Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Herr Biallas mit seiner zweiten Frage! Danach Herr Wenzel.

Herr Minister, Sie haben vorhin vorgetragen, dass durch das Entfernen dieser jungen Frau aus dem Gleiskörper, die sich dort einbetoniert hatte, Kosten in Höhe von 18 000 DM entstanden sind. Angesichts der Tatsache, dass sich dadurch die gesamten Transportkosten und damit auch die Personalkosten insoweit erhöht haben, als ein weiterer Tag benötigt worden ist, frage ich Sie: Können Sie einmal darstellen, wie sich diese Kosten in Höhe von nur 18 000 DM insbesondere vor dem Hintergrund rechtfertigen lassen, dass ich gesehen habe, dass 20 bis 30 Leute zehn Stunden mit schwerem Gerät arbeiten mussten? Vor diesem Hintergrund erscheinen mir diese 18 000 DM außerordentlich günstig zu sein.

Herr Bartling!

Herr Biallas, das sind zwei verschiedene Schuhe. Bei den 18 000 DM geht es - um es einmal mit allgemeinen Worten zu sagen - darum, dass das THW und die Bahn AG Schadenersatzforderungen für Sachen stellen, die in diesem Zusammenhang kaputtgemacht worden sind. Die Kosten, die durch die Verzögerung des Transportes um einen Tag entstanden sind, sind Kosten des Polizeieinsatzes, die eben nicht individuell zurechenbar sind, sondern der Staat zu tragen hat. Ich meine, das in der Antwort auf die Dringliche Anfrage deutlich gemacht zu haben.

(McAllister [CDU]: Verzögerung!)

Herr Wenzel!

Ich habe eine Frage an Herrn Minister Pfeiffer.

(Minister Dr. Pfeiffer bespricht sich mit Ministerin Dr. Knorre)

Herr Pfeiffer? Ich warte kurz, bis er - -

(Biallas [CDU]: Der merkt das nicht!)

Entschuldigung. Herr Minister Pfeiffer, ich habe eine Frage an Sie. Teilen Sie die Auffassung, dass im internationalen Kontext die Existenz und die Arbeitsbedingungen und die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen wie z. B. Greenpeace, aber auch die Unterstützung von Bürgerinitiativen, die sich für die berechtigten Anliegen der Bürger engagieren, wichtige Kriterien für die Beurteilung von demokratischen Rechtsstaaten sind?

(Adam [SPD]: Der Innenminister!)

Herr Pfeiffer, Sie müssen nicht antworten. Die Landesregierung entscheidet selbst, wer antwortet. - Herr Bartling!

Herr Wenzel, die Beurteilung, die Sie zur Grundlage Ihrer Frage gemacht haben, hat nichts mit dem zu tun, was ich gefordert habe. Ich habe gesagt, dass Gemeinnützigkeit etwas ist, was ich infrage stellen will. Ihr Beurteilung dieser Gemeinschaften ist aus meiner Sicht völlig abwegig.

Herr Schünemann!

Herr Innenminister, teilen Sie meine Einschätzung, dass die Bürger kein Verständnis dafür haben, dass bei Blockadeaktionen eben keine Zwangsgelder verhängt werden, und teilen Sie auch meine Einschätzung, dass das Verhängen von drastischen Zwangsgeldern durchaus abschreckende Wirkung haben könnte und dass sich dafür ein höherer Personalaufwand lohnen würde?

Herr Innenminister!

Herr Schünemann, Sie müssten schon sagen, was Sie mit „Zwangsgeldern“ meinen. Ich teile Ihre Auffassung, dass viele Leute wenig Verständnis dafür haben, dass wir - round about - 50 Millionen DM für die Begleitung eines Transportes aufwenden müssen und diejenigen, die diese Kosten ver

ursachen, nur in sehr eingegrenztem Maße finanziell zur Verantwortung ziehen zu können. Ich darf Sie aber darauf aufmerksam machen, dass insoweit ein Zusammenhang zu dem polizeilichen Aufwand bei sonstigen Demonstrationsgeschehen besteht. Wir schützen z. B. auch rechtsextremistische Demonstrationen, linksextremistische Demonstrationen, und wir schützen auch große BundesligaFußballspiele. Eine Diskussion über die Frage, ob man hierfür Gebühren erheben sollte, hat einen Bezug zu dem, was Sie eben im zweiten Teil gefragt haben. Insoweit haben wir nach der geltenden Rechtslage keine Möglichkeit, diese Kosten individuell zuzurechnen.

Herr Wenzel mit seiner zweiten Frage! Dann Herr Schröder mit seiner zweiten Frage.

