Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

(Starker Beifall bei der CDU - Zu- stimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wenzel hat jetzt ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Wenzel!

(Zuruf)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eineinhalb Monate nach den Ereignissen in New York haben wir in der Bundesrepublik, aber auch weltweit ein völlig verändertes gesellschaftliches Klima. Unsicherheit und Zukunftsangst machen sich breit, auch Tendenzen von Desintegration und Misstrauen. Uns drohen mehr Kontrollen, neue Grenzen und Schranken zwischen Ländern und Menschen.

Aber wir haben die Wahl, weil jede Krise zugleich auch eine Chance in sich birgt. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir das Trennende betonen, oder wollen wir das Verbindende betonen?

Die Antwort ist im Prinzip ganz einfach, aber ich meine, wir müssen besonnen prüfen, welche Maßnahmen das Trennende verstärken und welche Maßnahmen das Verbindende stärken; denn vieles von dem, was im Moment passiert, schiebt sich wie ein Keil zwischen Menschen unterschiedlicher Religion und Abstammung.

Sicherheit heißt auch, meine Damen und Herren, dass wir Kooperation und Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen und Integration stärken müssen, und zwar nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern auch über Ländergrenzen hinweg. Deshalb ist die Einigung Europas ein ganz elementarer Punkt.

Die Integration Osteuropas durch die Erweiterung der Europäischen Union ist das zentrale Integrations- und Friedensprojekt in Europa. Eine gemein

same europäische Verfassung, die allen Bürgerinnen und Bürgern verbriefte Grundrechte garantiert, all das verbirgt sich in der öffentlichen Debatte gemeinhin unter dem Stichwort „Post-NizzaProzess“, ein Begriff, den fast niemand versteht. Ich möchte die Anregung aus dem Ausschuss aufgreifen und meine, dass wir in Zukunft versuchen sollten, diesen Begriff zu vermeiden, und stattdessen von dem reden, um das es wirklich geht.

Wir müssen verbindende Elemente stärken. Das bedeutet aber auch eine neue Verantwortung der Europäer für globale Gerechtigkeit, für humanitäre Hilfe und für Entwicklungszusammenarbeit.

Ministerpräsident Gabriel hat gestern in seiner Regierungserklärung sein Programm zur inneren Sicherheit vorgestellt. 170 Millionen DM will er in den nächsten zwei Jahren bereitstellen, aber leider keine Mark mehr für internationale Kontakte, für Entwicklungszusammenarbeit und für humanitäre Hilfe. Gerade unsere Jugend braucht in dieser Zeit auch Auslandserfahrung, braucht Kontakte, braucht das Gespräch. Ich hoffe, dass im Laufe der Haushaltsberatungen noch eine etwas andere Gewichtung vorgenommen wird. Wäre es beispielsweise vorstellbar, dass wir sagen, wir engagieren uns als Land Niedersachsen für die Neueinrichtung eines SOS-Kinderdorfes in Afghanistan und tragen auch die Unterhaltungskosten? Das ist etwas, was ein Bundesland mit 7,8 Millionen Einwohnern durchaus tragen könnte und tragen müsste. Ich würde mich freuen, wenn wir über eine solche Initiative ins Gespräch kämen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Antrag schlägt einige Pflöcke ein und gibt der Landesregierung Orientierungspunkte für die weitere Beratung im Bundesrat.

Ich komme zum Ende. Weil meine Redezeit nicht ausreicht, sage ich nur noch wenige Sätze.

Ich glaube, dass der wichtigste Punkt für den Rückhalt in der Bevölkerung in Bezug auf die europäische Einigung die weitere Demokratisierung der EU ist. Daran müssen wir alle gemeinsam weiter arbeiten. Ein Völkerrechtler fragte neulich in Göttingen: Ist die EU eine demokratische Institution? - Sie ist es heute nur zum Teil. Deshalb müssen wir daran arbeiten, dass wir eine europäische Regierung und ein EU-Parlament bekommen, die wirklich volle Souveränität haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung zu diesen beiden Anträgen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundesund Europaangelegenheiten in der Drucksache 14/2757 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Möchte jemand dagegen stimmen? - Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Auch das ist nicht der Fall. Somit haben Sie einstimmig beschlossen, meine Damen und Herren.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 26: Einzige (abschließende) Beratung: Benennung der niedersächsischen Mitglieder im Ausschuss der Regionen der EU für die Mandatsperiode 2002 bis 2006 - Antrag der Landesregierung - Drs. 14/2748 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundesund Europaangelegenheiten Drs. 14/2797

