Während der Didaktische Leiter einer Gesamtschule in einem Leserbrief in der HAZ vom 6. März mit deutlichen Worten sagt, dass er „das Lamentieren einiger Schulleiter-Kollegen nicht verstehen“ könne, sage ich: Einige Schulleitungen haben die sie entlastenden Möglichkeiten noch nicht erkannt oder durchdenken können, weil ihnen das geplante Leihverfahren vielleicht erst seit wenigen Tagen im Grundsatz bekannt ist. Zur viel verlangten Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Schulen gehört es auch, sich neuen Herausforderungen zu stellen und sie kreativ zu meistern. Ich bin mir sicher, dass nach weiterer Beschäftigung mit den Möglichkeiten, die der geplante Erlass eröffnet, dieses den Schulen auch gelingen wird. So haben sie erstmals - auch dieses hat die Vorgängerregierung versäumt - die Möglichkeit, ein eigenes Konto zu führen.
Im Rahmen des kaum noch vorhandenen finanziellen Handlungsspielraums haben wir mit dem Leihsystem eine Lösung gefunden, die sozial verträglich ist und Familien mit Kindern von zu hohen Kosten entlastet. Ähnlicher Auffassung ist auch der Landeselternrat. Zitat: „Von allen schlechten Möglichkeiten ist das die beste… Das Geld ist einfach nicht da.“ So wird sein Vorsitzender Hans-Jürgen
Zu Frage 1: Das Verfahren in Sachsen-Anhalt lässt sich nicht zum Vergleich heranziehen, weil es sehr differenziert und daher kompliziert ist. Dort wird ein Teil der Lernmittel gegen Entgelt ausgeliehen, ein anderer Teil wird vom Land finanziert und verbleibt als „Klassensatz“ in der Schule, und ein dritter Teil ist von den Eltern bzw. den Schülerinnen und Schülern auf eigene Kosten zu beschaffen.
Zu Frage 2: Die Ausrichtung der Lehrinhalte auf die von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Bildungsstandards sowie die landesinternen Abschlussprüfungen machen in den nächsten Jahren die Entwicklung und Neueinführung von Schulbüchern erforderlich. Dies kann durch das vorgesehene Leihsystem gewährleistet werden.
Zu Frage 3: Von einer Ermittlung des Verwaltungsaufwands wurde schon bei der bisherigen Lernmittelfreiheit abgesehen, weil die Verfahren in den einzelnen Schulen zu unterschiedlich waren. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen.
Mir liegen bislang Wortmeldungen für Zusatzfragen vor von Herrn Wulf, Frau Heinen-Kljajić, Herrn Albrecht, Frau Helmhold und Frau Steiner vor. Das Wort hat Herr Wulf.
Herr Minister, ich hätte von Ihnen gern Folgendes erklärt bekommen: Wie wollen Sie in Zukunft eine Zweiklassengesellschaft in Niedersachsens Schulen verhindern?
Es wird Schülerinnen und Schüler geben, die mit diesen Büchern arbeiten, in sie hineinschreiben und in ihnen unterstreichen können, weil die Bücher ihnen gehören. Das war ein Anspruch, den gerade Sie immer formuliert haben, als Sie gegen die Lernmittelfreiheit waren. Aber ein anderer Teil der Schülerinnen und Schüler wird die Bücher nicht besitzen, sondern wird sie ausleihen. Diese Schülerinnen und Schüler dürfen natürlich nicht in die Bücher hineinschreiben. Wie wollen Sie diese Zweiklassengesellschaft in Niedersachsens Schulen in Zukunft verhindern?
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Eine solche Frage würde Herr Wulff (Osnabrück) auch nicht stellen! Das hat man schon gemerkt!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wulf aus Oldenburg, ich kann rund um das Thema Lehr- und Lernmittel und Ausleihsystem überhaupt nicht erkennen, dass wir hier den Weg in eine Zweiklassengesellschaft gehen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sich nach den ersten Erkenntnissen, die wir haben, eine hohe Beteiligungsquote der Eltern an diesem Ausleihverfahren einstellen wird. Es bleibt im Übrigen jedermann unbenommen, sich die Bücher selbst zu kaufen. Wie wir hören, sind aber selbst betuchte Elternhäuser geneigt, sich an dem Ausleihverfahren zu beteiligen. Insofern würde ich sagen, dass hier kein Fall von Ideologie und von Zweiklassengesellschaft gegeben ist.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dieter Möhrmann [SPD]: Was schert mich mein Geschwätz von gestern!)
