Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

erwarten, insbesondere von den Mitgliedstaaten, in denen Zuckerrübenanbau und -verarbeitung nach diesen Vorgaben völlig zum Erliegen kämen. Das wären Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Finnland. Wann der Agrarrat endgültig entscheiden wird, hängt davon ab, wann das Europäische Parlament Stellung genommen haben wird. Obwohl seitens des Rates noch immer der November angestrebt wird, gehen Beobachter davon aus, dass diese Entscheidung wohl erst Anfang 2006 fällt.

Zu Frage 2: Welche Tendenz zeichnet sich im Ergebnis für die EU-Zuckermarktordnung ab, wenn im Dezember wie geplant die laufenden WTO-Verhandlungen, die so genannte Doha-Runde, abgeschlossen werden sollten? - Im Rahmen der WTO-Verhandlungen sind neue Abschlüsse auch für den Agrarbereich immer auf einen weiteren Abbau der internen und externen Stützungen ausgerichtet. Die Folge wäre, dass die Europäische Union ihre Einfuhrzölle weiter absenken müsste. Bei den Exporterstattungen hat die EU selbst einseitig erklärt, unter bestimmten Bedingungen Exporterstattungen völlig auslaufen zu lassen.

Daher fürchte ich, dass im Ergebnis weiterer Druck auf die Marktordnung zu erwarten ist. Deshalb sind weitere Zugeständnisse im Agrarbereich im Rahmen der WTO-Verhandlungen abzulehnen. Um dennoch möglichen Druck zu verringern, muss Zucker als so genanntes sensibles Produkt eingestuft werden, sodass der Außenschutzabbau nicht völlig durchschlagen kann. Hier müssen gerade die Mitgliedstaaten, die von der Zuckermarktordnung besonders getroffen sind, Druck auf die Kommission ausüben. Dies ist im Rahmen der WTO-Verhandlungen durchzusetzen. Den Einsatz Deutschlands hatte ich bisher leider vermisst, meine Damen und Herren. Unsere zuständige Ministerin hat sich hier nicht eingebracht und nicht für deutschen Zucker gekämpft.

Zu Frage 3: Was unternimmt das auf Bundesebene von Bündnis 90/Die Grünen geführte Verbraucherschutzministerium, um die drastischen Einkommensminderungen in den Zuckerrüben anbauenden Betrieben zu verringern? - Auf diese Frage kann ich ganz klar sagen: Nichts. - Anstatt in Brüssel dafür zu kämpfen, dass sich die Reform der Zuckermarktordnung auf das Allernotwendigste beschränken kann, hat Ministerin Künast in der Vergangenheit genau das Gegenteil getan.

Da langfristig der stärkste Druck auf die EU-Zuckermarktordnung eine Folge des EBA-Abkommens sein wird, hätte Deutschland hier entschiedener auf Nachbesserung drängen müssen. Genau das Gegenteil war aber der Fall. Anstatt auf Voraussetzungen hinzuwirken, den Spielraum für geringere Preissenkungen zu schaffen, dachte Frau Künast lieber darüber nach, ob der vorgeschlagene Ausgleich in Höhe von 60 % nicht noch zu hoch sei. Anstatt von seiner Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler Gebrauch zu machen, hat Herr Schröder seine Ministerin gewähren lassen.

Meine Damen und Herren, die Vorschläge der Kommission und die bewusst nachlässige Art, mit der der Bund bisher die Interessen der deutschen Zuckerrübenanbauer verfolgt hat, zeigen in Niedersachsen schon erste Wirkungen. Das Unternehmen Nordzucker sieht sich gezwungen, seine Werke an den Standorten Wierthe und Groß Munzel zu schließen. Nur so kann aus Sicht des Unternehmens auf die Entscheidung des WTO-Panels - Rückführung der C-Zucker-Quote - und die sich abzeichnenden Reformen der Marktordnung reagiert werden.

