Kritisiert wird die Abwahlmöglichkeit durch die einfache Ratsmehrheit. Dies habe ich von Anfang befürwortet. Denn wie nennt man es, wenn eine Position quasi Ewigkeitscharakter hat, wenn die Abwahl nur theoretisch möglich ist, wenn die Notwendigkeit zur öffentlichen Rechenschaft durch das Bemühen um Gemeinsamkeit mit der Mehrheit nicht vorhanden ist? - Es mutet zumindest vordemokratisch an.
Ich habe viel Verständnis für die Forderung nach Unabhängigkeit. Aber ich glaube, jede Gleichstellungsbeauftragte weiß ganz genau, dass sie nur dann etwas erreichen kann, wenn sie das Vertrauen nicht nur der Hauptverwaltungsbeamten, sondern auch der politischen Mehrheit im Rat hat, also das Vertrauen der von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertretern.
Ansonsten würde sie Rückhalt und Bodenhaftung verlieren. Ich meine - wie ich schon oben ausgeführt habe -, dass eine dauernde Konfrontation
nicht der Sache dient. Deshalb ist es richtig, die Gleichstellungsbeauftragte an das Vertrauen der Mehrheit im Rat zu binden. Wir folgen damit im Übrigen fast allen anderen Bundesländern. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern standen mit ihrem Zweidrittelquorum, das für eine Abwahl notwendig ist, bislang allein da.
Zu Frage 1: Entgegen der Unterstellung der Fragesteller hat die Landesregierung weder am 22. Januar 2004 noch zu einem anderen Zeitpunkt zuvor ihre Position in der Art festgelegt, wie es die Fragesteller behaupten. Richtig ist: Die Pflicht zur Berufung einer Gleichstellungsbeauftragten bleibt für alle Kommunen auch in Zukunft erhalten. Alle Kommunen stehen in der Pflicht, den Auftrag des Grundgesetzes und der niedersächsischen Landesverfassung wahrzunehmen, auf die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinzuwirken. Das Modell, wie sie diese Aufgabe wahrnehmen, wird gegenüber dem bisher geltenden Rechtszustand im Bereich der Kommunen mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner in deren eigene Verantwortung gestellt. Diese Landesregierung hat großes Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der niedersächsischen Kommunen, unabhängig davon, welche politische Mehrheit vor Ort jeweils existiert.
Zu Frage 2: Dazu habe ich schon im Vorspann ausführlich berichtet. Deshalb an dieser Stelle nur noch so viel: Wären meine Überlegungen nicht berücksichtigt worden, dann hätten wir heute keinen Kompromiss, sondern schlicht nur Zielvorgaben für die Kommunen. Dies ist klugerweise nicht der Vorschlag der Landesregierung.
Zu Frage 3: Meine Meinung zu diesem Thema habe ich ebenfalls schon im Vorspann dargelegt. Zum Grundsätzlichen: Das Wesen der Politik ist in der Politik nun einmal die Suche nach einem tragfähigen Kompromiss. Die Landesregierung hat mit der dargestellten Regelung einen guten Kompromiss gefunden, der sowohl die Interessen der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung als auch den Verfassungsauftrag „Gleichberechtigung“ berücksichtigt.
Wir sind davon überzeugt: Die vorgeschlagenen Regelungen werden die Akzeptanz der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen erhöhen. Die Kommunen werden ihre gleichberechtigungspolitischen Bemühungen noch verstärken; denn
diese sind es, die in Zukunft öffentlich dafür gerade stehen müssen. Die Hauptverwaltungsbeamten werden durch die ausdrückliche Inpflichtnahme in Zukunft stärker an ihren Taten gemessen. Die vorgeschlagene Regelung zur Abwahl bindet die Gleichstellungsbeauftragten, den Rat mitzunehmen, wie das auch jetzt schon häufig der Fall ist, und verpflichtet zur demokratischen Rechenschaft. Dies erhöht die Chance, Gleichberechtigungspolitik als gemeinsames Ziel zu verfolgen, statt in der Konfrontation zu verharren. - Vielen Dank.
(Friedrich Kethorn [CDU]: Gibt es doch noch Nachfragen? - Wilhelm Heidemann [CDU]: Es ist doch schon alles gesagt!)
Frau Ministerin, Sie haben eben die Abschaffung von 60 % der hauptamtlichen Frauenbeauftragten als Kompromiss bezeichnet. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Landesregierung ursprünglich geplant haben muss, alle hauptamtlichen Frauenbeauftragten abzuschaffen? Oder wie ist sonst Ihr Hinweis auf den Kompromiss zu verstehen?
