Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Herr Innenminister!

Herr Kollege Biallas, lesen Sie bitte den Beginn meiner Antwort nach. Die Dringliche Anfrage lautet: Gewalt im Wendland ohne Folgen – Landesregierung muss Verantwortliche belangen! Was Sie eben gefragt haben - Bahn, Bundesgrenzschutz usw. -, ist alles Sache des Bundes.

(Biallas [CDU]: Aber eine Meinung haben Sie doch dazu!)

- Ja, natürlich. Aber meine Meinung habe ich Ihnen auch schon so oft gesagt, dass ich nicht glaube, sie wiederholen zu müssen. Ich halte es schon für richtig, dass wir hier den Versuch unternehmen, von denjenigen, die die Absicht haben, die Transporte zu verzögern und es möglichst teuer zu machen, auch so viel Geld wie möglich zu bekommen. Ich habe in meiner Antwort eben deutlich gemacht, dass wir für allgemeine Polizeieinsätze keine Möglichkeit haben, die Kosten umzulegen. Sehen Sie mir auch dieses Beispiel nach: Wir nehmen für die Verkehrsüberwachung durch Polizeibeamte keine Gebühren von den Bürgern. Das sind Dinge, die der Steuerzahler bezahlen muss. Wir müssen bestimmte Gebührentatbestände haben, um so etwas in Anspruch nehmen zu können.

Wir erheben Gebühren für das Verbringen ins Gewahrsam. Wenn man bei denjenigen, die weggetragen werden, die Personalien feststellen wollte, müsste man neben die zwei, die wegtragen, einen dritten Polizeibeamten stellen, der - -

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben doch genug da stehen!)

- Herr Wulff, es wäre ein zusätzlicher personeller Aufwand. Ich bitte um Verständnis. Wenn Sie das Einsatzgeschehen betrachten, muss es dem Einsatzleiter in der Situation, wenn 500 bis 600 Leute auf den Gleisen sitzen, zunächst darum gehen, die Leute von den Gleisen zu bekommen. Wenn man diese alle dann namentlich erfassen wollte, bräuchten Sie noch einmal 300 bis 400 Polizeibeamte. Das wäre im konkreten Einssatzgeschehen wirklich ein unverhältnismäßiger Aufwand. Bei der Ingewahrsamnahme sieht das – wie dargestellt – völlig anders aus. Aber bei der konkreten Situation des Wegtragens ist das ein Problem. Die Baden-Württemberger haben das übrigens einmal spektakulär praktiziert. Als 20 Leute weggetragen wurden, wurde das auch dokumentiert. Da ist das machbar. Aber bei einem solchen „Massengeschäft“, wie wir es zu bewältigen haben, ist das nicht möglich.

Frau Harms! Dann Herr Althusmann.

Herr Minister, soweit ich weiß, sind Polizeibeamte dafür verurteilt worden, dass sie anlässlich des ersten CASTOR-Transportes 1996, obwohl der CASTOR bereits eine andere Strecke benutzt hatte, Reifen und anderes an Traktoren beschädigt hatten. Soweit ich weiß, handelt es sich um Polizeibeamte einer Einheit aus Braunschweig. Muss ich jetzt davon ausgehen, dass die Polizisten im Zusammenhang mit den CASTOR-Transporten nicht nur das Scheitern von Politik wettmachen müssen, sondern nach solchen Verurteilungen wegen Sachbeschädigung den Schaden aus eigener Tasche bezahlen müssen?

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Dann müssten sie 38 000 DM bezah- len!)

Herrn Bartling!

Nein, Frau Harms, davon müssen Sie nicht ausgehen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Warum wis- sen Sie dann nichts davon?)

Herr Althusmann! Dann Herr Krumfuß.

Die steuerliche Absetzbarkeit von Rechtsbruch bringt mich insbesondere nach Ihren Hinweisen auf Greenpeace und Bremen oder Hamburg zu der Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung unternehmen wird, um zukünftig für aus dem Umfeld der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kommenden Rechtsbruch nicht mehr die steuerliche Abzugsfähigkeit zuzulassen, sondern der Bürgerinitiative gegebenenfalls die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, wie es übrigens bereits ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion im Jahre 1997 in diesem Hause gefordert hat.

Herr Innenminister!

Herr Althusmann, mir ist nicht bekannt, ob die Bürgerinitiative - ich nehme an, es ist ein eingetragener Verein - den Status der Gemeinnützigkeit hat. Wenn sie ihn hat, müsste in der Tat die Finanzbehörde einmal überprüfen, ob ein solcher Status aufrechterhalten bleiben kann.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich muss sagen, Herr Althusmann, das liegt nicht in unserer Hand. Das prüfen die Finanzbehörden. Ich will das aber gern an den Finanzminister weitergeben.

(Frau Harms [GRÜNE]: Dann ist aber eigentlich eine weltweite Initiative notwendig! Greenpeace agiert auf der ganzen Welt!)

- Nein, die Gemeinnützigkeit von Greenpeace muss ja nach dem deutschen Steuerrecht gegeben sein. Bremen ist für Robin Wood zuständig, bei Greenpeace ist es Hamburg. Das Verfahren wird Ihnen bekannt sein: Wenn die am Ende des Jahres ihre steuerlichen Unterlagen einreichen, wird überprüft, ob der Tatbestand für die Gemeinnützigkeit noch vorhanden ist. Die Finanzbehörden sagen uns, dass es unter das Steuergeheimnis fällt, welche Erkenntnisse sie haben. Aber die Anregung will ich gern weitergeben, Herr Althusmann.

Herr Krumfuß!

Herr Minister, wird die Landesregierung dafür sorgen, dass man Versäumnissen bei der Deutschen Bahn AG nachgeht? Zunächst soll am Grenzbahnhof ein Lokführer gefehlt haben. Danach ist es durch individuelle Fehler dazu gekommen, dass Diesel-Lokomotiven auf dem Bahnhof Maschen nicht angesprungen sind. Wenn die Verzögerungen nicht stattgefunden hätten, hätte der CASTOR-Transport an dem Tag Gorleben noch erreicht.

Im Anschluss sei mir eine Zusatzfrage gestattet.

(Biel [SPD] Das waren schon zwei!)

Wenn man diese Versäumnisse feststellt, ist dann daran gedacht, finanzielle Forderungen gegen die Deutsche Bahn AG zu erheben?

Herrn Bartling!

Zu Letzterem muss ich sagen: Das wird natürlich nicht erwogen, meine Damen und Herren; das wäre auch abwegig. Aber ich will folgendes sagen: Natürlich wird ein solcher Gesamteinsatz jedes Mal mit allen Beteiligten nachbereitet. Es gibt Gespräche mit der Bahn AG, es gibt Gespräche mit dem Bundesgrenzschutz. Aus jedem der Transporte werden Folgerungen für weitere Transporte gezogen. So wird es auch diesmal sein. Natürlich ist es bedauerlich - da kann man schon ironisch oder sarkastisch werden -, wenn auf einmal eine Diesellok nicht anspringt.

Herrn Coenen zur zweiten Frage! Dann Herr Schwarzenholz.

Herr Minister, Sie haben vorhin bekannt gegeben, dass in diversen Fällen Anklagen erhoben worden sind. Wie weit sind diese Verfahren fortgeschritten?

Herr Innenminister!

Herr Coenen, ich muss hier auf die Verfahrenshoheit der Gerichte verweisen. Bisher sind nur wenige Verfahren abgeschlossen. Mir ist eben gesagt worden, es gebe bei zwei Verfahren einen Abschluss. Es gibt bisher keine Verurteilungen, wenn ich das richtig verstanden habe.

(Frau Harms [GRÜNE]: Wie viele Freisprüche gibt es denn?)

