Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es nicht in Ordnung, dass die CDU-Fraktion ihren Minister so in Bedrängnis bringt und ihn nach Sachen fragt, über die er gar nichts wissen kann.

(Beifall bei der SPD)

Darüber kann er gar nichts wissen. Das ist ja auch deutlich geworden.

Meine Vorbemerkung: Wir haben im November untersucht, wie sich die Schülerzahlen entwickeln. Daneben haben wir das Niedersächsische Schulrecht gelegt. Außerdem haben wir die Erlasse über die Zügigkeit von Schulen betrachtet. Schließlich haben wir auf der Basis des gegliederten Schulsystems geprüft, welche Schulen vor dem Hintergrund Ihrer Rechtslage, Herr Busemann, in den nächsten Jahren gefährdet bzw. stark gefährdet wären.

Das ist der Hintergrund. Die auf den 14 Seiten dargestellten Schulen kommen vor dem Hintergrund des gegliederten Schulwesens und der demografischen Entwicklung in Niedersachsen in die Gefahr, geschlossen zu werden. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Nur dann, wenn Sie eine lange gemeinsame Beschulung jenseits der pädagogischen Vorteile vorsehen, erzielen Sie wirtschaftliche Vorteile.

Herr Jüttner, Sie müssen jetzt bitte fragen.

Vor diesem Hintergrund frage ich erstens: Herr Busemann, haben Sie vor, Ihre Erlasslage vor allem hinsichtlich der Zügigkeit der zu erwartenden realen Entwicklung der Schullandschaft in Niedersachsen anzupassen?

Zweitens. Warum nehmen Sie vor dem Hintergrund der Unterlagen des Niedersächsischen Kultusministeriums nicht zur Kenntnis - Anlage 44, Schulgesetzdebatte 2003 -, sondern bestreiten hier öffentlich, dass das gegliederte Schulwesen sowohl hinsichtlich der Schülerbeförderung als auch hinsichtlich des Klassenbildungserlasses mehr Kosten verursacht als ein kooperatives oder ein integratives Schulwesen?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ehrlich gesagt: Sonst trage ich die Anlage 44 immer bei mir, heute aber gerade nicht.

(Heiterkeit - Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie dürfte aber noch vorhanden sein!)

- Ja, die ist sicherlich noch da. - Noch einmal grundsätzlich, auch was Ihr Papier angeht: Sie müssen schon unterscheiden zwischen einem Handlungsbedarf, der sich aus der demografischen Entwicklung ergibt, und Ihrem Weltbild, mit dem Sie an dieses Problem herangehen. Bei dieser Ausgangslage sagen Sie: Alles, was ein- oder zweizügig ist - egal, ob verbunden oder nicht -, sehen wir als problematisch, als bildungspolitisch nicht wünschenswert usw. an.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, der Minister ist gefragt worden. Sie möchten doch eine Antwort haben. Also hören Sie ihm doch einmal bitte zu! Das wäre doch was.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Bitte schön!

Das denke ich auch. Aber manchmal werden die Antworten gar nicht so gerne gehört - nicht wahr. Das kennen wir ja.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich habe vorhin schon einmal deutlich gemacht - das habe ich kürzlich auch auf kommunalpolitisch dominierten Veranstaltungen getan -, dass wir schon auf der jetzigen Rechtslage hohe Flexibilität gerade in den ländlichen und klein strukturierten Standorten durchaus wollen. Ich hatte vorhin in der Antwort schon einige Bereiche angesprochen, in denen man etwas machen kann. Ich sage Ihnen noch zusätzlich, Herr Jüttner - und ich gehe davon aus, dass das auch nach der nächsten Wahl in unserer Macht stehen wird -: Wenn wir zum Erhalt von Schulstandorten noch mehr Flexibilität brauchen und die kommunale Ebene auch ihren Teil dazutut und das auch so sieht, dann wird die Rechtslage entsprechend angepasst werden. So ist es.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ich will Ihnen noch eines sagen - ich bin nicht dazu da, Ratschläge zu erteilen -: Ich habe, wie gesagt, kürzlich die Ehre gehabt, vor kommunalpolitischen Arbeitstagungen aufzutreten, z. B. hat man sich aus dem Landkreis Hildesheim getroffen. Vielleicht hatte man dort zunächst andere Erwartungen in Richtung auf den Kultusminister, was kleine Standorte angeht. Ich habe sehr stark dafür geworben - gerade auch vor gestandenen sozialdemokratischen Kommunalvertretern -, das Menschenmögliche zu tun, um Schulstandorte zu erhalten - mit Flexibilität, mit Schwierigkeiten, mit Kosten, was auch immer. Ich will Ihnen sagen: Ich habe da wohl Anklang gefunden. Der Landrat von Hildesheim - dort war ich vor Kurzem, vor rund 14 Tagen, aufgetreten - hat mir ausdrücklich einen Dankesbrief geschrieben. Darin schreibt er mit Datum vom 18. Januar:

„Insbesondere Ihre Aussage zum Erhalt auch kleinerer Schulstandorte ist von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung sehr positiv aufgenommen worden. Ich hoffe, dass auch Sie einen positiven Eindruck... „

Und dann geht es so weiter. Das schreibt mir der Kollege Wegner, sozialdemokratischer Landrat in Hildesheim, er war lange Zeit hier ein Kollege.

(Zuruf von Uwe Harden [SPD])

Das ist ein Mann mit Rückgrat, der sagt, wie das aus kommunaler Sicht gesehen wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist das, worüber wir uns schon am Mittwoch ausgetauscht haben, Herr Kollege Harden. Gehen Sie über Land. Es gibt auch an „historischen“ Standorten sozialdemokratische Kommunalregierungen, die in Kenntnis der demografischen Entwicklung sehr tapfer für Schulstandorte kämpfen, Sie wahrscheinlich auch. Die sagen: Wir tun das Menschenmögliche. - Ob Sozialdemokrat, ob Christdemokrat, wer auch immer regiert: Sie haben diesen Kultusminister immer flexibel an der Seite, um das irgendwie hinzukriegen. Ich sage noch einmal: Was man in den 70er- und 80er-Jahren hinbekommen hat, das müsste doch auch heute noch miteinander leistbar sein.

Zur Thematik Schülerbeförderung, Herr Jüttner. Mir erschließt sich das nicht. Wenn Sie - das ist ja die Quintessenz der Einheitsschule

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Fragen Sie doch einmal die Landräte! - Bernd Althusmann [CDU]: Die waren gestern Abend da!)

konzentrieren, entstehen im Flächenland Niedersachsen für eine Menge Kinder, die ihre Schule nicht mehr am Heimatort vorfinden, längere Wege, also mehr Schülertransport, Kosten und höhere Kosten für die entsprechenden Kostenträger. Das ist doch etwas, was man mit normalem Menschenverstand nachvollziehen kann. Dazu muss man noch nicht einmal Bildungsexperte oder so etwas sein.

Herr Jüttner, ich habe den Eindruck, dass Sie sehr stark aus einer großstädtischen Erlebnis- und Denkwelt heraus formulieren. Sie haben kein Gefühl für das Flächenland Niedersachsen. Das merkt man an Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Wiese hat eine zweite Zusatzfrage.

Auf der einen Seite eine Anfrage zu stellen und sich als Hüter der kleinen Schulen aufzuspielen, auf der anderen Seite aber ein Schulsystem zu bevorzugen - Sie versuchen auch, dieses den Leuten einzureden -, das über 400 Schulstandorte kaputt macht, ist auch eine Art von Politik.

Ich frage die Landesregierung: Können wir noch einen Versuch unternehmen, die SPD auf die objektive Sachlage hinsichtlich der demografischen Entwicklung zurückzuführen? - Vielleicht stellen Sie einmal dar, wann wir in Niedersachsen das sogenannte Schülertal erreicht haben werden und mit welchen Auswirkungen dabei zu rechnen ist.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Ich nutze die Zwischenzeit, um die Beschlussfähigkeit des Hauses festzustellen. Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme das Jahr 2004 als Ausgangsjahr. In diesem Schuljahr - 2006/2007 - sind die Zahlen fast identisch. Wir haben knapp 1 Million Schülerinnen und Schüler, 2004 waren es 993 000. Halten wir die Größenordnung von knapp 1 Million fest. In der beruflichen Bildung haben wir momentan auch einen Schülerberg, zwischen 260 000 und 270 000 Schülerinnen und Schüler. Das betrachten wir vielleicht einmal gesondert. Weil die starken Jahrgänge hineinwachsen werden, wird uns dort der Schülerberg noch einige Jahre erhalten bleiben mit den bekannten Regelungsproblemen.

