe ich wie folgt:
Die Chancen, die Heilungsmöglichkeiten, die Sigmar Gabriel eben geschildert und positiv bewertet hat - dies teile ich übrigens -, werden zum Teil so übersteigert und so in ein neues Menschenbild hineingeführt, dass sich daraus eine Art Wertigkeit ergibt, d. h. dass Eltern, die etwa nicht dafür sorgen, dass ihre Kinder den Normen, die möglich sind, entsprechen, plötzlich in die moralische Situation getrieben werden, gegenüber ihren Kindern ein Verbrechen begangen zu haben. Ein Menschenbild, das die Nationalsozialisten in ihrer Perversion entwickelt haben, nämlich perfekte Menschen, eine ideale, gesunde Rasse mit allen möglichen Anforderungen, das schleicht sich, ohne dass jemand das bewusst betriebe, langsam ein. Plötzlich gibt es so etwas wie einen idealen Einheitsmenschen. Dieses Bild könnte sich in einem gesellschaftlichen Prozess, der möglicherweise sehr lange dauert, realisieren: Die Kinder werden bestellt, es wird eingestellt, welche Eigenschaften die Kinder haben sollen. Solche Dinge sind ja nicht mehr fern der Realität. Wenn wir das alles ermöglichen, dann bekommen wir eine Situation, in der tatsächlich eine Form von Rassismus bei uns Einzug hält und die dann nicht mehr zu steuern ist.
Ich meine also, dass es Regelungsnotwendigkeiten gibt. Das Erste, was wir tun müssen - ich fand das in der Bundestagsdebatte sehr spannend -, ist, etwa so etwas wie ein umfassendes gesellschaftliches Verbot der Diskriminierung Behinderter einzuführen, und zwar, wie ich meine, auch ins Grundgesetz. Parallel dazu muss, wie das heute schon angeklungen ist, eine Debatte geführt werden, durch die sichergestellt wird, und zwar auch rechtlich, dass jede Form von Diskriminierung gegenüber nicht normierten Menschen ausgeschlossen wird. Was sich jetzt schon im Versicherungssektor und im Bereich der Einstellung von Menschen auf Arbeitsplätze anbahnt, nämlich dass das Versiche
rungsrisiko bzw. bestimmte Verwendungen der Menschen entsprechend ihrer genetischen Veranlagung festgelegt werden, all das gehört auf den Index, all das muss geregelt werden, und das ist jetzt regelbar.
Ich meine, wenn wir diese Regelungsmöglichkeiten nutzen, wenn sich die politische Ebene darauf verständigt, hier zügig zu handeln, dann wird auch das, was an positiven Möglichkeiten in der Gentechnik steckt, handelbar sein. Anderenfalls droht uns hier so etwas wie jetzt im Zuge der AidsMedikation mit der Patentierung, die als Gedanke dahintersteckt, d. h. dass wirtschaftliche Interessen das Ganze überborden und dominieren und dass die politische Ebene dann nicht mehr in der Lage sein wird, die ethische Debatte, die hier so eindrucksvoll geführt wird, noch zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir den folgenden Hinweis: Nach dem Debattenbeitrag von Frau Bockmann, der ich jetzt gleich das Wort erteilen werde, werden wir insgesamt neun Beiträge gehört haben und noch etwa eine Dreiviertelstunde Zeit haben. Es ist also denkbar, dass wir die Debatte in der vorgesehenen Zeit bewältigen werden. Vielleicht können Sie überlegen, das eine oder andere, was in der bisherigen Debatte schon gesagt worden ist, nicht allzu breit auszuwalzen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, den Altbundespräsidenten Herzog sinngemäß zu zitieren: Ich weigere mich, einem an Mukoviszidose erkrankten Kind zu erklären, warum der Schutz der Menschenwürde es verbietet, ihm zu helfen. Der Altbundespräsident hat die Problematik auf den Punkt gebracht.
Menschenwürde - ist dies überhaupt noch ein objektiver Wertmaßstab unserer Gesellschaft oder befindet sich dieser Begriff nicht vielmehr in einer Interessenkollision oder in einem Spannungsfeld, eingebettet in unsere Gesellschaft? Es taucht auch die Frage auf, ob sich dieser Begriff in unserer Gesellschaft nicht ständig dynamisch verändert.
Das Bundesverfassungsgericht spricht von Subjektqualität bei der Menschenwürde, sagt aber auch gleichzeitig: Wir stellen keinen positiven Katalog für die Definition auf. Wir stellen nur in abstrakter Form klar, indem wir die Negativmerkmale ausschließen.