Ich möchte diese autonome Entscheidung des Unternehmens kurz kommentieren: Sie ist einerseits schmerzlich und bedeutet für die beiden betroffenen Standorte einen großen Eingriff in die Zahl der Arbeitsplätze vor Ort. Meine Damen und Herren, andererseits ist diese Entscheidung nur konsequent und letztendlich auch nachvollziehbar. Es ging um eine rechtzeitige Konzentration der zu verbleibenden Produktion und die Nutzung der Effizienzreserven. Nur damit kann das Unternehmen im Interesse der Anbauer und der Arbeitnehmer seine Rolle im Kreis der großen europäischen Zuckerkonzerne unter den Bedingungen einer reformierten Zuckermarktordnung verteidigen.

Gleichzeitig hat das Unternehmen großen Wert auf eine sozialverträgliche Umsetzung der Strukturanpassung gelegt. Das begrüße ich, auch wenn ich mir gewünscht hätte, frühzeitig und gemeinsam über alternative Nachnutzungen der Standorte zu sprechen.

Ob weitere Anpassungsschritte der Zuckerwirtschaft - ob in Niedersachsen oder anderswo ebenso gestaltet werden können, hängt von den endgültigen Reformbeschlüssen und dem Ergebnis der WTO-Verhandlungen ab. Je mehr hier zurückgedrängt oder zeitlich gestaffelt umgesetzt werden kann, desto mehr Spielraum haben die

Anbauer und die Zuckerindustrie für ihre Anpassungen. Reformfreudige Eiferer, wie die bis vor kurzem verantwortliche Bundesministerin, haben dies nicht erkannt, oder sie wollten es nicht erkennen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der SPD und der Grünen, sollten Sie hier keine Krokodilstränen weinen. Ich glaube, dass die Bundesregierung die deutschen Interessen bei diesem Stück, bei dem sie Verantwortung zu tragen hatte, dies aber nicht gemacht hat, einfach auf dem Altar des Weltmarktes geopfert hat. Sie sind letztendlich mitverantwortlich dafür, dass diese Situation entstanden ist. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Weyberg, bitte schön!

Herr Minister, ich habe eine Zusatzfrage. Die EU-Kommission hat ja vorgeschlagen, dass Zuckerunternehmen aus den Ländern, in denen zurzeit C-Zucker produziert wird, möglichst noch Quoten aufkaufen sollten. Dafür stehen zurzeit EU-weit wohl 1 Million t zur Verfügung. Daher stellt sich gerade für die Regionen in Niedersachsen, in denen die Zuckerrübe ein sehr wichtiger Standortfaktor ist, folgende Frage: Welchen Ausschlag würde das geben? Welche Wirkung hätte es, wenn diese Menge zugekauft werden könnte, um vielleicht zukünftige Standorte zu sichern?

Vielen Dank, Frau Kollegin Weyberg. - Herr Minister, bitte schön!

Sehr geehrte Frau Weyberg, in der Tat werden dort, wo C-Zucker produziert wurde, Quoten seitens der Europäischen Union zur Verfügung gestellt, um Quoten aufkaufen und weiter produzieren zu können. Wir haben - das ist eigentlich der Pferdefuß dabei - insgesamt 1 Million t zur Verfügung. Das bedeutet, dass für Deutschland insgesamt etwa 240 000 t und für Niedersachsen - bricht

man das prozentual herunter - etwa 80 000 t zur Verfügung stehen.

Man muss noch wissen, dass wir, wenn die Produktion durch dieses Zukaufen wieder angehoben wird, das am Ende bei dem wieder einsparen müssen, was bei den WTO-Verhandlungen herauskommt, wenn wir die Zuckermarktordnung nun reformieren. Das ist eigentlich ein Handeln mit Zitronen, wenn man hier nun einsteigen würde.

Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass wir von den klimatischen Bedingungen her sicherlich Vorteile gegenüber anderen Regionen haben. Auf dieser Ebene müssen wir sehen, wie wir uns künftig positionieren können.

Viel wichtiger ist eigentlich - auch da hat die Bundesregierung versagt -, dass man versuchen muss, die Möglichkeit der Handelbarkeit der Quoten über nationale Grenzen hinweg zu gewährleisten. Wenn wir die Quoten aus den Ländern, in denen wegen der Preissituation künftig keine Zuckerrüben mehr angebaut werden können, nach Niedersachsen ziehen könnten, dann hätten wir einen Vorteil.