Schauen wir uns die Situation im Jahr 2021 an, also in 14 Jahren. Das ist eine Schätzung, die durch die Geburtenzahlen noch nicht belegt ist, weil wir nicht so weit verlässlich in die Zukunft schauen und sagen können, wie die Gesellschaft auf die politischen Maßnahmen z. B. zu den Kinderbetreuungskosten, Kitas, Elterngeld usw. reagieren wird. Wenn es so bleibt, wie es momentan aussieht, geht die Schülerzahl im allgemeinbildenden Bereich bis 2021 um 21 % auf etwa 785 000 Schülerinnen und Schüler zurück. Wir hatten schon einmal - ich habe das vorhin bereits erwähnt - zwischen 1976 und 1989 einen Rückgang der Schülerzahlen von fast 37 %. Bei uns wäre es so: Das Schuljahr 2011/2012 haben wir schon

etwa im Visier und wissen ungefähr, mit welchen Schülerzahlen wir dann zu rechnen haben - egal, wie sich das mit den Schulformen entwickeln wird. 2011/2012 werden wir etwa 890 000 Schülerinnen und Schüler im allgemeinbildenden Schulwesen in Niedersachsen haben, also etwa 100 000 weniger als heute.

An den Grundschulen haben wir nur unter demografischen Gesichtspunkten wie folgt kalkuliert: Von 2006 mit 347 000 Kindern wird es bis 2018 auf 284 000 Kinder zurückgehen. Das entspricht in etwa dem Stand von 1986.

An den Hauptschulen hatten wir 2005 117 000 Schülerinnen und Schüler. Im Moment sind es wohl rund 107 000. Für das Jahr 2022 rechnen wir nur unter demografischen Gesichtspunkten mit 75 000 Schülerinnen und Schülern.

An der Realschule hatten wir 2005 gut 176 000 Schülerinnen und Schüler. 2022 werden es etwa 147 000 Schülerinnen und Schüler sein.

Am Gymnasium hatten wir im Jahr 2005 257 000 Schülerinnen und Schüler, momentan sicherlich etwas mehr. Im Jahr 2009 kalkulieren wir mit 285 000 Schülerinnen und Schülern. Die starken Jahrgänge wachsen also dort noch etwas hinein. Das ist ein historischer Höchststand aufgrund der demografischen Entwicklung, aber auch aufgrund der guten Bildungsangebote, die wir dort unterbreiten. Sie wissen, dass die Gymnasien gut nachgefragt werden. Das wollen wir auch. Durch unser wohnortnahes System - neue Gymnasien und Außenstellen - schaffen wir es auch, sozusagen in der Fläche Bildungsreserven zu mobilisieren. 2009 werden wir also mit 285 000 Schülerinnen und Schülern einen Höchststand erreichen. Nur zwei Jahre später, also 2011, wird das schlagartig auf 257 000 zurückgehen, weil dann der letzte Abi-13Jahrgang parallel zum ersten Abi-12-Jahrgang verabschiedet wird. Dann tritt also eine Entlastung ein. Das wird sich 2023 insgesamt normalisiert haben. Dann rechnen wir mit 212 000 Schülerinnen und Schülern. Das entspricht übrigens dann wieder der Zahl aus dem Jahr 1980.

Man könnte auch sagen: An diesen Zahlen wird unser demografisches Problem deutlich, aber im Vergleich der Zahlen, die wir prognostizieren, mit denen, die wir in den 80er-Jahren schon einmal hatten, liegt auch etwas Beruhigendes. Die Probleme sind so, dass man sie bewältigen kann, wenn die richtigen Leute das machen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Möhrmann, bitte sehr!