Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Ich rufe nun auf den

Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: Eckpunktevereinbarung zum Einsatz von Erntehelfern in der Landwirtschaft grundlegend überarbeiten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/3275 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 15/3723

Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kann ich den Tagesordnungspunkt gleich schließen.

(Zuruf von Christina Philipps [CDU])

- Ich habe keine.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie hat ei- ne Wortmeldung abgegeben!)

- Die Wortmeldung von Frau Kollegin Philipps ist hier unter die Unterlagen gerutscht. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute zu der Eckpunktevereinbarung zum Einsatz von Erntehelfern in der Landwirtschaft. Dieses Thema hat uns bereits beschäftigt und wird uns auch weiterhin beschäftigen. Es betrifft nämlich die Betriebe in unserem Land, die mit Saisonarbeitskräften aus dem Ausland arbeiten. Viele Kolleginnen und Kollegen kennen die Betriebe vor Ort und auch die Probleme, die bei ihnen entstehen können. Es war sehr gut und wichtig,

dass die Fraktionen von CDU und FDP diesen Antrag im November-Plenum eingebracht haben. In ihm haben wir unsere Landesregierung gebeten, sich in Berlin für eine gründliche Überarbeitung der Eckpunkteregelung einzusetzen. Dies hat sie auch intensivst getan.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass auch im Jahr 2006 trotz vieler oftmals sehr teurer und aufwendiger Bemühungen und Aktivitäten von Betrieben und Arbeitsagenturen nicht genügend verlässliche und motivierte inländische Arbeitnehmer gewonnen werden konnten. Das lag natürlich nicht allein an den Arbeitnehmern, sondern auch an den unterschiedlichen Voraussetzungen in den Regionen, am Arbeitsmarkt und am Standort. Viele Betriebe waren auch gar nicht so einfach zu erreichen. Die Betriebe hatten das Nachsehen, weil durch die Kontingentierung nicht genügend ausländische Saisonkräfte kommen konnten und ausländische Saisonkräfte nicht rechtzeitig eingestellt werden konnten. Außerdem hat sich inzwischen auf dem Arbeitsmarkt der einzelnen Länder einiges verändert; viele ausländische Arbeitskräfte gehen in andere EU-Länder.

Die Bundesregierung hat verständlicherweise und richtigerweise die Verpflichtung und das Ziel, mehr Arbeitskräfte vom hiesigen Arbeitsmarkt einzusetzen - dies ist unser aller Ziel -, um den Arbeitsmarkt zu entlasten. Deshalb hat sie die Eckpunkteregelung eingeführt. Gleichrangig ist aber auch die Verpflichtung der Bundesregierung gegenüber den Betrieben, ein zeitgerechtes Ernten nicht durch unpraktikable und überbürokratische Auflagen zu erschweren. Wir müssen aufpassen, dass nicht Kulturen, die bei uns sehr erfolgreich angebaut werden können, wegen solcher Dinge im Ausland eventuell besser angebaut werden und wir hier Anbauflächen verlieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Begleitung und Umsetzung der Ziele wurde ein Monitoring eingerichtet, und am Ende des Jahres wurde Bilanz gezogen. Es ist keineswegs alles so rund gelaufen, wie es der Kollege Johannßen im November-Plenum sagte.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Genau so ist es!)

Vielmehr kam man auf allen beteiligten Ebenen zu dem Ergebnis, dass die Motivation und das Durchhaltevermögen der inländischen Arbeitskräfte zwar nicht generell, aber oft nicht zufriedenstellend sind. Man hat auch erkannt, dass es regionale Unterschiede manchmal gar nicht hergeben, dass genügend deutsche Arbeitskräfte vor Ort angeworben werden können. Wenn so etwas festgestellt wird, muss im Sinne der Betriebe schnell und vorausschauend gehandelt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, seitens der Agenturen wurden noch längst nicht alle Möglichkeiten der flexiblen Anwendung der Eckpunkteregelung ausgeschöpft. Ich sehe wirklich einen starken Verbesserungsbedarf. In diesem Sinne wird jetzt gehandelt. Die Agenturen haben in diesem Jahr mehr Möglichkeiten bekommen. In der aktuellen Fassung der „Arbeitshilfe für Saisonbeschäftigte“ ist gegenüber 2005 eine ganze Reihe positiver Änderungen enthalten, die aus dem Monitoring resultierten und nun verwirklicht werden. Das ist gut so. Hieran haben sich die Landwirtschaft, der Gartenbau, mehrere Bundesministerien, die Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit und die Gewerkschaften sowie kommunale Spitzenverbände intensiv beteiligt. Besonders die Anweisung der Bundesagentur an ihre örtlichen Agenturen ist sehr wichtig, damit endlich mehr Flexibilität bei der Anwendung der Eckpunkteregelung erreicht wird.

(Beifall bei der CDU)

Man muss bedenken, dass es viele regionale Unterschiede gibt und dass Betriebserweiterungen und -umstellungen es notwendig machen, dass man genügend Arbeitskräfte rechtzeitig anwerben kann, um sie zur Erntezeit vor Ort zu haben. Eine gute Zusammenarbeit aller ist gefordert. Ich meine, wenn wir schon solche Reglementierungen einführen, dann stehen die Verantwortlichen auch in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass alles rund läuft und dass die Betriebe - seien es die Landwirtschaft, der Gartenbau und natürlich auch unsere Gastronomiebetriebe - nicht behindert werden, sondern erfolgreich wirtschaften können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Eckpunkteregelung hat sich längst noch nicht so bewährt, wie sie erdacht worden ist, und ist verbesserungsfähig. Das wird hoffentlich in diesem Jahr durch die eingeleiteten Maßnahmen erreicht.

