Bei der Ausgestaltung sind wir, wie ich eingangs feststellte, gemeinsam auf dem Weg. Gründend auf dem eingangs erwähnten Antrag liegt uns das Gutachten zur Palliativversorgung in Niedersachsen vor. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber es gibt immerhin einen Etappenbericht, der hoffen lässt, es mit weiteren gemeinsamen Anstrengungen erreichen zu können. Ich möchte stichwortartig daraus hervorheben, dass es demnach derzeit 116 Hospizdienste, zwölf stationäre Hospize, sechs ambulante Palliativ- und 94 ambulante Hospizdienste sowie neun Palliativstationen in Krankenhäusern gibt. In der Prüfung sind Palliative-CareBetten nicht nur in Hospizen, sondern auch in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen. Ferner ist die Einrichtung des neuen Palliativzentrums an der Universität Göttingen vorgesehen. Das Gutachten stellt verschiedene Modellberechnungen zur flächendeckenden Palliativversorgung vor. Abschließend wird festgestellt, dass eine insgesamt erhebliche Verbesserung der Versorgungsqualität flächendeckend erreicht werden kann. Lassen Sie uns daher gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, diese Verbesserungen stetig, Schritt für Schritt, zu erreichen.
Abschließend danke ich allen, die in Hospizeinrichtungen, Krankenhäusern oder andernorts beruflich für Kranke, schwerst Kranke und Sterbende tätig sind, sowie den vielen Ungezählten, die im familiären oder Freundeskreis schwerst Kranke oder Sterbende pflegen, und den vielen Ehrenamtlichen in kirchlichen Betreuungskreisen oder solchen anderen Organisationen, die fürsorgliche Begleitdienste übernehmen. Sie alle verdienen Hochachtung für ihren ebenso erfüllenden wie auch schweren Dienst am Nächsten. Gerade auch sie bedürfen ihrerseits der Hilfe und der Begleitung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns auch weiterhin gemeinsam daran arbeiten, diese Dienste der Nächstenliebe zu verstärken, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit weiterhin eindeutig gilt und erfahrbar bleibt: Die Würde
(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung von Dieter Möhrmann [SPD] und Hans-Dieter Haase [SPD])
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor allem der Antrag der CDU zur Aktuellen Stunde hat mich doch ein bisschen gewundert, denn das Thema der Stärkung der Palliativmedizin und der Hospizarbeit haben wir schon im Rahmen des im Oktober des letzten Jahres abschließend behandelten Antrages ausgiebig beraten.
Wir waren und wir sind uns sicherlich auch fraktionsübergreifend einig darin, dass eine flächendeckende ambulante und stationäre palliativmedizinische Versorgung einschließlich Hospiz in Niedersachsen angestrebt werden muss, um schwerst kranken und sterbenden Menschen die Möglichkeit zu geben, in Würde, d. h. schmerzfrei, zu sterben.
Wir waren uns einig, dass die Palliativmedizin zur standardisierten ärztlichen Ausbildung gehört und gehören muss, um dem Mangel an ausgebildeten Schmerzmedizinern zu begegnen. Palliativmediziner sagen sogar, dass bei uns in der Schmerzmedizin noch viel Ignoranz und Unwissenheit herrscht. Dazu käme, dass die Krankenkassen versuchten, die Kosten zu drücken, wodurch die Ärzte von einer optimalen Schmerzmedikation abgehalten würden.
Meine Damen und Herren, alles das sind Punkte, von denen ich meine, dass auf sie bei einer angestrebten Weiterentwicklung und Vernetzung der Palliativversorgung unbedingt eingegangen werden muss. Viele Menschen in Deutschland sagen auf Befragung, dass sie Angst vor einem schmerzvollen Tod und den damit verbundenen Qualen haben. Auch die Apparate in den Krankenhäusern, die nach Meinung vieler das Leiden noch verlängern, lösen Ängste aus. Viele wissen auch nichts über Palliativmedizin und kennen keine Hospize. Meine Damen und Herren, ich hoffe daher sehr,
dass wir unser gemeinsames Ziel, eine strukturelle Weiterentwicklung und Vernetzung der Palliativversorgung einschließlich Hospizarbeit, in Niedersachsen bald erreicht haben, als letzten Dienst für schwerst kranke und sterbende Menschen.
