Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherigen Antworten des Kultusministers haben nicht unbedingt zur Klärung der Lage beigetragen. Im Wesentlichen hat er herumgeeiert und mit Zahlen jongliert. Da der Minister meint, Niedersachsen befinde sich bei den Abbrecherzahlen im Mittelfeld aller Bundesländer, möchte ich ihm entgegenhalten, dass unserer Kenntnis nach der Durchschnitt aller Bundesländer bei 8,2 % liegt. In Niedersachsen aber liegt die Abbrecherquote bei 8,9 %. Damit, Herr Minister, befindet sich Niedersachsen nicht im Mittelfeld. Alle Länder - nicht nur Niedersachsen - haben nach PISA Gas gegeben und ihre Abbrecherzahlen verringert. Aufgrund der uns vorliegenden Zahlen ist uns ferner bekannt, dass die Zahl der Abbrecher an den Integrierten Gesamtschulen nur halb so groß ist wie die Zahl der Abbrecher an den Hauptschulen, den Realschulen und den Gymnasien insgesamt.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Minister: Warum lässt die Landesregierung in Niedersachsen angesichts der Aussage des Ministers, dass diese Landesregierung alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen will, um die Abbrecherzahlen zu reduzieren, nicht mehr Integrierte Gesamtschulen zu?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, ich fange mit Ihrer zweiten Frage an: Warum lassen wir nicht mehr Integrierte Gesamtschulen zu? - Weil wir trotz Berücksichtigung aller Belange, die für das Schulwesen eines Landes von Bedeutung sind, nicht erkennen können, dass auch mit der Einrichtung weiterer Integrierter Gesamtschulen alle Probleme im Schulwesen gelöst werden können. Das ist uns weiß Gott nicht ersichtlich.
Nun zu den Statistiken. Auch ich glaube, dass der statistische Bundesdurchschnitt von 8,2 % in etwa richtig ist. Sie sagen nun, dass sich ein Land mit 8,8 % oder 8,9 % nicht im Mittelfeld befindet. Das über Jahrzehnte sozialdemokratisch regierte Nordrhein-Westfalen aber hat so katastrophale Werte,
dass das Ganze etwas nach unten gezogen wird mit der Folge, dass wir mit 8,8 % in der Tat im Mittelfeld liegen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Wenzel heute Morgen einen emotionalen Aufschlag nach dem anderen probt, was dem bundesweit unglaublich wichtigen und bedeutenden Thema überhaupt nicht gerecht wird, weil die Lösung in diesem Bereich von sehr vielen Faktoren abhängt, möchte ich, lieber Herr Kollege Wenzel, jetzt zum Thema und zur Sachlichkeit zurückkehren.
Herr Minister, Sie sind in der Antwort auf die Dringliche Anfrage auf das Modellprojekt der Landesregierung „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“ eingegangen.
Daher möchte ich Ihre Beurteilung und Einschätzung zu den Erfolgsaussichten dieses Projektes in Niedersachsen hören.
Ich kann es ganz kurz machen, weil es auch der Ministerpräsident schon erwähnt hat. Dieses Modellprojekt ist einzigartig in Deutschland.
etwas richtig Gutes ausgedacht. Hier wird mit zusätzlichen Lehrerstunden, zusätzlichen Mitteln, begleitender Sozialarbeit und wissenschaftlicher Evaluation etwas gemacht, wovon - dabei bin ich ganz sicher - wir profitieren werden, wobei wir gucken werden - vielleicht nicht in der Breite des gesamten Systems, aber für das System -, wie man weitere Erkenntnisse gewinnen und Maßnahmen befördern kann. Ich bin sicher, das wird bundesweit beachtet werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wende mich an die Landesregierung und stelle zunächst einmal fest, dass die Diskussion die ganze Zeit über gezeigt hat, dass eine bloße Fixierung auf die Nichtabschlussquote - entgegen der Formulierung dieser Frage selbst - im Grunde nicht viel trägt. Die Zahlen, die vorhin die Kollegin Korter genannt hat, haben das deutlich gemacht. Es gibt nämlich ganz unterschiedliche Zahlen, je nachdem, welche Bezugsgröße man hat.
Ich frage die Landesregierung: Inwiefern greift die bloße Fixierung auf die Nichtabschlussquote zu kurz? - Wir haben vom Minister schon einige Ansatzpunkte gehört. Was alles außer dieser bloßen Zahl ist zu berücksichtigen, wenn man den Schulerfolg der Schüler messen will?
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Diese Auf- baufrage war nicht abgesprochen! Es war erkennbares Stirnrunzeln bei Ih- nen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, das scheint für Sie ja einen gewissen Unterhaltungswert zu haben.