Ich frage die Landesregierung: Welche Kosten können in Zukunft über Schulbuchmieten maximal für Eltern auflaufen, die mehrere Kinder haben?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat eine überlegenswerte Frage, wie insbesondere Familien mit mehreren Kindern kostenmäßig zu belasten sind. Ich hatte in anderem Zusammenhang schon einmal ein Beispiel gebildet. Wenn z. B. eine Familie drei Kinder hat, vielleicht aus einem anderen Bundesland hierher gezogen ist und sich deshalb alle Bücher neu kaufen müsste und - nehmen wir einmal den Gymnasialbereich - ein Kind im Gymnasium in Klasse 7, ein Kind im Gymnasium in Klasse 9 und ein Kind im Gymnasium in Klasse 11 hätte, dann wäre diese Familie mit Kosten in Höhe von fast 800 Euro für neue Bücher belastet. Wenn wir ein Leihsystem zu etwa einem Drittel der Kosten anbieten, dann liegt die Belastung, wie Sie sich leicht ausrechnen können, zwischen 200 und 250 Euro. Ich finde, dass auch das für eine Familie mit Kindern noch eine Belastung ist, sodass wir vorsehen, Familien mit zwei oder drei Kindern noch einen entsprechenden Rabatt zu gewähren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung - Sie haben in der Antwort schon auf andere Bundesländer hingewiesen -: Inwieweit gibt es dort Erfahrungen mit vergleichbaren Modellen? Wie sieht das in den anderen Bundesländern aus?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist die Lage in Deutschland so, dass fast alle Bundesländer keine komplette Lernmittel
freiheit mehr vorhalten; fast alle verfahren nach einem Leihsystem. Sachsen-Anhalt ist hier in anderem Zusammenhang bereits angesprochen worden. Dort wird jedes Buch sozusagen einzeln ausgeliehen. Das Verfahren scheint uns zu kompliziert zu sein, weshalb man es eher auf die einfache Art und Weise machen sollte wie wir. Aber grundsätzlich gibt es positive Erfahrungen aus anderen Ländern mit Leihsystemen.
Ich frage die Landesregierung: Wie viele Schulkinder gibt es in Niedersachsen, für die die Sozialhilfeträger die Kosten für die Schulbuchmiete übernehmen müssen? Gleich anschließend die zweite Frage: Welche Kosten werden dadurch voraussichtlich auf die Sozialhilfeträger zukommen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir gehen davon aus, dass etwa 10 bis 15 % der Familien bzw. der Schülerinnen und Schüler - zurzeit haben wir 1 Million Schülerinnen und Schüler an den allgemein bildenden Schulen - aufgrund des Sozialhilferechts oder des Asylbewerberleistungsgesetzes berechtigt sind. Nach dem Erlassentwurf, den Sie sich insofern noch einmal vergegenwärtigen sollten, zahlen Familien, die nach dem Sozialhilfe- und Asylbewerberleistungsrecht leistungsberechtigt sind, im ersten Jahr überhaupt nichts.
(Lebhafter Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dieter Möhr- mann [SPD]: Das ist doch keine Ant- wort!)
Herr Minister, ich möchte darauf hinweisen, dass Sie die Frage meiner Kollegin, wer dann die Kosten übernimmt, nicht beantwortet haben.
Ich möchte genau wissen, ob Sie bereit sind, den Sozialhilfeträgern die Kosten, die anfallen werden und die Sie bitte noch beziffern möchten, erstatten werden, und ob Sie diese Position auch in der mittelfristigen Finanzplanung abgesichert haben.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dieter Möhrmann [SPD]: Sehr schön! - Zuruf von der SPD: Das Stichwort heißt „Konnexitätsprinzip“!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Richtigerweise heißt das Stichwort „Konnexität“. Ich habe soeben schon berichtet, dass im ersten Jahr Bücher für sozialhilfeberechtigte Familien aus dem System heraus kostenlos bereitgestellt werden. Im zweiten Jahr wird ein entsprechender Kostenanteil ermittelt werden müssen, der aus Konnexitätsgründen nicht von den Eltern, sondern nach heutiger Rechtslage vom Land zu tragen wäre. Wir liegen bei einer Schätzung zwischen 4 und 5 Millionen Euro. Ich schlage allerdings vor, im Hinblick auf das Jahr 2005 das Hartz IV-Paket abzuwarten, wie dann Sozialhilfe geregelt sein wird und mit welcher Rechtslage und welchen Zahlungsverpflichtungen wir es dann zu tun haben.
(Ulrich Biel [SPD]: Die Lautsprecher- anlage ist zu leise eingestellt! Der Lautsprecher muss lauter eingestellt werden!)
Vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen Ausführungen frage ich die Landesregierung: Können Schulen einer Region auch beim Leih- bzw. Ausleihverfahren zusammenarbeiten, um Kosten zu sparen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, hier sind in den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Es können verschiedene Schulstandorte oder Schulen einer Region zusammenarbeiten. Aus dem Westniedersächsischen ist sogar eine Berufsschule an uns herangetreten: Sie würde es gern für ihre gesamte Region im Wege einer Schüler- oder Übungsfirma machen wollen, um dadurch möglicherweise noch ein gewisses Entgelt einzufahren.