- Gibt es Freisprüche? Weiß das jemand? - Darüber haben wir im Moment keine Erkenntnisse, Frau Harms. Das liefern wir gern nach. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu laufenden Verfahren nicht äußern kann.

Herr Schwarzenholz! Dann Herr Schröder.

Herr Minister, meine Frage bezieht sich auf die von Ihnen ausgelöste Campagne gegen Greenpeace. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass Greenpeace die Gemeinnützigkeit zuerkannt worden ist, obwohl Greenpeace in seiner Gründungsphase und auch in den ersten Jahrzehnten des Bestehens u. a. unter Mithilfe einer früheren niedersächsischen Ministerin, Frau Griefahn, Aktionen gemacht hat, die formal mit Rechtsbrüchen verbunden waren, wie z. B. die Gefährdung des Schiffsverkehrs, als man gegen die Verklappung von Dünnsäure vorgegangen ist. Ich frage Sie: Was macht denn den qualitativen Sprung aus, der Ihrer Ansicht nach jetzt die Aberkennung ermöglicht, wenn diese Dinge bisher so gelaufen sind und Greenpeace trotzdem die Gemeinnützigkeit zuerkannt worden ist? Meine zweite Frage möchte ich gleich anhängen. Erwarten Sie denn - Sie haben das so durchklingen lassen -, dass ein Senat, der nicht mehr sozialdemokratisch geführt ist, sondern unter faktischer politischer Führung eines Herrn Schill steht, jetzt im Sinne Ihrer Intention Dinge aufgreifen wird, die der sozialdemokratische Senat in Hamburg nicht aufgegriffen hat?

Herr Bartling!

Ich greife das unabhängig von den in anderen Ländern bestehenden Mehrheiten auf. Ich habe Ihnen nach dem letzten Transport gesagt - dabei bleibe ich, und da interessiert mich die Geschichte dieser Organisationen auch gar nicht -, dass ich keinen Sinn dafür sehe, Organisationen, die bewusst einen Beitrag dazu leisten, dass die Kosten für die Durchführung eines rechtmäßigen Transportes erhöht werden, staatlich zu bevorteilen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Schröder! Dann Herr Dr. Biester mit seiner zweiten Frage.

Herr Minister, da es sich bei Greenpeace nach Ihrer persönlichen Einschätzung offenbar um eine Organisation von Rechtsbrechern handelt, frage ich

Sie, ob es Ihrer Ansicht nach vertretbar ist, wenn Mitglieder Ihrer Partei weiterhin in großer Zahl dieser Organisation mit angehören.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Alles Sozialdemokraten! Bis hin zu Bundestagsabgeordneten!)

Herr Bartling!

Herr Schröder, Zugehörigkeit zu einer Organisation und Gemeinnützigkeit sind unterschiedliche Dinge. Ich kann gerne einer Organisation angehören, muss aber trotzdem nicht der Meinung sein, dass sie gemeinnützig sei und steuerrechtlich bevorteilt werden muss.

(Beifall bei der CDU - Zurufe bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Biester! Dann Herr Biallas.

Herr Minister, eingedenk der Tatsache, dass es die Bahn keineswegs immer gut mit dem Lande Niedersachen meint - Stichworte sind der Zustand von Strecken, die Einstellung von InterRegioVerbindungen und Vergleichbares -, frage ich Sie: Warum ist es Ihres Erachtens schlicht abwegig, mögliche Regressforderungen zu prüfen, wenn aufseiten der Bahn Pflichtverletzungen begangen worden sind?

Herr Bartling!

Herr Biester, Auftraggeber für die Bahn ist die Gesellschaft, die die Transporte durchführt. Insoweit besteht ein Vertragsverhältnis. In Bezug auf uns stellt sich die Situation anders dar. Wir als öffentliche Hand haben den Transport zu sichern. Aus dem Grunde ist diese soeben von dem Kollegen ins Spiel gebrachte Forderung aus meiner Sicht abwegig.