Wie die ausführliche erste Plenarberatung des Antrages in der Sitzung am 15. März 2001 bereits gezeigt hatte, besteht über die Notwendigkeit, Opfern von Straftaten Schutz und Hilfen über das bisherige Maß hinaus angedeihen zu lassen, kaum ein Auffassungsunterschied. Dies hat sich in den Ausschussberatungen bestätigt. Strittig war im federführenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zunächst allein die Frage, ob es wirklich dem Opferschutz diene, wenn der Landtag wie im Antrag vorgesehen - ein besonderes Staatsziel „Opferschutz“ befürworte. Sprecher der CDUFraktion machten in den Ausschussberatungen geltend, unabhängig von der sicherlich noch nicht geglückten Formulierung - schließlich müsse der Landtag nicht etwas „befürworten“, was er mit Zweidrittelmehrheit selbst beschließen könne - sei die u. U. präjudizierende Wirkung einer solchen Staatszielbestimmung problematisch. Denn die Sorge sei nicht unbegründet, dass dies zu Begehrlichkeiten an anderer Stelle führe. Auch dürfe die Ergänzung der Verfassung um ein weiteres Staatsziel nicht lediglich in dessen pressewirksamer Inszenierung bestehen, sondern müsse später auch in der Ausführung gesetzlicher Bestimmungen ihren Niederschlag finden.
Der Vertreter der Fraktion der Grünen ließ verlauten, ungeachtet der aus Sicht seiner Fraktion in jeder Weise billigenswerten Ziele des Antrages halte auch er eine nähere Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit eines Staatszieles „Operschutz“ für angezeigt. Anders als andere Staatsziele, für die zu Recht geltend gemacht worden sei, dass sie von den traditionellen Verfassungsrechtsbestimmungen zum Sozialstaat, zum Rechtsstaat und zum Demokratieprinzip nicht abgedeckt würden, lasse sich dies für den Opferschutz nicht ohne Weiteres sagen. Denn der Opferschutz werde traditionell hergeleitet auf sozialer Ebene aus dem Sozialstaatsgebot und auf verfahrensrechtlicher Ebene aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot materieller Gerechtigkeit, sodass die Einführung eines Staatszieles „Opferschutz“ eigentlich entbehrlich erscheine.
im Antragstext bereits einen fertigen Formulierungsvorschlag für eine neue Staatszielbestimmung „Opferschutz“ zu machen. Es gehe ihr zunächst darum, die gesellschaftliche Diskussion über den Opferschutz in Gang zu bringen und auf diese Weise die Perspektiven für wirkungsvolle Verbesserungen auszuloten. Die seitens der CDU-Sprecher geäußerte Befürchtung, dass mit der Einführung des Staatszieles „Opferschutz“ ein Einfallstor für weitere Begehrlichkeiten geschaffen werden könne, halte die SPD-Fraktion für unbegründet. Der Antrag bringe klar zum Ausdruck, dass sich eine solche Staatszielbestimmung ausschließlich auf den Opferschutz beschränken solle. Unabhängig davon sei es selbstverständlich sinnvoll, dass die Fraktionsspitzen im Hinblick auf die für die Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit zunächst noch einmal intern Kontakt aufnehmen sollten, bevor ein Formulierungsvorschlag in die Öffentlichkeit gegeben werde.
Ergebnis der sich daran anschließenden interfraktionellen Besprechungen ist ein gemeinsamer Änderungsantrag aller Fraktionen gewesen, der dem Rechtsausschuss in seiner Sitzung am 31. Mai dieses Jahres vorgelegt worden ist. Dieser gemeinsame Änderungsantrag hat in einer weiteren Beratungsrunde im federführenden Ausschuss im Oktober noch einige redaktionelle Änderungen erfahren, die das vom Landtag in Bezug auf die Staatszielbestimmung „Opferschutz“ Gewollte klarer zum Ausdruck bringen sollen: Gleichsam in der Form einer Selbstverpflichtung soll der Landtag nun seine Bereitschaft erklären, in interfraktioneller Zusammenarbeit zeitnah zu prüfen, inwieweit eine Ergänzung der Niedersächsischen Verfassung um eine Verpflichtung zum besonderen Schutz und der besonderen Hilfe für Opfer von Straftaten deren berechtigten Interessen dienlich sein kann.
