es konsequenterweise kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sein, wenn wir uns zu dieser christlich-abendländischen Tradition bekennen. Das ist im Übrigen eine Tradition, die seit mehr als 200 Jahren im Gegensatz zum Islam eine Trennung von Kirche und Staat kennt. Deshalb ist es meines Erachtens geboten, über das Kopftuchverbot hinaus keine weiteren Einschränkungen, z. B. hinsichtlich christlicher Symbole, die ich in Anwendung unseres Landesrechts auch für verfassungswidrig hielte, zu regeln.
Um unserer jüdisch-christlichen Tradition sowie der kulturellen und konfessionellen Prägung des Landes gerecht zu werden, will ich die notwendige gesetzliche Grundlage zum Verbot von Kopftüchern in niedersächsischen Schulen schaffen und zugleich sicherstellen, dass das Tragen jüdischer und christlicher Symbole möglich bleibt. Damit tragen wir den aufgezeigten Pflichten - ich meine sogar dem Gebot - aus dem Grundgesetz, aus unserer Landesverfassung und dem Schulgesetz nachdrücklich Rechnung.
Ja, verehrte Frau Präsidentin. - Zu dieser gesamten Problematik - manchmal wird auf hohem Niveau und sehr kompliziert diskutiert, aber bitte sehr - darf auch nicht vergessen werden, wie die Volkesmeinung zu dieser Fragestellung ist.
Meine Damen und Herren, zum Gesetzgebungsverfahren sage ich Ihnen: Ich sehe mich in der Lage, schon im kommenden Monat im Kabinett der Landesregierung einen Gesetzesvorschlag zu machen. Ich meine, ich verkünde kein großes Geheimnis, dass er, umgemünzt auf die niedersächsische Rechtslage, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem baden-württembergischen Entwurf hat. Wir werden das im Rahmen der Gesetzesberatung dann wieder neu diskutieren. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir waren der Meinung, das Verfassungsgericht hat entschieden. Herr Busemann wird einige Tage brauchen, bis ein Gesetzentwurf vorliegt. Deshalb wollten wir hier das erste Mal zu dem Thema sprechen. Ich meine, das war sinnvoll und notwendig.
Die Bemerkung von Herrn Althusmann, dass es nicht schicklich ist, mit Schülerinnen und Schülern über dieses Thema zu sprechen, finde ich wirklich dreist. Das sage ich einmal in aller Deutlichkeit.
Herr Busemann hat soeben darauf hingewiesen, dass es gerade darauf ankommt, wie Schülerinnen und Schüler das wahrnehmen. Man muss mit ihnen darüber reden, wie sie das im Alltag erleben. Deshalb verstehe ich das überhaupt nicht.
Herr Busemann, da werden Sie Probleme kriegen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns da wirklich ein Ei ins Nest gelegt. Es formuliert: „Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in den Schulen sein.“ Das kann man so sehen. Das gleiche Bundesverfassungsgericht hat am gleichen Tag ebenfalls festgelegt: „... dass das Verbot nur begründet und durchgesetzt werden kann, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden.“ Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts. Es ist die Frage der Gleichbehandlung, über die wir hier zu reden haben.
Ich meine, in der SPD-Fraktion ist es so wie in der Gesellschaft insgesamt und wie in den letzten vier Wochen in der veröffentlichten Presse. Man kann mit guten Argumenten Gesichtspunkten der Toleranz den Vorrang geben und sagen: Das hält unsere Gesellschaft aus. Das halte ich für diskutabel. Man kann aber sehr wohl der Meinung sein, dass es nicht zu verantworten ist, diese Frage in jedem Detail in die Schulen zu verlagern und Schulleitungen, Eltern, Schülerinnen und Schüler sich abschließend mit der Frage befassen zu lassen, indem man darauf verweist, dass die rechtlichen Regelungen heute schon hinreichend bestimmt sind. Das ist auch der Grund, warum ich beispiels
weise - ich meine, in großer Übereinstimmung mit einem großen Teil der Fraktionen bei uns - der Meinung bin, dass es richtig ist, wenn die jetzige Landesregierung die Tradition der Vorgängerregierung fortsetzt und das jetzt gesetzlich regelt, indem gesagt wird: Wir wollen die Kopftücher in den niedersächsischen Schulen nicht. Ich sage das auch trotz aller Schwierigkeiten, die das hat.
