Protokoll der Sitzung vom 15.02.2002

Frau Litfin, ich habe nicht die Möglichkeit, schnell bei Frau Griefahn anzurufen und nachzufragen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ach! Wie? Und Herr Jörn weiß das nicht?)

Den Mitarbeitern des Hauses - Entschuldigung, es geht noch weiter; Frau Harms, was ist los? - ist eine solche Zusage nicht bekannt. Es hat eine Debatte um Kuhdammsmoor - so heißt dieser Standort, glaube ich - gegeben. Insofern ist es keine Sache, die ohne Hand und Fuß ist. Es hat solche Debatten und solche Forderungen aus der Region gegeben, das ist richtig. Ob eine uneingeschränkte Zusage meiner Vorgängerin gegeben worden ist, kann ich Ihnen nicht sagen.

Frau Steiner!

Herr Minister, ich möchte noch weitere Klärung zu der Frage der Esterweger Dose. Ursprünglich waren das Vogelschutzgebiet und das Naturschutzgebiet in den Grenzen gleich und erweitert und sind dann - Sie haben eine Begründung vorgetragen verkleinert worden, ohne dass es erkennbar fachlich nachvollziehbare Argumente gab. Wie erklären Sie den zeitlichen Zusammenhang zwischen dieser Verkleinerung von Vogelschutzgebiet und NSG und der Intervention von SPD-Abgeordneten bei der Bezirksregierung?

Herr Jüttner!

Frau Steiner, Sie haben das Gleiche noch einmal gefragt.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Ja, weil Sie das falsch beantwortet haben!)

- Ich glaube nicht, dass ich das falsch beantwortet habe. - Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass die Anforderungen des Moorschutzes in der Esterweger Dose voll erfüllt werden, dass es bei der Ausweisung des Naturschutzgebietes im Zuge des Verfahrens geordnete Anhörungsprozesse gibt, dass es in diesem Bereich konkurrierende Interessen der Landwirte gibt, deren Flächen aufgrund des

Zuschnitts mit relevanten Teilen in diesem Gebiet liegen. Ich kann mich erinnern, dass ich vor - ich weiß nicht - zwei Jahren selber vor Ort war und dass die Landwirte mir das auch erläutert haben, ohne dass ich mich daran noch im Detail erinnere. Auf jeden Fall ist in diesen Verfahren natürlich Abwägung zulässig und auch üblich.

Wer sich auf die Hinterbeine stellt und sagt, hier gebe es ausschließlich eine Logik, nämlich naturschutzfachliche Logik, der mag mit sich im Reinen sein, darf sich aber nicht wundern, wenn er von der Gesellschaft umstellt ist. Das ist das Problem, das ich für Sie sehe.

Die nächste Frage stellt Frau Janssen-Kucz.

Herr Jüttner, eine andere Frage: Seit Jahren sind Torfersatzstoffe in der Diskussion. In welchem Umfang und mit welcher wirtschaftlichen Bedeutung werden diese Torfersatzstoffe eingesetzt und inwieweit werden sie Torf zukünftig ersetzen?

(Frau Pruin [CDU]: Torf sichert Ar- beitsplätze! - Gegenruf von Frau Jans- sen-Kucz [GRÜNE]: Torfersatzstoffe auch!)

Herr Jüttner!

Es ist natürlich vollkommen klar, meine Damen und Herren, dass vor dem Hintergrund, dass der Torfabbau eine auslaufende Veranstaltung ist und dass seit 1995 mit dem Beschluss der Landesregierung, grundsätzlich keine weiteren Genehmigungen zu erteilen, für die Unternehmen ein Zeithorizont vorhanden ist, der es aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig macht, sich nach Substituten umzusehen. Und das passiert.

Vor diesem Hintergrund müssen Sie die Unternehmen fragen, zu welchem Zeitpunkt sie mit welchen Ersatzstoffen in den Markt dringen. Da gibt es auch internationale Konkurrenzsituationen, das wissen Sie. Insbesondere durch die Öffnung der Grenzen nach Osten ist das ein spannendes Thema geworden. Aber es ist klar: Torf steht vom Volumen her nur noch begrenzt zur Verfügung, und

deshalb wird aus betriebswirtschaftlichen Gründen an alternativen Strategien gearbeitet. Die Frage, wann welche Firmen welche Marktanteile haben werden, kann Ihnen die Landesregierung nicht beantworten. Das sind die Überlegungen der Torfabbaubranche selber.

Herr Klein!

Herr Minister, wie beurteilt die Landesregierung die Pläne, als Nachnutzung der heutigen Abbauflächen gezielt Torfmoos anzubauen und später entsprechend wirtschaftlich zu nutzen?

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Herr Jüttner!

