Ferner muss das direkte Hebungsrecht der Kommunen erhalten bleiben. Wenn dies auf eine Art und Weise organisiert wird, dass am Schluss das Aufkommen aus der Gewerbesteuer von der Größenordnung her gerechter nach Anzahl der zahlenden Wirtschaftsbeteiligten verteilt wird, dann wäre das ein riesiger Erfolg. Bis jetzt sind alle Versuche, in dieser Richtung etwas Tragfähiges zu schaffen, gescheitert. Deswegen setze ich unter den veränderten Steuerrechtsrahmenbedingungen große Hoffnungen auf die Expertenkommission, die sich an den Punkten, die ich dargestellt habe, orientieren muss, weil sonst kein tragfähiges Konzept entwickelt werden kann.
Wir werden uns mit den kommunalen Spitzenverbänden bei jedem Lösungsansatz, der diskutiert wird, rückkoppeln. Wir werden auch länderübergreifend in dieser Angelegenheit sehr stark zusammenarbeiten müssen. Die Weiterungen dieser gesamten Diskussion, nämlich die Frage der Finanz- und Steuerkraft der Gemeinden, wird auch auf das Thema des Länderfinanzausgleichs durchschlagen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass dieser Gesichtspunkt nicht außer Acht gelassen wird.
Herr Minister, wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung, dass aufgrund der Steuerausfälle und in Niedersachsen speziell auch aufgrund der
zusätzlichen Lasten, die sich infolge des BEBUrteils ergeben, weit mehr Kommunen als bisher auf Bedarfszuweisungen angewiesen sein werden?
Die aktuellen Steuerausfälle sind berechenbar und darstellbar. Inwieweit sich im Zusammenhang mit BEB massive Belastungen ergeben, hängt ganz wesentlich davon ab, wie stark sich Niedersachsen und auch die Gesamtheit der Abgeordneten in diesem Landtag dafür verwenden, dass unsere Strategie zu einem Erfolg führt. Ganz entscheidend wird sein, ob es gelingt, die konjunkturelle Situation, in der wir uns befinden, schnell und erfolgreich ins Gegenteil zu wenden und wieder wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen.
Ich gehe davon aus, dass der Landeshaushalt, der morgen verabschiedet wird, einen niedersächsischen Beitrag zur Stärkung der Steuer- und Finanzkraft über eine anspringende Konjunktur leisten wird. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass Sie dem Haushaltsplanentwurf zustimmen werden, damit die 45 Milliarden Euro, die wir in diesem Haushalt verankert haben, dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden können. Jede Verzögerung des Doppelhaushaltes wäre konjunkturschädlich, damit steuerschädlich, finanzkraftschädlich und würde damit die Rückwirkung, die Sie eben erfragt haben, noch beschleunigen.
Herr Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen die dramatischen Einbrüche bei der Gewerbesteuer nicht den Steuerreformen zugeschrieben. So habe ich Sie jedenfalls verstanden. Auf der anderen Seite haben Sie aber ausgeführt, dass durch eine Rücknahme der Entscheidung bezüglich der Besteuerung der Dividendeneinnahmen wahrscheinlich 750 Millionen DM Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer zu verzeichnen wären. So habe ich Sie jedenfalls verstanden. In den Steuerreformen wurde doch meines Erachtens auch vereinbart - -
- - - Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften steuerfrei zu stellen. Welche Auswirkungen hat das für die Kommunen gehabt?
Ich habe vorhin in meiner Antwort auf Herrn Hogrefe verwiesen, der gestern eine Grafik hochgehalten hat und die dramatischen Steuereinbrüche aus dem letzten Teil Ihrer Frage beschrieben hat. Das sind Milliardenbeträge durch die Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen von Kapitalgesellschaften.
Wir haben jetzt in der Tat analoge Überlegungen im Vermittlungsausschuss angestellt. Wir haben bei den Veräußerungsgewinnen bei Streubesitz eingegriffen und haben die Dividenden aus der Steuerfreiheit herausgenommen. Dadurch ergibt sich größenordnungsmäßig ein Plus für die Kommunen von 200 Millionen DM. Insgesamt waren Ausfälle von 900 Millionen DM veranschlagt. Die sind also teilweise durch die Besteuerung der Dividenden zurückgenommen worden. Die Steuerfreiheit bei Streubesitzbeteiligungen von unter 10 % bleibt im Übrigen erhalten.
Die Gesamtausfälle aus der Steuerform - das ist unbestritten - treten ein, aber nicht nur bei den Kommunen, sondern - wie ich anfangs versucht habe deutlich zu machen - sie treffen die drei politischen Ebenen unterschiedlich hart und unterschiedlich bei den Steuerarten.
Die Gewerbesteuer - das war ja der Kern Ihrer Frage - als gemeindliche Steuer ist in der Regel auch abhängig von dem Bereich der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer. Gerade dazu gab es weitere Elemente in der Diskussion ich könnte das jetzt ausführen - bis hin zu der steuerfreien Übertragung beim Generationswechsel. Da haben wir gesagt: Das bleibt steuerfrei, es kommt nur eine Behaltefrist hinein. Das ist mittelstandsorientiert.
Zu der Frage, ob es Freibeträge bei der Reinvestitionszulage gibt, hat es einen breiten Konsens bei den Vorbereitungsverhandlungen, dann aber auch im Vermittlungsausschuss gegeben, dass wir das im Interesse des Mittelstandes durchaus wollen. Wir haben die Freigrenze bei 500 000 Euro festgeschrieben und zwei Fristen eingezogen, nämlich zwei und vier Jahre; vier Jahre bei Übertragung von Grundbesitz. Das ist sicherlich auch im Inte
resse der CDU und auch der Grünen gewesen, Mittelstandspolitik in diesem Sinne zu fördern - da bin ich mir mit der Kollegin Knorre ausdrücklich einig, die mich in dieser Auffassung sehr bestärkt hat -, hier konjunkturfördernde Elemente mit einzubeziehen, weil sich gerade das, was mittelstandsorientiert auf den Weg gebracht wird, mit kurzer Verzögerung auch wieder steuerpolitisch insbesondere bei der Gewerbesteuer - positiv auswirkt.
Diese komplexen Zusammenhänge zwischen Steuerpolitik und Wirtschaftspolitik im Auge zu behalten, scheint mir eine Verantwortung zu sein, die man als Finanzminister wahrzunehmen hat, auch wenn er gleichwohl die Steuerfragen und die Auswirkungen von Steuerfragen auf die jeweilige Gebietskörperschaft im Auge behalten muss. Aber Fiskalist zu sein ohne Rücksicht darauf, was sich aus den steuerpolitischen Beschlüssen ergibt, das ist nicht meine Art und nicht die Art der Landesregierung.
Herr Fiskalist Finanzminister Aller, Ministerpräsident Gabriel hat vor einigen Monaten Ihren Vorstoß für eine Neubewertung des Immobilienvermögens und eine dadurch ermöglichte verfassungsgemäße Erhebung der Erbschaftsteuer ausgebremst. Ich frage Sie: Wie beurteilen Sie die Auffassung, dass Herr Gabriel damit in unverantwortlicher Weise Einnahmeausfälle für das Land Niedersachsen provoziert, eingedenk auch der Stellungnahme des Bundesfinanzhofes?
Der Finanzminister hat die Aufgabe, die Finanzen so weit wie möglich auch unter Gesichtspunkten der Rechtmäßigkeit beizutreiben und, wenn es notwendig ist, Rechtsänderungen zu initiieren und voranzutreiben. Gleichwohl - das war allen Initiatoren auf der Finanzministerebene klar - gab es zu diesem Zeitpunkt erhebliche Probleme, die notwendigen Mehrheiten im Bundesrat zu organisie
ren, die Voraussetzung dafür gewesen wären, überhaupt eine Gesetzesinitiative nachhaltig in den Beratungsgang zu bringen, weil die Bundesseite für sich erklärt hat, nicht gesetzesinitiativ zu werden. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sitzen in der Bundesregierung auch die Grünen. Die Bundesseite hat aber gesagt: Wir machen das nicht, es müsste von der Länderseite kommen.
Es hat in der Tat auf der Finanzministerseite - Herr Golibrzuch, Sie wollen es ja immer wieder hören, dass Sie bei den Grünen nichts zu sagen haben; dann sage ich es Ihnen mal - fünf Länderkollegen gegeben, die diesen grundsätzlichen Antritt zur Erbschaftsteuer vorangetrieben haben. Nun kommt das, was vielleicht einen Ministerpräsidenten vor einem Finanzminister zuzurechnen ist. Der Ministerpräsident hat unter Rückkoppelung zu anderen Bundesländern und der Bundesregierung die klare Frage gestellt: Gibt es derzeit eine Mehrheit für eine solche Gesetzesinitiative? - Die Antwort war eindeutig: Nein.
Dann gibt es einen kleinen Unterschied zwischen den Grünen hier und den Grünen im Bund. Im Bund haben sie das akzeptiert und keine Gesetzesinitiative ergriffen. Die Grünen hier wollten aus reiner Selbstbefriedigung eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, die zum Scheitern verurteilt wäre. Aus dieser klugen Einschätzung der Situation hat der Ministerpräsident entschieden: Wir vertagen dieses Thema und warten eine günstigere Zeit ab, in der dann gesetzeskonform und verfassungskonform diese Regelung auf den Weg gebracht werden kann.
Da sich der Bundesfinanzhof nun eindeutig geäußert hat, wird die Politik nicht umhin können - auch die CDU und die CSU nicht, auch die PDS nicht, und wer sonst verantwortlich tätig ist -, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Ich glaube, die Chancen, diesen Gesetzesantritt, den wir versucht haben, nun auf den Weg zu bringen, nachdem sich der Bund geäußert hat, wie er sich verhält - das ist die Voraussetzung, die ich für vernünftig halte -, sind nicht schlecht.
Herr Minister, der CDU-Bundesparteitag hat ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit beschlossen, das kommunale Mehrwertsteuerprivileg abzuschaffen. Können Sie uns schon in einer ersten Einschätzung sagen, was das auf der Einnahmeseite bedeuten würde, wenn zukünftig alle Abwässer, jede Müllabfuhr und weitere kommunale Dienstleistungen mehrwertsteuerpflichtig werden, und was das für die Verbraucher bedeutet?
Herr Möhrmann, ich muss Ihnen gestehen, dass mir der CDU-Bundesparteitag gar nicht bewusst ist. Welchen meinen Sie? Wenn es tatsächlich einen gegeben haben sollte, der eine solche Beschlusslage herbeigeführt hat, dann wäre das natürlich ein Schlag ins Kontor. Nicht nur bei den Kommunen würde das erhebliche Probleme aufwerfen, wenn die 16 % dort aufgeschlagen würden. Auch wir als Land haben die eine oder andere Einrichtung als Landesbetrieb, der dann in diesem Sinne steuerpflichtig würde. Es wäre eine hoch interessante Rechnung, die wir mal aufmachen sollten. Ich sichere Ihnen zu, dass ich mich bemühen werde. Von wann ist der Beschluss?
- Man wird den Beschluss dieses CDU-Parteitages irgendwo in den Archiven finden. Ich werde den Beschluss auswerten und dem Landtag insgesamt die Ergebnisse zustellen.
Ich darf nur darauf hinweisen, dass die Landesregierung keine Fragen beantworten muss, die auf Parteien bezogen sind.
Herr Minister, mich würde interessieren, wie es überhaupt zu der Initiative Niedersachsens im Bundesrat gekommen ist, wenn sich doch der Mi
nisterpräsident eindeutig gegen eine Anhebung der Erbschaftsteuer ausgesprochen hat. Hatten Sie dafür noch nicht einmal im Kabinett eine Mehrheit?
Ich habe versucht, Ihnen deutlich zu machen, wie man auf der Bundesebene, vor allen Dingen auch in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, die ja häufig auch erst wegen der unterschiedlichen Auffassung der beiden Koalitionspartner
eine Positionierung finden muss, für Mehrheiten werben muss, die in Bereichen des Steuerrechts nicht unumstritten sind.
(Frau Harms [GRÜNE]: Frau Pothmer wollte aber wissen, ob die Landesre- gierung zusammengefunden hat!)
Die Landesregierung hat in Vorbereitung auf diese Frage und in Kenntnis dieses Sachverhalts auf Initiative des Finanzministeriums - das ist unstreitig - auf der Ebene der Finanzminister für Mehrheiten geworben. Stärkster Partner war SchleswigHolstein. Wir haben auch - das kann ich durchaus sagen - innerhalb der sozialdemokratischen Partei für Mehrheiten geworben. Es hat sich allerdings gezeigt, dass Koalitionsregierungen nicht immer in der Lage sind, Initiativen zuzustimmen, die von sozialdemokratischen Regierungen auf den Weg gebracht worden sind.
In diesem Kontext ist es doch gar kein Problem, Frau Harms, zuzugestehen, dass diese Initiative, nachdem sich fünf Länder gefunden hatten, es aber nicht mehr wurden, zum Scheitern verurteilt war. Deshalb haben kluge Leute gesagt: Diese Initiative wird zu diesem Zeitpunkt nicht weiter verfolgt. Zu denen gehörte auch der Niedersächsische Ministerpräsident.