Protokoll der Sitzung vom 28.05.2004

Zu diesem Antrag hat sich Frau Siebert gemeldet. Sie erhält auch gleich das Wort.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Wir bringen den Antrag ein!)

- Wenn Sie den Antrag einbringen wollen, müssen Sie eine Wortmeldung abgeben.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Die ist da!)

- Jetzt ist sie da. Frau Siebert ist so tolerant und hat damit überhaupt kein Problem. Herr Kollege Wulf hat das Wort. Bitte schön!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Es wäre besser, wenn Frau Siebert sprechen würde!)

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Nein, Herr Klare. Ich glaube, dass wir in dieser Frage gemeinsame Ansichten haben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Beratung des vorliegenden Antrages gehe ich in der Tat davon aus, dass es in dieser Angelegenheit einen Konsens im Landtag gibt. Im Gegensatz zu vielen anderen Aspekten der Landespolitik, wie wir das gerade z. B. wieder er

lebt haben, kann ich für unsere Fraktion feststellen, dass es in der Frage der Reform der Lehrerinnenund Lehrerausbildung offensichtlich eine Reihe von Gemeinsamkeiten in diesem Landtag gibt. Ich appelliere jedenfalls an Sie von den Regierungsfraktionen, in dieser Angelegenheit nicht das Schema F Ihres normalen Umgangs mit Anträgen der Opposition zu vollziehen, indem Sie nämlich prinzipiell gegen alles sind, weil es von uns kommt.

Ich begrüße es außerordentlich, dass die CDU/FDP-geführte Landesregierung im Bereich der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung in der Tat die schon von der SPD-Landesregierung entwickelte Linie im Wesentlichen weiter verfolgt. Ich hoffe im Interesse der Betroffenen, dass das so bleibt, denn das ist auch dringend notwendig.

Vor wenigen Tagen, am 22. Mai, berichtete die Tageszeitung Die Welt über ein neues internes OECD-Gutachten zur Situation der Lehrkräfte in Deutschland. Danach ist insbesondere das Alter der Lehrkräfte im Schnitt deutlich höher als im OECD-Durchschnitt. Die entscheidenden Punkte, die für die Lehrerausbildung wichtig sind: Die OECD hat festgestellt, die Lehrerausbildung in Deutschland erfolge getrennt nach Schultypen, was zu kritisieren sei. Sie hat vor allen Dingen festgestellt, dass die Praxisorientierung der Lehrerinnenund Lehrerausbildung in Deutschland mangelhaft sei.

Darum ist es richtig, dass das, was wir in Niedersachsen bereits unter der SPD-Regierung eingeleitet haben, vollzogen wird. Bereits Ende der 90erJahre wurde mit einer umfassenden Revision der Prüfungsordnungen für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer ein erster wichtiger Schritt in diesem Land im Hinblick auf Modernisierung der Lehrinhalte und auf eine stärkere Praxisorientierung getan. Niedersachsen war das erste Bundesland überhaupt, in dem eine ausführliche Evaluation der Lehrerbildung vorgenommen wurde. Gerade deshalb wurde deutlich, wie die damit befasste Wissenschaftliche Kommission des Landes festgestellt hat, dass wir auf diesem Gebiet einiges zu tun hatten.

In der Tat war festzustellen, dass in Niedersachsen, wie natürlich auch in anderen Ländern, die inhaltliche Strukturierung der Lehrerbildung und der Ausbaustand der Fachdidaktiken unzureichend waren, insbesondere in Forschung und Lehre. Deshalb hat die Wissenschaftliche Kommission eine Reihe von Vorschlägen entwickelt, mit deren

Umsetzung wir begonnen haben. Ich nenne als Beispiel ein so genanntes Kerncurriculum. Ein Kerncurriculum ist die Zusammenfassung der grundwissenschaftlichen Studienelemente, also z. B. der Pädagogik, der pädagogischen Psychologie, der Soziologie und der fachdidaktischen Elemente der Lehre. Dies alles wird aufeinander bezogen und in einem Kerncurriculum zusammengefasst, was dann verbindlich ist und in allen Lehramtsstudiengängen absolviert werden muss. Dadurch werden eine stärkere Orientierung auf den späteren Beruf und eine verlässliche Basis für das Referendariat hergestellt.

