Protokoll der Sitzung vom 08.12.2006

Wenn eine Gefahr gesehen wird, dann werden Kontrollen durchgeführt. Das habe ich eben auch gesagt. Es hängt vom Einzelfall ab, in welcher zeitlichen Folge das geschieht. Das reicht von stündlich über halbstündlich bis dauerhaft, dass ein Mitarbeiter wirklich daneben steht.

Sie haben gesagt, Sie kritisieren nicht den Mitarbeiter. Ich habe darauf hinzuweisen versucht - es ist mir offensichtlich nicht gelungen, Ihnen das deutlich zu machen -, dass gerade die Mitarbeiter in Uelzen, die mit diesem tragischen Fall zu tun haben, Tag für Tag in diesem Gefängnis mit Menschen zu tun haben, die aus Verhältnissen kommen, die nicht den normalen Verhältnissen entsprechen, die Übergriffe auf andere Bürgerinnen und Bürger begangen haben und zum Teil sozial verwahrlost sind. Sie müssen diesen Menschen ein positives Menschenbild entgegenbringen und trotzdem auf die Sicherheit achten. Die Mitarbeiter, die in Uelzen ihren Dienst versehen haben, können den Vorwurf, sie hätten nicht ordentlich gearbeitet, natürlich nur schwer ertragen. Das meine ich; darum geht es.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Voigtländer.

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal sehr eindringlich darauf hinweisen, dass es überhaupt keinen Vorwurf gegen die Bediensteten des Justizvollzugsdienstes gibt. Sie haben jedoch so getan, als ob es einen solchen Vorwurf gegeben hätte. Das ist aber nicht der Fall.

Im Übrigen bin ich neun Jahre Mitglied im Unterausschuss „Justizvollzug“ gewesen. Sie können davon ausgehen, dass ich weiß, worüber ich rede und was ich frage.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen. Es sind die Mitarbeiter des AVD, die sich bei mir gemeldet haben, weil sie in ihrer Not und angesichts der Schwierigkeiten nicht mehr weiter wissen. Wenn Sie hier davon berichten, dass die Zahl der Stellen zu Ungunsten des AVD landesweit um eine, zwei oder drei Stellen verringert worden ist, so ist das einfach falsch. Ich habe den Eindruck, dass Sie hier bewusst die Unwahrheit sagen.

(Widerspruch bei der CDU - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ungeheuerlich!)

Herr Kollege Voigtländer, die eine Minute für die Einführung ist vorbei. Sie müssen jetzt bitte zur Frage kommen.

Zu meinen Informationen zu Uelzen. Ich habe Kenntnis darüber, dass aus dem mittleren Dienst ein Bediensteter für Personalsachbearbeitung, ein Bediensteter für die Erfassung der Daten nach der leistungsorientierten Haushaltsführung, zwei Bedienstete für Systemadministration und ein Bediensteter für das Freigängerhaus abgeordnet worden sind, was die Situation im AVD unerträglich macht. Vor dem Hintergrund frage ich Sie: Was hat das eigentlich mit dem zu tun, was Sie hier zu der Situation landesweit ausgeführt haben?

(Zustimmung bei der SPD)

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Bitte!

Herr Voigtländer, in Uelzen hat es eine zusätzliche Stelle für den Verwaltungsdienst gegeben. Diese ist aber nicht aus dem AVD aus Uelzen gekommen, sondern sie ist aus einer anderen Abteilung nach Uelzen gewandert. Das heißt, aus dem AVD in Uelzen selbst ist gar nichts übertragen worden.

(Heinz Rolfes [CDU]: Da hat er schon wieder die Unwahrheit gesagt! Wer hat denn hier bewusst die Unwahrheit gesagt? - Zuruf von der FDP: „Neun Jahre Erfahrung“! - Zuruf von der CDU: Schlaumeier!)

Zum besseren Verständnis für alle Abgeordneten, die mit dieser Thematik nicht so vertraut sind, wie Herr Voigtländer es offensichtlich ist, möchte ich dazu Folgendes sagen:

Wir haben durch die Neuorganisation auch im Justizvollzug mehr Hauptanstalten geschaffen und einzelne frühere kleinere Anstalten in Abteilungen umfunktioniert. Durch diese Veränderung ist Folgendes geschehen: Wir haben bestimmte Verwaltungsaufgaben in den Hauptanstalten konzentriert. Durch diese Konzentration - dazu gehören das Controlling, die Kosten- und Leistungsrechnung usw. -, durch diese strukturellen Veränderungen sind auch aus anderen Bereichen Verwaltungsmitarbeiter dorthin verlagert worden. Dadurch hat sich diese Veränderung ergeben.

Eine Ausdünnung des AVD in Uelzen kann ich nicht erkennen. Eine solche kann auch nicht nachgewiesen werden. Das ist mir auch sehr deutlich aus dem Haus belegt worden.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Rübke.

Laut Bericht der Uelzener Zeitung vom 17. November dieses Jahres ist der Krankenstand bei den Bediensteten der JVA Uelzen sehr hoch; er beläuft sich auf durchschnittlich 25 Tage. Darüber hinaus schieben sie etwa 4 200 Überstunden vor sich her. Ich frage die Landesregierung: Welche Gründe gibt es für den hohen Krankenstand der Bediensteten der JVA, und welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um ihn abzubauen?

Danke schön. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Heister-Neumann.

Im Vergleich zu anderen Justizvollzugsanstalten in Niedersachsen ist der Krankenstand in der JVA Uelzen höher. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass dort mindestens acht Dauererkrankungen bzw. Erkrankungen ernsterer Art gegeben sind. Ich könnte sie Ihnen jetzt auflisten, möchte das aber nicht tun; das ist vielleicht auch nicht erforderlich. Diese haben den Schnitt in Uelzen sehr stark verändert. Insofern sind die Zahlen, die Sie bezüglich der Krankentage genannt haben, richtig.

Was die Überstunden angeht, so erlaube ich mir allerdings eine Relativierung. Sie haben von ca. 4 000 Überstunden gesprochen. Das bedeutet für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Uelzen - ich habe eben schon gesagt, dass wir dort etwa 150 Mitarbeiter haben - ca. 29 Überstunden pro Mitarbeiter.

Wie gestaltet sich das mit den Überstunden in diesem Vollzugsbereich? - Entgegen der Situation in anderen Verwaltungsbereichen werden Überstunden nicht ab einer bestimmten Größenordnung abgeschnitten. Sie kennen aus anderen Verwaltungsbereichen, dass man bis zu 20 Überstunden übertragen kann, dass aber alles, was darüber hinausgeht, gekappt bzw. gestrichen wird. In diesem Bereich des Justizvollzugsdienstes wird nichts gestrichen. Das heißt, jede Überstunde kann abgebummelt werden.

Die durchschnittliche Arbeitsstundenzahl eines dortigen Mitarbeiters oder einer dortigen Mitarbeiterin liegt bei 1 564 Stunden. Daran, dass die Überstunden dort dauerhaft erhalten bleiben, mögen sie erkennen, dass ein Mitarbeiter statt 1 564 Stunden im Jahr 1 593 Stunden zu arbeiten hat. Ich muss Ihnen sagen: Ich empfinde das nicht als eine dramatische Situation, die uns im Justizministerium dazu veranlasst, nachzusteuern; denn die Sicherheit in den Anstalten ist dadurch nicht gefährdet.

Ich hoffe, dass sich diese besonderen Krankheitsfälle gut entwickeln, sodass sich der Krankenstand in der JVA in Uelzen wieder anders darstellt. Das würde bedeuten, dass in Uelzen - wie in den anderen Justizvollzugsanstalten - pro Mitarbeiter in diesem Bereich sieben Überstunden dazukommen. Zu den 1 564 kommen sieben dazu.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Graschtat.

Frau Ministerin, ist gewährleistet, dass die Überstunden regelmäßig abgebaut werden können, oder muss man davon ausgehen, dass sie sich, weil die Mitarbeiter sie lange vor sich herschieben, weiter aufbauen?

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann.

Zur ersten Frage: Ja. Zur zweiten Frage: Nein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Möhrmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, unsere Fragen nach dem Personaleinsatz hängen damit zusammen, dass wir uns Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen das auf den alltäglichen Dienst, den die Beschäftigten der JVA Uelzen abzuleisten haben, hat. Wir müssen feststellen, dass sie möglicherweise an die Grenze ihrer Möglichkeiten haben gehen müssen. Ich habe inzwischen gehört, dass es auch noch erhebliche Urlaubsansprüche geben soll, die noch nicht in dem Maße abgebaut worden sind, wie es sonst im öffentlichen Dienst üblich ist. Können Sie uns sagen, wie hoch diese Urlaubsansprüche aktuell sind?

Danke schön. - Frau Ministerin!

Die Zahlen zu den aktuellen Urlaubsansprüchen werde ich Ihnen nachliefern, weil ich sie jetzt nicht

parat habe. Es ist aber in Uelzen nicht anders als in den anderen Anstalten. Es ist durchaus akzeptabel.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU] - Christa Elsner-Solar [SPD]: Heißt das, dass das überall kritisch ist? - Gegenruf von Ministerin Elisa- beth Heister-Neumann: Nein!)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Nacke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vereinigung der Leiter und Leiterinnen der Einrichtungen des Justizvollzuges des Landes Niedersachsen e. V. hat die Arbeit der Landesregierung kritisch begleitet. Diese Vereinigung hat sich gestern öffentlich exakt zu dem Thema, das heute im Landtag besprochen wird, geäußert. Ich gehe davon aus, dass Ihnen diese Äußerung bekannt ist. Ich frage daher die Landesregierung: Können Sie dieses Haus über den Inhalt dieser Äußerung unterrichten?

Danke schön. - Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

(Zuruf von der SPD)

Ich muss Ihnen sagen: Was Sie gerade dazwischengerufen haben, betrachte ich als Unverschämtheit. Das mag Ihr Stil sein, meiner ist es jedenfalls nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter im niedersächsischen Justizvollzug genau wissen, dass diese Landesregierung hinter ihrer Arbeit steht. Die Landesregierung tut alles, um die Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut wie möglich zu gestalten. Ich wundere mich nicht, dass die Vereinigung der Leiter und Leiterinnen der Einrichtungen des Justizvollzuges des Landes Niedersachsen e. V. eine Pressemitteilung herausgegeben hat, die wie folgt schließt:

„Die Vereinigung ist an einer sachlichen Behandlung derartiger Vorfälle interessiert. Der tragische Freitod eines Gefangenen ist nicht für populistische Personaldiskussionen geeignet.“

Das kommt aus dem Vollzug und nicht von mir.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Der Herr Kollege Meihsies stellt die nächste Zusatzfrage.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es war die Grüne-Fraktion, die im Jahr 2004 das Thema Suizide im niedersächsischen Strafvollzug im Unterausschuss zum Thema gemacht hat. Wir haben damals mit aller Sensibilität, der dieses Thema bedarf, darüber diskutiert, wie man im Sinne der Fürsorgepflicht für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine möglichst große Sicherheit der Gefangenen sorgen kann, wie man vorbeugend tätig sein kann.