Zweitens. Welche Krankenhäuser haben massiven kurzfristigen Sanierungs- und Investitionsbedarf? Können Sie uns auch dazu die Standorte nennen?
Herr Meihsies, bisher hat kein Krankenhaus einen Antrag auf Schließung gestellt. Die Frage, welche Krankenhäuser massiven Investitionsbedarf haben, lässt sich nicht beantworten; denn die Unternehmensführung hat so etwas zu entscheiden und dann einen Antrag beim Land zu stellen.
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen: Die wirtschaftliche Führung eines Krankenhauses – Stichwort: Hinweise des Landes, bei welchen Krankenhäusern ein hohes Gefährdungspotenzial besteht bewegt sich auf der Grundlage, dass das Fallpauschalengesetz kommt. Deshalb wird sich die Einnahmesituation der Krankenhäuser dramatisch ändern.
Wir haben genauso wie die Krankenhäuser das Problem, dass die Gewichtung und Gestaltung der DRGs nicht abgeschlossen ist und dass wir nicht wissen, in welche Richtung das geht. Das berührt den Bundesgesetzgeber; denn das ist ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz.
Aber da wir wissen, welche Linien sich bei den DRGs abzeichnen, und da die internationalen Erfahrungen zeigen, was passiert, arbeiten wir frühzeitig daran, die Krankenhäuser zu unterstützen, die aufgrund ihrer Leistungszahlen und aufgrund ihrer Fallqualität eine wirkliche Perspektive haben. Mit Fallqualität meine ich: Krankenhäuser, die bestimmte Leistungen für häufig vorkommende Fälle erbringen, stehen unter DRG-Bedingungen viel besser da als Krankenhäuser, die Leistungen erbringen, die nur sehr selten nachgefragt sind. Denn dann ist der Kostendruck für die einzelne Leistung viel höher. Das ist wie in jedem anderen Unternehmen: Eine Produktionskette, die mit großer Stückzahl gefahren wird, ist kostengünstiger als eine Nischenarbeit mit nur sehr geringer Stückzahl.
Frau Ministerin von der Leyen, mit wie vielen Arbeitsplätzen rechnen Sie insgesamt, die aufgrund des von Ihnen vorgestellten Programms in Niedersachsen abgebaut werden müssen?
Die Krankenhäuser sind selbständige Unternehmen. Sie fällen die Entscheidungen über einen Arbeitsplatzabbau, nicht das Land. Das ist eine Unternehmensentscheidung der Krankenhäuser bzw. der Krankenhausträger.
Unsere Maßnahmen dienen eher dazu, Arbeitsplätze zu sichern, in zukunftsfähige Strukturen zu investieren und dadurch die zukunftssicheren Arbeitsplätze in einer Region zu stützen. Es soll nicht so sein, dass sich die Krankenhäuser in der Zukunft in der Einzelkämpferposition verhaken, dass sie deshalb nicht vorankommen und dass deshalb im Krankenhausmanagement die Entscheidung fällt, dort Arbeitsplätze abzubauen. Das Gegenteil soll der Fall sein.
Die Vorschläge des Landes lauten schlicht und einfach: Schaut über euren Tellerrand hinweg und guckt, ob ihr euch nicht mit diesem oder jenem Krankenhaus aus der Umgebung zusammenschließen könnt, damit ihr in Zukunft die Arbeitsplätze sichern könnt!
Frau Ministerin, Sie haben auf die Frage meines Kollegen Meihsies gesagt, dass Sie den Investitionsbedarf nicht genau benennen können. Ich möchte aber gerne wissen: Auf welches Volumen belaufen sich die derzeitigen Anträge von Krankenhausträgern auf Investitionszuwendungen an das Land? Sie müssten doch Zahlenmaterial darüber haben, wie hoch diese Summe ist.
Wir wissen seit vielen Jahren, dass das Land einen großen Investitionsstau vor sich her schiebt. Er reicht über 1 Milliarde Euro.
Wir wissen, dass das Land begrenzte Investitionsmittel zur Verfügung stellen kann. Ich bin stolz darauf, dass es gelungen ist, diese Investitionsmittel zu erhöhen und für diese Legislaturperiode festzuschreiben.
