Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren, erlaube ich mir, die Fragen der CDULandtagsfraktion im Namen der Landesregierung wie folgt zu beantworten.

Zu 1: Soweit im Zusammenhang mit der Auflösung von Sitzblockaden Ingewahrsamnahmen erfolgen, werden die von mir genannten polizeilichen Gebühren erhoben. Bei der Forderung nach einer Gebühr für das bloße Wegtragen von Demonstranten, meine Damen und Herren, geht es um die alte Diskussion zur Schaffung einer verwaltungsrechtlichen Kostenerhebungsgrundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwangs.

Die Auffassung der Landesregierung unterscheidet sich zu Ihrer Information, meine Damen und Herren von der CDU, nicht von der Position der Vorgängerregierungen. 1984 hat die damalige Landesregierung auf Vorschlag von Herr Möcklinghoff und im Einverständnis mit der damaligen Regierungsfraktion beschlossen, auf die Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage zu verzichten. Zur Begründung wurde u. a. festgestellt, dass der von der Polizei und der Verwaltung zu betreibende Aufwand zu groß ist. Diese Einschätzung wird weiterhin geteilt. Sie entspricht auch der Bewertung durch den Landesrechnungshof, der aus Zweckmäßigkeitsund Wirtschaftlichkeitserwägungen eine deutliche Reduzierung der polizeilichen Gebührentatbestände empfohlen hat.

Zur Verdeutlichung: Anders als bei der Ingewahrsamnahme, die ich eben geschildert habe und bei der die Gebühren wegen der ohnehin vorliegenden Identitätsfeststellung keinen besonderen Aufwand bedeutet, erfordert eine Gebühr für das bloße Wegtragen eine gesonderte Dokumentation. Neben den wegtragenden Beamten müsste eine weitere Einsatzkraft die Personalien und alle Einzelheiten der Amtshandlung für das Gebührenverfahren aufnehmen. Das wäre im Einsatzgeschehen eines

Gorleben-Transports nicht zu leisten. Der Aufwand stände insgesamt in keinem Verhältnis zum Ertrag.

Zu 2: Ja, soweit durch Demonstranten Eigentum des Landes beschädigt wird, kann Schadenersatz verlangt werden. Voraussetzung für die Geltendmachung und nötigenfalls gerichtliche Durchsetzung ist, dass ein individueller Schädiger festgestellt wird, dem die Schadenverursachung zugerechnet werden kann. Dies ist in einem komplexen Einsatzgeschehen mit einer Vielzahl von Demonstranten häufig erschwert, zumal Gewalttäter häufig aus einer Menschenmenge heraus agieren bzw. sich nach ihrer Tat in deren Schutz zurückziehen.

Zu 3: Die Gesamtsumme der dem Land durch Fremdverschulden entstandenen Sachschäden aus den ersten vier CASTOR-Transporten nach Gorleben beläuft sich nach Mitteilung der Bezirksregierung Lüneburg insgesamt rund 120 000 DM. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Schäden an Polizeidienstfahrzeugen. Schadenersatzforderungen konnten bislang nicht durchgesetzt werden, da die Schadenverursachung individuell nicht zurechenbar war.

Zu den beim Bund und bei der Deutschen Bahn AG entstandenen sicherlich höheren Schäden sind keine Einzelheiten bekannt. Die Gebührenerhebung im Zusammenhang mit Ingewahrsamnahmen habe ich bereits dargelegt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die erste Zusatzfrage stellt Frau Harms.

Herr Minister, da sich die Ermittlungsverfahren nach den CASTOR-Transporten in erster Linie immer wieder gegen Teilnehmer von gewaltfreien Sitzblockaden oder auch Treckerblockaden auf den Straßen des Wendlandes richten, möchte ich von Ihnen wissen, wie viele Verurteilungen es im Zusammenhang mit gewaltfreien Blockadeaktionen im Zusammenhang mit den CASTOR-Transporten in den letzten Jahren gegeben hat, und zwar zum einen gegen Demonstranten bzw. Sitzblockierer oder Teilnehmer an Treckerblockaden und zum anderen gegen Polizeibeamte.

Herr Bartling!

Frau Harms, genaue Zahlen kann ich Ihnen noch nicht nennen, zumal insbesondere nach dem Geschehen im März noch sehr viele Verfahren anhängig sind. Es sind aber bereits etliche eingestellt worden. Im Moment gibt es keine Zahlen über Verurteilungen.

Ich möchte zu Ihrer Eingangsbemerkung bezüglich friedlicher Sitzblockaden Folgendes sagen: Wenn es Demonstrationsverbote gegeben hat und wenn sich jemand bei bestehendem Demonstrationsverbot auf diese Strecke setzt, dann ist das für mich keine irgendwie geartete, nette Aktivität, sondern das ist ein Rechtsbruch, der dann auch verfolgt werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Wie auch immer die Gerichte dann urteilen, das habe ich zu respektieren.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Das ist eine Ordnungswidrigkeit!)

Frau Steiner! Dann Frau Stokar.

Herr Minister, der Niedersächsische Verfassungsschutzbericht stuft die Initiative „x-tausendmal quer“ als linksextrem ein. Teilen Sie die Begründung, die vorgebracht wird, dass schon der Aufruf zu Sitzblockaden ein signifikantes Merkmal für Rechtsextremismus ist?

Herr Minister!

Nein.

Frau Stokar!

Herr Minister, können Sie jetzt schon beziffern, wie hoch die bisherigen Kosten für die Gebührenerhebung gewesen sind und in welchem Verhältnis die real entstandenen Kosten und die tatsächlich

vereinnahmten Gebühren zueinander stehen? Können Sie auch sagen, wie hoch bisher die Kosten für die Landesregierung für den Ausgleich von Schäden waren, die Polizeibeamte und Polizeifahrzeuge angerichtet haben?

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die zerstochenen Treckerreifen.

(Zuruf von der CDU: Nun mach aber mal einen Punkt!)

Die Landesregierung wurde in diesem Fall verurteilt, die Schäden auszugleichen.

Das waren mindestens zwei Fragen und ein Kommentar. - Herr Bartling!

Frau Stokar, mir sind keine Verurteilungen bekannt, mit denen die Landesregierung zur Leistung von Schadenersatz bei Schäden, die die Polizei angerichtet hat, verpflichtet wurde.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein Stichwort bezüglich Ihrer ersten Frage geben würden, weil ich bei der zweiten eben nachgefragt habe.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Die Kosten und die Gebühren!)

- Frau Stokar, ich hatte vorhin dargestellt, dass wir nach unseren Gebührentatbeständen die Kosten für die Ingewahrsamnahme und den Transport in Rechnung stellen können. Dabei treten keine zusätzlichen Kosten auf, weil wir das, was Voraussetzung dafür ist, und zwar die Identitätsfeststellung, bei Ingewahrsamnahme durchführen. Insoweit gehe ich davon aus, dass die Gebühren höher als das sind, was wir an Aufwand betreiben. Anders sähe es bei Gebühren für das Wegtragen aus.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Was ist mit den Treckern? - McAl- lister [CDU]: Der Treckerreifen!)

- Mir ist bisher nicht gesagt worden, dass wir für irgendwelche Trecker etwas bezahlen müssten. Ich will das gerne einmal nachprüfen, Frau Stokar. Sie bekommen das alles schriftlich.

Das Wort hat jetzt Herr Coenen. Danach Herr Dr. Biester.

Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, dass sich die Gebührenordnung zwischen 38 und 108 DM bewegt. Wenn ich dies mit den Gebühren im Straßenverkehr vergleiche, dann steht das normalerweise in keinem Verhältnis. Ist vonseiten der Landesregierung daran gedacht, die Gebühren anzuheben?

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sehr gut! Das kann man bei den Einzelkosten ja nur hoffen!)

Herr Bartling!

Meine Damen und Herren, dazu gibt es in der Tat eine Diskussion. Auch der Bund diskutiert über die Frage, ob der Bußgeldrahmen etwas ausgedehnt werden soll. Zurzeit beträgt die Höchstgrenze für Ordnungswidrigkeiten 1 000 DM. Im Verfahren wird immer geprüft, wie schwer die Tat war. Dabei kommen in der Regel keine 1 000 DM heraus. Angesichts der Zielsetzung der Demonstranten, die Kosten so hoch wie möglich zu treiben, gibt es Überlegungen, auch diesen Rahmen zu verändern. In diesem Zusammenhang werden wir überlegen, ob auch wir unseren Rahmen verändern.

Herr Dr. Biester! Dann Herr Biallas.

Herr Minister, wenn von 300 Gebührenbescheiden 50 % rechtskräftig geworden sind, heißt das, dass sich wahrscheinlich 50 % im Widerspruchsverfahren befinden. Meine Frage: Ist daran gedacht, dass man von der Verfolgung des Gebührenanspruches nach eingelegtem Widerspruch aus Gründen der Opportunität oder anderen Gründen Abstand nimmt?

Herr Bartling!

Wir versuchen, diese Verfahren durchzuziehen, bis wir einen endgültigen Titel haben. Unser Interesse ist es in der Tat, nach der Erteilung eines solchen Bescheides auch das Geld zu erhalten.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Das kostet alles nichts!)

Herr Biallas! Dann Frau Harms zur zweiten Frage.

Herr Minister, angesichts der Tatsache, dass es immer wieder zu Gleisblockaden von hunderten von Demonstranten kommt, angesichts der Tatsache, dass hunderte von Beamten und Beamtinnen eingesetzt werden müssen,

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Zehntausende!)

um die Demonstranten vom Gleiskörper zu entfernen, angesichts der weiteren Tatsache, dass Sonderzüge eingesetzt werden müssen, um die Demonstranten vom Tatort zu entfernen, angesichts der Tatsache, dass diese Demonstranten mit diesen Sonderzügen 200 km weit gefahren werden, und angesichts der Tatsache, dass diese Demonstranten zum Teil schneller wieder am Brennpunkt sind als die Sonderzüge, frage ich Sie erstens, Herr Minister, ob die Kosten dafür ermittelt worden sind. Ich frage zweitens, warum man nach der Feststellung der Personalien der Mitreisenden in den Sonderzügen diese Kosten nicht gleichmäßig auf alle umlegt.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Wochenendticket! - Heiterkeit)

Herr Innenminister!