Menschenwürde, ist das etwas Objektives? - Ich meine, die Transplantationschirurgie, nicht nur die Diskussion um den § 218, hat tief greifende unterschiedliche Auffassungen zutage gefördert. Diese konträren Auffassungen beruhen aber de facto auf einer Abwägung widerstreitender Rechtsgüter, nämlich der Schutzpflicht des Staates für das werdende Leben im Mutterleib und außerhalb des Mutterleibs einerseits und der Gesundheit, dem Leben, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und der Forschungsfreiheit andererseits. Selbst der Schutz von Ehe und Familie beinhaltet das Recht einer Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit.
Separat gesehen sind diese Rechtsgüter in unserer Gesellschaft unumstritten. Ihre Kombination - oder besser: ihr Aufeinandertreffen - erzeugt Nachdenklichkeit und zwingt dazu, die jeweils als Grundrecht nach der Wertordnung unserer Verfassung höchstrangig geschützten Rechtspositionen zu einem wechselseitigen Ausgleich zu bringen. Patentlösungen hat niemand in der Tasche, weil der Lebensblickwinkel unterschiedlich ist. Dieser Blickwinkel kann begleitet sein von einer persönlichen Lebensbiografie, von der Begeisterung über den medizinischen Fortschritt, von wirtschaftlichen Interessen und von Ängsten - diese sind hier schon angesprochen worden -, etwa dahin gehend, dass die angekündigte Revolution der Medizin ins Uferlose ausarten könnte. Sie, Frau Pawelski, haben von kopierbaren Produkten gesprochen. Diese real existierenden Ängste sollte man nicht unterschätzen, weil sie in Richtung eines gewünschten, scheinbar fehlerfreien Idealkindes gehen; nicht wissenschaftlich ausgedrückt: Ich will kein Kind mit roten Haaren.
Der erste Lösungsansatz sollte deshalb dahin gehen, dass wir in unserer Rechtsordnung Wertungswidersprüche vermeiden. Dies gilt insbesondere bei der Problematik des Schwangerschaftsabbruchs und der PID. Eine widersprüchliche Wertung besteht in meinen Augen z. B. darin, die PID abzulehnen und die Abtreibung zuzulassen, weil man gerade dadurch einer erblich vorbelasteten Frau, der vielleicht schon ein Kind gestorben ist, eine Schwangerschaft auf Probe zumutet, und zwar mit allen psychischen und physischen Belastungen.
Den Embryo weiter heranreifen zu lassen, um ihn dann wegen einer genetischen Krankheit wieder abtreiben zu dürfen, ist für mich ein klassischer Wertungswiderspruch. Er ließe sich dann rechtfertigen, wenn mit der Heranreifung die Chancen auf Leben des Embryos erhöht würden. Das ist jedoch empirisch nicht belegbar.
Man misst daher in unserer Rechtsordnung mit zweierlei Maß, nämlich der potenziellen Mutter bestimmte Informationen vor der Einnistung der Eizelle zu verweigern, Informationen, an die sie nach der Einnistung der Eizelle jederzeit und ohne große Probleme herankommen kann. Diese Informationen sind ja immerhin die Grundlage ihrer Entscheidung über Fortführung oder Abbruch einer Schwangerschaft.
Die Ängste, die in unserer Gesellschaft zum Thema Herstellung eines Idealembryos in vitro bestehen, müssen wir durch eine intensive gesellschaftliche Debatte lösen - und zwar in Anlehnung an den Schwangerschaftsabbruch. Es müssen klare, enge Grenzen aufgezeigt werden. Nur so und nicht anders können wir diesen Ängsten in Bezug auf ein Idealbaby begegnen.
Ein weiterer Wertungswiderspruch unserer Rechtsordnung ist für mich, den Import embryonaler Stammzellen zu gestatten und die Gewinnung dieser Stammzellen hier zu verbieten. Es trifft nicht zu, dass wir hier von einer Gesetzeslücke sprechen. Kluge Juristen begründen dies mit dem Respekt vor der Souveränität anderer Staaten und dem Grundsatz, dass das deutsche Strafrecht sich nur auf inländische Taten beziehen könnte. Aber ist dies nicht ein eklatanter Wertungswiderspruch, wenn wir die verfassungsrechtliche Garantie der Forschungsfreiheit in diesem Falle nicht gewährleisten und durch das ausländische Hintertürchen legal im Ausland hergestellte embryonale Stammzellen für Forschungszwecke verwenden dürfen?