Damit möchte ich auf mein Plädoyer von gestern zurückkommen: Handeln unter Akzeptanz der Realität. Wenn der Investitionsstau, den wir geerbt haben, die Milliarden-Grenze überschreitet, dann können wir dieses beklagen. Wir können aber nur unter Akzeptanz der Realität, nämlich der zur Verfügung stehenden Investitionsmittel, klug investieren. Vor allen Dingen muss es transparente und nachvollziehbare Kriterien geben, wohin die Investitionen gehen. Mir ist sehr wichtig, dass das für die Öffentlichkeit im Internet nachvollziehbar ist. Es gibt dadurch auch eine hohe Selbstbindung für den Planungsausschuss, dass jeder Euro, der inves
tiert wird, nachvollziehbar nach bestimmten Kriterien ausgegeben wird. Nur unter dieser Realität können wir investieren.
Frau Ministerin, gibt es Landkreise und/oder kreisfreie Städte in Niedersachsen, die der geplanten Schließung von Krankenhäusern oder Abteilungen von Krankenhäusern bereits zugestimmt haben? Wenn ja, an welchen Standorten ist das der Fall?
Ich kann Ihnen gerne aus der so genannten Blauen Liste die Vorschläge vorlesen, die bereits vor Ort einvernehmlich mit Blick auf Zusammenlegung bzw. Schließung angegangen werden. Der Zusammenschluss von Krankenhäusern betrifft den Landkreis Wolfenbüttel, Helmstedt, Hameln, Bad Pyrmont, Nienburg, Uelzen, Aurich und Osnabrück.
Die Zusammenlegung von Betriebsstellen von Krankenhäusern, also die Einhäusigkeit – manchmal gibt es Abteilungen in der einen und in der anderen Straße; das ist, auch für den Laien nachvollziehbar, nicht sehr wirtschaftlich zu betreiben -, betrifft die Stadt Braunschweig, den Landkreis Salzgitter, Göttingen, den Landkreis Rotenburg und die Stadt Osnabrück.
Die Aufgabe von Abteilungen betrifft die Region Hannover, den Landkreis Nienburg, Rotenburg, Aurich und das Emsland.
Frau Ministerin, Sie haben den integrierten Angebotsstrukturen Vorrang eingeräumt. Können Sie mir sagen, welche kooperativen bzw. integrierten Angebotsstrukturen bisher von Krankenhäusern aufgebaut worden sind bzw. welche konkret geplant werden?
Auch hier muss man deutlich die Handlungsebenen unterscheiden. Auf der einen Seite sind das unternehmerische Entscheidungen der Träger der Krankenhäuser. Auf der anderen Seite hat aber erfreulicherweise das GMG eine integrierte Versorgungsform, die medizinischen Versorgungszentren, und die integrierte Versorgung, die mit Geld unterlegt ist, jetzt auch gesetzlich festgelegt. 1 % des gesamten Krankenkassenbudgets steht für den Aufbau der integrierten Versorgung zur Verfügung. Da ich es für absolut richtig halte, nicht mehr sektorenbezogen zu denken, also isoliert an ambulante Versorgung, isoliert an Krankenhaus, isoliert an Pflege oder Reha zu denken, sondern den Patienten in der Behandlungskette zu sehen, halte ich es für wichtig, dass das Land diesen Gedanken aufgreift und anregt, vor allem in diese Formen zu investieren. Das heißt, wenn Krankenhäuser, die über ihren Tellerrand hinausschauen und in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen mit dem zur Verfügung stehenden Geld – gesetzlich abgesichert durch das GMG integrierte Strukturen aufbauen wollen, dann unterstützen wir das in Zukunft.
Frau Ministerin, in Ihrer am 4. Dezember veröffentlichten gelben Liste steht auch das Kreiskrankenhaus Land Hadeln in Otterndorf. Sie empfehlen den Zusammenschluss mit dem zum RhönKlinikum gehörenden Stadtkrankenhaus in Cuxhaven.
Ich habe dazu zwei Fragen. Ist Ihnen bekannt, dass der Kreisausschuss des Kreises Cuxhaven am 10. November ein offenes Interessenbekundungsverfahren eingeleitet hat? Stimmen Sie sich nicht mit den Krankenhausträgern ab, bevor Sie solche Listen veröffentlichen?