Frau Kollegin, allein die Nichtabschlussquote sagt über die Leistungsfähigkeit eines Systems nichts aus. Es ist auch die Frage, an welchem Jahrgang man die Nichtabschlussquote festmacht. Ferner muss man - bei allem Handlungsbedarf, bei allem, was uns nicht zufriedenstellt - gucken, welchen weiteren Weg die jungen Leute dann noch nehmen können. Ich rufe noch einmal in Erinnerung, dass wir im Bereich der beruflichen Bildung seit jeher und neuerdings noch mehr sehr gute Angebote haben. So sind Berufsvorbereitungsjahre auf dem Weg, und wir haben ein Berufsgrundbildungsjahr, das nach einem Folgemodell strebt. Junge Leute können an der Berufsschule - ich habe die Häme eben nicht ganz verstanden, zumal ja auch noch Schulpflicht besteht - über eine Ausbildung den Realschluss erwerben. Da gibt es sogar tolle Karrieren. Hauptschülerinnen oder Hauptschüler, die sich ursprünglich schwer getan haben, haben über die berufliche Bildung Tritt gefasst, sind Meister geworden und haben sogar eine Studierberechtigung erhalten. Es gibt einige, nicht ganz wenige Fälle solcher Karrieren. Das muss man also in die Gesamtschau eines Systems durchaus mit einstellen, und man darf sich nicht auf eine Nichtabschlussquote fokussieren und sagen, dass alles gescheitert ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man darf sich nicht an den Quoten festbeißen, sondern muss die Realität sehen. Man sollte einmal den Werdegang der Schülerinnen und Schüler, die die Schule, insbesondere die IGSen, verlassen, verfolgen. Deshalb frage ich die Landesregierung: Welche Aussagekraft haben eigentlich die Schulabschlüsse an den einzelnen Schulformen in der Wirklichkeit?
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Jetzt bin ich gespannt! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Es sind aber schwere Fra- gen, die da gestellt werden! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Ernst, es handelt sich bei dem, was insbesondere in der Wirtschaft, aber auch im Übrigen dazu gesagt wird, um eine lange Debatte. Da gibt es Schüler, die an einer Gesamtschule das Abitur oder den Hauptschulabschluss erworben haben und bei denen am Ende das, was auf dem Papier stand, was Hochschulreife, mittlere Reife oder Hauptschulabschluss genannt wird, nicht ganz das gehalten hat, was man sich davon versprochen hat. Dabei gibt es Überraschungen nach oben und nach unten. Es gibt auch von Bundesland zu Bundesland Unterschiede.
Hamburg ist hier einmal angeführt worden. Dort hat es eine interessante Untersuchung in Bezug auf Gesamtschule, Gymnasien und anderes mehr gegeben. Am Ende war ein ziemlich starkes Leistungsgefälle bei im Prinzip auf dem Papier scheinbar gleichwertigen Abschlüssen festzustellen.
Angesichts dessen will ich in diesem Zusammenhang einfach dafür plädieren, dass wir in unserem Schulwesen schauen - das ist ja eine bundesweite Entwicklung, aber Niedersachsen ist Vorreiter; das ist die outputorientierte Schule -, wie die Leistungsstände überhaupt sind. Das bedingt, dass wir bei der Eigenverantwortlichen Schule, für die wir die Standards vorgeben, ihnen aber auch Freiheiten, Entwicklungsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Kreativität geben, am Ende sagen: Wir brauchen überall da, wo ein Abschluss vergeben wird, zentrale Abschlussprüfungen, um die Vergleichbarkeit herzustellen, die die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Hochschulen und wir alle sie brauchen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat ja nun eine Unzahl von Maßnahmen angefangen.
Daher stelle ich die Frage: Wie viele Lehrerstellen werden schon heute in die individuellen Fördermaßnahmen investiert?
Vielleicht sollte ich, bevor ich Herrn Minister Busemann das Wort erteile, noch sagen: Auf der Frageliste stehen Herr Albrecht, Herr Klein, Herr Klare, Herr Janßen, Frau Korter, Frau Steiner und Frau Helmhold. - Herr Minister Busemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will rein rechnerisch einmal die Sprachförderung außen vor lassen, die wir über Grundschullehrer schon an den Kindertagesstätten betreiben. Dabei handelt es sich um ein Volumen von 300 Lehrerstellen. Wohlgemerkt: Es wird Sprachförderung von Grundschullehrern in der Regel in der Kindertagesstätte betrieben. Das ist eine sehr wirksame Maßnahme, um zu verbesserten schulischen Arbeitsbedingungen für alle zu kommen.
Wenn ich alles andere zusammenfasse, was wir im Bereich der Sonderpädagogik, im Bereich der Sprachförderung im allgemeinen Schulwesen bis hin zur Hochbegabtenförderung haben, so steht ein Volumen von - ich bin mir nicht ganz sicher etwa 50 000 Lehrerstunden, jedenfalls von 2 000 Lehrerstellen dahinter. Das ist nicht wenig. Ich weiß, dass manche immer noch mehr fordern. Aber es ist eine ganze Menge, was wir da leisten.