Protokoll der Sitzung vom 14.02.2002

EU-Sorten vom Europäischen Gerichtshof zu erwarten. Nach Einschätzung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sollten der Bund Deutscher Pflanzenzüchter sowie auch die Saatgut-TreuhandGmbH daher aufgefordert werden, bis zu den genannten Urteilen von weiteren Klageverfahren gegen Landwirte abzusehen.

Wie bereits die Plenarberatungen gezeigt haben, schlossen sich die Vertreter der Fraktionen der SPD und der CDU der Zielsetzung des Entschließungsantrages im Hinblick auf die Auskunftspflicht für die Landwirte grundsätzlich an. Der Sprecher der Fraktion der SPD machte darauf aufmerksam, dass das Ziel eine einheitliche europäische Vereinbarung sein solle, welche Wettbewerbsverzerrungen ausschließe. Daher sollten Landwirte wie Pflanzenzüchter eine gemeinsame Lösung finden, die genau diese Problematik berücksichtige. Der Vertreter der Fraktion der CDU bemerkte hierzu, dass außerdem Rahmenbedingungen zu schaffen seien, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft als auch das Fortbestehen von Forschung und Entwicklung im Bereich der Pflanzenzüchtungen am Standort Deutschland berücksichtigten.

In einer vom Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einvernehmlich beschlossenen Anhörung verdeutlichten sodann Vertreter der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren und des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e. V. ihre Positionen.

Der Sprecher der Interessengemeinschaft brachte hierbei zum Ausdruck, dass die Auskunftspflicht in vergleichbaren Fällen im gewerblichen Bereich nicht existiere. Er rufe daher die Politiker auf, dafür Sorge zu tragen, dass es zu einem Interessenausgleich ohne ein solches Ausforschungsersuchen komme.

Der Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter entgegnete, dass aufgrund ausreichender Mengen an Saatgut auf dem Handelsmarkt kein öffentliches Interesse mehr bestehe, den Nachbau zu gestatten. Sollte sich der Landwirt für eine Wiederaussaat entscheiden, könne dies wegen der hohen Entwicklungskosten für den Pflanzenzüchter keineswegs kostenfrei sein. In diesen Fällen müsse der Landwirt gegenüber dem Pflanzenzüchter auch auskunftspflichtig sein.

Einig waren sich die beiden Interessenvertreter darüber, dass die unklare Rechtslage um die in

diesem Zusammenhang angestrebten Klageverfahren gegenüber einer Vielzahl von Landwirten unbefriedigend sei.

Im Anschluss an die Anhörung verständigten sich die Ausschussmitglieder zunächst darauf, die Entscheidung des BGH abzuwarten, um nach Vorlage des Urteils die Beratungen wieder aufzugreifen. Mit seiner Entscheidung vom 13. November 2001 verneinte schließlich der Bundesgerichtshof einen Auskunftsanspruch der Landwirte beim Nachbau von Saatgut.

Nach Vorlage dieses Urteils verständigten sich die Fraktionen der SPD und der CDU auf einen gemeinsamen Änderungsvorschlag. Dieser Änderungsvorschlag, der Ihnen heute als Beschlussempfehlung in der Drucksache 3092 vorliegt, hat insbesondere zum Ziel, den betroffenen Beteiligten zu empfehlen, ein Verfahren für nationale Sorten zu entwickeln, das aufgrund der getroffenen gerichtlichen Entscheidung eine einfache und allen Seiten gerecht werdende Erhebung der Nachbaugebühren gestattet.

Der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sah hingegen keine Möglichkeit, diesen Vorschlag mitzutragen, und stimmte deshalb gegen die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Stolze hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachbau ist nach der gesetzlichen Regelung die Verwendung von Erntegut als Vermehrungsmaterial, das durch den Anbau geschützter Sorten im eigenen Betrieb gewonnen wird. Gemäß § 10 a Abs. 6 des Sortenschutzgesetzes sind Landwirte, die von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch machen, sowie von ihnen beauftragte Aufarbeiter gegenüber den Sortenschutzinhabern zur Auskunft über den Umfang des Nachbaus verpflichtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pflanzenzüchtung kostet Geld. Ich denke, es ist unstrittig, dass die Erhebung einer Nachbaugebühr zur besseren Amortisierung der Züchtungsleistungen beiträgt und die Pflanzenzüchter neben den Einnahmen aus der Lizenzgebühr, die beim Kauf von Saat- und Pflanzgut erhoben wird, in die Lage

versetzt, der Landwirtschaft schneller neue Sorten mit verbesserten Eigenschaften zur Verfügung zu stellen. Allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Nachbaugebühren und Auskunftspflicht ein Thema, das weniger als 5 % der Landwirte überhaupt interessiert, da 95 % ihrer Auskunftspflicht nachkommen.

Dass die Landwirtschaft vom züchterischen Fortschritt profitiert hat bzw. immer noch profitiert, liegt auf der Hand. Der Anteil der Pflanzenzüchtung an der Ertragssteigerung im Pflanzenbau wird auf 30 bis 50 % geschätzt. Hiervon profitieren alle Nutzer in allen Anbaustufen und -systemen, sodass der Anspruch auf die Erhebung einer angemessenen Nachbaugebühr als durchaus gerechtfertigt angesehen werden kann. Sie dürfen erhoben werden. Das wurde höchstrichterlich festgestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage, ob die Zuchtziele im Pflanzenbau immer die richtigen waren, gilt es hier nicht zu beantworten. Allerdings hat der Kollege Kethorn bei der Einbringung des Antrages ausgeführt, dass Sorten häufig gewechselt und die Kosten für die Neuzüchtungen hierdurch stetig steigen. Dies widerspricht dem normalen Marktverhalten. Eingeführte Sorten bzw. Marken, wie z. B. „Dr. Oetker“ oder „Persil“, bleiben in den Köpfen der Menschen über Jahrzehnte verankert. Bei Kartoffeln

(Oestmann [CDU]: Das war ein ge- wagter Vergleich!)

denke ich zum einen an die Sorte „Hansa“, die über Jahrzehnte den Kartoffelmarkt beherrschte. Diese Sorte, deren Erfolg sicherlich auf ihrem Geschmack beruhte, wurde zu einer Massenertragssorte entwickelt.

(Bontjer [SPD]: Unterschiedlich!)

Das veränderte Zuchtziel, meine Damen und Herren, ging auf Kosten der Eigenschaft, die ihre Marktstellung begründete: den guten Geschmack.

(Zuruf von der SPD: Ach, tatsäch- lich?)

Konsequenz: Der Marktanteil ging zurück. Dieses Beispiel zeigt, dass es in diesem Bereich nicht nur Fortschritte, sondern auch Rückschläge geben kann.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Auskunftspflicht. Über das Verfahren der Auskunftserhebung besteht Streit. Die kleinen bis

mittleren Betriebe fallen unter die Kleinerzeugerregelung. Damit sind sie von der Nachbaugebühr ausgenommen. Die Auskunftspflicht ist für sie also kein Thema. Bei den Betrieben, die nicht unter die Kleinerzeugerregelung fallen, ergibt sich eine Problematik, die ich kurz zusammenfassen möchte.

Meine Damen und Herren, jeder Landwirt, unabhängig davon, ob er Ackerbau oder ausschließlich Viehzucht betreibt, wird von der SaatgutTreuhandgesellschaft angeschrieben. Der Deutsche Bauernverband bemerkt, dass dies nicht im Interesse der Europäischen Kommission sei. In einer Stellungnahme der EU-Kommission erklärt diese ausdrücklich, dass sie nicht wolle, dass jeder Landwirt angeschrieben werde. Es sei Aufgabe eines Sortenschutzinhabers, die Verwendung seiner Sorten nachzuweisen, um auf diese Weise eine Rechtsbeziehung zwischen Landwirt und Sortenschutzinhaber darzulegen. Auf der Grundlage einer solchen Rechtsbeziehung könne der Sortenschutzinhaber dann einen Auskunftsanspruch geltend machen.

Meine Damen und Herren, dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Züchter, die keine Auskunft darüber erlangen, was nachgebaut wird, folglich auch kein Geld einsammeln können, da sie nicht wissen, von wem sie Gebühren in welcher Höhe erheben dürfen. Für den Züchter ist der Nachweis des Nachbaus schwierig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht darum, einen Streitentscheid herbeizuführen und festzustellen, wer Recht hat. Vielmehr geht es darum, ein Verfahren zu entwickeln, das unter Berücksichtigung der gerichtlichen Entscheidungen eine einfache und allen Parteien gerecht werdende Erhebung der Nachbaugebühren gestattet. Die Höhe der Nachbaugebühren zwischen den Kooperationspartnern muss dabei auf eine weitgehende Gleichbehandlung der Betriebe ausgerichtet sein.

Im Sinne der Landwirte sollte ein pragmatisches Ergebnis herbeigeführt werden, das allen Beteiligten gerecht wird. Ich bin davon überzeugt, dass dies möglich sein wird. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Oestmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zuzugeben, dass dieses Thema von sehr begrenzter Aktualität und begrenztem allgemeinen Interesse ist. Trotzdem müssen wir diesen Antrag abarbeiten. Es bleibt festzustellen, dass der ursprüngliche Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eigentlich gegen Auskunftspflicht und gegen Nachbaugebühren gerichtet war. Genau dieser Sachverhalt - das hat sich in den Beratungen herausgestellt - ist nicht zu halten, weil das nicht rechtens ist.

Nach mühsamem Suchen haben wir jetzt eine Formulierung gefunden, die einem Tatbestand Rechnung tragen soll, von dem man eigentlich sagen muss, dass sich die Beteiligten gutwillig zusammensetzen müssten. Da wir es aber im Leben allgemein mit Menschen und menschlichen Schwächen zu tun haben, wird es sehr schwierig sein, entsprechend dem Wunsch, den der Ausschuss formuliert hat, ein Verfahren zu entwickeln, das den legitimen Interessen der Pflanzenzüchter Rechnung trägt.

Unbestritten ist, dass das so genannte Landwirteprivileg, wonach früher Sorten, die langlebig waren und damit, wenn man so will, auch in ihrer Leistungsfähigkeit sehr schnell überholt wurden, auf Dauer nicht zu halten war. Aber man muss auch einmal sagen: Die Zuchtergebnisse, die Fortschritte in der Pflanzenzüchtung sind überwiegend die Begründung für die Leistungsfähigkeit der pflanzlichen Produktion überhaupt. Herr Stolze hat das am Beispiel von „Persil“ und „Hansa“ angedeutet. „Persil“ ist zeitlos, aber auch eine etwas sachfremde Materie. Die Kartoffelsorte „Hansa“ war der große Renner. Aber wir erleben, dass durch den züchterischen Fortschritt die Lebigkeit der Sorten immer kürzer wird

(Bontjer [SPD]: Ackergold und Ackersegen!)

- bei euch ist es immer etwas später; das ist so

(Heiterkeit)

und dass dadurch natürlich auch der Aufwand für die Pflanzenzüchter ständig steigt. Sie müssen diesen Aufwand irgendwie honoriert bekommen.

Nun könnte man natürlich sagen: Wir machen verpflichtend einen Saatgutwechsel. Das heißt, mit dem Basissaatgut bekommt der Züchter oder bekommen die Züchtergruppen ein entsprechendes Entgelt für ihre Leistungen. - So wird in der letzten Zeit ohnehin immer öfter verfahren; denn insbesondere bei den Hybridsorten ist ein Nachbau technisch und wirtschaftlich gar nicht vertretbar. Dort kommt der Züchter unmittelbar durch den Saatgutwechsel mit so genanntem Z-Saatgut durch den Preis des Saatgutes in den Genuss seiner Leistungen. Hier geht es, wenn man so will, um die kleine Gruppe derer, die keinen Saatgutwechsel auf der Grundlage von Z-Saatgut vornehmen.

