b) Kein Kuhhandel mit Hamburg zu Lasten der niedersächsischen Bevölkerung - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3130
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Verhandlungen über einen Beitritt Hamburgs zum Tiefwasserhafenprojekt wird als Hamburger Vorbedingung immer wieder eine Zustimmung zu einer weiteren Elbvertiefung ins Spiel gebracht.
Die Absicht der Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen, auf dem Gebiet der Hafenwirtschaft enger zusammenzuarbeiten, hat schon im letzten Jahr dazu geführt, dass sich die Landesregierung für eine erneute Vertiefung der Unterelbe aufgeschlossen gezeigt hat. Dabei ist die Überprüfung der Folgen der letzten Elbvertiefung von vor zwei Jahren noch nicht abgeschlossen. Im Ergebnis sind allerdings massive ökologische Probleme, Auswirkungen auf Strömung, Wasserstände und Elbbiotope zu befürchten.
Durch eine erneute Vertiefung der Unterelbe würden die Deichsicherheit in den Landkreisen Cuxhaven und Stade gefährdet und die strukturschwache Unterelbe-Region mit den für sie wichtigen Wirtschaftsbereichen Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus erheblich beeinträchtigt.
1. Welche verbindlichen Absprachen über die Duldung bzw. Zustimmung zu einer weiteren Vertiefung der Unterelbe wurden zwischen der Landesregierung und dem Hamburger Senat getroffen?
2. Welche Erkenntnisse über die Auswirkungen der letzten Vertiefung der Unterelbe liegen der Landesregierung vor?
3. Warum setzt sich die Landesregierung in der Frage der erneuten Elbvertiefung über die erheblichen Bedenken bei der Bevölkerung und bei den politischen Gremien in der Region hinweg?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersachsen macht sich seit langem für eine sinnvolle Kooperation der norddeutschen Länder in der Hafenpolitik stark. Wenn die deutschen Seehäfen gegenüber der europäischen Konferenz wettbewerbsfähig sein wollen, so kann dies nur in Form einer gemeinsamen Strategie funktionieren. Dem geplanten Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven kommt dabei eine besondere Rolle zu, weil nur er die uneingeschränkte Zufahrt von Schiffen der oberen Größenordnung ermöglichen wird. In der Konkurrenz, etwa zu Rotterdam, braucht Norddeutschland einen Hafen, der natürliche große Wassertiefen aufweist und nicht allein von Baggertiefen und Gezeiten abhängig ist. In Wilhelmshaven ist dies der Fall.
Selbstverständlich will Niedersachsen bei diesem Projekt Hamburg mit im Boot haben. Wie Sie alle gehört oder gelesen haben, hat Bürgermeister von Beust erklärt, dass Hamburg sein Interesse an diesem Projekt nicht aufgegeben hat. Unabhängig davon verfolgt Hamburg seine originären Interessen, den Hamburger Hafen möglichst erfolgreich zu betreiben. Das ist verständlich und auch im niedersächsischen Interesse, weil die Wirtschaftskraft des Hamburger Hafens auf Niedersachsen ausstrahlt. Ein großer Teil der hafenabhängig Beschäftigten lebt in Niedersachsen und pendelt zu den Arbeitsplätzen in Hamburg.
Was es aber nicht gibt, meine Damen und Herren, ist ein Junktim zwischen der Entscheidung zum Tiefwasserhafen und zur Elbvertiefung. Das haben die beiden Regierungschefs nach ihrem Gespräch am Dienstag nochmals deutlich gemacht. Und zur Erinnerung: Bei den Gesprächen im März 2001 hatten die Regierungschefs der norddeutschen Küstenländer nichts anderes verabredet - ich zitiere aus der damaligen Presseveröffentlichung -:
„Eine ökologisch vertretbare und ökonomisch erforderliche weitere Vertiefung von Elbe und Weser werden geprüft.“
Prüfung ist keine Zustimmung, schon gar keine blinde Zustimmung oder kritiklose Anerkennung von Hamburger Planungen. Die Hamburger Wirtschaft hält eine weitere Vertiefung der Elbe für erforderlich. Deshalb wird Hamburg einen Antrag auf Vertiefung dieser Bundeswasserstraße bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung stellen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird entschieden, ob
eine weitere Vertiefung vertretbar und zulässig ist und ob Niedersachsen sein Einvernehmen erteilt oder nicht.