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Klein, bitte sehr!

Die Landesregierung geht davon aus, die zu erwartenden Einkommensreduzierungen ohne Abstriche auszugleichen. Sie sprachen von der Erhöhung des Ausgleichssatzes auf 80 %. Daher frage ich Sie: Welche derzeitigen Finanzleistungen an die Landwirte sollen dafür angesichts der Tatsache, dass wir ja einen gedeckelten Agrarhaushalt haben, gekürzt werden? Oder wollen Sie diese Verluste gar mit Landesmitteln ausgleichen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Kollege Klein, Sie wissen ja, dass die Ausgleichszahlungen nicht von der Landesregierung

kommen, sondern dass das über die Europäische Union geregelt wird. Wir gehen davon aus, dass bei den erforderlichen Direktzahlungen, die künftig vermehrt an Zucker produzierende Betriebe gehen - es soll ja ausgeglichen werden -, das Geld, das von der Europäischen Union zur Verfügung gestellt wird, ausreichen wird. Das sind etwa 1,5 Milliarden Euro. Wir und auch ich persönlich haben einige Probleme damit zu beurteilen, wie viel Geld noch nötig ist, um das abzudecken, was mit Management für Zucker zu tun hat, also all das, was mit Wechselkursentwicklung und mit Marktmanagement zu tun hat. Wir wissen nicht genau, was uns oder die EU das kosten wird. Insgesamt glaube ich aber, dass wir in der Lage sein werden, die Ausgleichszahlungen über die Europäische Union darstellen zu können.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Dru- cken Sie das Geld?)

- Das Geld wird nicht gedruckt.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Sie müssen es irgendeinem wegnehmen!)

- Wir müssen es niemandem wegnehmen; denn es stehen Gelder zur Verfügung, die aus Exporterstattungen etc. resultieren. Von daher gehe ich davon aus, dass das dem entspricht, was die EU ausgerechnet hat. Ich kann das ja selber schlecht nachrechnen.

Wir haben noch das Problem zu lösen, wie die Ausgleichszahlungen, die die Landwirte dann bekommen, den Betrieben zugeführt werden. Wir wollen uns diese Frage - deshalb kann ich nachher hier auch nicht mehr anwesend sein - heute Nachmittag im Kreise der Agrarminister auf der Bundesebene noch einmal vornehmen und durch den Kopf gehen lassen.

Vielen Dank. - Herr Kollege Biestmann hat sich gemeldet.

Frage 1: Herr Minister, gibt es Zahlen darüber, wie groß der volkswirtschaftliche Schaden, die volkswirtschaftlichen Einbrüche aufgrund dieser Entscheidung über die Zuckermarktordnung in Niedersachsen sind?

Frage 2: Welche Perspektiven kann die Landesregierung den Landwirten unterstützend anbieten, alternativ zum Zuckerrübenanbau Einkommen in anderen Bereichen zu erwirtschaften? Ich denke hier beispielsweise an den Bereich nachwachsender Rohstoffe.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Kollege Biestmann, das ist im Moment nicht absehbar, weil wir nicht wissen, welches Ergebnis bei der Reform der EU-Zuckermarktordnung herauskommt. Deshalb kann ich mich nicht auf Zahlen festlegen. Wir wissen, dass eine Zuckerfabrik in der Region einen geldlichen Ertrag pro Jahr von etwa 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Das heißt, wenn wir hier zwei Zuckerfabriken weniger haben, kann man eigentlich sehr schnell ausrechnen, welcher Schaden für uns insgesamt entsteht, und zwar auf der Anbauerseite, bei den Arbeitnehmern, aber auch bei den Zuckerfabriken. Wir müssen feststellen, dass wir in der Europäischen Union nächstes Jahr etwa 4 Millionen t nicht mehr anbauen dürfen, weil wir sie nirgends mehr verkaufen können. Wir können unseren Eigenverzehr nicht um diese Menge steigern. Es wäre schwierig, wenn jeder ein Viertel mehr an Zucker essen sollte.

