Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

erreicht werden. Diese Benchmarks liegen mit dem Wert von 750 g CO2/kWh für die Kohlekraftwerke erheblich unter den derzeitigen durchschnittlichen Kohlendioxidemissionen bestehender Braunkohlekraftwerke, die immerhin noch bei 1 200 g/kWh liegen.

Natürlich liegt der Kohlendioxidausstoß von Gaskraftwerken niedriger. Eine reine Beschränkung auf Gas als Energieträger kann aber im Hinblick auf eine vorausschauende und eine dauerhafte und sichere Versorgung nicht die Lösung sein. Kennen Sie nicht den raschen Anstieg der Gaspreise in den zurückliegenden Jahren? - Energie muss insoweit auch immer bezahlbar bleiben, sowohl für die Unternehmen als auch für die einzelnen Bürger und Haushalte. Die Niedersächsische Landesregierung setzt auf einen Mix aus verschiedenen Energieträgern und die Realisierung moderner, effizienter Anlagentechnik.

Der von Ihnen kritisierte hohe CO2-Ausstoß konventioneller Kraftwerke könnte mit dem geringsten Aufwand sehr schnell beseitigt werden, wenn wir zu einer Verlängerung der Restlaufzeiten bei den bestehenden Kernkraftwerken kämen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Bau von konventionellen Kraftwerken ist die Konsequenz aus dem von Ihnen gewollten Ausstiegsszenario.

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Ihre Behauptung, dass der CO2-Ausstoß der geplanten Kohlekraftwerke völlig

überhöht sei, kann ich nicht nachvollziehen. Bisher erreichen die Kohlekraftwerke in Deutschland einen Wirkungsgrad von 36 bis 38 %. Die neuen Kohlekraftwerke werden den Wirkungsgrad um ca. 10 % vergrößern; E.ON hat gesagt, das Kraftwerk in Wilhelmshaven solle einen Wirkungsgrad von 50 % plus X haben. Die elektrischen Wirkungsgrade sind Spitzenwerte im Europavergleich und auch im internationalen Vergleich.

Nun zu den kritisierten Wirkungsgraden der geplanten Kohlekraftwerke, womit ich auch zur Beantwortung der Frage 2 komme. Bei dem elektri

schen Wirkungsgrad von Kraftwerken handelt es sich um das Verhältnis von eingesetzter Energie zum erzeugten Strom abzüglich des für den Betrieb des Kraftwerks erforderlichen Eigenstrombedarfs.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wird ein Gesamtwirkungsgrad gebildet, der die aus den

Brennstoffen erzeugte elektrische Energie und die für eine weitere Nutzung verwendbare Wärmeenergie berücksichtigt. Der Gesamtwirkungsgrad ist erheblich größer als der elektrische Wirkungsgrad, er unterliegt aber einer entscheidenden Einschränkung: Die im Kraftwerk erzeugte Wärme muss ortsnah einer sinnvollen und praktikablen Verwendung zuführbar sein. Dies kann, wie z. B. am Standort Dörpen angedacht, die Nutzung der Wärme durch ein Industrieunternehmen sein, das beispielsweise in diesem Falle sehr viel Dampf benötigt. Das kann aber auch die Einspeisung von Wärme in ein vorhandenes Fernwärmenetz zur Versorgung von kraftwerksnahen Haushalten sein. Für eine Kraft-Wärme-Kopplung fehlt aber - weil Sie konkret nach Stade gefragt haben - die Voraussetzung, um ein solches entsprechendes

Fernwärmenetz aufzubauen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Warum schaffen wir sie nicht?)

- Herr Kollege Wenzel, weil Sie dazu dieses erst einmal aufbauen müssen. Sie müssen dazu die Investitionsbereitschaft eines Unternehmens haben. Außerdem brauchen Sie die Haushalte dafür; für ein solches Kraftwerk brauchen Sie ungefähr 80 000 Haushalte.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das muss man vielleicht nicht mit E.ON ma- chen!)

Wollte man die Wärme also weiter nutzen, wäre das an gewisse Bedingungen geknüpft.

Im Übrigen wissen Sie auch, dass für eine ordnungsrechtliche Durchsetzung der Kraft-WärmeKopplung die nötigen Rechtsgrundlagen geschaffen werden müssen. Dies allerdings hätten Sie, Herr Kollege Wenzel, während Ihrer Regierungszeit in Berlin schon längst machen können, wenn Sie es für so wichtig und zukunftsweisend gehalten hätten.

Unabhängig davon setzt sich die Landesregierung überall dort, wo die beschriebene Infrastruktur gegeben ist, für die Nutzung von Kraft-WärmeKopplung ein.

Nun zu Frage 3: Für die Standortregionen sind die Kraftwerksprojekte eine wichtige Infrastrukturkomponente. Sie werden deutliche positive Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung des gesamten Raumes haben. Den Investitionen in die neuen Kraftwerke werden - der Ministerpräsident hat

schon auf Wilhelmshaven hingewiesen - Investitionen von anderen Firmen folgen, die sehr wohl den Vorteil sehen, dass dort Strom jetzt und auch in der Zukunft sicher verfügbar ist und abgerufen werden kann. Dementsprechend werden wir diese Vorhaben unterstützen.