Es ist unbestritten, dass der Versuch der Pflanzenzüchter, mit dieser globalen Methode alle mit einer Auskunftspflicht zu überziehen, in Wahrheit nichts anderes war, als mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Nur, bis dato war den Betroffenen nichts Vernünftigeres eingefallen. Das Problem wäre einfach zu lösen, wenn jeder, der Saatgut nachbaut, also nicht die Grundstufe neu zukauft, so fair wäre, dies seinem Züchter oder der Züchtersammelorganisation anzuzeigen. Denn dann könnte dafür die notwendige Gebühr eingefordert werden. Aber da die Menschen nun mal nicht so sind, wie wir sie gerne hätten, muss man noch ein Verfahren entwickeln, mit dem man auch diese Anwendergruppe zu den Aufwendungen, die für den Zuchtfortschritt notwendig sind, heranziehen kann. Darauf haben wir uns in einer mehr salvatorischen Klausel geeinigt, nämlich ein Verfahren zu entwickeln, das geeignet ist, die gerechte Erhebung von Nachbaugebühren zu ermöglichen.

Fakt bleibt: Die Nachbaugebühren sind legitim und auch notwendig. Wir können nur noch einmal gemeinsam lautstark der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Betroffenen - das sind die Züchter in ihren Zusammenschlüssen und die Landwirte in ihren Zusammenschlüssen - ein Verfahren finden, wie sie aus dieser Bredouille herauskommen: Gerechtigkeit für die Züchter, aber auch eine wirtschaftlich vertretbare Lösung für die Anwender. Man kann hoffen, dass alle diejenigen, die betroffen sind, unseren Appell hören. Aber ob sie sich danach richten, bleibt wiederum unsere gemeinsame Hoffnung.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Als Nächster spricht der Kollege Klein. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier vor 15 Monaten einen Antrag eingebracht, der das Land kein Geld kostete und auch keinen besonderen Arbeitsaufwand auslöste. Es handelte sich schlicht um eine Solidaritätserklärung für die Landwirte, die sich nicht damit abfinden wollten, dass ein altes Recht auf kostenlosen Nachbau einfach aufgegeben wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ging darum, hier eine Solidaritätserklärung gegen die unfairen und, wie wir heute wissen, rechtswidrigen Schikanen abzugeben, mit denen die Pflanzenzüchter die Bauern unter Druck gesetzt haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Inzwischen haben wir für die national geschützten Sorten ein höchstrichterliches Urteil, das den beklagten Landwirten Recht gibt und die Pflanzenzüchter in ihre Schranken verweist.

Eine Stellungnahme der Kommission - Herr Stolze hat es angesprochen -, die für die durch die EU geschützten Sorten in dieselbe Richtung weist, liegt ebenfalls vor. Demnächst wird der EuGH darüber entscheiden.

Wir wissen auch, dass der Bund Deutscher Pflanzenzüchter bereits wieder kräftig im Bundesministerium für Verbraucherschutz darauf hinarbeitet, wie den Pflanzenzüchtern durch eine möglichst schnelle Änderung des Sortenschutzgesetzes geholfen werden kann, die allgemeine Auskunftspflicht doch noch zu verankern. Meine Damen und Herren, Gott sei Dank haben sie damit im Bundesministerium für Verbraucherschutz nicht mehr so leichtes Spiel wie noch vor fünf Jahren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Biest- mann [CDU]: Das ändert sich bald!)

Auf der anderen Seite eiert der Bauernverband argumentativ in dieser Angelegenheit, weil er einfach nicht eingestehen will, dass er hier die Vertretung der Interessen seiner Mitglieder schlicht und einfach verschlafen hat.