Zum Beispiel die Frage eines Bundesverfassungsrichters, ob es hier darum geht, wie viel fremde Religiosität wir uns in Deutschland leisten können, ist möglicherweise gar nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist vielleicht: Geht die Renaissance des Kopftuches mit kulturellen Ausgrenzungsstrategien einher? Das ist ein Aspekt, den Herr Althusmann eingebracht hat. Ich wiederspreche ihm im Kern auch gar nicht. Seit Ende der 70er-Jahre ist mit der Entstehung des Gottesstaates im Iran, weltweit verbunden mit dem islamischen Fundamentalismus, auch die Suche nach Ausdrucksformen erkennbar, die sich dann in Abgrenzung von anderen Kulturen niederschlägt. Natürlich ist darüber zu diskutieren, ob es einen Punkt gibt, an dem die Toleranz auch in Scheintoleranz umschlägt und die Toleranz Totengräber ihrer selbst werden kann. Das sind ernsthafte Fragestellungen, die mit zu diskutieren sind, wenn beispielsweise die Klägerin in Karlsruhe davon ausgeht, dass nur der, der ein Kopftuch trägt, rein ist, und alle anderen sind eigentlich von einer anderen Welt.
Das ist eine Fragestellung, die durchaus mit zu diskutieren ist. Die macht es ja auch so schwierig. Rebecca Harms hat auf Robert Leicht hingewiesen; ich habe das auch mit großem Interesse gesehen. Es gibt aber natürlich auch profunde Liberale
- ja - und führende Christen, die deutlich machen, dass wir aufpassen müssen, was die eigentlichen Werte in unserer Gesellschaft sind und dass es in diesem Integrationsprozess Geben und Nehmen gibt.
Ich will mich auch nicht um die Frage des Schulgesetzes drücken, Herr Busemann. Natürlich ist das Christentum eine unserer Traditionen; keine Frage. Aber eine weitere deutsche Tradition ist die Säkularisierung. Im Schulgesetz steht neben dem Christentum auch Humanismus. Das heißt, es geht
bei den Werten, die wir heute haben, im Kern um Dinge, die im Zweifel vom Christentum angestoßen worden sind, die säkularisiert sind, die ihre Rituale im Alltag gefunden haben, jenseits aller religiösen Bezüge.
Herr Rösler, wenn man so vorgeht, wie Sie argumentiert haben - ich kann es sehr gut nachvollziehen -, dann dürfen Sie kein Gesetz machen, weil Sie gesagt haben: Im Kern ist alles geregelt, und im Einzelfall - was das Tragen des Kopftuches angeht - muss man die Möglichkeit haben, zu intervenieren. Wenn politisch instrumentalisiert wird, dann scheidet der Erlass eines Gesetzes aus. Daran wird deutlich, wie kompliziert dieses Thema ist.
Herr Busemann, wir können Ihnen nur zustimmen, wenn Sie die Frage Abendland/Orient in dem Gesetzentwurf anders diskutieren, als das Ihre Kollegin, Frau Schavan, gemacht hat. Übrigens standen auch die Liberalen in Baden-Württemberg diesem Gesetzentwurf - zumindest noch gestern - äußerst kritisch gegenüber. Ich bin der Meinung, dass wir gründlich darüber reden sollten, wie wir das verfassungsmäßig korrekt formulieren können; denn es ist hoch kompliziert.
Abschließend möchte ich auf eine Sache hinweisen. Wir sollten zusammen aufpassen, dass uns das nicht einholt. Herr Busemann, die Formulierung „Hier ist Abendland und nicht Orient“ ist nah bei der Diskussion der Frage, was mir vertraut und was mir fremd ist.
Ich spreche eine Warnung an die Gesellschaft insgesamt aus: Wer diese komplizierte Frage des Tragens eines Kopftuches einer Lehrerin in der Schule zum Kampfplatz einer erneuten Debatte um Ausländer und Integration in Deutschland macht,
Frau Harms hat sich zu Wort gemeldet. Gibt es noch weitere Wortmeldungen zu dem Punkt b)? Das ist nicht der Fall.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Ihre letzte Einlassung war für mich sehr aufschlussreich. Was ist eigentlich Volkes Stimme zu dem Thema? - Ich bin die ganze Zeit den Verdacht nicht los geworden, dass es eigentlich nicht um die wenigen Kopftüchter, die derzeit an den Schulen in Deutschland getragen werden oder die Lehrerinnen tragen möchten, geht, sondern dass es sich hinten herum wieder um eine Debatte über die Leitkultur handelt. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Der Integration tun Sie einen Bärendienst, wenn Sie wieder mit der Leitkulturdiskussion anfangen. Integration funktioniert meiner Meinung nach viel besser, wenn wir endlich gewährleisten, dass sich auch Muslime, Leute, die sich in Deutschland zum Islam bekennen, begeistert zu unserer Republik bekennen können. Aber dazu gehört eben auch der Respekt vor dem Anderen und dem Fremden. Der geht Ihnen - so meine ich bis heute ab.