Ich muss Sie korrigieren. Wahrscheinlich werde ich dies im Verlauf der Besprechung dieser Dringlichen Anfrage noch häufiger tun müssen. Vonseiten der Landesregierung ist keineswegs die Rede von der Abschaffung der hauptamtlichen Frauenbeauftragten. Die Kommunen entscheiden selbst. Ich habe eben schon einmal gesagt: Schon heute gibt es 50 Kommunen, die selbst entscheiden können. Sie haben sich für die Hauptamtlichkeit entscheiden. Insofern kann von Abschaffung gar kei
ne Rede sein, sondern die Kommunen können selbst entscheiden. Sie haben z. B. die Möglichkeit, auf diejenigen Kommunen, in denen Rot-Grün die Ratsmehrheit haben, dahin gehend einzuwirken, dass sie weiterhin an der Hauptamtlichkeit festhalten. Unsere Seite wird dies selbstverständlich auch tun.
Der zweite Teil Ihrer Frage, der sich fälschlicherweise auf die vollständige Abschaffung bezieht, knüpft an eine Forderung der kommunalen Spitzenverbände an, die aber auch nicht von Abschaffung gesprochen haben, sondern von Zielvorgaben. Das war die Ausgangssituation.
Frau Ministerin, mir ist noch nicht ganz deutlich geworden, welche neuen Erkenntnisse Sie und auch der Innenminister zwischen dem 22. Januar und dem 10. Februar gewonnen haben, die letztendlich zum Abschluss der Überlegung geführt haben, die hauptamtlichen Frauenbeauftragten quasi abzuschaffen. Können Sie das noch einmal deutlich machen?
Die hauptamtlichen kommunalen Frauenbeauftragten werden nicht abgeschafft. Deshalb hat sich zwischen dem 22. Januar und heute auch nichts verändert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da die Ministerin offensichtlich so sehr von Vorurteilen gegenüber den hauptamtlichen Frauenbeauftragten geprägt ist und noch nicht einmal festgestellt hat, dass nach der deutschen Einheit Artikel 3 Abs. 2 dahin gehend geändert worden ist, dass der Staat verpflichtet ist, bei der mangelnden Gleichberechtigung aufzuholen, ziehe ich meine Frage zurück. Es wird keine guten Antworten geben.
- Jetzt hat sie den Raum verlassen. Dann möchte ich jetzt wenigstens die anderen Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass wir Dringliche Anfragen behandeln. Wenn jetzt jemand eine persönliche Erklärung abgeben möchte, dann kann er das Wort dafür bekommen. Diese Art der Fragestellung werde ich aber nicht zulassen.
Frau Weddige-Degenhard, Sie sind die nächste Fragestellerin. - Sie ist nicht mehr da. Dann rufe ich Herrn Janßen auf.
Ohne ehrenamtliches Engagement abwerten zu wollen, frage Sie, ob es nicht gerade angesichts des Aufgabenumfangs, den die Gleichstellungsbeauftragten zukünftig zu leisten haben, erforderlich wäre, dass in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern oder zumindest in selbstständigen Gemeinden die Hauptamtlichkeit beibehalten wird.
Über diese Frage kann man lange debattieren. Sie muss jetzt in den Kommunen geklärt werden. Das ist das Richtige an dem Gesetz. Da Sie eben noch einmal auf die Ehrenamtlichkeit zu sprechen gekommen sind - ich halte sie in der Tat für wichtig -, möchte ich noch einige Zahlen nennen. In Niedersachsen gibt es derzeit 449 Frauenbeauftragte. Davon sind 187 hauptamtlich tätig. Alle anderen aber nehmen diese Aufgabe ehrenamtlich wahr. Deshalb muss man vor Ort schon sehr genau die Frage stellen, welch hervorragende Arbeit sie innerhalb der ihnen gegebenen Zeit leisten.
Frau Ministerin, Sie können es ja drehen und wenden, wie Sie wollen. Tatsache aber ist, Sie haben zugestimmt, dass letztendlich nur noch 55 hauptamtliche Frauenbeauftragte verbleiben.
Sie verkaufen das auch noch als Erfolg, was ich nun gar nicht verstehen kann. Meine Frage: Glauben Sie im Ernst, dass Sie den Frauen in Niedersachsen in Sachen Gleichberechtigung dadurch geholfen haben, dass Sie 82 Frauenarbeitsplätze in herausragender Position im finanziellen Interesse der Kommunen quasi zum Abschuss frei gegeben haben?
Meine zweite Frage: Wie sollen denn Ihrer Meinung nach die verbliebenen hauptamtlichen Frauenbeauftragten und die ehrenamtlichen Frauenbeauftragten die Gleichberechtigung vor Ort voranbringen, wenn Sie als zuständige Ministerin sich in der Männerriege der Minister nicht durchsetzen konnten und quasi auf dem Rückzug sind?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich halte es für ziemlich unzuträglich, wenn eine Ministerin oder ein Minister dieselbe Frage viermal beantworten muss. Deswegen möchte ich das für die Regierung noch einmal sagen.
Für mich ist Frauenpolitik nicht nur eine Sache der Frauen, nicht nur der Frauenministerin nach dem Motto: „Männer : Frauen“ und „Die Interessen werden einseitig verfolgt“.