Unbeschadet des nach wie vor gewünschten öffentlichen Dialogs zu dieser Frage soll damit klar gestellt werden, dass die verfassungsrechtliche Debatte hinsichtlich des Staatszieles „Opferschutz“ für den Landtag noch nicht beendet ist. Vielmehr liegt es bei den Fraktionen, nun in absehbarer Zeit auch das Ergebnis ihrer interfraktionellen Bemühungen zu präsentieren.
Damit bin ich am Ende meiner Berichterstattung angelangt und bitte Sie namens des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2865 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, es ist erfreulich, dass es in einer relativ kurzen Zeit von März 2001, der ersten Beratung der damals noch zwei Anträge, bis zur heutigen zweiten Beratung zu einem gemeinsamen Änderungsantrag aller drei Fraktionen dieses Hauses gekommen ist, um in großer Gemeinsamkeit mehr Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten zu erreichen. Diesbezüglich gibt es keinerlei Auffassungsunterschiede.
Der gemeinsame Änderungsantrag beinhaltet, dass in Bezug auf das Staatsziel „Opferschutz“ das Gewollte klarer zum Ausdruck gebracht werden muss. Gleichsam in Form einer Selbstverpflichtung soll der Landtag nun seine Bereitschaft klären, in interfraktioneller Zusammenarbeit zeitnah zu prüfen, inwieweit eine Ergänzung der Niedersächsischen Verfassung um eine Verpflichtung zum besonderen Schutz und der besonderen Hilfe für Opfer von Straftaten und deren berechtigten Interessen dienlich sein kann. Das und nur das, meine Damen und Herren, darf unser Handeln bestimmen! Die CDU-Fraktion will auf jeden Fall vermeiden, dass das besondere Staatsziel „Opferschutz“ lediglich in einer pressewirksamen Inszenierung besteht. Es muss eben auch später in der Ausführung gesetzlicher Bestimmungen seinen Niederschlag finden.
Meine Damen und Herren, parallel zum täterorientierten Strafverfahren soll mit dem Netzwerk Opferhilfe ein maßgeschneidertes System für die Bedürfnisse der Opfer eingerichtet werden. Neben dem Strafverfahren und sozialrechtlichen Ansprüchen muss Sicherheit vor weiteren Straftaten und Hilfe zur Bewältigung des aus der Tat resultierenden Traumas gewährt, aber auch Beistand beim Ausgleich des erlittenen Schadens geleistet werden. Geplant sind landesweit elf Anlaufstellen. Zwei Anlaufstellen in Oldenburg und Braunschweig sind bereits modellhaft installiert.
Durch die Gemeinsamkeit aller Fraktionen wird der erforderliche und gewünschte breite gesellschaftliche Konsens, getragen von den Bürgerinnen und Bürgern und von allen maßgeblichen Institutionen, sozusagen vorbereitet und eingeleitet. Ehrenamtliches Engagement soll eine tragende Säule der geplanten Maßnahmen sein, um Bürgerinnen und Bürgern auf diese Art und Weise zu ermöglichen, praktische Solidarität mit den Opfern von Gewalttaten zu üben.
Wir werden sorgsam zu beobachten haben, wie die zentrale Opferstiftung organisiert und geführt und wie sie finanziell ausgestattet wird, ob und wie die Gerichtshilfe in die Lage versetzt wird, ihren zusätzlichen Aufgaben gerecht zu werden.
Es muss aber auch klar sein, dass sich die Verpflichtung des Gemeinwesens gegenüber den häufig schwer gezeichneten Opfern nur dann wirkungsvoll wird umsetzen lassen, wenn staatliche Vorsorge für einen ausreichenden gesetzlichen Opferschutz und eine angemessene Opferentschädigung mit der Bereitschaft und Kraft der Gesellschaft selbst, Opfern von Kriminalität und Gewalt zu helfen, sinnvoll Hand in Hand kooperiert. Vorstaatliche Selbsthilfe und staatliche Fürsorge brauchen ihren jeweils gegenseitig respektierten und anerkannten Wirkungsraum. Aber nicht nur zusätzliche Anlaufstellen und Kooperationen, sondern auch Verfahrenserleichterungen und mehr direkte Hilfen ohne Umweg für die Opfer, die spürbare Entlastung brauchen, sind das Gebot der Stunde.
