(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich schließe mich den Ausführungen von Herrn McAllister inhaltlich voll an und be- danke mich für den guten Redebei- trag!)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr McAllister, ich kann gut verstehen, was Sie zu Ihrer Rede veranlasst hat. Allerdings haben Sie wohl eine Rede genommen, die Sie gestern oder vorgestern in einem Ortsverein vorgetragen haben. Ihr Beitrag war sicherlich wahlkampfgerecht, wurde aber nicht dem Gesetzentwurf gerecht, der heute verabschiedet werden soll.
Allein die von Ihnen vorgetragenen Punkte 3 bis 8 entsprachen nicht dem Inhalt des Gesetzentwurfs. Außerdem ist noch die Frage offen, was „Schulkindergarten“ in dem von Ihnen vertretenen Sinne bedeutet. Das wird Ihnen aber Frau Vockert sicherlich erklären.
Der Kultusausschuss empfiehlt in großer Einmütigkeit, dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr zuzustimmen. Diese Einmütigkeit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit diesem Entwurf das Optimum nicht erreicht wird, sondern dass viele und aus meiner Sicht gewichtige Fragen offen bleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf daran erinnern, dass der erste Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines beitragsfreien Kindergartenjahres in diesem Haus von meiner Fraktion im Jahre 2006 eingebracht worden ist. Damals haben Sie von den Regierungsfraktionen nichts unversucht gelassen, diesen Entwurf zu diffamieren, und haben ihn letztlich ohne ernsthafte Beratung abgelehnt.
Es wäre also mehr als recht, den Vorschlag der SPD-Fraktion als das Original und Ihren Gesetzentwurf als Plagiat einzuordnen.
(Lachen bei der CDU - Karl-Heinz Kla- re [CDU]: Es fehlten nur 40 Millionen! - Bernd Althusmann [CDU]: Dazwi- schen liegt nur die Finanzierung!)
Ihre Hinweise auf die Einlösung gegebener Wahlkampfversprechen hatte im Zusammenhang mit der Einbringung des Gesetzentwurfs bereits die Kollegin Janssen-Kucz auseinandergenommen. Unsere Beobachtung ist, dass wir Sie fünf Jahre lang jagen und schließlich tragen mussten,
(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Wir sind hier doch nicht bei einer Delegiertenversammlung der SPD!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das machen auch die von uns unterbreiteten Änderungsvorschläge zu dem Gesetzentwurf deutlich. So hatten Sie keine Regelung für die sogenannten Kannkinder vorgesehen. Herr McAllister, darauf hatte ich Sie bei der Einbringung noch hingewie
sen, und Sie hatten fälschlich geantwortet. Die Regelung für die vom Schulbesuch zurückgestellten Kinder war so diffus, dass sie neu gefasst werden musste. Die heute vorliegende Beschlussempfehlung lässt zudem die kluge Unterstützung durch den GBD erkennen, die uns eine große Hilfe war.
- Ganz genau. Ich wollte das nur noch ergänzen, weil Herr McAllister das bei seinem Dank offensichtlich übersehen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände wird seitens der Regierungsfraktionen gern als „die große Einigkeit“ verkauft. In der Anhörung ist aber deutlich geworden, dass bei den Kommunen erhebliche Unsicherheiten bestehen bleiben. So sind die gefundenen Pauschalen keineswegs empirisch gewonnen, sondern basieren auf Annahmen, weil offenbar kein ausreichendes Datenmaterial vorliegt.
- Das hat Herr Dr. Meyer vorgetragen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Diese unsichere Ausgangslage bedingt die eingefügte Revisionsklausel. Im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip sind die kommunalen Vertreter sehr moderat aufgetreten. Tatsächlich bezahlen die Kommunen die Konnexität selbst. Wenn den kommunalen Kassen zunächst 500 Millionen Euro entzogen werden,
die Kommunen nun 75 Millionen Euro über den kommunalen Finanzausgleich zurückbekommen sollen und ein kleiner Teil über die Finanzhilfe direkt an die Kommunen fließt, dann stehen den 100 Millionen Euro, die die Kommunen erhalten, 500 Millionen Euro gegenüber, die Sie ihnen vorher weggenommen haben.
Wir müssen leider davon ausgehen, dass wir uns heute mit diesem Gesetz nicht zum letzten Mal befassen werden. Wahrscheinlich werden Nachbesserungen notwendig werden, wie wir das sehr umfangreich auch im Zusammenhang mit der Eigenverantwortlichen Schule erleben werden. Das ist deswegen zu erwarten, weil sich die Regie
rungsfraktionen in erheblichem Maße als beratungsresistent erwiesen haben. Ein Beispiel soll das deutlich machen. Nach Auffassung der SPD wäre es zielkonform gewesen, Überschüsse, die erzielt werden, weil der tatsächliche Beitragssatz unter 120 Euro liegt, zunächst zur weiteren Defizitabdeckung bei den Gebühren für Ganztagseinrichtungen einzusetzen. Das hätten wir erwartet, weil wir davon ausgehen, dass die Kommunen das vorziehen, was Herr McAllister vorgetragen hat, nämlich das Geld, das durch Minderausgaben oder Mehreinnahmen zur Verfügung steht, innerhalb des Systems zu verwenden.
- Darauf kann ich nicht im Einzelnen eingehen. Mir läuft die Zeit davon, Herr McAllister. Da alle Kommunen defizitär sind, ist zu befürchten, dass die Kommunalaufsicht ein solches Vorgehen nicht zulassen würde. Das wollten wir im Gesetz durch eine Regelung verhindert sehen, wie sie in dem schriftlichen Kurzbericht auf der zweiten Seite angesprochen ist. Dazu konnten Sie sich nicht durchringen. Daraus folgt: Betroffen sind nicht die Familien, bei denen der Vater Zahnarzt und die Mutter Anwältin ist,
sondern betroffen werden die Familien sein - ich bilde einmal ein Beispiel aus meiner Heimat -, bei denen Vater und Mutter in der Fischindustrie arbeiten und das gemeinsame monatliche Nettoeinkommen unter 1 800 Euro liegt. Diese Familien sind auf Ganztagsplätze angewiesen. Die werden unter Umständen weiterhin zur Kasse gebeten.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum denn das? Das ist ein Rechtsanspruch!)
- Aber nur bis 160 Euro. - Warum in einem solchen Beratungs- und Gesetzgebungsverfahren immer noch ein Stück sozialer Ungerechtigkeit produziert werden muss, ist mir unverständlich und mit den politischen Zielen der SPD nicht vereinbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleiben weitere Fragen offen, wie z. B.: Warum orientiert sich die Festlegung hinsichtlich der Ganztagsbetreuung nicht an der ersten DVO?
Warum gibt es keine Hinweise auf die sogenannten Zweidrittel- oder Dreiviertelplätze? Warum ist das Einnehmen der Mahlzeiten nicht in die pädagogische Arbeit einbezogen worden? - Trotz unserer Bedenken und trotz der erkennbaren Ungereimtheiten werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir sind dies den Kommunen schuldig, von denen noch viele nach unserem Beschluss heute Sondersitzungen abhalten müssen. Wir erwarten aber von Ihnen, sehr geehrter Herr Kultusminister, dass Ihre Durchführungsverordnung noch weiter Klarheit schafft und insbesondere alle Möglichkeiten dazu ausschöpft, dass die Kommunen unter Umständen erzielte Mehreinnahmen oder Minderausgaben dem Bereich der frühkindlichen Bildung tatsächlich zur Verfügung stellen.
Der Beschluss heute wird ein wichtiger Schritt sein. Aber wir werden von Ihnen weiterhin fordern, endlich ein vernünftiges Gesamtkonzept für den Bereich der frühkindlichen Bildung vorzulegen. Sie verweisen zwar stets auf eine Vielzahl von Maßnahmen, aber diese alle finden wir mal hier, mal dort. Bis heute haben Sie nicht deutlich machen können, wie Sie ein in sich geschlossenes Konzept flächendeckend entwickeln und umsetzen wollen. Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Stimmen Sie nun zu, oder lehnen Sie ab?)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es gibt eine gewisse Grundnotwendigkeit für wahrheitsgemäßen argumentativen Austausch.
Zwei Dinge gehen nun wirklich nicht an. Das eine ist die Bemerkung zu den Kommunen; das andere ist die Frage, wer hier nun wen zum Jagen getragen hat. Zu der letzteren Bemerkung kann ich Ihnen sagen, dass wir 2003 - wir leiden hier ja nicht an Amnesie; insofern darf man daran erinnern - gesagt haben: Wir bringen den Haushalt
des Landes in Ordnung, und dann, wenn wir das geschafft haben, werden wir im Laufe der Legislaturperiode das für die Eltern beitragsfreie Kindergartenjahr vor der Grundschule einführen.
Beides haben wir gemacht. Das heißt: Versprochen - gehalten. Das gilt für beides, sowohl für die Haushaltskonsolidierung als auch für die Einführung des beitragsfreien Kindergartenjahres. Dagegen hat Ihr Kandidat, der damalige Ministerpräsident Sigmar Gabriel, im Lande gesagt, wir würden die Unwahrheit sagen, das sei nicht finanzierbar, und wir würden die Menschen darüber täuschen, dass es nicht finanzierbar sei. Sie haben 13 Jahre regiert; Sie haben es nicht hingekriegt und den Haushalt vor die Wand gefahren. Wir machen es jetzt, und darüber dürfen wir uns hier freuen.
Zu der zweiten Bemerkung. Das ist ja nun wirklich ein Ding aus dem Tollhaus. Wir haben die Kommunen bei den Unterbringungskosten, bei der Gewerbesteuerumlage und bei vielen anderen Dingen entlastet. Wir haben einmal in den kommunalen Finanzausgleich eingegriffen - mit einem Betrag von 150 Millionen; davon geben wir jetzt 75 Millionen zurück -, und Sie halten uns einen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich im Umfang von 500 Millionen vor, einen Eingriff, den Sie beschlossen haben und mit dem Sie den Kommunen jedes Jahr 500 Millionen Euro genommen haben.
Sie müssen sich nicht wundern, wenn Sie so in den Keller kommen. Wer so mit der Wahrheit, mit den Fakten, mit den Argumenten umgeht und nicht die Kraft hat, zu sagen „Hier habt Ihr etwas Gutes gemacht; darüber freuen wir uns: wir stimmen zu“, darf sich nicht wundern, wenn das Land über ihn lacht.