Herr Minister Bartling, fürchten Sie nicht, dass Sie vor dem Hintergrund der Vorschläge, die Sie zum Umgang mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in unserem Lande unterbreiten, zu Vergleichen mit Regimen herangezogen werden, mit denen man gemeinhin nicht verglichen werden will, weil sie mit ähnlichen und anderen Methoden versuchen, zivilgesellschaftliches Handel, zivilgesellschaftliches Engagement und ehrenamtliches Engagement in Bürgerinitiativen zu unterbinden oder zu behindern?

(Adam [SPD]: Es geht hier um Rechtsverfehlungen! - Frau Harms [GRÜNE]: Warum wird denn nie- mand von den Akteuren verurteilt? Das ist doch Unsinn! Wo ist denn das Urteil gegen Greenpeace, das das rechtfertigen würde?)

Herr Minister!

Herr Kollege, ich befürchte das nicht. Ich reagiere mit meinen Hinweisen auf Rechtsbrüche.

(Beifall bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Welches Gericht hat die- sen Rechtsbruch bestätigt, Herr Bart- ling? - Minister Bartling: Das können Sie jeden Tag im Fernsehen sehen! - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Macht doch einen Unvereinbarkeits- beschluss: SPD und Greenpeace!)

Herr Schröder!

Herr Minister, wie viele Polizeibeamte sind seit 1996 wegen Sachbeschädigung, Falschaussage und anderer Delikte im Zusammenhang mit CASTORTransporten verurteilt worden, und zwar einschließlich der noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren?

(Frau Harms [GRÜNE]: Das weiß er natürlich nicht!)

Herr Bartling!

Nein, das weiß ich auch nicht. Ich bitte um Verständnis, Herr Schröder. Wir liefern es nach. Ich habe die Zahl nicht parat.

Herr Möllring!

Herr Minister, würden Sie bitte der Kollegin Harms erklären, dass man einen Verein, eine Gesellschaft oder eine Institution nach unserem Strafrecht nicht verurteilen kann, sondern nur natürliche Personen, und deshalb Greenpeace naturgemäß noch nie verurteilt werden konnte?

(Frau Harms [GRÜNE]: Dann eben die Aktivisten von Greenpeace, Herr Möllring! So weit bin ich da schon im Bilde!)

Herr Bartling, wie wollen Sie darauf antworten?

Indem ich Herrn Möllring für diesen Rechtshinweis danke. Ich selbst hätte das gar nicht gewusst.

(Beifall und Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Behandlung der Dringlichen Anfragen und rufe auf

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Rückführung ausländischer Straftäter zur Strafverbüßung in ihren Heimatländern Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2837

Der Antrag wird vom Abgeordneten Wulff eingebracht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Vielzahl von Politikfeldern haben wir die Frage: Was wurde versprochen, und was wurde davon gehalten? - Bei diesem Antrag handelt es sich um einen wichtigen Einzelpunkt, der die Haftanstalten in Niedersachsen, der das Zusammenleben mit Ausländern und vor allem mit ausländischen Straftätern in Deutschland betrifft. Sie wissen, weil wir das schon einmal behandelt haben, dass ich 1996 die Forderung erhoben hatte, dass ausländische Straftäter gegen sie verhängte Haftstrafen in ihren Heimatländern verbüßen sollten. Daraufhin ist von der SPD Stimmung gemacht worden, das sei unmöglich, nicht machbar, undenkbar. Dann hat sich das Klima zu dieser Frage jedoch nachhaltig verändert. Der damalige Ministerpräsident Schröder bewegte die Nation 1997 in der Sommerpause damit, dass er, wie auf Seite 1 der Bild am Sonntag stand, sagte: Kriminelle Ausländer raus, aber schnell! - Die SPD in Hannover, in Niedersachsen und im Bund hat daraufhin gesagt: Vielleicht war der Vorschlag doch nicht so verkehrt. Wir sollten diese Forderung einmal näher untersuchen.

Jetzt allerdings, im Jahre 2001, ist festzustellen, dass den großartigen Ankündigungen, auf diesem Feld etwas voranzubringen, keine Taten gefolgt sind und dass wir heute keinen Millimeter weiter sind als 1997. - Wir fordern deshalb mit unserem Entschließungsantrag, dass auf diesem Felde endlich etwas passiert.

