Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier heute das besondere Vergnügen, zum vierten Male zu dieser Thematik sprechen zu dürfen. Es ist das zweite Mal, dass hier ein Antrag von den Fraktionen der CDU und der FDP eingereicht worden ist. Das hat viel von „Dauerlutscher“. Man versucht, Ge
schmack an diesem Thema zu finden, aber es wird langsam fade. Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen - gerade Ihnen, Herr Oetjen - nicht um die Inhalte, sondern um die politische Außenwirkung geht. Der Dissens, der sich zwischen Ihren Fraktionen auftut, ist interessant. Sie bringen hier einen gemeinsamen Antrag ein. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Kollegin Phillips, die hier sehr sachlich darüber gesprochen hat. Sie hat von „überarbeiten“ gesprochen und gesagt, dass Ihre Anträge Auswirkungen gehabt hätten und Vorschläge übernommen worden seien. Herr Oetjen hat hier eingangs gesagt, dass er die Eckpunkteregelung abschaffen will. Was wollen Sie denn? Herr Oetjen, wenn Sie so etwas fordern, dann müssen Sie das auch in einem Antrag formulieren und dürfen Sie hier nicht solche gemeinsame Anträge vorlegen.
Meine Damen und Herren, diese Eckpunkteregelung gibt es seit 1998. Ich meine, dass wir zumindest mit der CDU das gemeinsame Ziel haben, mehr deutsche Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Deshalb ist diese Eckpunkteregelung, die damals in breitem Konsens erarbeitet und verabschiedet worden ist, auch sinnvoll. Frau Kollegin Philipps hat darauf hingewiesen, dass es gemeinsam mit dem Zentralverband Gartenbau und dem Gesamtverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände und der IG BAU zu dieser Übereinkunft gekommen ist. Sie ist auch Bestandteil des Koalitionsvertrags in Berlin, den Sie als FDP natürlich nicht mit unterschreiben konnten und den Sie in der nächsten Zeit zumindest auf Bundesebene wahrscheinlich auch nicht wieder unterschreiben werden. Diese Maßnahmen haben das Ziel gehabt, die osteuropäischen Arbeitkräfte zu kontingentieren. Die Zulassungszahlen sind auch zurückgegangen. Wir hatten noch in 2004 324 000 zugelassene Arbeitskräfte, in 2005 294 000 und in 2006 289 000. Aber das Problem sind nicht diese Zulassungszahlen, sondern die hohe Zahl der Stornierungen. Es hat rund 60 000 Stornierungen gegeben. Das heißt, über 20 % dieser Arbeitskräfte haben den Arbeitsplatz gar nicht angetreten. Diese Hintergründe müsste man einmal hinterfragen: Woran liegt es, dass diese Arbeitsplätze in Deutschland für polnische und andere osteuropäische Arbeitnehmer so unattraktiv sind? Das ist das Problem. Wenn alle diejenigen, die zugelassen worden sind, gekommen wären, dann wäre es kein Problem gewesen, die Ernte einzubringen.
Meine Damen und Herren, das Problem liegt in der Vergütung und vielleicht auch in der zeitlichen Beschränkung dieser Arbeitsverträge. Bei uns sind die Arbeitszeiten für Saisonarbeiter auf längstens vier Monate beschränkt. In England und in Holland gibt es eine solche Beschränkung nicht. Wenn Sie also hätten flexibilisieren wollen, Herr Oetjen, dann hätten Sie diese zeitliche Beschränkung infrage stellen müssen. Das haben Sie bislang aber nicht getan.
Insbesondere liegt das Problem aber in der Entlohnung. In landwirtschaftlichen und in Gartenbaubetrieben wird ein Lohn zwischen 3,50 Euro und 5,30 Euro gezahlt. Dann muss man sich nicht wundern, dass die Menschen aus Polen und den anderen osteuropäischen Ländern nicht mehr hierher kommen, um dafür zu arbeiten.
Das gilt natürlich auch für deutsche Arbeitnehmer. Unser gemeinsamer Anspruch muss sein, dass Menschen von dem Lohn für ihre Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Auf Bundesebene läuft zurzeit die Debatte über den Mindestlohn. Da hört man ja immer wieder ganz interessante Äußerungen. Heute habe ich gelesen, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Ich halte das für verheerend.
