Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, der Kotau vor Ihrer eigenen Geschichte, der Gang nach Canossa, ist meines Erachtens etwas zu scharf ausgefallen. Dass Sie in Ihrer Presseerklärung jetzt auch noch das Kita-Gesetz in Bezug auf die finanziellen Wirkungen als Fehler eingestuft haben, halte ich für überzogen und verfehlt. Ich glaube, dass dieses Gesetz zum damaligen Zeitpunkt völlig richtig war und dass es auch heute noch seine vollste Berechtigung hat, weil es damals und heute keinen anderen Weg gab und gibt, die Kommunen dazu zu bringen, bei dem Thema Kinderbetreuung voranzugehen.

Aber die Diskussion ist weitergegangen. Wir alle haben vor zehn oder vierzehn Jahren nicht so intensiv über das Thema Konnexität diskutiert. Von daher ist es auch richtig, jetzt diesen Schritt zu tun und das Konnexitätsprinzip in der Verfassung zu verankern.

Aber was die SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf in Sachen Vetorecht und Konsultationsverfahren vorschlägt, geht uns zu weit. Das wäre eine überbürokratische Regelung, die das Land und den Landtag in seiner Handlungsfähigkeit zu sehr binden würde. Hier fällt die SPD-Fraktion meines Erachtens von einem Extrem ins andere. Das, was Sie in der letzten Wahlperiode in Ihrer Regierungszeit nicht getan haben, wollen Sie jetzt mit einer 180-Grad-Wendung ins Gegenteil verkehren. Diesen Weg können wir nicht mitgehen.

Im Gegensatz dazu haben CDU- und FDP-Fraktion immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Seit 13, 14 Monaten reden sie nur über das Thema. Und die Krönung ist: Jetzt fordern Sie in Ihrer Presseerklärung von gestern sogar den Bund zum Handeln auf. - Das kann man ja alles machen, aber ich hätte mir gewünscht, wir hätten einen Gesetzentwurf von Ihnen auf dem Tisch, bevor Sie andere zum Handeln auffordern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das hätten Sie gern! Wer A sagt, muss auch B sagen!)

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, wir werden Sie bei diesem Thema zum Jagen tragen.

(Björn Thümler [CDU]: Wenn Sie sich da mal nicht verheben!)

Ihre Kollegen im Haushaltsausschuss haben doch höhnisch grinsend gesagt: Wir sind überhaupt nicht an Konnexität gebunden.

(Dieter Möhrmann [SPD]: So ist es!)

Solange es keinen Gesetzentwurf und keinen Beschluss gibt, machen wir, was wir wollen. - So haben Sie in den letzten 13 Monaten gehandelt, aber so lassen wir das nicht weiter mit uns und auch nicht mit den Kommunen machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie müssen jetzt nachlegen. Sie haben beim Schulgesetz und beim Aufnahmegesetz noch ein

mal richtig in die Kassen gelangt, und jetzt haben Sie vor, Ihre Verwaltungsreform noch durchzuziehen, bevor die Änderung der Verfassung beschlossen wird. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, den Haushalt rechtzeitig vorzulegen, um dem Landtag die Möglichkeit zu geben, sich von der Wirkung und den Folgen Ihrer Verwaltungsreform in finanztechnischer Hinsicht zu überzeugen.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende

(David McAllister [CDU]: Sie sind am Ende!)

aber sicher: Dieser Landtag wird in seiner Gesamtheit zu einer Änderung der Verfassung kommen. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Wir haben in der Fraktion sehr intensiv über diese Frage diskutiert und beraten, auch mit Verfassungsrechtlern. Deshalb glaube ich, dass unser Gesetzentwurf die Handlungsfähigkeit des Landes erhält und die Kommunen in ihren Rechten stärkt und auch in ihren Möglichkeiten, im Zweifel zu klagen, wenn ihre Rechte verletzt sind.

Ich bin sicher: Gute Ideen setzen sich durch. Deshalb freue ich mich auf die weiteren Beratungen. Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt der Herr Innenminister. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

„Wenn man 13 Jahre regiert, kann man von den eigenen Gestaltungsmöglichkeiten kaum lassen. Erst in der Opposition kommt man in die Lage, die Dinge neu zu diskutieren.“

Soweit der ehemalige Ministerpräsident Gabriel.

(David McAllister [CDU]: Wo ist der eigentlich?)

Da kann ich nur sagen: Die SPD und auch Herr Gabriel sind in der Oppositionsrolle angelangt. Herzlichen Glückwunsch!

Meine Damen und Herren, wenn man sich fragt, warum die SPD-Fraktion diesen Gesetzentwurf eingebracht hat, dann hat man in der Rede des Kollegen Bartling darauf eine Antwort bekommen. Der Gesetzentwurf hat zumindest dazu gedient, dass sich die SPD-Fraktion von ihrer 13-jährigen kommunalfeindlichen Regierungspolitik distanziert und sich im Prinzip entschuldigt hat.

Darüber hinaus ist jetzt absehbar, dass wir für die Verankerung des strikten Konnexitätsprinzips in der Verfassung eine breite Mehrheit bekommen. Wir, die Regierungsfraktionen und die Regierung, haben uns dies von Anfang an vorgenommen und auch sofort mit den vorbereitenden Arbeiten begonnen.