Wir haben die Anregungen der Wissenschaftlichen Kommission sowie die Empfehlungen des Bildungsrates beim Ministerpräsidenten aufgegriffen und bereits 2002 erste Schritte für eine Verbesserung der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung eingeleitet. Aber es geht nicht nur darum, wie diese Inhalte entwickelt werden, es geht auch um die Frage, wie die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung organisiert wird. In dieser Diskussion, die auch bundesweit erfolgt, gibt es zwei Modelle. Das eine ist die herkömmliche Lehrerinnen- und Lehrerausbildung, die so genannte grundständige Lehrerausbildung, in der man ein Studium absolviert, je nach Lehramt sechs oder acht oder neun Semester, mit anschließender Prüfung, und dann anschließend das Referendariat durchläuft. Das andere ist die so genannte konsekutive Ausbildung, eine aufeinander aufbauende oder ergänzende Ausbildung. Das ist auf der einen Seite das Bachelor-Studium, das sechs Semester umfasst, und darauf aufbauend das so genannte MasterStudium, das je nach Lehramt zwei oder vier Semester umfasst.

Der Bildungsrat beim Ministerpräsidenten in Niedersachsen hat im Jahr 2002 darauf hingewiesen, dass wir die gemeinsame Bologna-Erklärung der europäischen Bildungsminister von 1999 umsetzen müssen. Dies betrifft die flächendeckende Einführung von Bachelor- und Master-Strukturen in allen Studiengängen. Daran beteiligen sich - das hat Herr Minister Stratmann vorgestern deutlich gemacht - inzwischen 40 Länder in Europa. Wenn man das einlösen möchte, kann man selbstverständlich nicht an der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung vorbeigehen; denn fast die Hälfte aller Studierenden auch in Niedersachsen ist in diesem Bereich eingeschrieben.

Meine Damen und Herren, wenn man das tut, dann muss man natürlich sehen, dass diese Aus

bildung nicht nur auf die Schule fokussiert sein darf, wenn man das mit dem Bachelor ernst nimmt. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass mit dem Bachelor in diesem Bereich auch ein so genannter polyvalenter Abschluss möglich ist. „Polyvalenz“ heißt „Mehrfachnutzung“, d. h. bei dem BachelorAbschluss in der vorliegenden Form wird nach drei Jahren den Studierenden die Möglichkeit geboten, sich auch z. B. für Alternativen außerhalb der Schule zu entscheiden, nämlich z. B. den Eintritt in ein Berufsleben in anderen Berufsfeldern, wie der Journalistik, der Erwachsenenbildung oder andere Bereiche, oder indem man ein Fachstudium mit dem Ziel des fachwissenschaftlichen Master-Abschlusses oder einer Promotion fortführt und im Berufsfeld Hochschule bleibt, oder es wird eben das Studium mit dem Ziel der Lehrerausbildung fortgesetzt; dieser Master ist dann allerdings direkt lehramtsbezogen für die Schulform, für die man ausgebildet worden ist. Es hat in den letzten Jahren eine sehr große Kontroverse über diese Modelle gegeben. Es setzt sich jetzt allerdings eine Linie durch, die hier auch in Niedersachsen von uns entwickelt worden ist, und die unserer Ansicht nach richtig ist.

Wenn man das in der Lehrerausbildung mit dem Bachelor und dem Master so macht, dann gibt es selbstverständlich eine Reihe von Problemen, die man sehen und die man auch in Angriff nehmen muss, wenn man die Konsequenzen aus PISA ernsthaft umsetzen will. Gemeinsam mit dem Bildungsrat waren wir 2002 der Ansicht - und sind es selbstverständlich nach wie vor -, dass bereits in der Bachelor-Phase die so genannten General Studies, also die Grundwissenschaften, in Form insbesondere der Pädagogik der dazu gehörenden Fächer und der Fachdidaktik von Anfang an in jedem Lehramtsstudium realisiert werden müssen. Dadurch erfolgt eine Verzahnung von fachlichen Inhalten und pädagogischer Qualifikation. Daher ist der Bildungsrat zu der Auffassung gekommen, dass die pädagogischen Bezüge nicht erst in der Master-Phase, sondern selbstverständlich schon in der Bachelor-Phase realisiert werden müssen. Das ist das Kerncurriculum, von dem ich vorhin gesprochen habe. Das bezieht sich selbstverständlich auch auf die Praxisbezüge, die von Anfang an auch im Bachelor-Studium realisiert werden müssen.