In der Branche selber werden solche Überlegungen angestellt. Diese sind sehr spannend. Die Frage ist aber, zu welchem Zeitpunkt da etwas in entsprechender Größenordnung zur Verfügung stehen wird. Also, das ist Zukunftsmusik im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir werden die Frage auf Wiedervorlage in 2 000 Jahren legen. - Herr Schwarzenholz!

Herr Minister, nach mir vorliegenden Informationen soll der Absatz von Torf in Niedersachsen und auch in anderen Bereichen Norddeutschlands in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen haben. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?

(Oestmann [CDU]: Die Vorzüglich- keit des Torfes ist das!)

Herr Jüttner!

Herr Kollege, das sind weitgehend Torfimporte.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit kommen wir noch zur

Frage 3: Beschränkungen des alltäglichen Lebens und des Anliegerverkehrs in LüchowDannenberg wegen CASTOR-Transporten nach Gorleben

Sie wird gestellt von den Abgeordneten Frau Stokar von Neuforn und Frau Harms. - Frau Harms!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Aus den Tagen des letzten CASTOR-Transportes gibt es diverse Berichte, dass Anwohner oder Besucher, auch einzeln und auch mit lediglich privaten Anliegen, an Straßensperren der Polizei daran gehindert wurden, weiterzufahren. Ihnen wurde verboten, öffentliche Wege zu benutzen, darunter die Bundesstraße nach Gorleben, angrenzende Kreisstraßen und Gemeindewege sowie Waldwege. Egal ob allein oder auch zu zweit, war die Begründung für das Verbot der Benutzung das Versammlungsverbot.

Beispielhaft ist folgende Schilderung: Eine Anwohnerin versuchte nach Arbeitsende am 13. November 2001 um 15 Uhr hinter Künsche über kleinere Wege - die Hauptstrecke war zu diesem Zeitpunkt vollständig gesperrt - ihre Söhne zu treffen, um sodann zu ihrer Tochter nach Hause zu fahren. An einer Polizeisperre wurde das Weiterfahren unmöglich, das Umkehren auch, weil sich hinter ihr der Verkehr staute. Der Betroffenen wurde das Weiterfahren ebenso verboten wie das Abbiegen und Wegfahren über einen seitlich abbiegenden Weg. Stattdessen wurden ihre Daten in einen Computer eingegeben. Das Auto wurde untersucht. Schließlich wurde ihr nach ca. zwei Stunden ein Platzverweis erteilt mit der - in der einbrechenden Dunkelheit nicht lesbaren - Begründung, „sie versuchte an einer vom Versammlungsleiter aufgelösten Mahnwache teilzunehmen“.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dafür lagen aber keine Anhaltspunkte vor außer der zufälligen Anwesenheit auf der Nebenstrecke.

Der Betroffenen selbst war weder eine Mahnwache noch ein Versammlungsleiter bekannt, und sie äußerte auch keine Absichten, an einer Versammlung teilzunehmen. Die Anwohnerin wies während der zweistündigen Prozedur mehrfach darauf hin, dass ihre Tochter allein zu Hause sei, sie nach Hause müsse, und dass sie hier außerdem nur versucht habe, die Straßensperren zu umfahren, um private Angelegenheiten zu erledigen. Erst nach Erteilung des Platzverweises wurde ihr gestattet, zurückzufahren. Derartige Vorfälle wurden massenhaft geschildert.

(Dr. Schultze [SPD]: Das soll eine Frage sein! Das darf doch nicht wahr sein! Vielleicht sollte der Ältestenrat mal prüfen, was für Vorlesungen hier stattfinden!)

Bürgern und Demonstrantinnen und Demonstranten, darunter auch Jugendliche und ältere Leute, die offensichtlich erschöpft waren und nach Hause gehen wollten, wurde in der Nacht vom 13. auf den 14. November 2001 verboten, auf der Fahrbahn, den Gehwegen und Seitenstraßen abzuziehen. Sie mussten sich in der Dunkelheit durch das Unterholz des angrenzenden Waldes schlagen, immer in der Angst, von anderen Polizeibeamten als „versteckte Gewalttäter“ aufgegriffen zu werden.

Die vollständige Straßensperrung für Kfz-Verkehr entlang der Hauptroute (z. T. lediglich mit Aus- nahmen für Anliegerverkehr der Anwohner nur zu ihrem Wohnsitz, aber nicht in die Nachbarorte und zur Erledigung ihrer alltäglichen Angelegenheiten) zog sich mindestens von Dienstag, 13. November 2001, am Morgen bis zum Ende des Transportes am Vormittag des 14. November 2001 hin. Die vollständige Sperrung auch sämtlicher Nebenstrecken, Gemeindestraßen, Fuß- und Waldwege sowie der Fahrbahn und der Gehwege und Seitenstreifen entlang der Transportstrecke erfolgte jedenfalls vom 13. November 2001 abends bis zum Ende des Transportes.

