Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben in Ihren Ausführungen erstens gesagt, die Landesregierung werde in Kürze einen Gesetzentwurf zur Konstituierung der kreisfreien Samtgemeinde Lüchow-Dannenberg einbringen. Zweitens haben Sie ganz zum Schluss auf Frage 3 geantwortet, es werde eine Bürgerbefragung geben. Mich interessiert, ob Sie den Gesetzentwurf auch dann in den Landtag einbringen werden, wenn eine Bürgerbefragung, die jetzt ja in Kürze stattfinden soll, keine Mehrheit für das Projekt erbringt. - Schönen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Lennartz. - Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Lennartz, es ist klar, dass wir zunächst einmal den Gesetzentwurf im Kabinett verabschieden und dann die Abstimmung durchführen, damit jeder weiß, worüber abgestimmt wird. Die Vorlage des Gesetzentwurfes ist dafür natürlich Voraussetzung. Wir sind allerdings schon jetzt in weitreichenden Gesprächen mit den Verantwortlichen vor Ort, damit der Gesetzentwurf auch dort bekannt ist

und in möglichst allen Einzelheiten eine Abstimmung erfolgt, bevor wir ihn auf den Weg bringen.

Eine Abstimmung hat natürlich nur Sinn, wenn man sich anschließend auch an das Ergebnis hält. Ich habe am Schluss meiner Ausführungen deutlich gemacht, dass es mir darum geht, nicht nur einfach etwas zu verändern und eine neue Struktur dort zu schaffen und dabei dann sicherlich auch zu großen Einsparungen gerade im Bereich von Bürokratie und Verwaltung zu kommen. Es geht vielmehr auch darum, deutlich zu machen, dass eine strukturschwache Region hieraus Mut schöpfen kann und für sie die Chance eröffnet wird, auch wirklich etwas zu gestalten. Sie müssen sich einmal vorstellen, was es bedeuten würde, wenn man so weiter machen würde wie bisher. Dann wird es irgendwann notwendig sein, Infrastruktureinrichtungen ganz zu schließen. Dann müssen Sie ganz zwangsläufig Schulen schließen. Dann müssen Sie Musikschulen schließen, weil Sie sie einfach nicht mehr bezahlen können.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe mich mit diesem Thema wirklich sehr intensiv beschäftigt. Ich habe mir einmal die Haushalte angeguckt, die von meinem Vorgänger und auch von der damals zuständigen Bezirksregierung Lüneburg genehmigt worden sind. Ich habe große Zweifel daran, ob es zielführend gewesen ist, diese Haushalte immer wieder in der Form zu genehmigen und die Augen immer wieder zuzumachen mit der Folge, dass diese Region in diese sehr schwierige - so muss ich sagen, um nicht ein anderes Wort zu gebrauchen - Situation geraten ist.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen wir nicht nur neue Strukturen schaffen, sondern wir müssen auch die Bürger mitnehmen. Mir ist diese Abstimmung sehr, sehr wichtig. Es ist klar, dass diese Reformüberlegung auch aus der Region gekommen ist, auch wenn sie zunächst nicht auf eine kreisfreie Samtgemeinde, sondern auf eine kreisfreie Stadt zielte, die aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht möglich ist. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir in der betreffenden Region eine breite Diskussion führen. Ich würde mich darüber freuen, wenn das auch vor Ort nicht auf polemische Art und Weise geschehen würde - bisher ist das meiner Ansicht nach auch ganz gut gelungen -, sondern wenn man die Situation vor Ort als ernst ansehen würde. Um es klar zu sagen: Nur wenn eine Mehrheit für diese Struktur ist, werden wir eine entsprechende Vorla

ge in den Landtag einbringen. Ich sage Ihnen aber auch: Wenn es nicht zu einer Mehrheit kommt, wird sich an den Problemen nichts ändern. Dann möchte ich wissen, welche Alternativen es noch gibt. Dann werden wir uns noch einmal gemeinsam zusammensetzen müssen. Ich werbe ganz eindringlich für diese Reform, weil sie eine Chance für die Bürgerinnen in dieser Region ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. Herr Kollege Nahrstedt.

Herr Minister, der Kreistag des Landkreises Lüneburg hat bei nur einer Gegenstimme beschlossen, Gemeindeteile aus dem Landkreis LüchowDannenberg aufzunehmen, wenn sie dies wünschen. Dieser Beschluss ist auch deshalb gefasst worden, weil uns sehr viele Ratskollegen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg angesprochen haben. Ich frage Sie: Inwieweit haben Sie diese Möglichkeit geprüft? Werden die Bürger im Rahmen der Befragung auch nach dieser Möglichkeit gefragt?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Natürlich haben wir Alternativen geprüft. Das habe ich Ihnen ja auch schon ausführlich dargestellt. Nur: Wenn wir zwei Samtgemeinden an Lüneburg abgeben, müssten wir drei Samtgemeinden irgendwo anders hingeben oder es beim derzeitigen Zustand belassen. Diese wären dann aber überhaupt nicht lebensfähig. Insofern müssen wir uns auch über die anderen drei Samtgemeinden Gedanken machen. Das führt aber trotzdem nicht zu den Einsparungen, die wir erreichen, wenn wir das auf den Bereich Lüchow-Dannenberg beziehen.