Niedersachsen hat immer deutlich gemacht, dass es in einem solchen Planfeststellungsverfahren seine eigenen Interessen nicht hintanstellen wird. Alle Beteiligten haben im Rahmen des zurückliegenden Verfahrens zur Vertiefung der Elbe darauf hingewiesen, dass die Grenzen des Vertretbaren weitgehend erreicht sind.
Die Gewährleistung der Deichsicherheit steht für Niedersachsen an oberster Stelle und muss übrigens auch den Hamburgern selbst ein Anliegen sein. Denn Sturmfluten, die sich auf der Unterelbe entwickeln, treffen nach allen Erfahrungen Hamburg immer härter als die unterhalb gelegenen Gebiete Niedersachsens.
Geprüft werden müssen auch Fragen zu den Strömungsverhältnissen, zum Erosionsschutz und zur Biotoperhaltung. Das sind die kritischen Punkte, die bereits langjährige Untersuchungen zu den vorausgegangenen Elbvertiefungen gezeigt haben.
Was ich damit aber auch sagen will: Das Land kann einem Wasserstraßenausbau nicht von vornherein sein Einvernehmen versagen. Das Land wird aber prüfen, ob es Gründe gibt, das Einvernehmen zu versagen.
Zu Frage 1: Verbindliche Absprachen über eine Duldung oder Zustimmung zu einer weiteren Elbvertiefung bestehen zwischen der Niedersächsischen Landesregierung und dem Hamburger Senat nicht.
Zu Frage 2: Die letzte Elbvertiefung ist in den Jahren 1999 und 2000 durchgeführt worden. Die Träger des Vorhabens - das Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg und die Wirtschaftsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - haben der Bezirksregierung Lüneburg als Einvernehmensbehörde im November 2000 den Abschluss der Ausbauarbeiten angezeigt. Die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind bekanntlich noch nicht ausgeführt worden. Das dazu eingeleitete ergänzende Planfeststellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Träger des Vorhabens sind der Auflage aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 4. Februar 1999 ebenfalls noch nicht nachgekommen, den jährlich vorgeschriebenen Bericht zu den Beweissicherungserhebungen der Einvernehmensbehörde vorzulegen, damit sich diese ein Bild über mögliche ausbaubedingte Veränderungen machen kann. Deshalb liegen belastbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen der letzten Elbevertiefung auch noch nicht vor.
Zu Frage 3: Die Landesregierung hat immer wieder - auch vor diesem Parlament am 17. Mai letzten Jahres im Zusammenhang mit Entschließungsanträgen zum Thema - betont, dass sie die Bedenken der Region an der Unterelbe sehr ernst nimmt und auf der Wahrung der Sicherheitsbedürfnisse und der sonstigen Belange der Bevölkerung bestehen wird.
Herr Minister, ich frage Sie: Welche Funktion und wirtschaftliche Tragfähigkeit kann ein Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven noch haben, wenn durch eine weitere Elbvertiefung um 1,5 m auf 16 m Hamburg selbst zum Tiefwasserhafen wird?
Herr Hagenah, Sie werfen mit der Frage Gegenstände auf, die den Bereich ganz unsicherer Prognosen berühren.
Denn es ist, abgesehen davon, dass ich für die wirtschaftliche Seite nicht zuständig bin, klar, dass eine weitere Vertiefung der Elbe einer nächsten Generation von Containerschiffen die Möglichkeit des Ansteuerns des Hamburger Hafens erleichtern oder diese Möglichkeit sogar erst schaffen würde.
