Protokoll der Sitzung vom 19.10.2007

Weil Herr Jüttner vorhin davon gesprochen hat, will ich noch etwas dazu sagen, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zu dem Gesetzentwurf, den CDU und FDP hier einbringen werden, befragt werden soll. Ich will hier Folgendes sehr deutlich sagen: Es ist richtig. Wir betreten hiermit gesetzestechnisches Neuland. Das ist überhaupt keine Frage. Sollte deshalb das Ergebnis der juristischen Überprüfungen - in welcher Form auch immer: ob vor Gerichten oder woanders - sein, dass doch nur der Bund die Kompetenz hat, so etwas zu regeln, steht meines Erachtens der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wieder in der Pflicht. Er darf dann nicht, wie beim letzten Mal, die Erdverkabelung im Binnenland zugunsten anderer Interessen verkaufen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Jüttner, wir alle konnten in der Zeitung lesen, dass darüber bei Ihnen etwas Neid aufkommt. Ich zitiere aus der Welt-Online vom 12. Oktober, nachdem der Ministerpräsident das Erdkabelgesetz am vergangenen Freitag vorgestellt hat und zusammen mit dem Bundesumweltminister eine Pressemitteilung herausgegeben hat. Hier steht:

„Jüttner gab sich gelassen: ‚Ich habe damit zu leben, dass die Landesregierung mit dem zuständigen Bundesministerium darüber berät. Da bin ich ohne jede Weinerlichkeit.‘“

Und dann weiter:

„Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch zu hören, dass zwischen Gabriel und Jüttner die Chemie nicht stimmt.“

(Bernd Althusmann [CDU]: Das war schon immer so!)

Ich glaube, meine Damen und Herren, nicht nur die Chemie.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Wir sind für Gabriel! Klar gegen Jüttner!)

Jetzt wird sich Herr Minister Ehlen zu dem Thema äußern.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ministerpräsident Wulff hat heute vor einer Woche den Entwurf eines Niedersächsischen Erdkabelgesetzes und die damit verbundenen Änderungen zur Verordnung zum Landes-Raumordnungsprogramm vorgelegt, die sich in der Beratung befindet. Der Gesetzentwurf und die Verordnungsvorschläge sind in Zusammenarbeit mit Bundesminister Gabriel entwickelt worden. Kernstück des Regelwerkes ist die Einführung von Planfeststellungsverfahren auch für Erdverkabelungen. Damit soll den Netzbetreibern die Möglichkeit eröffnet werden, auch die höheren Kosten von Erdverkabelungen auf die Netzkosten umzulegen. Teilerdverkabelungen sollen künftig dann möglich sein, wenn durch eine Freileitungstrasse Mindestabstände zu Wohngebäuden nicht eingehalten werden können. Dies sind für Wohngebäude im Außenbereich 200 m und für den Innenbereich von Siedlungen 400 m. Auch die jetzt schon bestehenden Landschaftsschutzgebiete dürfen durch Freileitungen nicht mehr gekreuzt werden. In den Fällen, in denen eine Erdverkabelung keine höheren Kosten erwarten lässt als bei der Einrichtung und dem Betrieb einer Freileitung, werden zukünftig Planfeststellungen für die Erdverkabelung zugelassen. Damit können bei einem Gesamtkostenvergleich die technischen Vorteile der Kabelsysteme insbesondere aus geringeren Übertragungsverlusten berücksichtigt werden. Dies dient auch dem Klimaschutz, da damit insgesamt weniger Strom erzeugt werden muss.

Zukünftig werden Netzbetreiber in Niedersachsen die veränderten raumordnungsrechtlichen Vorgaben mit Mindestabständen und den Ausschluss der Querung von jetzt vorhandenen Landschaftsschutzgebieten beachten müssen. In den nun laufenden Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sind diese Vorgaben zu berücksichtigen. Den Genehmigungsbehörden stehen nun ausreichende Instrumente zur Verfügung, um auch in den Fällen, in denen Freileitungen gegen die landesrechtlichen Vorgaben verstoßen, zu kombinierten Trassen mit Teilstrecken in Verkabelungstechnologie zu kommen.

Auch für die Übertragungsnetzbetreiber können sich aus dieser neuen Handlungsmöglichkeit deutliche Vorteile ergeben. In vielen Fällen, in denen bei Freileitungstrassen Mindestabstände zu Wohngebieten nur durch große Trassenumwege erreicht werden konnten, werden nun kürzere und direktere Trassen ermöglicht. Auch dadurch werden die Kosten vermindert und Umweltbelastungen minimiert. Ebenfalls für die Kabelhersteller entwickeln sich neue Chancen für den Einsatz von hocheffizienten und leistungsfähigen Kabelsystemen. Die Kabelhersteller werden zukünftig über ihre Preisbildung natürlich mit darüber entscheiden, in welchem Umfang ihre Produkte beim Netzausbau Berücksichtigung finden werden.