Zur zweiten Frage: Selbstverständlich haben seit Jahren viele Gespräche mit den Krankenhausträgern vor Ort stattgefunden. Das weiß auch die SPD-Opposition. Vor allem wissen Sie, dass im Ministerium zuverlässige Beamte arbeiten. Das ist wichtig.
Nichtsdestotrotz wissen Sie, wenn Sie in dieser Materie tätig sind, dass es häufig eines Anstoßes bedarf, wer zuerst sagt: Wir tun uns zusammen.
Das Land macht nicht mehr und nicht weniger, als Vorschläge zu unterbreiten. Die Entscheidung trifft der Krankenhausträger. Interessant ist es für mich, vor allem in der regionalen Presse zu sehen, wie die Reaktionen waren: Das haben wir längst. Wir sind gut aufgestellt. Das können wir. Wir haben längst darüber nachgedacht. - Das ist auch gut so. Wichtig ist mir, dass in der Region ein Diskussionsprozess in Gang kommt, der vorher wegen einzelner handelnder Personen so nicht möglich gewesen ist. Das Land kann nicht mehr tun, als Vorschläge zu machen.
Eines kann das Land aber ganz deutlich machen. Wenn es vor Ort Doppelvorhaltungen gibt, wenn es vor Ort kleine, unwirtschaftliche Strukturen gibt, wird das Land nicht in beide Standorte investieren. Denn das wäre herausgeschmissenes Geld. Wir können das knappe Geld nicht in Strukturen investieren, von denen wir der Überzeugung sind, dass sie auf Dauer in dieser Form keine Zukunft haben. Wir müssen in Strukturen investieren, die zukunftssicher sind. Dafür haben wir die Kriterien vorgelegt.
Frau Ministerin, es geht um die verkürzten Verweildauern, die auf uns zukommen. Es geht im Verhältnis dazu um den gesamten ambulanten Bereich, um das Krankenhausumfeld, es geht darum, dass wir Drehtüreffekte vermeiden müssen, die eintreten, wenn entlassen wird, obwohl der ambulante Bereich noch nicht auf die Aufgabe eingestellt ist. Welche Planungen hat das Ministerium, hier die Kranken- und Pflegekassen mit in die Verantwortung zu nehmen, den ambulanten Bereich auch gemeinsam mit den Pflegedienstanbietern und vor allem mit den Sozialstationen auszubauen? Was kann man machen, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten, um insbesondere Ansätze der Krankenhausüberleitungspflege, die es schon gibt, auszubauen? Welche Anhaltspunkte haben Sie eventuell jetzt schon hinsichtlich der Frage, was das für den Arbeitsmarkt in der Kranken- und Altenpflege bedeutet, also ob noch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen müssen, um diese Herausforderungen meistern zu können?
Zunächst einmal bleibt abzuwarten, wie der Bundesgesetzgeber die DRG in der Gewichtung ausfüllen wird. Dabei ist ganz entscheidend, wie die Verweildauer in den Krankenhäusern gestaltet wird. Das hat viel mit Preis und Leistung zu tun.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die ambulante Versorgung und insbesondere die integrierte Versorgung gestärkt werden müssen. Ich habe bereits länger über die integrierte Versorgung gesprochen, die die Schnittstelle zwischen ambulant und stationär, die bei uns historisch gewachsen viel zu starr ist, überwinden soll. Selbstverständlich haben dabei die Krankenkassen und die Pflegekassen eine entscheidende Bedeutung. Wir haben vorgestern ein Landespflegegesetz verabschiedet, das die ambulante Versorgung stärken soll. Über die Gesundheitsprämie haben wir ausführlich diskutiert. Die Krankenkassen müssen selbstver
ständlich auch in Zukunft Handlungsfreiheit haben, auf die wahren Krankheitskosten zu reagieren, und zwar nicht gekoppelt an einen großen Risikostrukturausgleich, der über 40 Milliarden Euro zwischen den Krankenkassen hin und her bewegt. Das sind Themen, die vor allem die Sektorenüberwindung betreffen.