Nachdem in der vergangenen Woche das Gewaltschutzgesetz im Bundestag einstimmig verabschiedet wurde, ist es zu begrüßen, dass es in Niedersachsen zum 1. Februar 2002 ein rechtliches Gesamtpaket aus Polizei- und Zivilrecht geben wird, das die Frauen umfassend schützen soll. Polizeiliche Einsätze werden statt „Familienstreitigkeiten“ das beschreiben, was hinter verschlossenen Türen geschieht, nämlich Gewalttaten in engen sozialen Beziehungen. Die Polizei wird dabei nicht mehr auf Schlichtung, sondern auf Intervention setzen. Die Gewalttäter werden erst einmal in der Regel für sieben Tage aus der Wohnung verwiesen.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen es, dass die Landesregierung - hier in Person der Frau Sozialministerin - bereits ein Beratungsangebot für die betroffenen Frauen erarbeitet und angeschoben hat und sechs Beratungs- und Interventionsstellen - kurz BIS genannt - als Modell für den Zeitraum von zunächst drei Jahren einrichten wird.
Meine Damen und Herren, wir werden unser ganz besonderes Augenmerk darauf richten, dass die jetzt vom Landesgesetzgeber installierten Modelle, also Opferschutzbüros, und auch die zukünftigen Anlaufstellen, die alle lediglich eine befristete Anschubfinanzierung genießen, nicht irgendwann am Finanztopf der kommunalen Gebietskörperschaften hängen bleiben, weil sich das Land seiner Verpflichtung entzieht - so etwas würden wir nicht
zum ersten Mal erleben; das ist bedauerlicherweise schon häufiger geschehen - und weil die Gerichtshilfe mit ihrer engen personellen und finanziellen Ausstattung überfordert ist oder weil das ehrenamtliche Engagement als eine tragende Säule nicht so funktioniert, wie sich der Herr Minister dies erhofft und/oder - ich sage das mit aller gebotenen Zurückhaltung vielleicht auch erträumt. Wir wollen das Prinzip Hoffnung nicht problematisieren, Herr Minister. Aber wir erwarten - das sage ich in aller Deutlichkeit -, dass die notleidenden niedersächsischen Kommunen durch die geplanten Maßnahmen nicht zusätzlich belastet werden.
Genau hier ist für uns eine Kante, die wir dann nicht mehr mitzutragen bereit wären. Herr Minister Pfeiffer, Sie haben hohe Erwartungen geweckt. Jetzt dürfen nicht nur Absichtserklärungen, sondern es muss konkretes Handeln folgen. Ich hoffe, dass im Interesse der hilfebedürftigen Opfer und ihrer Familien die eingeleiteten wichtigen Maßnahmen gelingen und dass das erreicht wird, was wir alle in großer Gemeinsamkeit wollen: Mehr Schutz und Hilfe für die Opfer von Straftaten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Opfer haben Anspruch auf Resozialisierung. Das ist Kontext dieses Antrages und parteiübergreifender Konsens, aber leider noch gesellschaftliche Teilrealität. Deshalb ist eine grundsätzliche Umorientierung zum Schutz der geschädigten Verbrechensopfer erforderlich. Auf einer Fachtagung im April dieses Jahres in Berlin haben Experten den bundesrepublikanischen Handlungsbedarf provokant formuliert: Opfer, so die Experten, seien zu häufig lebendige Beweismittel. Sie werden als Zeugen instrumentalisiert. Ihre besondere Krisensituation findet zu wenig Berücksichtigung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Staat konzentriert sich natürlich im Interesse des Rechtsfriedens auf die Bestrafung des Täters. Erste Priorität wird deshalb zu Recht dem Konflikt Staat/Täter eingeräumt. Das rechtfertigt aber noch lange nicht, den Konflikt Täter/Opfer als Gesell
schaftsproblem zweiter Klasse zu behandeln. Opferinteressen angemessen zu berücksichtigen, muss deshalb Ziel staatlichen Handelns sein. Und wenn wir diesen Schutz und die Hilfe für Opfer im Sinne zielgerichteter Handlungsweise bejahen, dann müssen wir eine Entscheidung treffen, die in der Beschlussempfehlung mit der Frage der Verfassungsänderung angesprochen wird. Die Frage ist: Reichen uns einzelne Maßnahmen, Hilfeleistungen oder Individualansprüche aus, oder wollen wir mehr; ein Mehr in Form von Mitarbeit von Landesbehörden, eine fortdauernde Beachtung oder Erfüllung des Opferschutzes mit bindender Wirkung für Exekutive, Legislative und Judikative? Wenn man eine solche Verankerung des Opferschutzes auf allen Ebenen als Ziel staatlichen Handelns umsetzen will, dann ist es konsequent, dieses Ziel als Staatsziel in die Verfassung zu integrieren. Staatsziele umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit. Sie sind dadurch Richtlinie und Direktive für staatliches Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften.