Der Antrag der Landesregierung in der Drucksache 2748 wurde am 8. Oktober 2001 an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Beratung abgestimmt wird. Mir liegt jetzt aber eine Wortmeldung von Herrn Wenzel vor. - Ich höre gerade, dass Herr Wenzel seine Wortmeldung zurückgezogen hat. Ich höre auch ansonsten keinen Widerspruch. Daher kommen wir gleich zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Drucksache 2797 und damit dem aus der Drucksache 2748 ersichtlichen Benennungsvorschlag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? Keine. Sie sind damit dem Antrag der Landesregierung gefolgt.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 27: Zweite Beratung: a) Landesregierung hat weitere Wettbewerbsverzerrung für die niedersächsische Landwirtschaft zu verantworten - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1897

b) Land muss Kommunen und Landwirten bei der Tierkörperbeseitigung helfen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2298 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drs. 14/2764 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2801

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 1897 wurde in der 60. Sitzung am 12. Oktober 2000 und der Antrag in der Drucksache 2298 in der 74. Sitzung am 15. März 2001 an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist Herr Kollege Kethorn. Ich gebe ihm jetzt die Gelegenheit, den Bericht zu erstatten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich davon ausgehe, dass die Fraktionen ihre jeweilige Position gleich noch vortragen werden, gebe ich den Bericht zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

(Zu Protokoll:)

Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 14/2764 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Vertreter der CDU-Fraktion, den Entschließungsantrag in der Drucksache 14/1897 in geänderter Fassung anzunehmen und den Entschließungsantrag in der Drucksache 14/2298 abzulehnen.

Die mitberatenden Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für Sozial- und Gesundheitswesen, für

Umweltfragen und für innere Verwaltung schlossen sich der Beschlussempfehlung bei gleichem Abstimmungsverhalten an.

Der Vertreter der Fraktion der CDU verdeutlichte zu Beginn der Ausschussberatungen noch einmal das Ziel der beiden Anträge und des dazu gestellten Änderungsvorschlages seiner Fraktion, der auch im Rahmen der Entschließungsanträge zum Thema BSE mit beraten wurde. Danach habe die Landesregierung zu veranlassen, für die Tierkörperbeseitigung eine Kostenbeteiligung des Landes von einem Drittel vorzusehen.

Durch entsprechende EU-Bestimmungen seien seit dem 1. Oktober 2000 alle über zwölf Monate alten verendeten Rinder, Schafe und Ziegen der Beseitigung als spezifisches Risikomaterial zuzuführen und nicht mehr als Tiermehl zum Zwecke der Verfütterung zu verwerten; seit dem 1. Januar 2001 gelte diese Regelung auch für Rinder, die unter einem Jahr alt seien. Mit dieser Entscheidung habe die EU-Kommission den Mitgliedstaaten eine Spezialentsorgung der als besonders BSErisikobelastet angesehenen Teile von Tierkörpern auferlegt.

Die Landesregierung führte aus, dass die Kosten für die Beseitigung nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz der Tierhalter zu tragen habe. Ein Betrag von 8 Millionen DM sei bereits von der Tierseuchenkasse bereitgestellt worden, um die anfallenden Kosten zunächst zu übernehmen. Aufgrund der starken Zunahme der Beseitigungskosten für das spezifische Risikomaterial, insbesondere durch die Einbeziehung der Jungrinder, seien diese Mittel bereits im April 2001 aufgebraucht gewesen. Daraufhin habe die Tierseuchenkasse ihre Zahlungen mit der Folge eingestellt, dass die Tierhalter die Kosten selbst tragen müssten.

Diese Problematik sei vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Anlass genommen worden, nach einer Kostenregelung zu suchen. Aus Billigkeitsgründen würden 6,2 Millionen DM überplanmäßig zur Verfügung gestellt. Mit der Tierseuchenkasse sei das Ministerium übereingekommen, dass sie zunächst die anfallenden Kosten zu 100 % erstatte und dann, wie allgemein üblich, 50 % vom Land zurückerhalte.

Nach Schätzungen des Landes belaufe sich das Kostenvolumen für die Tierkörperbeseitigung auf etwa 22 Millionen DM insgesamt, von denen be

reits 9 Millionen DM verbraucht worden seien. Von den noch verbleibenden 13 Millionen DM würden vom Land 50 % übernommen werden. Bei einem weiteren Anstieg der Kosten sei der Differenzbetrag gegebenenfalls noch einmal überplanmäßig zur Verfügung zu stellen.

Bezüglich der Defizite bei der Beseitigung von Tierkörpern, die nicht zum spezifischen Risikomaterial zählten, müssten die Kosten künftig zu zwei Dritteln von den Landkreisen und kreisfreien Städten und zu einem Drittel von der Tierseuchenkasse übernommen werden.

Der Vertreter der Fraktion der SPD wies darauf hin, dass sich der Landtag mehrfach mit dieser Thematik auseinander gesetzt habe. Seine Fraktion habe angekündigt, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes zu helfen. Dies verdeutliche auch der Änderungsvorschlag seiner Fraktion zu den beiden Anträgen der CDU-Fraktion. Für die Jahre 2002/2003 sollten zwecks einvernehmlicher Regelung die Gespräche mit dem Bund und der Europäischen Union weitergeführt werden. Seines Erachtens hätten sich mittlerweile die Anträge der CDU-Fraktion erledigt; er schlage daher vor, die beiden Entschließungsanträge zurückzuziehen.