Auf diese zumindest für Laien widersprüchliche Weise werden wir einer gesamtgesellschaftlichen Konsenslösung kein Stück näher kommen. Juristisch formal korrektes Verhalten ist nicht geeignet, die Aufgabe zu lösen, vor der wir stehen. Jeder kann und muss für sich eine Position in den mit der Gentechnik zusammenhängenden vielfältigen Fragen finden. Aufgabe der Politiker und Politikerinnen wird es sein, den gesetzlichen Rahmen zu
Rechtsnormen setzen sich dauerhaft nur in einer Gesellschaft durch, wenn sie nicht im Widerspruch zu den grundlegenden Wertvorstellungen des Einzelnen stehen. Der dafür erforderliche breite gesellschaftliche Konsens, auf den die zu schaffenden gesetzlichen Lösungen letztendlich beruhen müssen, ist nicht durch formaljuristische Taschenspielertricks zu erzeugen. Er kann nur das Ergebnis eines andauernden, offenen gesellschaftlichen Prozesses sein, der zunächst von der Akzeptanz der gerade unterschiedlichen persönlichen Grundentscheidungen geprägt sein muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin davon gesprochen, dass Ursachen für die unterschiedlichen Blickwinkel in unserer Gesellschaft auch persönliche Lebensbiografien sein können. Meine Lebensbiografie beinhaltet, dass ich im engen Familienkreis erlebe, was es bedeutet, auf eine Transplantation zu warten bzw. eine Transplantation durchzuführen. Diese Wartezeit - Sie haben vorhin von der Nierentransplantation gesprochen - ist tatsächlich ein Kampf ums Überleben. Während dieser Zeit tickt die Lebensuhr wesentlich schneller. Wenn das Transplantat gefunden ist, so erscheint dies dem Patienten wie ein Lottogewinn. Tatsächlich ist es aber auch durch hoch dosierte Anti-Abstoßungsmedikamente, durch Angst vor Infektionen etc. ein eingeschränktes Leben.
Deshalb sehe ich gerade für diese Menschen eine riesige Chance durch die neue Forschung, und ich wünsche mir, dass ihr Leben mit einem hohen Maß an Menschenwürde fortgesetzt werden kann.
Ich möchte noch eines hervorheben, was unumgänglich ist. Das Ergebnis eines staatlichen Abwägungsprozesses kann eben nur mit dem schon angesprochenen gesellschaftlichen Konsens erzielt werden. Deshalb ist es gut, dass wir diesen Diskussionsprozess führen. Von daher sollten wir die unterschiedlichen Meinungen nicht als gute oder schlechte Positionen bezeichnen, sondern als das, was sie sind, nämlich individuelle Positionen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich befürchte, dass ich als Naturwissenschaftler und Arzt hier eine andere Position einnehmen muss, als mich auf ethische Probleme zu beschränken, die sicherlich einer Grundentscheidung bedürfen und auch richtig angesprochen worden sind. Es geht auch darum, dass wir die Möglichkeit erhalten, durch die Kenntnis des genetischen Codes eventuell Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen. Das erfordert eine riesige Landkarte von Krankheiten, die bestimmten Genen zugeordnet sind. Es verhält sich nicht immer so, dass ein einzelnes Gen für eine Krankheit verantwortlich ist. Das wäre ja viel zu einfach oder viel zu schön, vielleicht auch viel zu leicht. Nein, es ist eine sehr schwierige Angelegenheit, weil manche Krankheiten an mehreren Stellen zu lokalisieren sind und auch nicht so ganz einfach zu beheben sind, etwa dadurch, dass man einfach das Reagenzglas dreimal schüttelt, und dann ist die Krankheit weg.
Bei dem jetzigen Kenntnisstand der Wissenschaft können wir einfach nur Visionen entwickeln. Die Diskussion auch heute hier erscheint mir in manchen Teilen doch ein klein wenig von Ängsten und natürlich auch von - so sage ich es einmal - Vorurteilen geprägt zu sein, von dem, was da mal entstehen könnte, wie etwa der berühmte Homunculus. Das können wir doch jetzt schon machen; durch das Klonen ist es möglich, identische Zellen, also auch identische Menschen, herzustellen. Das ist ja nun verboten.