Zweitens haben wir jetzt durchaus leitbildgerecht Lüneburg und Uelzen. Wenn wir eine Erweiterung vornähmen, entspräche dies nicht mehr so unbedingt dem Leitbild. Auch das müssen wir uns noch einmal vor Augen führen. Es wäre übrigens auch ganz interessant, sich im Zusammenhang mit der

Diskussion über die Bewertung einer Leitbildabweichung auch einmal die Region Hannover anzuschauen. Dann könnte man nämlich feststellen, dass sie vom Leitbild erheblich abweicht. Das ist auch nicht vom Staatsgerichtshof überprüft worden. Diese Diskussion will ich jetzt gar nicht führen.

Was für mich aber noch wichtiger ist, ist, dass sie einen Beschluss gefasst haben - den habe ich mir natürlich auch genau angeguckt -, der den Vorbehalt formuliert: wenn keine weiteren Belastungen da sind. - Wenn ich diesen Beschluss richtig interpretiere, möchten sie nicht, dass Kassenkredite in den Bereich Lüneburg überführt werden. Ich habe Ihnen die Zahl genannt: 150 Millionen Euro allein an Kassenkrediten zum jetzigen Zeitpunkt. - Auch wenn ich dieses Modell verfolge: Selbst wenn 30 Millionen Euro bei solch einer Lösung zur Verfügung gestellt werden, verbleiben immer noch 120 Millionen Euro an Kassenkrediten, die ich auf die beiden Landkreise übertragen müsste. Ganz zu schweigen von der sonstigen Verschuldung. Gäbe es einen Beschluss dahin gehend, dass man gern auch die gesamte Verschuldung übernehmen wolle, dann wäre das höchst interessant. Ich als verantwortlicher Kommunalminister könnte das aber gar nicht verantworten, weil ich sonst zwei weitere Landkreise in eine ganz schwierige und dramatische finanzielle Situation stürzen würde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, dass ich die Lösungen dort suche, wo die Probleme am größten sind. Das ist in der Region LüchowDannenberg der Fall. Deshalb konzentriere ich mich auf eine Lösung vor Ort. Meiner Meinung nach ist die kreisfreie Samtgemeinde ein gutes Angebot für die Region.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Voigtländer. Bitte sehr!

Herr Minister, Sie wollen anstelle des Landkreises Lüchow-Dannenberg eine kreisfreie Samtgemeinde bilden. Der Landkreis hat nach Ihren Worten derzeit 150 Millionen Euro an Kassenkrediten. Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass Sie in Zukunft mehr Gestaltungsfreiheit haben wollten. Sie haben ebenfalls darauf hingewiesen, dass andere

Landkreise im Falle einer Übernahme von Samtgemeinden die Schulden vermutlich aber nicht übernehmen wollen. Wer übernimmt denn nun die Schulden in Höhe von 150 Millionen Euro? Bleiben die bei der Samtgemeinde, oder trägt die das Land?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Die Schulden werden natürlich auf die Samtgemeinde übertragen. Wir schaffen es aber, die Schulden, die die Samtgemeinden hatten, bis zu einem gewissen Teil abzubauen. Der Rest muss natürlich auf die Mitgliedsgemeinden übertragen werden. Die Strukturreform, die wir durchsetzen werden, wenn es vor Ort denn gewünscht wird, wird dazu führen, dass kein strukturelles Defizit entsteht, wenn der Personalabbau so, wie vorgesehen, erfolgt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir in Zukunft keine neuen strukturellen Schulden mehr haben werden. Die verbleibenden 120 Millionen Euro werden in der Samtgemeinde Lüchow-Dannenberg in Zukunft noch abzubauen sein. Allerdings sind auch andere Landkreise, wie Sie wissen, verschuldet und haben Kassenkredite aufgenommen. Meine Antwort darauf aber ist: Wenn ich die Kassenkredite und auch die anderen „normalen“ Schulden jetzt auch noch auf Uelzen und Lüneburg übertrage, dann gibt es zwei weitere Landkreise mit noch größeren finanziellen Schwierigkeiten. Das aber könnte ich nicht verantworten.

Vielen Dank. - Herr Kollege Coenen, bitte sehr!

Ich frage die Landesregierung: Wie beurteilt sie die Bewertung der SPD - ich zitiere aus einer Pressemitteilung der SPD-Fraktion vom 28. Juni 2005 -, dass sich die Debatte um die kreisfreie Samtgemeinde verfassungsrechtlich auf dünnem Eis bewege?

Herr Minister!

(Zurufe)

- Ja, behandelt ist das Thema, keine Frage. Herr Minister, Sie erläutern es aber sicherlich noch einmal. Bitte schön!