Ein weiteres Argument für die Aufnahme des Staatszieles des Opferschutzes in die Verfassung ist die gesamtgesellschaftliche Diskussion. Schließlich wird die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung nicht hinter verschlossenen Türen erörtert, sondern mit einem Diskussionsprozess munter am Kochen gehalten. Wir wollen den Schneeballeffekt der Mundpropaganda für die erforderlichen Hilfen und den notwendigen Schutz im Sinne der Opfer nutzen.
Staatszielargument Nr. 3: Eine Verfassungsänderung für die Opfer soll auch Perspektive bieten, einen Impuls für die Zukunft geben. Richtig ist, dass wir jetzt schon eine Reihe von Initiativen haben, die in die richtige Richtung gehen. So existiert z. B. auf europäischer Ebene ein Rahmenbeschluss des Rates mit Datum vom 15. März 2001. Dieser enthält eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen für Opfer vor und nach dem Strafverfahren. Hierdurch sollen die Folgen des Verbrechens abgemildert werden. Aber - Hand aufs Herz - so richtig durchgesickert sind die Unterstützungsforderungen für Verbrechensopfer auf diesem Wege noch nicht. Zweites positives Beispiel ist das Opferentschädigungsgesetz. Ohne Frage ist das ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept. Aber - das ist die Kehrseite der Medaille - 200 000 Kriminalitätsopfer pro Jahr hätten Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz. Lediglich 13 % nehmen die
Chance wahr. Auch hier wird deutlich, dass Opferschutz - aus welchen Gründen auch immer - noch nicht so richtig verankert ist und eines Motors bedarf. Das Land Niedersachsen muss deshalb auch in Zukunft kreative Tankstelle für Opferhilfe sein. Deshalb werbe ich dafür, den Prüfauftrag einer Verfassungsänderung möglichst schnell voranzutreiben. Die zu erwartenden Resultate - Impuls, Perspektive und Berücksichtigung auf privater und staatliche Ebene pro Opferschutz - sind wahrlich ein lohnendes Ziel. Ein niedersächsischer Weg der Verfassungsänderung würde auch nicht zu einer Solitärstellung des Landes führen.
Ganz im Gegenteil: Andere Bundesländer könnten ebenfalls die real existierende Opfervernachlässigung in Frage stellen und ihre Landesverfassungen überdenken. Schließlich haben z. B. die Länder Hamburg mit dem Gesetz zur Stärkung der Verletztenrechte und Baden-Württemberg mit seiner Landesstiftung „Opferhilfe“ ebenfalls wichtige Bausteine gesetzt. Der Hamburger Baustein stammt im Übrigen aus der Zeitrechnung vor Schill und ist im Bundesrat mit einem Abstimmungsergebnis von 16 : 0 angenommen worden. Nach Abschluss der Ersten Lesung im Bundestag steht fest: Opfer sollen bereits im Strafverfahren die Möglichkeit erhalten, einen vollstreckbaren Titel zu bekommen. Damit wird das Opfer von der Ersatzbank in die erste Reihe geholt.
Selbstverständlich kann man in einer offenen und fairen Diskussion auch ein Argument gegen eine Verfassungsänderung einführen, nämlich das, dass wir bereits ein Sozialstaatsprinzip haben. Aber: Opfer wird man nicht aufgrund eines Schicksalsschlages, sondern durch geschehenes Unrecht. Gerade hier ist die Gesellschaft verpflichtet, ein geeignetes Regulativ entgegen zu setzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt - die Frau Kollegin Körtner hat auch dies angesprochen - ist die praktische flächendeckende Arbeit vor Ort. Diese ist in Form des Netzwerks „Opferhilfe“ in diesem Antrag enthalten.