Auf der anderen Seite muss man auch wissen, dass die Landwirte reagieren. Sie müssen im nächsten Jahr ein Viertel weniger an Zuckerrübenfläche bestellen. Dadurch ergibt sich als neuer Ansatz die Fragestellung: Was machen wir mit dieser Fläche? Eröffnet sich für die Landwirte die Möglichkeit einer alternativen Nutzung? Ich glaube schon, dass sich auf der Ebene der nachwachsenden Rohstoffe, der nachwachsenden Energieträger einiges machen lässt. Man muss aber auch wissen, dass die Ertragskraft dieser Früchte sehr viel geringer ist.

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Hogrefe, bitte sehr!

Der Landesregierung wird sicherlich auch bekannt sein, dass insbesondere die französische Zuckerindustrie sehr stark auf die Produktion von Ethanol setzt. Bei der Südzucker AG ist das ähnlich. Vor diesem Hintergrund lautet meine erste Frage an die Landesregierung, ob sie Möglichkeiten sieht, auch in Norddeutschland einen solchen Prozess zu befördern.

Ich habe noch eine zweite Frage. Viele Landwirte können sehr schwer einschätzen, ob die Ausgleichszahlungen, die avisiert sind, auch dauerhaft sind und ob sie ihnen dann auch wirklich zugute kommen. Wie beurteilt die Landesregierung dies?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Kollege Hogrefe, Konzepte auf der alternativen Ebene, etwa das Konzept, Zuckerrüben, C-Rüben, zu Ethanol zu verarbeiten, sind ja schon über viele Jahre irgendwo in der Mache. Aufgrund der neuen Situation auf dem EU-Zuckermarkt wurde seitens der Südzucker AG eine BioethanolAnlage erstellt. Man muss nur wissen, dass das, was dabei an Geld für die Bauern herauskommt, nicht mehr ist, als beim Anbau von Getreide erzielt wird, vielleicht ist es sogar noch ein bisschen weniger. Im Moment ist es ja so, dass die fossilen Energieträger sozusagen einen Höhenflug haben. Aufgrund dieser Tatsache eröffnen sich auf der Ebene der Biotreibstoffe vielleicht neue Aspekte, und zwar auch für eine wirtschaftlichere Nutzung von Zuckerrüben in diesem Bereich.

Zu den Ausgleichszahlungen ist Folgendes zu sagen. Die Zahlung im Rahmen der ersten Säule ist sichergestellt. Das heißt, dass die Zahlungen bis 2013 - eventuell mit geringen Anpassungen mit ziemlicher Sicherheit geleistet werden.

Vielen Dank, Herr Minister. Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 10b erledigt.

Ich rufe nunmehr auf:

c) Privatisierung der Abwasserentsorgung - freie Fahrt für ortsfremde und/oder sachfremde Entscheidungsträger - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/2257

Bitte sehr, Herr Haase!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Privatisierung der Abwasserentsorgung - freie Fahrt für ortsfremde und/oder sachfremde Entscheidungsträger?

Die Abwasserentsorgung ist Teil der Daseinsvorsorge in Deutschland und obliegt den Gemeinden in Niedersachsen als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe. In den letzten Jahren haben Kommunen verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, verschiedene Betreibermodelle zur Optimierung der Abwasserentsorgung zu nutzen. Nach den Plänen des Umweltministers sollen die Abwasserbeseitigung nun vollständig privatisiert und die Möglichkeiten des § 18 a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ausgeschöpft werden. Der Umweltminister erwartet laut einem Bericht der Neuen Presse vom 30. September 2005, dass durch eine Privatisierung der Abwasserentsorgung die Leistungen danach vielfach besser und günstiger angeboten werden können. Sobald neben den kommunalen Entsorgungsträgern private Anbieter auftreten dürfen, also ein Wettbewerb entsteht, würde aber für alle die volle Umsatzsteuerpflicht von heute 16 % fällig.

Die Pläne des Umweltministeriums erscheinen unausgereift und übereilt. Der Entwurf zur Änderung des Niedersächsischen Wassergesetzes ist bisher nicht einmal in die Verbandsbeteiligung gegangen. Mit solchen Äußerungen wie am 30. September 2005 in der Neuen Presse trägt der Minister zu erheblichen Verunsicherungen sowohl der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch der Kommunen bei.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: