Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem diese Landesregierung von 2003 bis zum heutigen Tage die Innovationsförderung halbiert hat, einen Teil des nur noch hälftig vorhandenen Geldes auch noch in einen Fonds hineingibt, davon auch noch Zinsen bezahlt, weil sie mehr Sollzinsen bezahlen muss, als sie Habenzinsen bekommt, und davon auch noch eine Anzeigenkampagne finanziert, frage ich die Landesregierung ganz konkret: Wie viel zusätzliche Innovationsförderung ist im Vergleich zu 2003 für die Unternehmen in Niedersachsen eigentlich übrig geblieben?

(Beifall bei der SPD)

Herr Hirche, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben selbstverständlich in allen Bereichen kürzen müssen; ich habe die Herkulesaufgabe der Landesfinanzen genannt. Das hat auch den Wirtschaftsförderfonds betroffen, das ist gar keine Frage. Wir haben uns im Rahmen der Fördermöglichkeiten bemüht, EU- oder GA-Mittel auch im Bereich der Innovationsförderung einzusetzen,

genauso wie es übrigens auch früher gemacht worden ist. Ich habe hier eine Liste, die aber 25 Zahlen umfasst. Diese würde ich Ihnen lieber im Haushaltsausschuss zur Verfügung stellen, statt sie hier vorzulesen. Daraus geht hervor - das will ich auch sagen -, dass eine frühere Landesregierung im Jahr 2000 - da war Herr Gabriel Ministerpräsident - 53,4 Millionen Euro aufgewendet hat. 2001 war es dann weniger, 2002 und auch 2003 mehr. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 - weil das in der Vergangenheit liegt, will ich das jetzt nicht so sagen - war es weniger.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Aha!)

- Ja.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Halbiert!)

Wir sind im Jahre 2007 auch dadurch auf einen höheren Betrag gekommen, indem wir neben den 20 Millionen Euro zusätzlich 12 Millionen Euro für die Förderung einzelner Projekte erhalten haben. Diese 12 Millionen Euro werden auch in Zukunft zur Verfügung stehen. Im Jahr 2008 wird es 1 Million Euro weniger als im Jahr 2000 sein. Im Jahr 2009 wird es nach der Mittelfristigen Planung eine halbe Million Euro weniger sein. Im Jahr 2010 sollen es 400 000 Euro mehr sein. Ich will Ihnen diese Liste gerne zur Verfügung stellen. Dabei hat es eine Wellenbewegung gegeben; das ist gar keine Frage.

Umso mehr freue ich mich, dass wir uns mit der Stiftung, meine Damen und Herren, von den jährlichen Schwankungen im Landeshaushalt ein

Stückchen unabhängiger machen können. Denn der Sinn einer Stiftung - manchmal unter Schmerzen der Haushälter - liegt ja darin - der Herr Kollege Rickert hat das bei mehreren Gelegenheiten ausgeführt -, dass man damit einen Betrag zur

Verfügung hat, der aufgrund der Kapitalerträge ausgeschüttet werden kann. Der Sinn der Aufstockung der Stiftung liegt am Ende genau darin, dass man mehr Geld aus Kapitalerträgen zur Verfügung hat, unabhängig von den Jahresschwankungen des Haushaltes.

Es bleibt aber dabei, meine Damen und Herren: Das alles sind kommunizierende Röhren. Den Landeshaushalt in Ordnung zu bringen und gleichzeitig Zukunftspolitik auf den Weg zu bringen, das muss man miteinander vereinbaren. Ich glaube, dass wir das in guter Weise haben miteinander vereinbaren können. Jedenfalls findet die Wirtschaft im Lande Niedersachsen - diese schafft die Arbeitsplätze, nicht unsere Debatte hier im Landtag - das gut, sie hält diesen Weg für richtig und fühlt sich bei der Investitionstätigkeit und bei der Schaffung von Arbeitsplätzen ermuntert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Hartmann stellt jetzt ihre zweite Zusatzfrage.

Frau Präsidentin! Herr Minister Hirche, Sie haben eben in Ihren Ausführungen auf die Frage von Frau Heiligenstadt zugegeben, dass Sie als Landesregierung hier in Ihrer Verantwortung weniger Innovationsförderung gemacht haben als wir in unserer Verantwortung. Insofern vielen Dank für die Klarstellung, dass Sie das endlich einmal einräumen. Das wenige Geld, das Sie bereitgestellt haben, haben Sie dann noch nicht einmal für wirkliche Innovationsförderung eingesetzt. Das wird hier ganz deutlich.

Im Übrigen, Herr Minister, finde ich Folgendes sehr bedauerlich: Sie haben hier mehrfach davon gesprochen, dass das Land Niedersachsen ein dröges Image habe. Ich finde wirklich, unser Land Niedersachsen hat es nicht verdient, dass es von der Landesregierung so schlechtgeredet wird. Das ist sehr bedauerlich.

(Unruhe bei der CDU)

Der Mittelstand beschwert sich ja darüber, dass zu wenig Mittelstandsförderung durch die Landesregierung stattfindet. Ich würde von der Landesregierung gerne wissen: Was ist dringlicher, die Mittelstandsförderung oder die Innovationsförderung

bzw. eine Werbekampagne für die Landesregierung?

Herr Wulff, bitte!

Ich möchte zwei Bemerkungen machen. Einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es vor einigen Wochen eine Pressekonferenz mit allen Unternehmens- und Unternehmerverbänden der niedersächsischen mittelständischen Wirtschaft - freie

Berufe, Handwerk und sonstige Bereiche - gegeben hat. Sie haben dort kritische Bemerkungen über die Große Koalition gemacht. Die Wirtschaft ist ja auch nie mit allem zufrieden. Aber sie haben dort höchste Lobestöne - das war eine öffentliche Pressekonferenz - über die Arbeit der Niedersächsischen Landesregierung und die Zusammenarbeit von Wirtschaftsverbänden des Mittelstands und dieser Landesregierung, dem Wirtschaftsminister und - das sei in aller Bescheidenheit gesagt - auch dem Ministerpräsidenten, verlautbaren lassen.

Vielleicht kann man bei der Frage, wie die Lage ist, ob es Handlungsbedarf gibt oder ob alles wunderbar ist - also ob das Glas halb voll oder halb leer ist -, erst einmal klären, dass es Defizite in der öffentlichen Wahrnehmung von Niedersachsen als Innovationsland gibt. In der Öffentlichkeit wird beispielsweise nicht wahrgenommen, dass Niedersachsen - daran arbeiten wir seit Jahren; am Samstag habe ich den Wissenschaftspreis Braunschweigs vergeben die forschungsintensivste

Region Europas hat. Die Region Hannover/Wolfsburg/Braunschweig/Göttingen ist nach dem Europäischen Statistikamt Eurostat und nach dem Bericht der Deutschen Bank Research die for

schungsintensivste Region ganz Europas, in der der Anteil forschungsbasierter Arbeitsplätze an der Gesamterwerbstätigenzahl höher ist als beispielsweise in Silicon Valley in Kalifornien, Vereinigte Staaten von Amerika. Das muss gesagt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie sagen „Lasst uns endlich gemeinschaftlich über die positiven Dinge reden“, dann tritt hier ein Paradigmenwechsel ein. Wenn die Opposition jetzt sagt, dass sie nicht mehr so sehr die kritischen Dinge, sondern mehr die positiven Dinge verkaufen will, dann kann ich nur sagen: Herzlich

willkommen an meiner Seite! Ich bin erfreut über diesen Bewusstseinswandel der Opposition.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da ich in meinem Beraterkreis vorgeschlagen habe, dass die NORD/LB die Studie zum Innovationsland Niedersachsen macht, möchte ich aus dieser Studie der Norddeutschen Landesbank,

einer sehr angesehenen, unabhängigen Stelle zur Bewertung unseres Landes auch im Vergleich zu anderen, Folgendes für die Debatte hier zu Protokoll geben - ich zitiere -:

„Niedersachsen ist in den letzten Jahren auf dem Weg zu einem erfolgreichen Innovationsland ein gutes Stück vorangekommen. Die“

- ich zitiere nur

„durch die Niedersächsische Landesregierung verfolgte Innovationspolitik geht insgesamt in die richtige Richtung. Insgesamt konnte jedoch in den vergangenen Jahren ein deutlicher

Aufholprozess im Bereich der Hochqualifizierten realisiert werden. Im

Vergleich zu den übrigen Bundesländern verzeichnete Niedersachsen sogar die stärksten Zuwächse (Nieder- sächsisches Landesamt für Statistik 2006). Über alle Branchen gesehen, also über die oben beschriebenen, besonders innovationsorientierten

Branchen hinaus, kann das Bundesland Niedersachsen eine im Vergleich zu Gesamtdeutschland überdurch

schnittliche Gründungsdynamik vor

weisen.“

Es mögen zwei Entscheidungen sein, die wir hier begrüßen, nämlich zum einen dass wir Professor Ballin in Braunschweig beim Helmholtz-For

schungszentrum gehalten haben, in das wir

35 Millionen Euro investieren, und dass das größte familiengeführte Pharmaunternehmen der gesamten Welt, die Firma Boehringer Ingelheim, vor wenigen Tagen entschieden hat, einen vierten Standort in Deutschland zu errichten, und zwar mit dem Europäischen Forschungszentrum für Tierimpfstoffe in Hannover,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

weil wir mit der Tierärztlichen Hochschule, der Leibniz-Universität, der Medizinischen Hochschule, dem Helmholtz-Institut in Braunschweig so außerordentlich exzellent und gut aufgestellt sind. Das Europäische Forschungszentrum hat die Entscheidung getroffen, nach Hannover und nicht - Herr Wenzel, das muss ich Ihnen sagen - nach Tübingen zu gehen, weil sie sagen: In Hannover werden wir mit offenen Armen empfangen, und die Bedenkenträger sitzen inzwischen in Tübingen. Dort wollen wir nicht investieren, weil wir dort nicht mit offenen Armen empfangen worden sind. - Dieses Klima, dass man die Investition hier will, dass man die Zukunft hier gestalten will, dass man für Innovationen und Ideen offen ist, das ist das Gefühl, welches wir vermitteln müssen. Daran arbeiten wir, und darauf werden wir weiter hinwirken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Wenzel stellt seine zweite Zusatzfrage.

Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident, an einer Stelle haben wir keinen Dissens, nämlich dass man Innovationen fördern muss. Die Frage ist aber, wie und mit welchen Mitteln und warum Sie es in den vergangenen Jahren nicht so getan haben, wie man es hätte tun müssen, und warum Sie es jetzt mit einer Stiftung machen, die sich aus Landesschulden finanziert. Sie reden vom Mittelstand - Wennebostel, Sennheiser, Duderstadt, Otto Bock -, aber Sie arbeiten mit den Großkonzernen, mit E.ON, zusammen.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch lä- cherlich!)

Herr Hirche hat es selber gesagt. Spenden ja, aber nicht für die Stiftung, sondern für Ihre Anzeigenkampagne. Diese Presseerklärung war Teil einer Anzeigenkampagne, in der ausdrücklich nur für Produkte und Anlagen von E.ON Werbung gemacht wurde. Das habe ich kritisiert, Herr Ministerpräsident.

(Reinhold Coenen [CDU]: Sie haben es noch nicht verstanden!)