Die Gerichtshilfe wird mithilfe von Polizei, Sozialbehörden, Jugendämtern etc. eine aktive Opferhilfe organisieren - praktische Ansätze haben wir bereits im letzten Plenum diskutiert -, und zwar auch in finanzieller Hinsicht in Form einer Schadensregulierung. Mit welch einem rasanten politischen Engagement die Opferbenachteiligung in Niedersachsen auch durch den Justizminister verfolgt wird, zeigt das Beispiel, dass zwischen der
ersten und der zweiten Beratung dieses Antrages bereits Netzwerkinstitutionen eingerichtet worden sind. Hannover, Braunschweig, demnächst Oldenburg und anschließend flächendeckend im Sinne von Landgerichtsbezirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Angebot „Vor Ort für Opfer“ sind wir Vorreiter in der Bundesrepublik. Wir können stolz darauf sein. Wir haben aber nicht vor, uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen. All diese Beispiele belegen: Wir sind gut, können aber noch besser werden. Lassen Sie uns rechtspolitisch durchstarten mit einer Prüfung und einer Realisierung einer Verfassungsänderung, damit der Opferschutz auf allen Ebenen vorangebracht und auch in Zukunft nicht wie ein Ladenhüter beiseite geschoben werden kann. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorrednerinnen haben es bereits angesprochen: Alle drei Fraktionen in diesem Hause sind sich darin einig, dass sich unsere Solidarität mit den Opfern von Gewalt nicht auf spektakuläre Einzelfälle beschränken darf, sondern zur Grundlage für die weitere Arbeit von Justiz, Polizei und Betreuungseinrichtungen werden muss. Der hier vorliegende Antrag aller drei Fraktionen ist Ausdruck dieses gemeinsamen Bemühens. Ob es gelingen wird, den Opfern von Gewalt mehr Schutz und mehr Hilfe als in der Vergangenheit zukommen zu lassen, hängt meiner Einschätzung nach weniger von der Aufnahme wohlklingender Absichten in die Landesverfassung ab als vielmehr von den Möglichkeiten, diese auch mit materiellen Mitteln und finanziellen Ressourcen zu unterlegen. Aber - das will ich gern einräumen -: Eine Verankerung des Opferschutzes in der Landesverfassung unterstützt natürlich auch die Durchsetzung dieses wichtigen politischen Anliegens und kann Mittel mobilisieren, die zuvor vielleicht nicht zur Verfügung standen.
Herr Minister, Sie wissen, dass wir weitestgehend an Ihrer Seite stehen, wenn es darum geht, im Lande Niedersachsen weitere Initiativen zum Opfer
schutz zu entwickeln und aufzubauen. Niedersachsen will hier ja eine gewisse Vorreiterrolle übernehmen, was wir uneingeschränkt begrüßen. Die ersten Schritte, die hier gemacht worden sind - die Landesstiftung „Opferhilfe“, das Opferschutznetzwerk und auch die Opferbüros -, sind ein geeigneter und richtiger Ansatz. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Opfern Hilfe aus einer Hand zu ermöglichen und ihnen bürokratische Hürdenläufe, Hemmnisse und Schikanen zu ersparen. In der Vergangenheit war es leider viel zu oft so, dass das Opfer zum zweiten Mal Opfer wurde, wenn es versucht hat, seine Interessen gegenüber Behörden und dem Täter durchzusetzen.
Ein weiterer Baustein dieses Konzeptes jenseits der Verfassungsänderung ist in Niedersachsen beispielsweise die effektive Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes. Dazu gehören insbesondere die dauerhafte und nachhaltige Sicherung der Interventionsstellen und die Förderung von Präventionsprogrammen einschließlich von Täterprogrammen. Hier sind für mich noch einige Fragezeichen angebracht.
Das gleiche Problem haben wir auch bei den Opferbüros. Angesichts der aktuellen Finanzlage fällt es den kommunalen Gebietskörperschaften sehr schwer, weitere freiwillige Aufgaben zu schultern. Von finanzieller Bedeutung sind weitere zentrale Anliegen eines verbesserten Opferschutzes. Ich möchte hier nur einige wenige Beispiele nennen. Die Bundesregierung will den Vorrang der Wiedergutmachung vor der Strafe. Bisher hatte der staatliche Strafanspruch Vorrang vor der finanziellen Entschädigung, und der Geschädigte musste dann sehen, dass er von dem meist mittellosen Täter noch etwas bekommen konnte. Es kostet natürlich Einnahmen, wenn wir diesen Strafanspruch zurückstellen. Wir wollen nach wie vor, dass 10 % des Aufkommens an Geldbußen und Geldstrafen direkt dem Opferschutz zufließen. Auch das sind Beträge von erheblicher Größenordnung. Ich bin davon überzeugt, dass auch die Rolle des Opferanwalts gestärkt werden muss, und zwar nicht nur mit Verfahrensrechten, sondern in Zukunft muss mehr als bisher auch die Möglichkeit vorgesehen werden, dem Betroffenen einen solchen Opferanwalt auf Staatskosten beizuordnen.