Meine Damen und Herren, hinzu kommt, dass dazu auch eine so genannte Modularisierung dieses Studiums in Form der Einführung eines Leistungs

punktsystems in Anlehnung an das europaweit praktizierte ECTS erfolgt.

Wir haben diese Positionen in der SPDLandtagsfraktion seinerzeit durch Gabi Andretta und meine Person eingebracht und beschlossen. Die Landesregierung hat das auch umgesetzt. Bereits Ende des Jahres 2002 sind durch die SPDgeführte Landesregierung Modellversuche an lehrerausbildenden Hochschulen Niedersachsens in die Wege geleitet worden. Dies geschieht in Form eines so genannten Verbundvorhabens der beteiligten Hochschulen, wobei zur Koordinierung dieses Vorhabens an der Uni Hannover eine Verbundgeschäftsstelle eingerichtet worden ist. Wir haben sehr konstruktive Vorschläge von den Hochschulen inzwischen vorgelegt bekommen. Das alles sind Tatbestände, meine Damen und Herren, an denen Sie nach der Wahl offensichtlich nicht mehr vorbeigehen konnten. - Gott sei Dank!

Betrachtet man das, was man von Ihrer Seite aus in dieser Angelegenheit sieht, dann ergibt sich ein etwas zwiespältiger Eindruck. Auf der einen Seite setzen Sie das fort, was wir eingeleitet haben, und wollen dies sogar richtigerweise flächendeckend an allen Hochschulen Niedersachsens durchsetzen. Auf der anderen Seite sind z. B. ganz konkrete Empfehlungen der Wissenschaftlichen Kommission nicht realisiert worden, insbesondere was die Lehrerausbildung an einzelnen Standorten angeht. Meine Damen und Herren, nichtsdestotrotz: Wir sind mit Ihnen der Ansicht, dass die neue Bachelor-Master-Ausbildung im Lande Niedersachsen flächendeckend eingeführt werden soll.

Allerdings ist es wichtig - das möchte ich noch einmal betonen -, dass diese Form als solche noch keinen hinreichenden Fortschritt darstellt, sondern es kommt entscheidend darauf an, dass man auch das umsetzt, was ich bereits gesagt habe, nämlich ein grundwissenschaftliches Kerncurriculum und Praxisorientierung von Anfang an.

Meine Damen und Herren, die Hochschulen haben inzwischen auch die Anerkennung dafür erhalten. Die Universität Göttingen und die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sind bundesweit für ihre Modelle, die sie entwickelt haben, ausgezeichnet worden und haben eine Förderung für die Weiterentwicklung dieser Modelle erhalten.

Wir können feststellen, dass die Ausbildung in diesem Bereich wichtig und gut ist. Allerdings ist die Frage zu stellen, warum es zwei- bzw. viersemest

rige Master-Studiengänge gibt. Diese Unterscheidung ergibt sich lediglich durch das hierarchische System der Eingruppierung nach Gehaltsstufen im Rahmen des Beamtenstatus der Lehrkräfte. A 12 verlangt geringere Studienzeiten als A 13. Verlängert man die Studienzeiten für alle, dann, so befürchten die Finanzminister, könnten möglicherweise alle Anspruch auf A 13 haben. Meine Damen und Herren, dieses System gehört meiner Ansicht nach auf den Müllhaufen. Diese Standesgliederung hat nichts mit einem modernen Schulsystem zu tun. Allerdings kann die Reform der Lehrerausbildung selbstverständlich nicht an den bestehenden Tatsachen vorbei. Darum gibt es jetzt diese Unterscheidung in zwei- und viersemestrige Studiengänge. Aber perspektivisch muss der statusrechtliche Unsinn unterschiedlicher Besoldung bei den verschiedenen Lehrämtern abgeschafft werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, dass die Landesregierung aktiv dafür zu arbeiten hat, dass die in Niedersachsen demnächst möglichen neuen Abschlüsse bundesweit anerkannt werden. Inzwischen ist eine Zusammenarbeit der norddeutschen Bundesländer in dieser Sache vereinbart. Das ist gut so. Das ist richtig. Sie sollte um die anderen Bundesländer, die diesen Weg ebenfalls beschreiten, ausgeweitet werden.