Im Hafen Bützfleth - danach hatten Sie konkret gefragt - bereitet NPorts ein Planfeststellungsverfahren für eine Hafenerweiterung vor. Die Kosten für den Kohleanleger trägt Electrabel selbst. In Wilhelmshaven plant NPorts als Infrastrukturmaßnahme die Ertüchtigung der Niedersachsenbrücke. Die Brücke soll für 21 Millionen Euro so ausgebaut werden, dass zusätzliche leistungsfähige Entladekräne in Betrieb genommen werden können, die den Vorteil haben, dass die Leistung dort voraussichtlich sogar vervierfacht werden kann. Diese Maßnahmen dienen der kommunalen Infrastruktur und kommen wirklich allen ansässigen und potenziellen neuen Industrieunternehmen zugute. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht bei allem Handeln der Landesregierung mit an erster Stelle. Dadurch werden Arbeitsplätze für die Menschen geschaffen, insbesondere auch in den strukturschwachen Regionen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Janßen hat eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zwei kurze Anmerkungen vorweg.

Erste Anmerkung: Wenn die Kraft-Wärme-Kopplung bei Großkraftwerken so schwierig ist, wie Herr Minister Sander es gerade hier dargestellt hat, dann ist das doch ein Indiz dafür, dass gerade die Großkraftwerke in ihrer Struktur zumindest aus Klimagesichtspunkten nicht zukunftsfähig sind und

wir zu einer anderen Struktur in der Energieerzeugung kommen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweite Anmerkung: Sie haben u. a. etwas dazu gesagt, wie innovativ diese Kraftwerke, die neu gebaut werden sollen, sind. Ich möchte dazu ein paar Zahlen anfügen. Bei Kohlekraftwerken werden durchschnittlich 750 g CO2 pro Kilowattstunde emittiert bei einem Wirkungsgrad von knapp 40 %. Gehen wir jetzt davon aus, ganz großzügig, dass die Effizienz um 30 % steigt, sind wir immer noch bei über 500 g CO2 pro Kilowattstunde erzeugten Kohlestroms. Bei Gaskraftwerken liegen wir bei 350 g CO2 pro Kilowattstunde.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie noch einmal: Wie will die Landesregierung bei ihrer Befürwortung von Kohlekraftwerken sicherstellen, dass die Reduktionsziele der Bundesregierung bis 2020 auch hier in Niedersachsen eingehalten werden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Präsident! Herr Kollege Janßen, ich hatte ja bereits gesagt, dass der Emissionshandel das sicherstellt. Insofern ist das einzelne Kraftwerk nicht so bedeutend wie die Summe.

(Zustimmung bei der FDP)

Sie haben natürlich recht, dass ein Gaskraftwerk erheblich weniger CO2-Emissionen hervorruft.

Aber Sie wissen auch - darauf habe ich in diesem Hause auch schon hingewiesen -, dass wir gerade bei Gas das große Problem haben, dass es aus unsicheren Regionen kommt. Außerdem wissen Sie, dass Gas zu den endlichen Rohstoffen zählt. Die Kohle auch. Der Unterschied besteht aber darin, dass die Gasvorkommen statistisch gesehen noch für 150 Jahre ausreichen, die Steinkohle hingegen für ungefähr 1 000 Jahre. Für uns ist entscheidend, dass wir einen Energiemix haben, und zu diesem Energiemix gehört die Nutzung aller fossilen Energieträger, auch der Steinkohle.

Ich erlaube mir, Ihnen vorzulesen, was Umweltminister Gabriel auf der Sondersitzung der UMK zu

Ihrer Forderung nach noch mehr Gaskraftwerken gesagt hat.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Der ist der falsche Kronzeuge beim Thema Gas!)

- Ich komme zu Frau Höhn auch noch. Wenn Sie richtig fragen, zitiere ich die nachher auch noch.

Herr Gabriel hat ganz klar und deutlich und sehr realistisch die Position der Bundesregierung wiedergegeben, als er sagte:

„So viel Gas gibt es gar nicht auf der Welt, und wenn es das gäbe, wäre es eine verdammt teure Form der Energieproduktion, sodass es keine Alternative in Deutschland gibt, auch die Kohle“

- und zwar die Steinkohle und die Braunkohle; die hat er noch zusätzlich erwähnt

„in unserem Lande weiter zu nutzen. Jeder, der eine andere Debatte führt, muss entweder klar sagen, dass er dann der Überzeugung ist, dass die Kernenergie weiter genutzt werden soll, oder er führt eine zwar sympathische, aber im Ergebnis nicht realisierbare Diskussion.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Wenzel!

Herr Präsident! Herr Minister, dass Herr Gabriel nicht zu unseren Bündnispartnern an dieser Stelle zählt, ist schon klar. Aber wir haben doch eben hier gehört, dass Ihre Regierung und Sie persönlich immer wieder für Wettbewerb eintreten und dass Sie, Herr Ministerpräsident, sich für Innovation stark machen. Innovation, Herr Wulff, hat doch etwas mit Phantasie, mit Kreativität, mit etwas Neuem zu tun. Ich wundere mich, dass man z. B. in Dänemark 50 % aus Kraft-Wärme-Kopplung holt und in Niedersachsen nur 7 %. Warum machen wir nicht das Modernste und das Beste, was heute technisch möglich ist, in Niedersachsen und zeigen, dass man heute schon mit Wirkungsgraden von 90 % aus der Primärenergie die Strom- und Wärmeversorgung auch in Zukunft sicherstellen kann? Das ist im Kern meine Frage, Herr Wulff.

Das frage ich auch Sie persönlich an dieser Stelle. Warum wollen wir hier nicht das Innovativste machen, das es heute am Markt gibt?

(Beifall bei den GRÜNEN)