Ich werde es noch einmal in aller Ausführlichkeit erläutern. Ich kann aber auch auf das verweisen, was im Stenografischen Bericht nachzulesen sein wird. Ich gebe ja zu, dass es sich hier wirklich um eine komplizierte Materie handelt. Es ist kein einfacher Sachverhalt. Von daher war es für uns wichtig, nicht nur auf unsere eigenen Fachleute zu vertrauen, sondern auch einmal eine dritte Meinung einzuholen. Wir haben mit Herrn Professor Ipsen sicherlich jemanden, der ein ausgewiesener Fachmann ist. Er ist sogar stellvertretendes Mitglied des Staatsgerichtshofes. Er hat uns einen Weg aufgezeigt, der ganz klar verfassungsgemäß ist. Genau auf diesen Weg zielt unser Gesetzentwurf, der sich zurzeit in der Abstimmung befindet.

Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock. Bitte schön!

Vor einem Jahr, als der Diskussionsprozess um die Strukturreform im Landkreis LüchowDannenberg begann, hat der Landrat das recht radikale Modell der kreisfreien Stadt in die Diskussion gebracht, das letztendlich aber fraktions- und parteiübergreifend abgelehnt worden ist. Ich frage die Landesregierung: Wie ist der mit Ihnen vor Ort geführte Diskussionsprozess zu beschreiben und zu bewerten, der innerhalb dieses einen Jahres zu dem Modell der kreisfreien Samtgemeinde geführt hat, wofür es in den Räten ja eine Mehrheit gab?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Wir haben dort einen dort bisher noch nie da gewesenen Diskussionsprozess herbeigeführt. Nur so war es möglich, auch die breite Zustimmung gerade der Bevölkerung zu bekommen. Vor Ort haben viele Besprechungen stattgefunden, an denen ich auch selbst teilgenommen habe. Man hat dann sehr schnell erkannt, dass man nicht

mehr so weitermachen kann wie bisher, dass die Verschuldung derart immens ist, dass man fast nicht mehr von einer kommunalen Selbstverwaltung sprechen kann, dass man nur noch die Schulden verwaltet. Das hat mit kommunaler Selbstverwaltung nichts zu tun. Insofern war es auch eine rechtliche Bewertung, ob die kreisfreie Stadt ein Modell ist. Das haben wir dann nicht weiterverfolgen können, weil es einer verfassungsrechtlichen Überprüfung ziemlich sicher nicht standhalten würde. Der große Nachteil bei der kreisfreien Stadt ist, dass dann nur noch Ortsräte vor Ort sind, die keine Entscheidungsgewalt mehr haben. Damit würde das, was wir wollen, nämlich ehrenamtliches Engagement zu fördern und dass man vor Ort noch etwas entscheiden kann, gerade nicht erreicht werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Mit dem neuen Modell der kreisfreien Samtgemeinde haben wir aber genau das gewährleistet, nämlich dass man in den Mitgliedsgemeinden sogar verstärkt Entscheidungen treffen kann und dadurch ehrenamtliches Engagement gefördert wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich frage mich wirklich, aus welchem Grunde man dies überhaupt in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich angreifen will. Denn es geht doch insgesamt darum, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort entscheiden können. Genau das erreichen wir mit diesem Modell. Insofern bin ich ganz optimistisch, dass dies, wenn es tatsächlich zu einer gerichtlichen Überprüfung kommt, genauso gesehen wird.

Es ist wichtig, dass wir über ein Jahr lang diesen Prozess insgesamt und den Diskussionsprozess geführt haben; denn nur so ist es auch möglich, dass man die Menschen vor Ort mitnimmt. Es geht nicht nur um ein Verwaltungsmodell, sondern darum, kommunale Selbstverwaltung weiter zu erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Meyer, bitte sehr!

Auch in meiner Heimatregion gibt es Gemeinden, die seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten Bedarfszuweisungen bekommen. Mich interessiert: Wie sollen die Gemeinden Aufgaben erledigen, wenn sie künftig kein eigenes Personal mehr beschäftigen können?

Herr Minister!

Natürlich wird das Personal, das auf der Samtgemeindeebene angesiedelt ist, auch den Mitgliedsgemeinden zuarbeiten können. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten können sie dann zur Erfüllung dieser Aufgaben auch Personal haben. Aber wichtig ist, dass man hier eine Konzentration von zwei Ebenen hat, d. h. die Samtgemeinde und die Kreisebene zusammengeführt werden.

Vielen Dank. - Herr Kollege Dehde stellt seine zweite Frage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, es gibt ja einige Stimmen, die sagen, Lüchow-Dannenberg sei überall. Sie haben ja hier darauf Wert gelegt, dass die Finanzsituation in Lüchow-Dannenberg durch roundabout 150 Millionen Euro im Kassenkreditbereich gekennzeichnet ist, wobei ich davon ausgehe, dass der Betrag nicht bei den Kassenkrediten, sondern der Gesamtverschuldung ein wenig höher ist. Das können wir ja miteinander konstatieren.

Das hat der Minister auch schon gesagt.

Lüchow-Dannenberg ist überall. Schauen wir uns einmal die Vergleichszahlen an, die hier auch aus dem Hause geliefert werden. In LüchowDannenberg beläuft sich die Vergleichszahl auf 166 101 000 Euro. Ich nehme mir einmal einen anderen Landkreis mit seinen kreisangehörigen Kommunen heraus, z. B. den Landkreis Cuxhaven.