Aber es reicht nicht, den Text für eine Verfassungsänderung vorzulegen, sondern es geht vor allen Dingen darum, mit dem kommunalen Spitzenverbänden eine Vereinbarung zu schließen, damit dieses strikte Konnexitätsprinzip über das Konsultationsverfahren vernünftig zur Anwendung kommt. Diese Vereinbarung haben wir mit den kommunalen Spitzenverbänden vorbereitet.

Meine Damen und Herren, die Regierung hat sich abgestimmt, und der Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung liegt bereits bei den kommunalen Spitzenverbänden. Das Konsultationsverfahren ist ausgearbeitet. Am 7. Mai werden wir noch einmal mit den kommunalen Spitzenverbänden zusammenkommen. Danach werden wir diesen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen und darüber noch in diesem Jahr beschließen. Ich bin sehr gespannt, wer dann noch zu seinem Wort steht, einem solchen Vorhaben zuzustimmen.

Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, dass das, was die Landesregierung zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden vorlegt, zu einem Erfolg geführt wird und damit zum ersten Mal in diesem Lande ein striktes Konnexitätsprinzip Verfassungsrang erhält. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der Debatte sind zwei Gesetzesvorhaben genannt worden, bei denen wir angeblich das strikte Konnexitätsprinzip verletzt haben. Zum einen das Aufnahmegesetz. Wir haben nachgerechnet und festgestellt, dass dieser Vorwurf nicht zutrifft. Wir haben eine Pauschale gebildet und eine kleine, eine mittlere und eine große Gemeinde als Beispiel genommen.

Meine Damen und Herren, Sie zitieren ja gerne den Landesrechnungshof. Herr Bachmann, Sie sollten sich einmal genauer anschauen, was der Landesrechnungshof zu Ihrem damaligen Aufnahmegesetz gesagt hat. Mein Amtsvorgänger hatte diese Kritik bereits aufgegriffen - insofern war der Gesetzentwurf sogar im Prinzip schon erarbeitet -, und wir haben das dann umgesetzt. Mithin haben wir in diesem Fall das Konnexitätsprinzip nicht verletzt.

Zum anderen haben Sie gesagt, dass wir auch bei der Verwaltungsreform nicht nach dem strikten Konnexitätsprinzip verfahren würden. Ich kann nur sagen, das ist nicht der Fall. Sie haben doch den Bericht der Arbeitsgruppe Verwaltungsreform mit den kommunalen Spitzenverbänden zu dem Punkt Kommunalisierung gelesen. Da haben wir unter der Moderation von Staatssekretär a. D. Diekwisch ein ganz faires Verfahren gefunden. Das war ein Musterbeispiel für ein Konsultationsverfahren, und das, obwohl ein solches bisher nicht in der Verfassung verankert ist.

In wenigen Monaten wird das jedoch der Fall sein. Wir handeln schon jetzt. Gerade bei der Verwaltungsreform werden Sie sehen, dass wir ein vernünftiges Verhältnis zu den Kommunen aufgebaut haben, auch wenn das nach 13 Jahren SPDRegierung nicht so ganz einfach war, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hat sich noch einmal der Kollege McAllister gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion beantragt, den Gesetzentwurf im Gegensatz zu der Empfehlung des Ältestenrates zur federführenden Beratung nicht an den Rechtsausschuss, sondern an den fachlich zuständigen Innenausschuss zu überweisen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ei- ne Verfassungsänderung!)

- Das betrifft zwar eine Verfassungsänderung, aber das ganze Thema Kommunen und auch die Vorarbeiten sind ja beim Innenminister angesiedelt. Im Übrigen hat für die SPD-Fraktion auch nicht ein

Rechtspolitiker, sondern Herr Bartling als Innenpolitiker gesprochen. Deshalb müssten wir das doch eigentlich einvernehmlich so beschließen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich erinnere mich daran, dass wir im Ältestenrat auch schon darüber diskutiert haben - Frau Helmhold wird sich sicherlich auch erinnern -, welche Ausschussüberweisung hier sinnvoll ist. Ich meine, darüber brauchen wir jetzt keine Grundsatzdebatte führen.

Sind Sie damit einverstanden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen und für Haushalt und Finanzen zu überweisen? Ich sehe keine anderen Vorstellungen. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/956

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Umorganisation der Polizei und zur Änderung dienstund personalrechtlicher Bestimmungen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP- Drs. 15/960

Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bringt Herr Prof. Dr. Lennartz ein. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 3. März dieses Jahres einen erheblichen Teil der Vorschriften zum Großen Lauschangriff für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung ist zu begrüßen und muss auch Auswirkungen auf die niedersächsischen Sicherheitsgesetze haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zustimmung von Sigrid Leuschner [SPD])

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest - ich zitiere -, dass die akustische Überwachung von Wohnräumen nicht in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreifen darf, und zwar auch nicht im Interesse der Effektivität der Strafrechtspflege und der Erforschung der Wahrheit. „Die akustische Wohnraumüberwachung verstößt dann gegen die Menschenwürde“, so das Gericht weiter, „wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht respektiert wird.“