(Beifall bei der CDU)

Jüngst, am 3. Juli dieses Jahres, hat die Bundestagsfraktion von CDU und CSU einen Antrag eingebracht, wonach der Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, unverzüglich völkerrechtliche Vereinbarungen zu ratifizieren und umzusetzen. Eine Zustimmung steht bis heute aus. Worte und Handeln fallen weit auseinander. Seit 1998 ist die Lage hinsichtlich der Rückführung ausländischer Straftäter zur Strafverbüßung im Heimatland nicht verändert worden. Die Problemlage ist aber akut, Herr Justizminister, unsere niedersächsischen Haftanstalten sind übermäßig stark belegt. Daran hat auch die hohe Zahl ausländischer Straftäter ihren entscheidenden Anteil. Eine Rückführung ausländischer Straftäter würde nicht nur die Belegungssituation verbessern, sondern sie würde auch den Landeshaushalt entlasten. Nach seriösen Berechnungen sind für den Steuerzahler Kosten von 45 000 DM pro Jahr und Strafgefangenem ermittelt worden.

Nach gegenwärtiger Rechtslage ist die Strafvollstreckung im Heimatland mit Zustimmung des betroffenen Gefangenen möglich. Die erforderliche Zustimmung wird aber aus nahe liegenden Gründen regelmäßig nicht erteilt. Das Argument, die Strafgefangenen würden im Heimatland sofort wieder auf freien Fuß gesetzt, und dies könne nicht im nationalen Interesse liegen, trifft also nicht zu. Nein, die betroffenen Gefangenen wollen hier die Haft verbüßen und nicht zur Verbüßung ins Heimatland verbracht werden.

Die damalige CDU/CSU-geführte Bundesregierung hatte in einem Zusatzprotokoll zum Überstellungsabkommen durchgesetzt, dass das Einverständnis des Strafgefangenen bei Vorliegen einer Ausweisungsverfügung entfalle. Dies müsste ratifiziert werden. Das ist jetzt vier Jahre her und war seinerzeit Folge meiner Initiative gegenüber der damaligen, von uns geführten Bundesregierung. Bis heute ist dieses Abkommen von der SPDgeführten Bundesregierung nicht ratifiziert. Mittlerweile liegen verschiedene Entwürfe von Däubler-Gmelin zur Ratifizierung dieses Abkommens vor. Aber diese Entwürfe fallen regelmäßig bei allen Landesjustizministern durch, weil sie nicht handhabbar, nicht praktikabel sind. Die Stellungnahmen der Justizminister sind eindeutig, dass nämlich ein solches Ratifizierungsabkommen das eigentliche Abkommen im Kern quasi beseitigen würde und man dann nicht weiter wäre als vorher.

Dem Stern können wir heute entnehmen, die Politikerinnen und Politiker der SPD bräuchten Mut, um Politik zu wagen. Aber die SPD sei abgehoben, unmodern und zu alt, so - wörtlich zitiert - Herr Gabriel.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht ist das eine wesentliche Ursache dafür, dass Sie die von Ihrem Ministerpräsidenten in der heutigen Ausgabe des Stern konstatierte Krise durchleben, dass Sie schlichtweg nicht den Mut haben, das, was Sie hier und da in Sonntagsreden erklären, auch in praktische, konkrete Politik umzusetzen. Wir fordern mit unserem Entschließungsantrag nicht mehr, aber auch nicht weniger als das, was Sie den Leuten versprochen haben, dann, wenn es, wie in diesem Fall, einmal richtig ist, auch zu tun, damit nicht vier Jahre später nichts ist als nur hohle Worte.

(Beifall bei der CDU)

Die Stellungnahmen der Justizminister - ich nehme an, Herr Pfeiffer, dass Sie dafür große Sympathie haben - sagen, dass Frau Däubler-Gmelin quasi völlig aus der Spur sei und dass überhaupt kein Grund erkennbar sei, bestandskräftig Ausreisepflichtige aufgrund etwaiger gesteigerter sozialer Bindungen bis zu ihrer Haftentlassung in Deutschland zu belassen. Dadurch werde die Hoffnung geweckt, dass sie doch in Deutschland bleiben könnten, obwohl sie die Haft verbüßen und bereits bestandskräftig aus Deutschland ausgewiesen sind. Zu sagen, wegen sozialer Bindungen müssten sie die Haft in Deutschland verbüßen, ist überhaupt nicht einzusehen. Vielmehr wird die Resozialisierung in den Herkunfts- und Heimatländern erschwert, wenn die Haft nicht dort verbüßt wird.

Die Zielrichtung des Zusatzprotokolls, das wir noch durchgesetzt haben, wird durch diese Verzögerungs- und Verschleppungstaktik der Sozialdemokraten in der Justizministerkonferenz und in der Bundesregierung konterkariert.