(Bernd Althusmann [CDU]: Gerade eben nicht! Das ist Offenheit und To- leranz gegenüber dem Christentum, liebe Frau Harms!)
Das ist kein guter Patriotismus, sondern eine dumpfe Leitkulturdebatte, in die Sie uns wieder hineinziehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch eine kurze Ergänzung machen, weil das noch nicht gesagt worden ist. Frau Harms, mich wundert es ein wenig. Denn wir tun den Mädchen und Frauen, die bewusst Muslime sind und ohne Kopftuch hier in Deutschland in Freiheit leben, überhaupt keinen Gefallen, wenn sie dann durch eine Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, prak
tisch gezwungen werden, sich diesem Dogma zu unterwerfen, auch wenn sie es überhaupt nicht wollen. Es ist doch tatsächlich so, dass bei uns viele junge Frauen durch ihre Familien gezwungen werden, in eine archaische Welt hineinzuwachsen, die sie überhaupt nicht wollen. Sie freuen sich, dass sie hier bei uns sind und Freiheit haben. Die sollten sie auch wirklich behalten können. Ich meine, dass wir dies auf jeden Fall auch mit in die Überlegungen im Sinne von Gleichberechtigung und Rechten von Frauen bei uns einbeziehen sollten.
c) Chaos um Lkw-Maut gefährdet Transportgewerbe und Verkehrsprojekte in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 15/503
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben seit vielen Monaten eine andauernde Hängepartie bei der Einführung des Dosenpfandes erlebt. Vielleicht läuft die auch noch weiter. Ich behaupte: Niemand konnte sich vorstellen, dass dieser Dilettantismus, diese Ungeschicklichkeiten, die dort passiert sind, noch irgendwie zu toppen sein könnten. Inzwischen wissen wir es besser.
Das Chaos der rot-grünen Bundesregierung um die Maut stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.
Schon bei der Vertragsgestaltung mit Toll Collect haben sich Bodewig oder Stolpe - egal, wer es war - über den Tisch ziehen lassen. Anscheinend wurde mit der EU vorher gar nicht verhandelt. Das
hat zur Folge, dass die gesamte Kompensation, die den Transportunternehmern versprochen wurde, nämlich in Höhe von 600 Millionen Euro pro Jahr, jedenfalls zurzeit nicht zum Tragen kommen kann. Für die deutschen Spediteure ist das Ganze ein Debakel ohnegleichen. Statt sich zum Exportschlager zu entwickeln, wird das Mautsystem ein Riesenflop. Das Firmenkonsortium aus Telekom, Daimler und Co. ist dieses Thema schlampig angegangen. Pannen bei den so genannten Onboard-Units - das sind diese Boxen in den Lkws häufen sich, und es sind nur 16 % der inzwischen 260 000 eingebauten Geräte funktionsfähig. Der Schaden für den Industrie- und Technologiestandort Deutschland ist enorm. Meine Damen und Herren, die Verantwortung für dieses Desaster tragen allein die Bundesregierung und der Verkehrsminister Stolpe.
Der verpatzte Maut-Start hinterlässt in Deutschland allerdings nur Verlierer. Der erste Verlierer ist der Steuerzahler - das sind wir alle. Uns fehlen Monat für Monat 160 Millionen Euro, die für Verkehrsprojekte bei uns eingesetzt werden sollten. Nach heutiger Kenntnis beläuft sich der Schaden bis Anfang bzw. Mitte nächsten Jahres auf etwa 1,5 Milliarden Euro, weil man den Start noch weiter verschoben hat. Verlierer ist auch der Standort Deutschland. Nach Transrapid und Dosenpfand werden wir international mal wieder eine Lachnummer. Verlierer ist außerdem das Speditionsgewerbe. Hier sind mit hohen Kosten diese so genannten Onboard-Units eingebaut worden. Hinzu kommen der Zeitaufwand und der Stillstand der Lkws. Man erwägt aus guten Gründen und mit guten Aussichten eine Schadenersatzklage gegen die Bundesregierung. Auch die versprochene Harmonisierung, auf die die Spediteure dringend angewiesen sind, kommt damit nicht zum Tragen. Verlierer sind aber auch alle Verkehrsteilnehmer, d. h. alle, die bei uns am Verkehr teilnehmen; denn von der Zweckbindung der Mautgebühren ist inzwischen nirgendwo mehr die Rede - zumindest nicht in Berlin.
Beim Entwurf des Bundeshaushalts 2004 sind diese „virtuellen“ Mauterträge – darum handelt es sich ja noch - in den allgemeinen Haushalt eingestellt worden und nicht zusätzlich zu den geplanten Verkehrsprojekten. Damit werden auch niedersächsische Verkehrsprojekte in Höhe von 300 Millionen Euro in Frage gestellt.