Niedersachsen übernimmt mit diesem Gesetz in ganz Deutschland eine Vorreiterrolle und macht als erstes Land von der Gesetzgebungskompetenz Gebrauch, die Professor Dr. Schulte von der Universität Dresden in einem Rechtsgutachten im Auftrage des Bundesumweltministeriums vorgestellt hat. Der Bundesgesetzgeber hatte zwar mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz den Einsatz von 110-kV-Erdkabeln abschließend geregelt, aber die Planfeststellung für Höchstspannungserdkabel offengelassen. Diese Regelungslücke wird nun landesrechtlich geschlossen. Niedersachsen wirbt dafür, dass auch andere Länder diesen Weg gehen. Wir laden in Übereinstimmung mit dem Bundesumweltministerium die betroffenen Kommunen, Bürgerinitiativen und alle von Trassenplanungen Betroffenen ein, sich in diese sich neu ergebenden Handlungsmöglichkeiten mit einzubringen, damit wir sie gemeinsam nutzen können. Mindestabstände zu Wohngebäuden können jetzt erheblich verbessert werden. Beeinträchtigungen von Landschaftsschutzgebieten können zum Teil ganz vermieden werden.

Für eine weitergehende Förderung dieser Ebene gab es bislang keine bundesrechtliche Grundlage und auch keine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Lassen Sie uns nun gemeinsam die landesrechtlichen Handlungsspielräume ausschöpfen und die entsprechenden Regelungen im Interesse der Menschen im Lande dann auch zügig verabschieden.

Meine Damen und Herren, wir haben gehört, dass auch die SPD einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Soeben habe ich erfahren, dass er bei der Landtagsverwaltung angekommen ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: 10.45 Uhr!)

- Ja, Herr Jüttner, er ist angekommen. Freuen Sie sich. Bis vor einer halben Stunde war er anscheinend noch nicht eingegangen.

Die Fraktionen des Landtages haben die Möglichkeit, hier und jetzt zu beweisen, dass sie trotz Wahlkampf in der Lage sind, gemeinsam und schnell zu handeln. Das erwarten die Menschen von uns, und ich hoffe, dass wir sie nicht enttäuschen werden. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Jetzt hat sich Herr Jüttner noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Jüttner, Sie haben noch 2:03 Minuten.

Die brauche ich nicht. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Unterstellt, worauf Herr McAllister hingewiesen hat, es könnte verfassungsrechtliche Probleme geben, weshalb das Land hier nicht tätig werden kann, sollten wir uns verständigen: Wir nehmen uns dann Herrn Gabriel vor, und Sie greifen sich Herrn Glos. Können wir uns so verständigen? - Er soll ja ein noch härterer Brocken sein als Gabriel. Darauf will ich nur einmal hinweisen.

Zweite Bemerkung. Sie haben hier den Eindruck erweckt, als sei das alles schön im Einvernehmen zwischen der Staatskanzlei und dem Bundeswirtschaftsministerium erfolgt.

(David McAllister [CDU]: Bundesum- weltministerium!)

- Richtig, Bundesumweltministerium. - Ich kann das im Detail nicht ermessen. So wie ich aber ein Bundesumweltministerium kenne, kann ich mir vorstellen, dass man Ihnen auch ein paar Vorschläge gemacht hat, die Sie nicht sonderlich schätzen und deshalb möglicherweise ignoriert haben. Das können wir gern noch einmal prüfen, meine Damen und Herren. Wenn sich nachher herausstellen sollte, dass unser Gesetzentwurf deckungsgleich ist mit dem Vorschlag des BMU, dann sollten Sie sich gefälligst bei mir entschuldigen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von David McAllister [CDU])

- Sie haben recht. Sie brauchen sich nicht bei mir zu entschuldigen. Das lohnt echt nicht. Dabei haben Sie recht.

Dritte Bemerkung, weil mir eben deutlich gesagt worden ist, wir hätten es doch nie begriffen und seien rückwärts gewandt: Wir haben den Gesetzentwurf, den wir heute eingebracht haben, dahin gehend erweitert, dass nicht nur der Vorhabenträger, sondern auch die kommunale Gebietskörperschaft einbezogen wird.

(Christian Dürr [FDP]: Aber erst seit zehn Minuten, Herr Jüttner! Sie hatten vier Jahre Zeit!)

- Seit einer Stunde. Erzählen Sie nichts. Ich habe hier den Stempel. - Erstens kommt das den Belangen der Regionen entgegen. Zweitens geht es in unserem Gesetzentwurf nicht nur um Teilabschnitte, wie es in Ihrem Text steht, sondern auch um vollständige Erdverkabelung. Drittens geht es bei uns nicht nur um die Berücksichtigung wirtschaftlicher, sondern auch um die Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Belange. Alle Mitglieder Ihrer Fraktion, die sich in den letzten Wochen öffentlich geäußert haben, können sich bei uns bedanken. Wir haben nämlich all das aufgegriffen, was Kommunen und Bürgerinitiativen verlangen, und deshalb sind wir auf der sicheren Seite.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt Herr McAllister gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jüttner, ich möchte Sie nur in Kenntnis setzen: Es gibt eine gemeinsame Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums und der Niedersächsischen Staatskanzlei. Verantwortlich sind Herr Dünow und Herr Krischat. Man kann sicherlich von einer gemeinsamen, zwischen Herrn Gabriel und Herrn Wulff abgestimmten Position ausgehen.