Die Chance für eine Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen, die wirklich Konsequenzen aus PISA zieht, ist da. Wir sind dabei. Wir unterstützen Sie. Wir würden uns wünschen, meine Damen und Herren, dass die Regierungsfraktionen diesen Weg der Erkenntnis auch im Bereich der Schulpolitik vollziehen würden. Doch da machen Sie bekanntermaßen leider genau das Gegenteil. Dort bestreiten Sie mit Ihrem Schubladenschulsystem den Weg in die 50er-Jahre. Wie dem auch sei, in der Schulpolitik wird Sie eines Tages die Zeit einholen, weil die Menschen im Lande Niedersachsen eine Kursänderung haben werden wollen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das haben wir gerade vor einem Jahr erlebt!)

- Wir werden sehen, Herr Klare, wie das in einigen Jahren aussieht.

Ich möchte aber versöhnlich schließen, Herr Klare. Ich gehe davon aus, dass wir uns in der Zielsetzung für die Reform der Lehrerausbildung inhaltlich verständigen, dass wir in dieser Frage an einem Strang ziehen und diese Entwicklung gemeinsam vollziehen. - Danke schön.

Danke, Herr Wulf. - Jetzt Frau Siebert von der CDU-Fraktion!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niedersachsen hat heute gute Lehrkräfte, und Niedersachsen wird zumindest mit einer CDU/FDP-geführten Regierung auch zukünftig gute Lehrerinnen und Lehrer haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Um gute Lehrkräfte zu bekommen, muss man sie zuvor gut ausbilden. Dieses Ziel, ist, so meine ich, von allen, die sich zuletzt mit der Lehrerausbildung auseinander gesetzt haben, immer strikt verfolgt worden. Ich kann Ihnen im Sinne der zukünftigen Lehrer und der Kinder, die einmal von ihnen unterrichtet werden, versichern: Eine gute Lehrerausbildung wird auch weiterhin unsere Maxime sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Rahmen des Bologna-Prozesses, der die Umstellung aller Studiengänge auf solche mit einem Bachelor- bzw. Master-Abschluss vorsieht, erfolgt derzeit eine Umstellung der Lehrerausbildung; das haben wir eben gehört. Diese wird von Minister Stratmann in guter Zusammenarbeit mit Minister Busemann zügig, aber auch mit Bedacht vorangebracht.

(Zustimmung bei der CDU - Wolfgang Wulf [SPD]: Das ist auch gut so!)

- Dann sind wir uns einig. - Die Überschrift Ihres Antrages - daher kommt meine Kritik - ist also falsch. Sie müsste nämlich lauten: Hervorragende Arbeit, Herr Minister Stratmann! Arbeiten Sie weiter so strikt und zügig an der Umstellung auf Bachelor und Master!

(Zustimmung bei der CDU)

Bis 2010 - so hat es sich der Minister zum Ziel gesetzt - soll in ganz Niedersachsen der Umstel

lungsprozess in allen Studiengängen vollzogen sein. Für die Lehramtsausbildung ist bereits das Jahr 2006 anvisiert. In die Arbeit am BolognaProzess fließen zusätzlich 2,8 Millionen Euro.

Zuverlässig, zügig, kompetent - genau so wird im MWK gearbeitet. Ich bin sehr dankbar, dass man sich darauf verlassen kann.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich hoffe ganz fest, dass mein Eindruck, Sie wollten in Ihrer Antragsbegründung wieder unterschwellig Lehrerschelte betreiben, falsch ist.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Wulf [SPD]: Wir schelten keine Lehrer!)

Wir haben in Niedersachsen viele gute und engagierte Lehrkräfte, die nicht den Bachelor oder Master erworben haben. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Wir werden in Niedersachsen sehr bald viele gute Lehrerinnen und Lehrer haben, die einen BA- bzw. MA-Studiengang absolviert haben.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Das heißt „Ba- chelor“ und „Master“!)