Meine Damen und Herren, wir bemühen uns hier oben, alle Wortmeldungen zu registrieren. Die beiden Kolleginnen links und rechts von mir führen die Rednerliste. Sie bemühen sich wirklich, alle Armhebungen im Plenarsaal zu registrieren. Ich nenne Ihnen jetzt die Reihenfolge der nächsten Fragesteller: Herr Wenzel, Frau Dr. Andretta, Frau Ernst, Herr Dr. von Danwitz und Frau Polat. Danach gibt es noch eine Menge weiterer Fragesteller. Jetzt wissen Sie Bescheid. - Bitte schön, Herr Wenzel!
Herr Busemann, warum heißt die Hauptschule eigentlich „Hauptschule“? Es ist doch sicherlich einmal so gewesen, dass die Mehrzahl der Kinder auf diese Schulform gegangen ist, weshalb man sie „Hauptschule“ genannt hat.
Bei uns in Göttingen wechseln jetzt etwa 1 100 Kinder in die 5. Klasse. Die Zahlen der Anmeldungen zeigen folgendes Bild: Für die PerssonRealschule wurden 11 Kinder angemeldet, für die Käthe-Kollwitz-Hauptschule 16 Kinder und für die Heinrich-Heine-Schule 4 Kinder. Für alle Realschulen und Hauptschulen in der Stadt wurden knapp 90 Kinder angemeldet, also weniger als 10 % des gesamten Jahrgangs.
Meine Frage: Was raten Sie dem Schulträger angesichts der Tatsache, dass die Eltern die Situation offenbar so einschätzen, dass die Zukunft ihrer Kinder auf Haupt- und Realschulen nicht so gewährleistet ist, wie es sich jedes Elternteil wünscht - sie wollen, dass ihre Kinder den bestmöglichen Bildungsweg finden -, und sich daher dafür entschieden haben, ihre Kinder nicht für diese beiden Schulformen anzumelden?
- Nein, passen Sie auf: Früher gab es die berühmte Volksschule. Ich bin noch in die Volksschule eingeschult worden und habe sie vier Jahre durchlaufen, bis ich dann zum Gymnasium gewechselt bin. Damals, Ende der 50er-Jahre, Anfang der 60er-Jahre, betrug die Bildungsbeteiligung an dieser Schulform
80 %, vielleicht etwas weniger. Das war je nach Standort unterschiedlich; auch damals schon war es in Göttingen sicherlich etwas anders.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: In der Grundschule waren es 100 %! Da ha- ben Sie etwas durcheinander ge- bracht!)
Die Bildungsbeteiligung an den weiterführenden Schulen - Haupt- und Realschule, je nachdem - lag dann bei jeweils 5 bis 10 %. Das war die damalige Wirklichkeit. Ich bin dankbar, dass es jetzt nicht mehr so ist. Im Hinblick auf Bildungsbeteiligung, weiterführende Abschlüsse und all die Dinge, die wir für unser Volk benötigen, sind wir über den damaligen Stand weit hinaus. Damals hat man gemeint, die Volksschule in Hauptschule umbenennen zu sollen. Die Realschulen und Gymnasien gab es schon. Nun hat es eine andere Entwicklung gegeben. Ich weiß noch nicht genau, wie die Bildungsbeteiligung zum Beginn des nächsten Schuljahres aussehen wird. Aber wir werden eine Bildungsbeteiligung am Gymnasium landesweit zwischen 35 und 40 % haben, an der Realschule um die 35 %, im Bereich der Förderschulen 5 %. Der Rest entfällt dann auf die Hauptschule.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein, bei uns sind es an der Realschule weni- ger als 10 %! Kommen Sie doch mal auf mein Beispiel zu sprechen!)
- Ja, ich komme gleich auf Ihren Fall zu sprechen. Die von mir genannten Zahlen sind nicht problemfrei; aber ich muss mich doch nicht über jeden angehenden Gymnasiasten oder jeden angehenden Realschüler ärgern, der unser Schulangebot annimmt und es dann hoffentlich auch packt. Im Wesentlichen packen sie es wohl, worüber wir uns erst einmal freuen. Wir haben hier manche Debatte darüber geführt, dass unsere Hauptschülerinnen
und Hauptschüler einen besonderen Bedarf an Förderung und bedarfsgerechter Beschulung haben. Dies können weder Sie noch ich rechnerisch wegbeten. In diesem Bereich ist also noch etwas zu tun.
In Göttingen haben wir es mit einer besonderen, von mir aus auch komplizierten Situation zu tun. Die letzten Zahlen werden wahrscheinlich so sein, dass beim Landesrekordhalter Göttingen die Anwahl des Gymnasiums bei 75 bis 80 % liegen wird. Göttingen war da immer schon Spitzenreiter. Ich lasse offen, ob dies historisch oder durch die Sozialstruktur bedingt ist. Dieser Wert liegt exorbitant oberhalb des Landesdurchschnitts. Hier liegt für den Schulträger das Problem eher darin, wie er angesichts dieses Ansturms das Gymnasialangebot organisiert. Wir versuchen ja, dem Elternwillen zu entsprechen. Wir haben eine IGS oder auch eine mehr in Göttingen; das läuft dort gut, glaube ich. Darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Die geringe Zahl der Anmeldungen für Haupt- und Realschulen lösen für den Schulträger sicherlich auch Überlegungen über Kombinationen und Verbindungen aus. Aber wie gering die Zahl dann auch immer sein mag - sie schwankt ja; in Westniedersachsen haben wir bei der Hauptschule unverändert hohe Beteiligungsquoten; nach den Rückläufern der Jahrgänge 7 und 9 haben wir noch andere Beteiligungsquoten -, wir müssen entsprechende Angebote machen. Dies gilt auch für die zugegebenermaßen kleine Menge der Hauptschülerinnen und Hauptschüler in Göttingen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hast du dei- ne Frage jetzt beantwortet bekom- men? - Gegenruf von Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wenn das der „Masterplan“ für den Schulträger ist! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Der „Master- plan“! Jetzt weiß er Bescheid!)
Der Northeimer Kreistag hat einstimmig beschlossen, an der KGS Moringen eine Außenstelle am Standort Nörten-Hardenberg einzurichten. Die Luftlinie beträgt 7 km. Herr Minister Busemann hat nun erklärt - ich zitiere aus der Neuen Presse -: Ich werde auch Außenstellen genehmigen, allerdings müssen diese in einer gewissen Nähe zum Standort gelegen sein. Wir wollen keine Außenstellenlüge.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist sogar festgelegt durch ein Gerichtsurteil! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Mal so, mal so, glaube ich!)
Sie sind ein großer Rechtskundler, Herr Jüttner. Genau so ist es, und das kann auch nur so sein. Wie Sie sich sicherlich erinnern, haben wir 2003 die Schulstruktur neu festgelegt. Das hat zu einer großen Zahl von Außenstellen geführt. Manchmal war es der Raumnot geschuldet, manchmal wollte jemand einen eigenen Standort für einen bestimmten Zweck haben. Dazu gab es vor Ort große Debatten. Die Schulstandorte argumentierten: Eine Außenstelle in X-Dorf in einer solchen Entfernung das geht nicht. Das bekommen wir organisatorisch nicht hin. Das pädagogische Gesamtgefüge der Schule wird gestört. Das schaffen wir zeitlich nicht. Hinzu kommt die Gefährdung im Straßenverkehr, wenn Lehrer pendeln müssen. - Deshalb bin ich immer gemahnt worden, mit der Einrichtung von Außenstellen vorsichtig zu sein. Dazu habe ich gelegentlich gesagt: Wenn die Außenstelle auf der anderen Straßenseite oder nur ein paar hundert Meter entfernt ist, dann können wir sie durchaus befürworten. Niemand würde sagen, es sei völlig daneben, dort eine Außenstelle einzurichten. Aber so töffelig kann ich doch gar nicht sein, Ihnen eine genaue Zahl zu nennen oder von oben eine Kilometer- oder Meterzahl vorzugeben. Das geht doch um Verwaltungsverfahren. Entscheidend ist, dass eine Außenstelle vom Hauptstandort vernünftig,
pädagogisch richtig und technisch-organisatorisch sauber geführt werden kann. Ich habe den entsprechenden Standorten signalisiert, dass wir dann auch bei KGSen und IGSen diesen Außenstellenüberlegungen nähertreten können. Aber sehen Sie es mir nach, dass mir, wenn mir im Lande Entfernungen von 18 km - nicht bei einer Gesamtschule; es ging um eine andere Schule - oder 30 km angetragen werden, Bedenken kommen, ob dort nicht vielmehr getarnte Neugründungen im Schilde geführt werden. Sie können sich wohl denken, dass es gelegentlich Rechtsverfahren geben kann. Also werden Sie mich nie dahin kriegen, eine Meterzahl festzulegen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht nicht nur um Außenstellen, sondern auch um die neue Struktur, die die Opposition der Bevölkerung aufdrängen will.
Angesichts der finanziellen Situation des Landes Niedersachsen, die Sie uns hinterlassen haben und die wir inzwischen deutlich verbessert haben, habe ich mit Schrecken vernommen, wie sich bei der Umsetzung Ihres neuen Systems in Bezug auf Unterrichtsversorgung und Lehrereinsatz die finanzielle Situation darstellen würde. Wenn Sie dieses System immer noch vertreten, treibt mich natürlich die Frage um, welche Kosten - das frage ich die Landesregierung - auf die kommunalen Schulträger zukämen. Das sollte einmal klar gesagt werden. Wenn Schulstandorte geschlossen und gleichzeitig neue errichtet werden müssen, bedeutet dies für die Schulträger erhebliche Kosten. Ist diese Frage von der Landesregierung zu beantworten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Poppe, mit „Mal so, mal so“ kommen Sie bei Ihrem Bürgermeister nicht durch. Er wird Ihnen anhand des Konnexitätsprinzips sicherlich etwas genauer erklären, was Sache ist.
Bei einem neuen Gesamtkonzept muss man, weil es natürlich immer mehrere Stellschrauben gibt, gucken, wie es aufgezogen wird und mit welchen Zügigkeiten, welcher Lehrerarbeitszeitbelastung und welchen Klassengrößen gearbeitet wird. Das habe ich diesem Hause schon einmal sinngemäß mitgeteilt.
Nehmen wir einmal die 474 Standorte, die Herr Jüttner als gefährdet ansieht und die - nach welchem System auch immer - aufgelöst und an zentrale Standorte angegliedert werden müssten. So würde das ja kommen.
- Nach Ihren Vorstellungen hat ja demnächst jedes Dorf die gemeinsame Schule von Förderschule bis Gymnasium. Das suggerieren Sie ja im Lande. Aber das glaubt natürlich niemand.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Erzählen Sie doch nicht einen solchen Blödsinn. Sie glauben doch selbst nicht, dass wir so blöd sind!)
Rechnen wir die 474 Standorte einmal in Klassenräume um, dann ergeben sich etwa 4 500 Klassenräume, die an anderer Stelle neu gebaut werden müssten. Mit 200 000 Euro pro Klassenraum liegen Sie bei 900 Millionen Euro. Hinzu kommen die üblichen Nebenräume und die Sanitärausstattungen. Damit haben Sie also ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro am Bein. Die Bürgermeister und Landräte werden Ihnen schon erklären, was sie davon halten.
der Sicht der Landesregierung, wenn ein Kind, das über die Hauptschulempfehlung verfügt, dann auch tatsächlich die Hauptschule besucht?
(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Was wollen Sie gegen die Eltern unternehmen, die das einfach ignorieren?)
Herr Präsident! Herr Kollege von Danwitz, nach der Klasse 4 gibt es für die Schüler die Empfehlung durch die Grundschule, die eine hohe Prognosesicherheit aufweist. Wissenschaftlich belegt liegt sie im Bereich von 90 %. Ich finde es nicht gut, wenn unsere Lehrerschaft gelegentlich diskreditiert wird, sie mache das nicht richtig und beurteile das nicht richtig. Ich kann unserer Elternschaft wirklich nur empfehlen, der Empfehlung der Grundschule zu folgen. Die Grundschulen liegen mit ihren Empfehlungen für die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium in der Regel richtig.
Die Hauptschule - das Ganze wird begleitet durch eine entsprechende Durchlässigkeit - führt nicht in die Sackgasse, sondern lässt einen Aufstieg zur Realschule zu, und es gibt auch Fälle, in denen ein Aufstieg bis zum Gymnasium möglich ist. Dass im Anschluss an die Hauptschule die berufliche Ausbildung mit vielen tollen Möglichkeiten folgt, müssen wir nicht besonders betonen.