Wir begrüßen sehr, dass es hier eine große Übereinstimmung in der Sache gibt, und wir wünschen uns diese große Übereinstimmung und diesen Geist auch in den Beratungen für das Erdkabelgesetz in Niedersachsen. CDU und FDP bringen den Gesetzentwurf gemeinsam ein. Herr Wenzel hat

grundsätzlich Zustimmung signalisiert, allerdings gibt es in Detailfragen noch einige offene Punkte.

(Bernd Althusmann [CDU]: Nur die SPD ist mal wieder allein!)

Herr Jüttner, auch wenn Sie jetzt einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht haben, lassen Sie uns einmal schauen, ob wir in den Beratungen mit dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst nicht doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen können. Letztlich werden Sie sich entscheiden müssen, ob Sie in der Sache eine vernünftige, sachgerechte Entscheidung treffen oder ob Sie der Versuchung unterliegen, auch bei diesem Thema ihren aussichtslosen Wahlkampf fortzusetzen. Das ist die Entscheidung, die Sie zu treffen haben. CDU und FDP werden bei diesem wichtigen Thema selbstverständlich gemeinsam mit der Landesregierung einen ganz sachgerechten und verantwortungsbewussten Weg gehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Jüttner möchte nicht antworten. Deshalb sind wir jetzt am Schluss der Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Umweltausschuss mit den beiden Anträgen beschäftigen, mitberatend sollen der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien und der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 31: Besprechung: Krippenplätze in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/3861 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/4018

Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält die Landesregierung das Wort.

Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt mir die Wortmeldung des Abgeordneten Robbert vor. Herr Robbert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat ihre Große Anfrage zu Krippenplätzen in Niedersachsen gestellt, um Grunddaten für die Entwicklung von Handlungskonzepten zu gewinnen. Dies schien uns angesichts einer verwirrenden und widersprüchlichen Informationslage in diesem Bildungssektor notwendig zu sein. Nur bei klaren Daten können auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen adäquate Antworten gegeben werden. Als Herausforderungen haben wir genannt: die erfolgreiche Bildungslaufbahn unserer Kinder, die Überwindung herkunftsbedingter Benachteiligungen, die individuelle Förderung aller Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Da zwischen den großen Fraktionen im Bereich der vorschulischen Förderung kaum Dissens besteht, ist zu fragen, warum nicht jetzt schon mehr getan wird. Festzustellen ist zwar ein hervorragender Wissensstand, aber gleichzeitig ein überdeutliches Handlungsdefizit. Ich darf vielleicht an dieser Stelle auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage eingehen, die heute Morgen nicht besprochen werden konnte. Tenor dieser Anfrage war, wie denn die Verhandlungen zur Schaffung neuer Krippenplätze weitergehen, weil sich der Investitionszeitraum ja auf die Zeit von 2008 bis 2013 erstrecken soll. Daraus ist zu erwarten, dass für 2008 konkrete Haushaltsbeschreibungen notwendig werden.

Ich kann nur sagen: Darauf hat die Landesregierung nur sehr ausweichend oder gar nicht geantwortet. Besonders erstaunt hat mich - ich werde darauf in meiner weiteren Rede nicht eingehen -, dass sich die statistischen Mängel in der Antwort auf die Große Anfrage fortsetzen. In der Antwort werden Prozentzahlen genannt, die hier noch höher ausfallen, sodass dadurch der Anschein erweckt wird, als sei alles wesentlich besser, als dies in der Realität tatsächlich der Fall ist. - Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist der, dass in der Antwort überhaupt nicht darauf eingegangen wird, wie die von mir soeben genannten Herausforderungen und Ziele im Zusammenhang mit den Investitionsvorhaben angegangen und erreicht werden sollen.

Es wird zwar darauf verwiesen, dass noch Gespräche geführt werden müssten - das ist nachvollziehbar -, aber die Ziele und die Vorstellungen der Landesregierung werden nicht genannt. Das aber wäre für unsere weiteren politischen Handlungserfordernisse notwendig.

(Ursula Körtner [CDU]: Die werden Ihnen im Ausschuss schon noch ge- nannt!)

In der Antwort auf die Große Anfrage finden wir zwar, dass von 2002 bis 2005 die Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen von 6,2 % auf 10,7 % gestiegen ist. Die Steigerungsrate liegt damit bei beachtlichen 47 % - daraus werden in der Antwort auf die Kleine Anfrage 55 % -, wie die Landesregierung vermerkt. Allerdings sind bei derartig niedrigen Versorgungsquoten die Steigerungsraten doch kein Ausweis für Erfolg. So wird eine 327-prozentige Steigerung notwendig sein, um das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Zwischenziel - nämlich diese 35 % - zu erreichen. Selbst dann läge Niedersachsen noch nicht einmal bei der Hälfte des Versorgungsgrades der östlichen Bundesländer oder europäischer Nachbarländer.