Wir fragen dazu die Landesregierung:

1. Wie begründet die Polizei die Aufhebung und Untersagung des Gemeingebrauches an öffentlichen Straßen und Wegen, des Anliegerverkehrs per Pkw, Fahrrad und zu Fuß und Platzverweise für alle, die an Kontrollstellen angetroffen wurden, im Bereich der Transportstrecke, insbesondere die Verhinderung und Untersagung jeglichen Verkehrs

und Besucherverkehrs auch über kleine Wege jenseits der Straßensperrungen der Hauptroute?

2. Wie begründet die Polizei das Verbot, entlang der Straße zu Fuß zu gehen, für offensichtlich nach Hause abziehende Personen?

Die Antwort erteilt der Herr Innenminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im Vorfeld des letzten CASTOR-Transportes nach Gorleben wurden unter den Gleisen der Zugstrecke drei Betonblöcke mit Vorrichtungen zum Anketten gefunden. Die Eisenbahnbrücke über den Fluss Jeetzel wurde durch einen Brandanschlag zerstört und musste für ca. 700 000 DM wieder instand gesetzt werden. Einen Monat vor dem Transport entzündeten unbekannte Täter Barrikaden aus Strohballen, gefällten Bäumen und mit Benzin gefüllte Reifen an verschiedenen Stellen im Landkreis Lüchow Dannenberg. Diese beispielhaft aufgezählten Tatsachen, zusammen mit den Erfahrungen aus dem zum Teil gewaltsamen Verhalten von Personen während der vorangegangenen CASTOR-Transporte an der Bahn- bzw. Straßentransportstrecke führte dazu, dass zur Durchsetzung des Versammlungsverbotes sowie des ungehinderten Einbringens der Transportbehälter in das Zwischenlager Gorleben rund 14 900 Polizeibeamtinnen und -beamte in Niedersachsen im Einsatz sein mussten.

Ein derart großer Einsatz führt zwangsläufig zu Beeinträchtigungen des normalen Lebens und damit zu Einschränkungen des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen und Wegen. Die Polizei richtete ihre Maßnahmen unter Berücksichtigung des räumlich und zeitlich begrenzten rechtswirksamen Versammlungsverbotes zum CASTOR-Tansport im November 2001 so aus, dass dieses Versammlungsverbot wirksam durchgesetzt werden konnte. Notwendige Eingriffsmaßnahmen sowie die erforderliche polizeiliche Präsenz beruhten auf der sachgerechten Einschätzung der vielfach geplanten und nicht zuletzt über die Medien außerordentlich stark beworbenen Blockaden sowie demonstrativer Aktionen auf den Streckenabschnitten, die den versammlungsrechtlichen Beschränkungen unterlagen. Diese und vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit zeichneten sich dadurch aus, dass zum „Widerstand“ gegen die CASTOR-Transporte

und zur Missachtung behördlicher Anordnungen, insbesondere der Versammlungsverbote, aufgerufen wurde. So forderten neben den bereits im Oktober 2001 festzustellenden massiven Straßenblockaden durch Fahrzeuge und brennende Strohballen im Kreisgebiet und den Aufrufen zur Aktion „Schneckenplage“ – einem vorsätzlich rechtswidrigen Verhalten von Straßenverkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmern -, die massiven Aufrufe zu rechtswidrigen Blockaden im Rahmen der Aktion „WiderSetzen“ die besondere Aufmerksamkeit der Polizei. Weil sich hieran auch Teile der ortsansässigen Wohnbevölkerung beteiligten, musste die Polizei diese zwangsläufig in ihre Maßnahmen einbeziehen, weil es keine praktikablen Kriterien gab, anhand derer etwa zwischen einem normalen Nachbarbesuch oder einer als Nachbarbesuch deklarierten Teilnahme an einer verbotenen Versammlung hätte unterschieden werden können.

Dabei hat die Polizei nach den mir vorliegenden Berichten den schlüssig erkennbaren berechtigten Interessen von Anliegern und Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern Rechnung getragen.

So hat die Bezirksregierung Lüneburg einen Einsatzabschnitt Öffentlichkeitsarbeit und Konfliktmanagement eingerichtet. Hier hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich bereits weit im Vorfeld über den Einsatz zu informieren. Durch Konfliktmanagerinnen und Konfliktmanager wurde mit den Wendländern direkt Kontakt aufgenommen. Hierbei wurde auf den Polizeieinsatz und die damit verbundenen Beeinträchtigungen des alltäglichen Lebens aufmerksam gemacht. Auch während des Einsatzes sind die Bediensteten des Konfliktmanagements an den Brennpunkten im Einsatz gewesen, um vermittelnd zu wirken.

Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren, beantworte ich die Frage der Abgeordneten Frau Stokar von Neuforn und Frau Harms namens der Landesregierung wie folgt: