Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Auch die Verlagerung von Teilen der Kulturförderung auf die Landschaften scheint in der derzeitigen Umsetzung insgesamt betrachtet nach wie vor fragwürdig, wobei festzuhalten ist, dass die einzelnen Landschaften - Frau Bührmann hat schon darauf hingewiesen - sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Für eine detaillierte Bewertung ist sicherlich zuerst einmal die Evaluation abzuwarten. Aber einige Punkte lassen sich jetzt schon feststellen:

Die Vergabeentscheidungen sind je nach Landschaft in unterschiedlicher Ausprägung intransparent, und das ist das Problem. Man kann nicht einmal wirklich sagen, ob sie gerecht oder ungerecht sind, weil sie intransparent sind.

(Zustimmung von Dr. Gabriele Andret- ta [SPD])

Viele Landschaften neigen dazu, möglichst kleine Beiträge zu bewilligen, um möglichst vielen Antragstellern aus ihrer Region gerecht zu werden, was aus Sicht der Landschaften nachvollziehbar ist. Aber ob es kulturpolitisch die richtige Strategie ist, ist fragwürdig. Die Einbindung des Know-hows der Fachverbände ist auch eher gering ausgeprägt.

(Roland Riese [FDP]: Es wird viel ge- redet!)

Meine Damen und Herren, eine zielorientierte Fortentwicklung des Kulturstandortes Niedersachsen mit Schwerpunktsetzung und längerfristigen Pilotprojekten, bei denen auch Zeit oder Raum zum Experimentieren besteht, ist jedenfalls weit und breit nicht zu finden. In der Gesamtbilanz werden von der Kulturpolitik dieser Landesregierung zwei Punkte in Erinnerung bleiben.

Die können Sie jetzt nur nicht mehr nennen. Sie können noch einen letzten Satz sprechen, Frau Heinen-Kljajić.

An der Stelle - mein letzter Satz ist - ist dem SPDAntrag durchaus recht zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Riese. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer der beiden Anträge, mit denen wir uns heute zu beschäftigen habe, trägt den schönen Titel „Kulturpolitik der Landesregierung ohne Vision“.

(Christina Bührmann [SPD]: Das ist ein schöner Titel!)

Dabei haben wir alle natürlich sofort an Helmut Schmidt und an den bekannten Aphorismus gedacht. Wenn man den hier logisch anwendet, dann heißt das: Die Kulturpolitik des Landes Niedersachsen ist gesund. Das ist auch so. Den Kürzungsvorschlägen der Landesregierung in den Haushaltsentwürfen einiger Vorjahre, die der Notwendigkeit zur Konsolidierung geschuldet waren, hat sich namentlich die FDP-Fraktion immer wieder entgegengestemmt. Mittlerweile liegt dem Landtag der Haushaltsentwurf für das Jahr 2008 vor, der deutliche Steigerungen insbesondere in der regionalen Kulturförderung enthält.

Es gibt in der Kulturarbeit Institutionen, die uns lieb und teuer sind, sowie Projekte. Wer wie Sie die Projekte auf viele Jahre festschreiben will, schafft

neue Institutionen. In der Szene der freien Kulturarbeit und der Festivals entstehen wundervolle Traditionen, die über viele Jahre in freier Arbeit aufgebaut werden und die wir alle schätzen. Dort wird durch ehrenamtlichen Einsatz in Verbindung mit professionellem Einsatz sehr viel Gutes gestaltet.

(Beifall bei der FDP)

Manches davon kann mit dem Begriff „Projekt“ tatsächlich nur unzureichend beschrieben werden, und vorstellbar sind hier zeitgemäße politische Instrumente wie Zielvereinbarungen, die für den Zeitraum einiger Jahre die Fortsetzung von Projekten ermöglichen. Wir alle wissen aber, dass hinter den Projekten immer besondere Persönlichkeiten stehen, deren Herzblut dort fließt. Zu Zielvereinbarungen gehören mehrere Partner. An solchen Vereinbarungen müssen sich neben dem Projektträger auch alle Träger der Finanzierung, häufig also zunächst auch die Kommunen, beteiligen.

Der Vorwurf, die Kulturpolitik sei verzagt und rückwärts gewandt, könnte unzutreffender nicht sein.

(Zustimmung von Katrin Trost [CDU])

Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden die Landesmusikakademie nach mehr als 20 Jahren Planungsgeschichte verwirklichen. Die Kollegin Frau Trost hat bereits darauf hingewiesen, dass noch in diesem Jahr der erste Spatenstich stattfinden wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Um die Betriebskosten machen Sie sich mal keine Sorgen; die sind bei uns in besten Händen.

(Christina Bührmann [SPD]: Ich bin ja dankbar, wenn ich mir keine Sorgen machen muss!)

Mit dem Praetorius-Musikpreis, den Sie diskreditiert haben, Frau Bührmann, ehrt das Land unterschiedlichste Personen und Vereine, die das Musikleben gestalten und fördern. Wenn Sie behaupten, hier würden Personen geehrt, die nicht unmittelbar mit der Musik zu tun haben, dann wissen Sie nicht, wer die Preisträger sind. Es gibt darin einen Aspekt Kulturwirtschaft, den Sie doch sonst immer betonen, und das halte ich für absolut richtig.