Schließlich haben wir nach wie vor die völlig unbefriedigende Situation, dass jährlich 200 000 Menschen Kriminalitätsopfer werden, diese aber nur in einem ganz geringen Umfang Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten. Es
sind ungefähr 9 000. Das liegt nicht nur daran, dass dieses Gesetz weitestgehend unbekannt ist, sondern auch daran, dass die Hürden für Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz nach wie vor sehr hoch, meiner Meinung nach zu hoch sind. Auch das kostet in erheblichem Maße öffentliche Mittel.
Hier wird es, glaube ich, zum Schwur kommen, wie ernst gemeint alle Absichten zu einem wirklich effektivem Opferschutz sind. Wir wollen Sie darin gern unterstützen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich über die Entschlossenheit, mit der wir alle das Problem des Opferschutzes hier in Angriff nehmen wollen. Die Debatte zeigt, dass wir uns auf den richtigen Weg begeben haben. Es freut mich auch, dass Sie alle gemeinsam den von mir vorgeschlagenen Schritt prüfen wollen, eine Verfassungsnorm als Staatsziel Opferschutz aufzunehmen. Staatsziel wäre eben mehr als ein schlichter Appell. Es wäre juristische Effizienz in dem Sinne, dass Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichte eine klare Orientierung dahin gehend hätten, wie wichtig der Opferschutz in Niedersachsen genommen wird. Es wäre eine stärkere Bindung als etwa Programmsätze oder schlichte Aufforderungen an den Gesetzgeber, etwas zu tun.
Ein Staatsziel Opferschutz nimmt dem Parlament auf der anderen Seite nichts weg. Das Parlament wird weiterhin entscheiden können, wann und in welcher Form es diese Dinge umsetzen möchte.
Ausdrücklich zustimmen möchte ich Frau Körtner, dass das Ganze keine PR-Aktion sein darf. Es müssen auch Taten folgen. Damit haben wir begonnen. Es gibt bereits die Stiftung Opferhilfe. Es gibt die ersten Opferhilfebüros. Weitere Büros sind in Vorbereitung. Es gibt schließlich den Aktionsplan der Landesregierung gegen häusliche Gewalt, der gestern vorgestellt worden ist.
Die Stiftung haben wir mit einem Startkapitel in Höhe von 2 Millionen DM eingerichtet. Daneben kommen jetzt elf regionale Opferfonds in der Weise, dass wir den Staatsanwälten und Gerichten sagen: Jede Mark, die ihr in diesen Opferfonds aus Bußgeldern einzahlt, verdoppeln wir, bis bei uns eine bestimmte Höchstsumme ausgegeben worden ist. - In diesem Jahr sind es 500 000 DM. In den beiden nächsten Jahren werden es jeweils 1 Million DM sein. Das heißt: Es scheint erreichbar, bis Ende 2003 insgesamt 5 Millionen DM an Sachhilfen für die Opfer zur Verfügung zu stellen.
Es geht aber nicht nur um finanzielle Hilfe, sondern es geht auch um die zwölf zusätzlichen Personalstellen, die im Haushalt eingerichtet worden sind. Ich ergänze, Frau Körtner: Diese Stellen sind nicht etwa befristet, sondern unbefristet, sodass sie die Opferhilfe auf Dauer in die Lage versetzen können, vor Ort aktiv zu werden. Es sollen Sozialarbeiter sein, die gewissermaßen die Spinne in einem Netzwerk der Opferhilfe darstellen. Sie organisieren mit Polizei, mit Sozialbehörden, mit anderen, mit denen wir in einem Boot sitzen, also den freien Trägern, die Opferhilfe vor Ort. Zentraler Partner ist dabei jeweils der Weiße Ring, und zwar nicht nur in der Weise, dass seine Erfahrungen hier zum Tragen kommen und dass zunächst einmal er z. B. die Sozialarbeiter ausgebildet, nein, der Weiße Ring ist auch überall Partner im regionalen Vorstand, wenn es darum geht, dass die Gelder sachgemäß ausgegeben werden.