Wir brauchen diesen Mindestlohn insbesondere auch im Bereich der Landwirtschaft, um die Probleme, die ich geschildert habe, zu lösen.
Aber ich bin guter Hoffnung. Schließlich haben wir ja einen Ministerpräsidenten, der dafür bekannt ist, dass er auf Umfragen und Meinungen reagiert. Gestern hieß es „Wackel-Wulff“. Ich würde sagen, er macht Politik mit dem feuchten Finger. Er fragt „Woher weht der Wind?“ und richtet danach seine Entscheidung aus. - Danke schön.
Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Oetjen gemeldet. Bitte schön, Herr Oetjen, Sie haben eineinhalb Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Johannßen, ich finde es ja schön, was Sie hier erzählt haben, aber zu den Problemen der Landwirte auf ihren Feldern, beim Spargel, beim Obst, im Gemüsebau und im Gartenbau haben Sie kein Wort gesagt. Also: Thema verfehlt, Herr Kollege Johannßen!
Natürlich liegt das Problem auch darin, dass die Löhne in unseren Betrieben zu niedrig sind. In den Niederlanden und in England haben die Arbeitskräfte die Möglichkeit, mehr zu verdienen. Das müssen unsere Betriebe berücksichtigen, wenn sie qualifizierte Arbeitskräfte suchen; da gebe ich Ihnen Recht.
Aber noch einmal: Zur Lösung des Problems haben Sie aus meiner Sicht nichts Qualifiziertes beigetragen. - Herzlichen Dank.
Herr Kollege Johannßen, Sie haben jetzt die Möglichkeit, darauf zu antworten. Sie haben auch eineinhalb Minuten Redezeit.
Herr Oetjen, Sie haben gesagt, dass Ihnen das Problem der Entlohnung bewusst ist. Dann setzen Sie sich bitte mit uns für einen Mindestlohn ein!
Man sieht aber auch noch andere Probleme. Der Hauptgeschäftsführer des Gartenbauverbandes hat erklärt, die Polen seien alle katholisch und wollten Ostern bei ihren Familien verbringen. Dazu kann ich nur sagen: Wenn das als ein Problem angesehen wird, dann kann ich die Kritik der Landwirte nicht mehr ernst nehmen.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Ihnen die Vereinbarung der Parlamentarischen Geschäftsführer zum Ablauf der Sitzung bekannt geben.
Wir werden nach Tagesordnungspunkt 17, also etwa gegen 13 Uhr, in die Mittagspause eintreten. Um 14.30 Uhr setzen wir die Sitzung mit Tagesordnungspunkt 18 fort. Über Tagesordnungspunkt 19 stimmen wir ohne Beratung ab. Die Tagesordnungspunkte 20 und 25 rufen wir nur zum Zweck der Ausschussüberweisung auf. Die Tagesordnungspunkte 26 und 27 werden wir morgen um 13.30 Uhr anstelle des Tagesordnungspunktes 37 beraten; diesen rufen wir anschließend nur zum Zweck der Ausschussüberweisung auf.
Damit kann ich nun Herrn Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufrufen. Bitte schön, Herr Klein, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oetjen, ich finde es wirklich toll, dass Sie mit Ihren Ausführungen unsere Position der generellen Abschaffung der Eckpunkteregelung unterstützt haben. Ich bedaure aber natürlich, dass Sie gleich für einen Antrag stimmen werden, der genau das Gegenteil aussagt, der lediglich ein Placebo ist.
Dass das ein Placebo ist, müsste meiner Meinung nach inzwischen allen klar sein. Der Tenor des Antrages, der hier heute verabschiedet werden soll, heißt: prüfen und gegebenenfalls anpassen.
Ich frage Sie: Wie lange eigentlich noch? - Wir haben inzwischen jahrelange Erfahrungen mit dieser Eckpunkteregelung. Sie hat eigentlich nie in irgendeiner Form funktioniert. Ich bin gespannt, ob Sie sich mit dem dritten Antrag, der sicherlich pünktlich zur Erntesaison 2008 kommen wird, endlich unsere konsequente Forderung nach Abschaffung dieses Bürokratiemonsters zu eigen
machen werden. Schauen Sie sich doch einmal die viel gerühmte Flexibilisierung an: Die neue Arbeitsanweisung umfasst 20 eng beschriebene Seiten. In ihr wird erklärt, was alles geprüft werden muss, um die Inländer-Pflichtquote von 20 % auf 10 % senken zu dürfen.
Materiell hat sich doch nur eines geändert. Bisher gab es für die Arbeitslosen ein wenig Zuckerbrot und ein bisschen Peitsche. Jetzt ist das Zuckerbrot abgeschafft worden, jetzt gibt es nur noch die Peitsche. Es werden nämlich schärfere Strafen gegen Arbeitslose beschlossen, die der Zwangsverpflichtung nicht entsprechen.
Meine Damen und Herren, was ist das für eine Motivationsstrategie? Vor allen Dingen: Was hilft das unseren landwirtschaftlichen Betrieben?
Wir werden dem Wunsch der Bauern nach fähigen und zuverlässigen Mitarbeitern nur entsprechen können, wenn wir auch das berechtigte Anliegen der Arbeitssuchenden nach einer längerfristigen beruflichen Perspektive im Auge behalten. Die Erfolgsfaktoren sind längst bekannt. Sie lauten: keine Zwangsmaßnahmen, sondern Freiwilligkeit und existenzsichernde Löhne. Dabei wird - das ist schon gesagt worden - die Nachfragekonkurrenz aus den EU-Ländern, die Mindestlöhne haben, in nächster Zeit sicherlich eine heilsame Wirkung entfalten.
Weitere Erfolgsfaktoren sind eine gute Information, eine ausreichende, eine gute Qualifizierung und eine unbürokratische Vermittlung. Außerdem ist wichtig - ich habe es schon angesprochen -, dass wir den Arbeitssuchenden eine weitergehende Perspektive auf eine möglichst ganzjährige Beschäftigung, anbieten können.
Wenn wir das im Auge behalten, haben wir, glaube ich, gleichzeitig einen zukunftsfähigen Lösungsansatz für den anstehenden und erwarteten Bedarf an Fachkräften in den grünen Berufen. Auch da haben wir inzwischen Erfahrungen: Spezielle grüne Personalserviceagenturen, wie wir sie seit Langem vorgeschlagen haben, können diese Aufgaben angehen.
All das ist da, all das ist bekannt. Es kommt nur darauf an, dass wir das jetzt so machen und nicht länger überflüssige Anträge schreiben. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einsatz ausländischer Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft ist notwendig und, wie ich meine, auch mitentscheidend für die Weiterentwicklung oder auch den Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen.
Die Zahl der beschäftigten ausländischen Erntehelfer - sie kommen hauptsächlich aus Polen - ist mit rund 36 000 im vergangenen Jahr gegenüber dem Jahr 2005 erheblich gesunken. Das liegt zum einen daran, dass die Landwirte auf die Eckpunkteregelung reagiert und weniger ausländische Erntehelfer angefordert haben. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass polnische Arbeitskräfte selbst ihre Anmeldungen storniert haben. Im Arbeitsagenturbezirk Niedersachsen-Bremen sind das allein etwa 12 000. Die Gewinnung polnischer Erntehelfer ist also sehr viel schwieriger geworden. Die Gründe dafür sind - das ist hier bereits angeklungen - die Bürokratie und die Lohnhöhe, aber auch die Tatsache, dass die Helfer nur drei bis vier Monate im Spargelanbau beschäftigt werden.
Meine Damen und Herren, die Vorgabe, zunächst einmal zu versuchen, deutsche Arbeitslose zu beschäftigen, konnte nicht erfüllt werden. Das ist, ganz einfach gesagt, misslungen. Rein rechnerisch müssten wir nach der 10 %-Regelung 4 500 deutsche Arbeitslose in diesen Prozess eingliedern. Letztlich konnten aber nur 900 für diese Arbeit gewonnen werden, und auch diese waren zum größten Teil nur sehr kurze Zeit auf den Feldern tätig, standen also eigentlich gar nicht zur Verfügung.