Herr Kollege Riese, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bührmann?

Nein. - Musikalische Stichelgrenzen sind dort unbekannt, wie die bereits jetzt beeindruckende Liste der Preisträger beweist.

Die kommunalen Theater sind froh, dass sie für mehrere Jahre Planungssicherheit bezüglich der Landesmittel haben, und die Inhalte der dort geschlossenen Zielvereinbarungen sind in den Häusern nicht wirklich kritisch, Frau Bührmann, da sich nämlich alle Theater um die Einbeziehung des Ehrenamtes bemühen und immer bemüht haben und da außerdem alle Theater das Verlangen haben, junge Menschen anzusprechen, und sich daher gern und ohne Zwang für Kinder und Jugendliche verstärkt öffnen. Wer sich gelegentlich in den Häusern umsieht, weiß das.

Die Vergabe von Landesmitteln über die Landschaftsverbände hat sich bereits bewährt. Die Antragsteller sind dankbar, dass sie sich nicht mehr im fernen Hannover bewerben müssen, sondern wohnortnah Ansprechpartner finden, die man persönlich kennt. Die Frage der Ausgestaltung der Landschaftsverbände müssen Sie allerdings mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Kommunalpolitik besprechen.

(Glocke der Präsidentin)

Immerhin sind die Landschaftsverbände Körperschaften, in denen sich Städte und Landkreise zusammenschließen. Ihre Gremien werden nach meiner persönlichen Erfahrung von den Räten und Kreistagen besetzt. Dort könnten die Spielregeln der fachlichen Beratung durch die Kulturverbände gestaltet werden. In einigen Landschaftsverbänden funktioniert das bereits sehr gut.

(Christina Bührmann [SPD]: Ach, in den anderen nicht?)

Andere werden - darin stimme ich mit Ihnen durchaus überein - in der Öffentlichkeit eher als intransparent wahrgenommen. Die Arbeitsweise gestaltet sich aber - Sie gestatten mir die Wiederholung - in kommunaler Verantwortung, ist also prinzipiell bürgernah. Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn Sie in den Kommunen Anträge gestellt haben, dass sich die Antragsberatung in den

Landschaftsverbänden unter Beratung der von den Verbänden gestellten Fachleute gestalten soll.

(Glocke der Präsidentin)

Auf den Erfahrungsbericht der landesweiten Kulturförderung bin ich genauso gespannt wie Sie. Er wird nämlich zutage fördern, wie reich die kulturellen Ansätze in Niedersachsen sind, wie vielfältig landschaftliche Eigenarten bereits ein zeitgemäßes Kulturleben prägen.

Auch für Sie ein Schlusssatz, Herr Riese!

Ein Schlusssatz, der sich mit der LAGS beschäftigt; das habe ich Herrn Dammann, der dahinten zuhört, persönlich versprochen: Am 10. Oktober gibt es bei der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur in der Kulturfabrik Löseke in Hildesheim ein Werkstattgespräch unter dem Titel „Orte“ über demografische Entwicklung. Zu diesem Ansatz muss man der LAGS gratulieren, und die Folgen daraus werden wir in den Haushaltsberatungen miteinander zu diskutieren haben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Bührmann gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Riese, dass ich den Praetorius-Musikpreis hier diskreditiert hätte, weise ich mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der SPD)

Das ergibt sich in keiner Weise aus dem Protokoll, und das ist auch nicht meine Meinung. Das war der erste Punkt.

Zweiter Punkt dazu: Ich war bei der Veranstaltung, und von daher können Sie mir glauben, dass ich weiß, wer ausgezeichnet worden ist.

Dritter Punkt dazu: Auf dieser Veranstaltung hat Herr Minister Stratmann angekündigt, den Preis auf drei neue Kategorien auszuweiten, und da

habe ich mir erlaubt nachzufragen, welchen Sinn das eigentlich macht. Das halte ich, sehr geehrter Herr Riese, nach wie vor für richtig.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Riese möchte nicht antworten. - Herr Minister Stratmann, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einstein soll einmal gesagt haben, es gebe zwei Dinge, die unendlich seien, erstens das Universum und zweitens die Unkenntnis der Menschen, wobei er beim Ersten immer mehr Zweifel bekomme. Liebe Frau Bührmann, ich habe mich vorhin schon ein bisschen gefragt: Was haben Sie denn in den letzten Jahren in kulturpolitischer Hinsicht zur Kenntnis genommen?

(Christina Bührmann [SPD]: Das finde ich auch eine interessante Frage!)

Sie sind nicht auf dem Stand der Dinge, oder aber die Opposition erhebt das, was wir beispielsweise ja auch beim Transrapid und in anderen Zusammenhängen immer wieder erleben, zum Grundprinzip, nämlich was nicht sein darf, das kann nicht sein. So aber kann man nicht miteinander Politik machen.

Lieber Herr Riese, ich mache mir das Zitat von Helmut Schmidt nicht zu eigen. Ich glaube nicht, dass Menschen, die Visionen haben, ins Krankenhaus gehören, sondern dass wir viel zu wenig Menschen mit Visionen haben.