Die Diskussion auf die Fragestellung zu reduzieren, dass behindertes Leben entstehen könnte, ist deshalb für mich viel zu kurz gegriffen. Behinderte wird es immer geben, weil nämlich alles - bis hin zur Geburt - nicht so planbar ist, dass Kinder behinderungsfrei zur Welt kommen könnten. Das ist gar nicht möglich. Selbst ein absolut gesundes Kind kann sich unter den Geburtswehen die Nabelschnur selber um den Hals wickeln, unter einer Sauerstoffnot, einer Asphyxie, leiden und so geistig behindert zur Welt kommen. Das wird es immer geben. Zu glauben, man könnte dort den absoluten Menschen schaffen, der zwei Meter groß und einen Meter breit ist, nur blonde Haare hat, das halte ich für ein Gespenst; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Mir geht es darum, die Möglichkeiten und Chancen in der Gentechnologie so weit zu eröffnen, dass wir bestimmte schwere Krankheiten - dazu wäre natürlich die PID geeignet; es wird
allerdings die Zeit zeigen müssen, ob sie überhaupt in der Lage ist, diese Krankheiten auf den Chromosomensträngen zu lokalisieren - eventuell gar nicht erst entstehen lassen.
Wir müssen einmal über die Frage reden: Was ist Behinderung? - Ist es wirklich nur das, was wir in klassischem Sinne damit meinen, oder ist z. B. ein an Mukoviszidose erkranktes Kind nicht auch behindert? - Natürlich ist es behindert. Jede schwer wiegende Erkrankung schafft für den Einzelnen eine schwere Behinderung. Natürlich können die verschiedenen Menschen unterschiedlich damit umgehen. Aber selbstverständlich muss es doch Ziel der Wissenschaft sein, Krankheiten, auch Behinderungen, wenn es möglich ist, zu beheben. Das ist doch immer der Ansatz der Medizin gewesen und muss es auch sein.
Denn dann würde ich meinen Auftrag überhaupt nicht mehr verstehen, wenn ich das, was möglich ist, was ich verhindern kann, nicht machen würde. Das ist eine Verweigerung von Therapie, die nach den Erkenntnissen angewendet werden könnte. Es ist ärztlicher Auftrag, Krankheiten zu verhindern, zu heilen und auch Schmerzen zu lindern. Wenn das in einem gewissen Rahmen geht, wo es genetisch determiniert ist, dann muss man diese Chance einfach ergreifen. Wie weit wir nach dem heutigen Stand der Erkenntnis überhaupt noch gehen können und was noch entwickelt wird, das vermag auch ich mir nur als Vision vorzustellen.
Aber ich könnte mir vorstellen, dass man einen Katalog von schwereren Krankheiten erstellen kann, die an bestimmten Chromosomen zu lokalisieren sind, bei denen man sagen kann: Diese Krankheit wird von einer bestimmten Aminosäuresequenz hervorgerufen, und die könnte man unter Umständen beheben. Wie, das wird sicherlich nicht ganz einfach sein.
Das sind ja alles schwierige Eingriffe. Die jetzigen Versuche, bestimmte Chromosomenteile auszutauschen, gelingen nur bei einem verschwindend geringen Teil. Das sind ja alles wirklich Versuchsstadien. Dass das morgen schon angewandte Praxis ist, dass wir morgen schon am Fließband Krankheiten kurieren könnten, wäre vielleicht wünschenswert, aber wird mit Sicherheit nicht eintreten. Deshalb bin ich durchaus positiv eingestellt, was die zukünftige Entwicklung angeht, aber durchaus auch ein wenig pessimistisch, weil ich
Mein Eindruck ist, dass wir jetzt vielleicht etwas vorschnell Dinge herbeireden, dass wir zu viel Gewicht auf nicht begründete Zweifel legen und glauben, in der Wissenschaft würde eine Fehlrichtung eingeschlagen. Wissenschaftler haben durchaus eine Verantwortung, wenn sie danach forschen, welche Krankheiten wo lokalisiert sind, welche Chromosomenapparationen schwere Behinderungen hervorrufen. Natürlich ist es auch richtig, dass man es einer Frau überlässt, ob sie tatsächlich ein schwer behindertes Kind austragen will. Diese Entscheidung hat sie doch jetzt auch schon zu treffen.
Man redet auch etwas doppelzüngig, wenn man den Konflikt erst dann in die Familie hineinträgt, wenn eine Schwangerschaft schon angefangen hat, bis zur zwölften Woche. Wenn man das vorher sehen kann - wie Frau Pothmer sagte, in der Petrischale -, ist es doch auch für die Frau weniger belastend, sich schon dann zu entscheiden, als wenn sie erst eine Schwangerschaft eingeht und, wenn sie sich negativ entscheidet, auch noch Risiken für sich selbst in Kauf nehmen muss.
Das heißt also, wir müssen forschen, wir müssen unbedingt forschen, damit weitere Erkenntnisse gewonnen werden können, die dazu führen, dass wir vielleicht den großen Volkskrankheiten begegnen können. Darin, meine ich, liegt der Kernansatz.