Der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte die zusätzliche Bereitstellung von Mitteln durch das Land. Er gab jedoch zu bedenken, dass die anfallenden Ausgaben für die Tierkörperbeseitigung einen Kostenfaktor der Tierhaltung wie jeder andere auch darstellten und insofern eigentlich als Unternehmensrisiko vom Tierhalter zu tragen seien.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 14/2764 zuzustimmen.

Danke schön, Herr Kollege Kethorn. - Dann hat sofort Herr Kollege Ehlen das Wort.

(Zuruf von der SPD: Er kann seine Rede doch auch zu Protokoll geben!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt elf Monate her, seit der erste BSEFall in der Bundesrepublik Deutschland aufgetreten bzw. entdeckt worden ist. Es sind elf Monate

ins Land gegangen mit einer verheerenden Wirkung in der Rindvieh haltenden Landwirtschaft. Gut zehn Monate wird nun in Kommissionen diskutiert. Bund und Länder beraten, wie man helfen kann, um die Lasten, die bei den Produzenten von Rindfleisch und Schaffleisch aufgetreten sind, so zu gestalten, dass die Betriebe eine Überlebensmöglichkeit haben. Zehn Monate lang wird nun diskutiert und getagt, aber etwas, was wirklich hilft, ist in der Zwischenzeit nicht beschlossen worden bzw. es ist eigentlich nichts passiert. Lediglich das Verbot der Tiermehlverfütterung ist in einem Schnelldurchgang durchgesetzt worden. Anschließend sind diejenigen, die diese Futtermittel, diese einzelnen Futterkomponenten bei sich im Betrieb, bei sich auf dem Hof hatten, mit diesen Futtermitteln, die verboten worden sind, allein gelassen worden. Meine Damen und Herren, teilweise blockieren noch heute Futtermittel, Einzelkomponenten mit tierischem Einweiß die Silozellen in unseren Mischfutterfabriken und in den Anlagen. Es werden also nach wie vor Kapazitäten blockiert.

Das Bundesland Bayern hat in einer Feuerwehraktion gleich zu Anfang des Jahres 600 Millionen DM zur Verfügung gestellt, um an vielen Stellen anzusetzen und die Not zu lindern, wenn es darum ging, Tiermehlprodukte aus dem Markt zu nehmen und den einzelnen Landwirten dabei zu helfen, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Das Land Niedersachsen hat ein 10Millionen-DM-Programm aufgelegt, allerdings mit so hohen Zugangskriterien, dass es kaum einem Rinderhalter oder Schafhalter gelingt, den Nachweis zu führen, dass er an diesem Programm letztendlich teilhaben kann.

Meine Damen und Herren, die Schlüsselrolle bei der Verwertung gefallener Tiere - man sollte heute besser sagen: bei der Entsorgung - kommt unseren Tierkörperbeseitigungsanlagen und daneben - bei der Finanzierung - auch der Tierseuchenkasse zu. Die Kosten, die wir im letzten Jahr im Land Niedersachsen für diese Aufgabe aufwenden mussten, beliefen sich auf 22 Millionen DM. Wir haben bei der Einbringung unserer Anträge darauf vertraut, dass das Land Niedersachsen sich an seine Zusage hält, 50 % dieser Kosten zu übernehmen.

Letztendlich - das entnehmen wir auch dem Änderungsantrag der SPD - werden die Kosten erst ab dem 1. Mai zur Hälfte übernommen. Das bedeutet, dass nicht 11 Millionen DM, sondern nur 8 Millionen DM vom Land an die Tierseuchenkasse

erstattet worden sind. Die Tierseuchenkasse ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie muss sich aus Rücklagen oder aus den Beiträgen refinanzieren, die im kommenden Jahr, resultierend aus der zu errechnenden Schadenssumme, zu erheben sind. Sie hat in der Vergangenheit dadurch, dass sie diese Verrechnung übernommen hat, sehr dazu beigetragen, dass wir eine ganz einfache Verwaltungsschiene hatten. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleiben kann. Leider haben wir im Haushalt 2002/2003 für diese Schiene keine Mittel vorgesehen, sodass die Gefahr besteht, dass Einzelabrechnungen an Landwirte geschickt werden müssen, es sei denn, es gibt seitens des Landwirtschaftsministeriums oder des Finanzministeriums noch einiges an Bewegung, die es ermöglicht, hier und da eine einfache Regelung zu finden. Ich appelliere an dieser Stelle auch an die Landesregierung, die Landwirte nicht im Regen oder allein stehen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)