Protokoll der Sitzung vom 27.06.2003

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister, Sie müssen wissen, ob Sie sich jetzt einschalten wollen. Sie brauchen nicht zu antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, ich kenne Frau Kollegin Körtner seit einigen Jahren. Sie ist gerade schul- und bildungspolitisch mit einer solchen Fach- und Sachkenntnis ausgestattet,

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

dass es geradezu einer Beleidigung nahe käme, wenn die Landesregierung hier Belehrungen vornehmen würde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Poppe.

Herr Minister, wenn für Gesamtschulen schon keine Außenstellen geplant oder vorgesehen sind, ist dann die Erweiterung der Klassenzahl pro Jahrgang an Gesamtschulen möglich? Wenn Sie sagen, dass im Gesetz keine Außenstellen für Gesamtschulen vorgesehen sind, gilt das dann auch für Haupt- und Realschulen? Für diese ist im Gesetz auch nichts festgelegt. Sie müssten in diesem Fall für Planungssicherheit bei den Schulträgern sorgen.

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorhandene Gesamtschulen können sich hinsichtlich der Zügigkeit organisatorisch erweitern. Sie können ihre Aufnahmekapazität durchaus erhöhen und müssen sich selber fragen lassen, warum sie das nicht tun. Was die Außenstellen für Haupt- und Realschulen anbelangt, so habe ich das schon mehrfach beantwortet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die Frage 35 wurde von dem Fragesteller zurückgezogen.

Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Wir kommen nun zu

noch:

Tagesordnungspunkt 2: 3. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 15/215 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 15/284 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 15/285

Über die Ausschussempfehlung zu den Eingaben in der Drucksache 215, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen und die nicht mehr zur erneuten Beratung im Fachausschuss zurückgestellt wurden, haben wir bereits in der 9. Sitzung am 25. Juni 2003 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 215, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Beratung ein. Mir liegt eine Wortmeldung der Abgeordneten Geuter vor. Sie spricht zu der Eingabe 5894/14 (01).

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Petenten geht es nicht darum, einer bestehenden Firma sinnvolle Entwicklungsmöglichkeiten zu verwehren; darauf haben sie ausdrücklich hingewiesen. Dass ein Schlachthof seine Kapazitäten erweitern möchte, ist unter ökonomischen Gesichtspunkten sicherlich auch nachvollziehbar.

Allerdings ist zu bedenken, dass im Rahmen der Antragskonferenz zu dieser Kapazitätserweiterung alle beteiligten Behörden einmütig festgestellt haben, dass der Schlachthof in der Ortsmitte von Gehlenberg mittelfristig nicht entwicklungsfähig ist. Dies wurde insbesondere mit den beengten Verkehrsverhältnissen begründet. Bereits heute müssen die Fahrzeuge, die den Schlachthof anfahren wollen, aber nicht unmittelbar bedient werden können, in den umliegenden Wohnstraßen warten; denn auf dem Schlachthof gibt es für die Viehanlieferung lediglich zwei Fahrzeugabstellplätze. Dass Auflagen, die von der Genehmigungsbehörde gemacht wurden, die u. a. besagen, dass während des Wartens der Motor abzustellen ist oder die Kühlanlage nicht betrieben werden darf, in der Praxis kaum durchzuhalten sind, zeigt schon der Hinweis des Gewerbeaufsichtsamtes, dass es gerade im verkehrlichen Bereich in der Vergangenheit recht häufig zu Verstößen gegen bestimmte Auflagen gekommen ist.

Leider sind die Bedenken und Anregungen der Anwohner zu den verkehrlichen Notwendigkeiten im Rahmen des Verfahrens eigentlich überhaupt nicht berücksichtigt worden. Nicht einmal dem Hinweis, dass es durch eine geringfügige Veränderung der An- und Abfahrten in der Nacht möglich ist, die Situation in bestimmten Wohngebieten für die Anwohner zu entschärfen, ist gefolgt worden.

Mit dem Hinweis, dass der Firma nur wenige Kilometer entfernt ein großes Gewerbegrundstück zur Verfügung steht, wurde von den Antragsbehörden zunächst der Eindruck erweckt, es handele sich lediglich um einen befristeten Antrag. Die Tatsache, dass der Antrag auf vier Jahre befristet ist, war durchaus geeignet, die Akzeptanz der Anwohner zu erhöhen. Als dann aber nach und nach die tatsächliche Dimension bekannt wurde, nämlich dass die Schlachtzeiten um nahezu 50 % erweitert, d. h. auf sechs Tage in der Woche und 10,5 Stunden an jedem Tag ausgedehnt werden sollen, dass die Schlachtkapazitäten bei Schweinen auf 300 % und die bei Rindern noch wesentlich mehr erhöht werden sollen, wurde deutlich, dass es nicht nur um eine Übergangslösung geht, sondern dass ein Standort, der bereits jetzt problematisch ist, verfestigt werden soll.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Vor der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über diesen Antrag sind bereits umfangreiche

Investitionen, z. B. in ein neues Kühlhaus, in eine erweiterte Stallanlage und die Installation einer bisher nicht vorhandenen Abluftanlage, getätigt worden. Der Firmeninhaber gibt auch öffentlich zu, dass er in absehbarer Zeit nicht vorhat, auszusiedeln.

Auch das Umweltministerium musste in der Stellungnahme zu der Petition einräumen, dass der bisher erweckte Eindruck, in vier Jahren sei mit einer Aussiedlung des Betriebes zu rechnen, nicht aufrecht erhalten werden kann; denn es gibt rechtlich keine Möglichkeit, die Verlängerung einer befristet erteilten Genehmigung zu verweigern. Außerdem liegen - auch das ist in der Stellungnahme des Umweltministeriums beschrieben - keinerlei Hinweise darauf und keinerlei Angaben dazu vor, dass der Firmeninhaber beabsichtigt, in absehbarer Zeit auszusiedeln.

(Vizepräsidentin Silva Seeler übernimmt den Vorsitz)

Es hat zu dem Thema bereits eine Kleine Anfrage in der Drucksache 14/4141 gegeben. In der Antwort darauf teilte das Umweltministerium mit, die Auffassung der Nachbarn, dass die vorgesehene Erweiterung des Betriebes zu einer Verschärfung der städtebaulichen Situation beitragen kann, werde geteilt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass ein Betrieb Entwicklungsperspektiven braucht. Wir sind aber der Meinung, dass auch die Anwohner eine berechtigte Perspektive benötigen und wissen müssen, ob und wann sie damit rechnen können, dass sich die Situation verbessert. Daher empfehlen wir Ihnen, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Meihsies das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zu der Eingabe des Petenten Otte zum Thema “Grundrecht auf Meinungsfreiheit”.

Wir plädieren dafür, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Ich hoffe, durch das Plädoyer, das ich jetzt halten werde, Ihre Zustimmung zu diesem Votum zu finden. Um Ihre Zustimmung zu gewinnen, möchte ich den Hintergrund deutlich machen, vor dem diese Petition gestellt wurde.

Ich möchte auf das Frühjahr 2002 zurückgehen, als hier in der Marktkirche - gleich nebenan - die Kinderoper “Brundibár” aus dem Jahre 1938 von einer Klasse der IGS Hannover-Linden aufgeführt wurde. Diese Kinderoper wurde nach 1938 sehr oft in den KZs aufgeführt. Sie stammt von einem tschechischen Komponisten. In dieser Oper gibt es eine Szene, die auch Gegenstand des folgenden Verfahrens war. Es tun sich Kinder auf der Bühne gegen einen Schwachen zusammen - Anlass für die Vorführung in der Kirche war der Holocaust, der hier dargestellt wurde -, der zum fahrenden Volk gehört, das unter dem damaligen Regime verfolgt wurde. Sie tun ihm Gewalt an, entwürdigen ihn und vertreiben ihn.

Ein anwesender Lehrer hat eine kritische Streitschrift mit dem Titel “Die Kinderoper 'Brundibár' gehört ins Museum und nicht auf die Bühne” dazu verfasst. Der Lehrer hat diese Streitschrift in der Schule verteilt. Er hat zu einem kritischem Dialog in Bezug auf diese alte Oper aufgerufen. Er hat sich mit Historikern zusammengesetzt und hat recherchiert, welchen Inhalt diese alte Oper eigentlich hat. Die Reaktion der Schulleitung darauf war eine Überreaktion. Dieser Lehrer ist von der Bezirksregierung innerhalb einer Woche strafversetzt worden, und er ist mit einem Hausverbot belegt worden. Grund war angeblich, er würde den Schulfrieden innerhalb der Schule stören.

Es gab eine große Solidaritätsbewegung für diesen Lehrer, der angeblich den Schulfrieden stören würde. Er hat nicht nur von der Gewerkschaftsseite, der GEW, Solidarität erfahren, sondern er hat auch von den Schülerinnen und Schülern an dieser Schule Solidarität erfahren, die in einer großen Unterschriftenaktion für den Verbleib dieses Lehrers an der Hannoveraner Schule plädiert haben. Sie haben dies mit einem Zitat aus dem § 2 des damaligen Schulgesetzes untermauert, in dem zu diesem Dialog aufgefordert wird. Und es heißt dann: Die Schüler sollen fähig werden, die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grund

sätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz zu gestalten, Konflikte vernunftgemäß zu lösen, aber Konflikte zu ertragen, sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen. Zu diesem Dialog haben die Schüler vor dem Hintergrund aufgerufen, dass sich eine Schule wie die IGS Hannover-Linden selbst das Ziel gesetzt hat, eine Schule mit Courage und ohne Rassismus zu sein. Zudem verfügt die Schule über ein Konfliktmanagement und ein Konfliktstrategiepapier, in dem es darum geht, wie Konflikte zu lösen sind.

Alle diese Versuche, die Konflikte positiv im Interesse der Meinungsfreiheit, was das Verteilen dieser Streitschrift angeht, zu lösen, sind fehlgeschlagen. Die Konfliktregelung dieser Schule wurde nicht eingehalten, und der Lehrer ist versetzt worden. Er möchte auch gar nicht mehr zurück. Es geht um eine Rehabilitation dieses Lehrers, der zu der damaligen Zeit sein Recht auf Meinungsfreiheit an der Schule eingeschränkt sah.

Herr Busemann, es geht in unseren Schulen nicht nur darum, dass dort Wissen vermittelt wird. Nein, es geht auch darum, dass die soziale Kompetenz gestärkt wird und - dies sage ich in Anlehnung an § 2 des Schulgesetzes - dass eine Geisteshaltung vermittelt wird. Geisteshaltung heißt für uns Grüne auch Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit muss, auch wenn sie kritisch wahrgenommen wird, nicht nur ertragen, sondern muss in einem vernünftigen Diskurs auch diskutiert werden. Wir plädieren dafür, diesen Lehrer zu rehabilitieren. Durch die Stellungnahme der Bezirksregierung ist er diskreditiert worden.

Wir plädieren deshalb dafür, Herr Busemann, dass Sie sich noch einmal intensiv mit diesem Fall befassen, und zwar im positiven Sinne. Wir plädieren dafür, dass die Meinungsfreiheit zur Geltung kommt und dass der Petition stattgegeben wird. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Böhlke von der CDU-Fraktion, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Petition macht die unterschiedlichen Positionen

deutlich. Der Petent hat im Namen seines Mandanten versucht, deutlich zu unterstreichen, dass hier die Meinungsfreiheit eines Lehrers verletzt wurde. Die Bezirksregierung andererseits hat sehr deutlich hervorgehoben, dass unter Beachtung des § 63 Niedersächsisches Beamtengesetz ein Beamter zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet ist. Ein langer und ausführlicher Diskurs im Petitionsausschuss diente dazu, diese beiden Zielpositionen auszuloten.

Zwei Anmerkungen: Erstens. Diese von dem Kollegen Meihsies dargestellte Veranstaltung fand in der Marktkirche unter der Schirmherrschaft des damaligen Ministerpräsidenten Gabriel und der Landesbischöfin Käßmann statt. Sie ist kein Zeugnis antisemitischer Positionen, sondern ich meine, auch in inhaltlicher Hinsicht ist ziemlich deutlich, dass die Bewertung des Pädagogen anzuzweifeln ist. Wie dem aber auch sei - -

(Zuruf von der SPD: Trotzdem darf man doch eine Meinung haben!)

- Natürlich darf man eine Meinung haben. Es geht darum, dass er seine Meinung dann auch den Verantwortlichen gegenüber, der Schulleitung und dem Kollegium, deutlich macht. Das hat er aber nicht gemacht, sondern er hat sich mit Schreiben direkt an die Schüler und später auch an die Elternschaft gewandt. Die Auseinandersetzung, die in einem demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich möglich ist, wurde also nicht gesucht.

Daraufhin hat sich Folgendes ergeben. Da bereits in der Vergangenheit einige Dissonanzen zwischen dem Pädagogen und der Schulleitung zu verzeichnen waren, wurde die Bezirksregierung unverzüglich eingeschaltet, als es zu diesen - ich darf das einmal so formulieren - Reibereien kam. Insofern ist die Tatsache, dass die Bezirksregierung innerhalb einer Woche reagierte - so schnell sind Bezirksregierungen im Übrigen nicht, wie wir wissen -, vor dem Hintergrund einer besonderen Situation zu sehen, denn man hat sich dort mit der Thematik grundsätzlich auseinandergesetzt und dann schnell Lösungsmöglichkeiten gefunden.

Wie gesagt, die Diskussion wurde im Petitionsausschuss sehr ausführlich geführt. Nach ausführlicher Beratung gab es ohne Widerspruch die Empfehlung „Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage“. Ich kann auch den Ausführungen des Kollegen Meihsies nicht entnehmen, dass es neue As