Welche Entwicklung die Containerschifffahrt nehmen wird, lässt sich heute nicht absehen. Nicht nur ich, sondern auch die Landesregierung kann Ihre Frage deshalb nicht beantworten, weil zu einer neuer Elbvertiefung zwar eine politische Ankündigung öffentlich gemacht wurde, uns bisher allerdings überhaupt keine Unterlagen über Planungsdetails vorgelegt worden sind. Dem Land Niedersachsen sind also außer der politischen Debatte in Hamburg - im Hintergrund die wirtschaftlichen Belange des Hafens und damit auch des Landes keine weiteren Informationen bekannt. Unsere Einschätzung ist, dass wir in Zukunft im Rahmen eines norddeutschen Hafenkonzepts einen Hafen benötigen, der am Tiefwasser liegt. Dafür wollen wir in Wilhelmshaven die Voraussetzungen schaffen. Meine Einschätzung ist, dass Hamburg irgendwann an seine Grenzen kommen wird, dieses Segment zu bedienen.
Herr Minister, wie interpretieren Sie nach dem von Ihnen Gesagten die im letzten Jahr anlässlich der so genannten Hafeneinigung der norddeutschen Länder gemachte Äußerung des Ministerpräsidenten Gabriel, das Land Niedersachsen werde keinen politischen Widerstand gegen eine Elbvertiefung leisten, die anlässlich des Gespräches mit Herrn von Beust jetzt in der Weise wiederholt worden ist, das Land werde keinen politischen Widerstand gegen die Elbvertiefung organisieren?
(Buß [SPD]: Das ist doch normal! Wir arbeiten doch nach Recht und Gesetz und nicht mit Widerstand in der Öf- fentlichkeit!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Harms, ich meine, dass sich in der Position des Ministerpräsidenten absolute Kontinuität befindet.
Er hat im April letzten Jahres auf dem Treffen der drei Ministerpräsidenten einen Text mit unterschrieben, der übrigens mit den beteiligten niedersächsischen Ressorts abgestimmt war, in dem deutlich gemacht worden ist, dass wir ein gesamtnorddeutsches Hafenkonzept benötigen. Wilhelmshaven ist der ideale Standort für die Realisierung. Hamburg zeigt mit seiner Unterschrift seine Bereitschaft, sich darauf einzulassen, und hat in dem Gespräch darauf aufmerksam gemacht, dass es an einer weiteren Elbvertiefung interessiert ist. Der Vertragstext - ich hoffe, ich gebe ihn sinngemäß zutreffend wieder - beschreibt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Elbvertiefung ergebnisoffen und sehr sorgfältig geprüft gehören.
Es gibt zwei Ebenen. Man kann sich politisch über Hamburg aufregen und deren wirtschaftliche Belange polemisch kritisieren. Ich rate davon aber wegen des Zusammenhangs der wirtschaftlichen Belange in der Metropolregion Hamburg dringend ab. Jenseits dessen gibt es möglicherweise ein wirtschaftliches Interesse Hamburgs, das so weit reicht, dass es die zentralen wasserwirtschaftlichen Belange Niedersachsens und Hamburgs so berührt, dass ein Einvernehmen, das notwendig ist, um das Verfahren überhaupt in Gang zu bringen, nicht erteilt werden kann. Das kann ich aber erst in einem geordneten Verfahren klären. Dieses geordnete Verfahren, Frau Harms, ist bisher überhaupt nicht angelaufen. Ich maße mir aber nicht an, mich im Vorfeld hier hinzustellen und zu sagen, dass ich das deshalb auf keinen Fall wolle, weil ich davon ausgehe, dass die Maßnahme sachlich unverträglich sei. Ich habe von Anfang an - u. a. im Mai letzten Jahres in Stade; das war die Ursache für die Debatte im Landtag - -
(McAllister [CDU]: Nein! Das führte dazu, dass wir Anträge gestellt haben! - Möllring [CDU]: Ist ja auch egal!)
- Ihr Antrag resultiert daraus, dass Sie versucht hatten, einen Widerspruch zwischen den Aussagen von Herrn Gabriel und von mir zu konstruieren. Das ist nicht gelungen. Dies können Sie auch gerne weiter versuchen. - Jetzt haben Sie es aber geschafft, mich aus dem Rhythmus zu bringen.