Ein ganz anderer Punkt, der nichts mit Palliativmedizin und Hospiz zu tun hat, ist die in Deutschland verbotene Hilfe zur Selbsttötung. Sie ist in einigen europäischen Ländern erlaubt, wie z. B. in der Schweiz durch den schon genannten und im Moment in aller Munde stehenden Verein Dignitas, der in Hannover ein Büro eröffnet hat.
Somit kann ich an dieser Stelle auch nicht für meine Fraktion sprechen, sondern ich kann nur ganz allein für mich reden. Ich bin religiös - das sage ich ganz klar -, und ich habe trotzdem Angst vor dem, was mir bevorsteht. So, wie ich es mir wünsche, wünsche ich allen Menschen, dass sie als schwerst Kranke und Sterbende einen würdevollen und schmerzfreien Tod haben. Dafür stehen - ich habe es eben gesagt - die Palliativmedizin und die Hospize.
Ich bin aber auch der Meinung, dass jeder Mensch für sich selbst seinen ethischen Standpunkt finden muss. Wenn sich also jemand trotz vorhandener und ihm bekannter palliativmedizinischer Einrichtungen und Hospize für eine Selbsttötung entscheidet, dann, so glaube ich, hat die Politik nicht das Recht, ihm das zu verbieten.
Die Entscheidung dazu ist diesen Menschen mit Sicherheit nicht leicht gefallen. In einem langen Prozess wurde die endgültige Entscheidung erst nach einem schweren Weg, der mit Ängsten und Zweifeln begleitet wurde, getroffen, oft auch zusammen mit der Familie.
Für mich steht aber vor allem fest: Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere Gesellschaft die Schwachen, Kranken und Sterbenden stützt, sie auffängt und begleitet. Aber bei einem so sensiblen Thema wie Hilfe zur Selbsttötung sollte sie die endgültige Entscheidung dem einzelnen Menschen selber überlassen. Sie haben Recht, Herr Kollege Bookmeyer: Jedes Leben
muss wertgeschätzt werden, egal wie es verläuft, aber es gibt auch ein selbstbestimmtes Leben. Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fall Dignitas ist vielleicht kein guter Anlass, über das Sterben zu reden, aber es gibt dennoch gute Gründe, über das Sterben zu reden. Deswegen bin ich froh, dass wir heute eine gemeinsame Aktuelle Stunde zu diesem Thema haben.
Wir stehen - ich meine, das ist für uns alle klar zuallererst in der Verantwortung, Leben zu schützen, Leiden zu lindern und in möglichst jeder Situation des Lebens die Lebensqualität und auch die Würde des Menschen zu sichern. Und zum Leben gehört eben das Sterben dazu, ob wir das nun wollen oder nicht. Deswegen brauchen wir auch eine Debatte über das Sterben.
Einig sind wir uns darüber, dass niemand das Recht haben darf, aus dem Sterben anderer Profite zu ziehen. Ich meine, das gebietet schon unser gemeinsamer ethischer Anstand.
Ob das aber bei Dignitas der Fall ist oder nicht, vermag meine Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös und abschließend zu beurteilen. Gerade deshalb wäre es falsch, eine notwendige Diskussion über das Sterben, die weit über den Einzelfall Dignitas hinausgehen muss, von vornherein zu verhindern. Falsch wäre es auch, eine solche Diskussion durch eine voreilige Änderung des Strafgesetzes zu unterbinden.
Solch eine Änderung steht nicht am Anfang, sondern, wenn überhaupt, erst am Ende einer Diskussion über Sterben, Sterbehilfe und auch assistierte Selbsttötung. Zu Beginn einer solchen Diskussion haben wir alle die Pflicht, für die Menschen Situati
onen zu vermeiden, in denen sie so verzweifelt sind, dass sie über Selbsttötung überhaupt nachdenken. Deswegen ist es in der Tat richtig, dass wir über den Ausbau der Palliativmedizin diskutieren. Wir sind hier in Niedersachsen mit einer Vielzahl von Einrichtungen in der Tat auf dem richtigen Weg - das wurde schon angesprochen -, aber wir dürfen nicht aufhören bei der Vernetzung dieser Einrichtungen und vor allem bei der Aufklärung gegen die Angst vor solchen verzweifelten Situation, bei der Aufklärung von Patienten, Pflegekräften und Ärzten über die Möglichkeiten der modernen Schmerztherapie.
Zudem brauchen wir eine Stärkung des Instruments der Patientenverfügung, um den niedergelegten Willen des Patienten zur Therapiebegrenzung bis hin zum Therapieabbruch im Interesse der Menschen endgültig klären und durchsetzen zu können. Im Interesse des Vorrangs der Selbstbestimmung brauchen wir deswegen eine klare Rechtsverbindlichkeit der Patientenverfügung.
Aber selbst wenn wir das alles haben und alle Instrumente nutzen, wird es immer wieder Fälle geben, in denen auch die moderne Schmerztherapie den Menschen nicht helfen kann. Palliativmediziner reden von 5 bis 10 % der von ihnen behandelten Fälle. Diesen Menschen ist es aufgrund ihres unerträglichen Leids eben nicht oder kaum mehr möglich, in Würde zu sterben. Es wäre falsch, vor solchen Situationen und vor solchen Fällen die Augen zu verschließen; denn nur weil man sich selber eine solche Situation nicht vorstellen kann oder will, heißt es eben nicht, dass es nicht dennoch solche Situationen gibt. Es wäre deswegen falsch, die Augen vor Situationen zu verschließen, in denen Menschen als einzigen Ausweg aus ihrem Leiden das Sterben sehen. Diese Menschen dürfen wir in ihrer Verzweiflung und in ihren Ängsten nicht allein lassen. Nicht auch hier, sondern gerade hier gilt es, die Würde des Menschen zu wahren und sein Recht auf Selbstbestimmung anzuerkennen.
Ob die Möglichkeiten der assistierten Selbsttötung am Beispiel der Schweiz oder des US-Staates Oregon ein Ausweg aus solchen Situationen sind, weiß ich nicht; ich kann es zum jetzigen Zeitpunkt
dieser Diskussion aber auch nicht ausschließen. Ich weiß aber, dass meine Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages eine Anhörung genau zu diesem Thema beantragt hat. Bedauerlicherweise hat sich keine weitere Fraktion gefunden, diese Anhörung zu unterstützen; wir haben diese Anhörung bisher allein durchgeführt. Vielleicht ist die Diskussion um Dignitas jetzt wenn auch kein guter, so doch der richtige Anlass, um über die Frage Sterben und Umgang mit dem würdevollen Sterben in der Gesellschaft neu zu diskutieren. Am Ende mag vielleicht eine Änderung des Strafrechts stehen, nicht jedoch am Anfang. Aus unserer Sicht müssen am Anfang das Recht auf Selbstbestimmung und die Würde des Menschen stehen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, dass Sie das Thema Hospiz und Palliativbewegung auf die Tagesordnung gesetzt haben. Es ist ein wichtiges Thema. Ich bin der festen Überzeugung, dass es hier keine linke Position und auch keine rechte Position gibt; es kann nur eine richtige Position geben, nämlich eine bewusste gesamtgesellschaftliche Debatte darüber auch zuzulassen.
Jeder Tod ist anders, und wir können und müssen den Raum dafür schaffen, dass der Tod enttabuisiert wird - ich meine nicht den schnellen Tod, wie wir ihn im Fernsehen immer sehen; das ist er nicht - und dass er in seiner ganzen Dimension angenommen wird. Das bedeutet, dass wir seitens der Gesellschaft dem Prozess des Sterbens eben auch seine Zeit, seinen Raum und seine Hinwendung gewähren, von den Schmerzen bis hin zur Einsamkeit oder zu der Angst, den Angehörigen zur Last zu fallen. Ich bin der Meinung, wer dem schnellen, assistierten Tod Vorrang einräumt, der verhindert eben auch Ressourcen, Diskussionen und gemeinsame Anstrengungen dahin, den Weg zum natürlichen Tod zu erleichtern und diese ge
Die Erfahrungen aus dem Ausland - Herr Bookmeyer hat es schon angesprochen - zeigen ja auch, dass die Erweiterung der Sterbehilfe eben nicht den Druck aus dem Thema nimmt, sondern das Gegenteil bewirkt: Der Druck wird erhöht. Die Zahl der assistierten Sterbehilfefälle ist ebenso gestiegen wie die vermutete Dunkelziffer; das zeigen Gutachten des Gesundheits- und Justizministeriums der Niederlande. Es hat sich aber auch der Kreis derer erweitert, denen die Sterbehilfe nahe gelegt wird. Dies macht doch deutlich, dass es auch an uns ist, die Verantwortung dafür anzunehmen, wohin wir die gesamtgesellschaftliche Diskussion leiten, ob wir also den Blick eher auf das Thema Sterbehilfe richten oder ob wir eher sagen: Hospiz, Palliativmedizin, die Begleitung des Sterbenden - das sind unsere vorrangigen Ziele, und deshalb investieren wir dort Kraft, Zeit, Gedanken und Forschung. Deshalb muss einerseits die rechtliche Seite in unserem Land einwandfrei geklärt sein; denn ich denke, es ist unsere Verantwortung als Gesetzgeber, diejenigen, die Tag für Tag mit diesem Thema umgehen, nicht in einer juristischen Grauzone allein zu lassen. Im Zweifelsfalle machen sie es dann falsch. Vielmehr müssen wir ganz klar sagen, was wir gesamtgesellschaftlich juristisch festlegen, und wir müssen Hilfestrukturen aufbauen. Herr Rösler, ich bin ganz Ihrer Meinung, dass wir Situationen vermeiden müssen, in denen Menschen aus Verzweifelung, z. B. weil sie Angst haben, ihren Angehörigen zur Last zu fallen, den Freitod suchen.
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die bereits angesprochen worden ist, hat einen Zwischenbericht über die Palliativund Hospizversorgung in Deutschland veröffentlicht. Dabei steht Niedersachsen an dritter Stelle bei der Anzahl der Palliativstationen, an dritter Stelle bei der Anzahl der Hospize und an vierter Stelle bei der Anzahl der ambulanten Hospizdienste. Wenn man diese Daten aber auf die Anzahl der Einwohner herunterbricht, dann stehen wir auf der Liste weit hinten. Das zeigt nur: Wir haben ganz, ganz viele Angebote in Niedersachsen; das ist gut für ein Flächenland. Aber es sind kleine Einrichtungen.
zum Anlass genommen, ein abgestuftes Handlungskonzept für diesen Bereich zu entwickeln. Erstens bin ich der Meinung: Forschung und Lehre müssen vorangetrieben werden; denn beim Thema Palliativmedizin haben wir kein Kästchen mit dem vorhandenen Wissen, mit dem wir umgehen können. Nein! Die Forschung muss immer weiter vorangetrieben werden. Denken Sie bitte zurück: Vor 20 oder 30 Jahren gab es das Fach fast noch nicht. Was ist in dieser Zeit zur Linderung der Schmerzen Sterbender nicht alles segensreich geschaffen worden? Deshalb begrüße ich in hohem Maße, dass in Göttingen jetzt das palliativmedizinische Zentrum an der Universitätsklinik geschaffen wird
und dass dort auch das Modellprojekt SUPPORT einfließen wird, das wir seitens des Ministeriums seit 2002 mit rund 250 000 Euro in der Finanzierung überbrückt haben, damit diese wichtigen Erkenntnisse dort einfließen können.
Zu diesem Punkt möchte ich sagen, dass sich an der Arbeit von SUPPORT zeigt, dass ein parteiübergreifender Konsens vorhanden ist. Ich danke den Abgeordneten Noack und Oppermann noch einmal für ihren Einsatz für dieses Thema.
Zweitens. Ich habe bei der Amtschefkonferenz im Oktober angemeldet, dass wir eine Bundesratsinitiative beraten, um die Palliativversorgung als Pflichtveranstaltung in der Medizinerausbildung zu verankern, also nicht mehr als Wahlfach; denn nur wenn das Wissen um die Möglichkeiten in der Palliativversorgung ganz breit verankert ist, wird dies auch breit in die Fläche ausstrahlen.