Sie muss weiterhin überprüft und eventuell weiter angepasst werden.

Meine Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag hat viel dazu beigetragen, die wichtigen und richtigen Schritte jetzt einzuleiten und sicherzustellen, dass den Betrieben des Gartenbaus, der Landwirtschaft und natürlich auch der Gastronomie mit ihren saisonalen Spitzenzeiten genügend Saisonkräfte zur Verfügung stehen. Vielleicht regelt das auch einmal der Arbeitsmarkt von allein, sodass wir in späterer Zeit nicht mehr solche Reglementierungen brauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Philipps. - Nächster Redner ist Herr Jan-Christoph Oetjen von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sollte man mit einer Regelung machen, die nicht funktioniert? - Richtig: sie abschaffen. Meine Damen und Herren, das ist auch in dieser Frage das Ziel. Ohne Eckpunkteregelung bei den Erntehelfern würde es unseren landwirtschaftlichen Betrieben besser gehen als mit dieser Regelung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion möchte ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Ich verstehe nicht, dass ein Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer und - der ist noch schlimmer - ein Bundesarbeitsminister Müntefering weiterhin die Augen vor diesem Problem verschließen. Manchmal glaube ich, dass sie in einer anderen Welt leben: Raumschiff Berlin und keine Ahnung davon, was vor Ort, auf den Betrieben, tatsächlich los ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben erlebt, dass eine zu große Zahl deutscher Arbeitnehmer, die für Stellen als Erntehelfer vorgeschlagen wurden, entweder gar nicht erst bei der Arbeit erschienen sind oder aber schon nach kurzer Zeit aufgehört haben, weil die Arbeit zu schwer gewesen ist. Das sind die Erfahrungen, die im vergangenen Jahr mit der Eckpunkteregelung für Erntehelfer gesammelt worden sind. Aber für Unternehmer, die in der Ernte darauf angewiesen sind, dass ihre Produkte

geerntet werden, wenn sie reif sind, ist es natürlich eine Katastrophe, wenn sie nicht planen können, in welchem Umfang Arbeitskräfte vorhanden sind. Von daher ist es gut, dass die Agrarminister einvernehmlich festgestellt haben, dass sich die bisherige Eckpunkteregelung, die seit dem 1. Januar 2006 gegolten hat, nicht bewährt hat. Es hat in der Agrarministerkonferenz einen Beschluss gegeben, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden ist, hier klare Änderungen herbeizuführen. Ich sage aber auch deutlich, dass das ein guter Beschluss ist, und genauso deutlich, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Agrarministerkonferenz daraus den Schluss gezogen hätte, die Eckpunkteregelung ganz aufzuheben.

(Beifall bei der FDP)

Der Schritt, den sie gegangen ist, ist wenigstens ein Schritt und auch eine Verbesserung in die richtige Richtung. Aber nicht einmal das greift Seehofer konsequent auf. Er hat jetzt die Durchführungsverordnung verändert; Frau Philipps hat das angesprochen. Das alles sind richtige Maßnahmen, um flexibler mit der Eckpunkteregelung für Erntehelfer zu arbeiten.

(Rolf Meyer [SPD]: Dann muss man doch zufrieden sein!)

- Damit muss man nicht zufrieden sein, Herr Kollege Meyer; denn ich habe die Befürchtung, dass wir auch in diesem Jahr wieder Probleme mit der Eckpunkteregelung für Erntehelfer haben werden und auf unseren Betrieben mit der Situation konfrontiert werden, dass die Früchte nicht geerntet werden können, wenn sie reif sind, weil nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat Herr Seehofer erklärt - ich zitiere wörtlich -: Wenn es beim Vollzug wieder Probleme geben sollte, werde ich der Erste sein, der darauf drängt, dass die Mängel abgestellt werden. - Ich höre das wohl, allein mir fehlt der Glaube, dass das nachher tatsächlich umgesetzt wird, wenn ich mir das Verhalten von Herrn Seehofer in der vergangenen Zeit vor Augen führe.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht sollten wir Herrn Seehofer einmal zu uns nach Niedersachsen einladen. Wir befinden uns in der Spargelernte z. B. im Kreis Cloppenburg, im

Kreis Diepholz, im Kreis Oldenburg, im Kreis Nienburg und im Kreis Rotenburg. Überall, wo es sandige Böden gibt, wird zurzeit geerntet.

(Zuruf: Stade!)

- Stade. Ich könnte die Reihe fortführen. Vielleicht sollten wir Herrn Seehofer einmal auf einen typisch niedersächsischen Betrieb einladen, um ihm die Realität zu zeigen, damit er aus seinem Raumschiff Berlin herauskommt. Vielleicht nimmt er den Kollegen Müntefering mit. Dem würde der Besuch auf einem ordentlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Niedersachsen sicherlich auch ganz gut tun.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich erwarte von der Landesregierung, dass sie in Berlin weiterhin darauf drängt, dass die Eckpunkteregelung deutlich vereinfacht wird. Wenn sich die Probleme jetzt wieder häufen sollten, erwarte ich von meiner Landesregierung auch, dass sich Niedersachsen als wichtigstes Agrarland an die Spitze der Bewegung zur Abschaffung der Eckpunkteregelung setzt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Spargelbauern dienen im Moment als Versuchskaninchen für die Eckpunkteregelung, weil sie als Erste dran sind. Es folgen - das ist ganz normal - Beerenobst, Kernobst und Steinobst.

(Clemens Große Macke [CDU]: Und Fallobst! - Heiterkeit)

Ich meine, dass wir die Landwirte nicht mit dieser praxisuntauglichen Regelung allein im Regen stehen lassen dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Johanßen von der SPD-Fraktion, Sie haben das Wort.