Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Realität ist folgende: Wir brauchen jetzt ein Verbraucherinformationsgesetz im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit. Weiter haben wir über dieses Thema im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zum Lebensmittel- und Futtermittelgesetz, das jetzt beschlossen worden ist, mehrere Monate parallel intensiv mit diskutiert. Die jetzt auf Bundesebene angestellte Überlegungen werden wohl zu einem Kompromiss und damit endlich zu einer Verabschiedung eines Verbraucherinformationsgesetzes führen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat als Koordinierungsland über den Bundesrat im Vermittlungsverfahren zum Lebens- und Futtermittelgesetz intensiv für klare Regelungen gekämpft. Die Landesregierung handelt also längst. Wir lassen uns auch nicht dauernd vorwerfen, dass wir angeblich nichts tun!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch die anderen Beteiligten wissen, dass wir einen erkennbaren Kompromiss jetzt schnell wieder zum Scheitern bringen könnten, wenn wir Querschüsse machen und viele neue Einzelheiten einbringen würden. Deshalb wollen wir im Bundesratsverfahren das Machbare ins Visier nehmen, um letztendlich das Informationsrecht der Bürger gegenüber den Behörden im Bereich der Lebens- und Futtermittel festzuschreiben.

Mal eben ein Informationsrecht gegenüber Unternehmen festzuschreiben, ist wahrlich keine Heldentat, wenn man keine Antworten auf die verfassungsrechtlichen Fragen hat, die sich aus der Abgrenzung des berechtigten Schutzinteresses der Wirtschaft und den Informationswünschen der Bürger ergeben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kollegin Frau Stief-Kreihe, als das Landesamt für Verbraucherschutz ins Leben gerufen wurde, haben wir dies seitens der CDU als Opposition voll mitgetragen. Sie greifen jetzt, da Sie in der Opposition sind, dieses tolle Amt für Verbraucherschutz andauernd an. Das kann doch wohl nicht angehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)

Ich muss Ihnen noch eines sagen - das bezieht sich darauf, womit wir verantwortungsvoll umzugehen haben, Frau Kollegin Philipps hat ja darauf hingewiesen -: Mein Vorgänger, Uwe Bartels,

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Sehr guter Mann!)

hat sich in diesem Zusammenhang einmal richtig vertan: Als ein Kind nach dem Genuss einer Torte gestorben ist, hat er das Unternehmen Coppenrath & Wiese sofort genannt und bloßgestellt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt - und auch später nicht - keine Beweise hatte. Wenn dieses Unternehmen es darauf angelegt hätte, dann hätte das Land Niedersachsen in einem riesigen Umfang Schadensersatz leisten müssen. Deshalb müssen wir uns darüber bewusst sein: In dem Moment, in dem jemand auf die Anklagebank gestellt oder bloßgestellt wird, weil Informationen in ein System eingestellt werden, müssen wir klare Beweise haben. Wir dürfen nicht einmal eben so Informationen einstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dem in Berlin vorliegenden Gesetzentwurf wird die Position der Verbraucher und Marktteilnehmer entscheidend verbessert. Deshalb soll dieser schnell verabschiedet werden, wir wollen nicht mehr lange darüber diskutieren. Das Land Niedersachsen wird, wenn es so weit kommt, diesem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmen. Den Antrag der Fraktion der Grünen lehnen wir in der vorliegenden Form ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Ehlen, Herr Kollege Oetjen, wir werden dieses Thema im Ausschuss sicherlich noch einmal differenziert und detailliert besprechen und diskutieren. Ich persönlich glaube aber nicht, dass die Verfassung den Vertrieb von gesundheitsgefährdenden und Ekel erregenden Produkten schützt oder den Gebrauch von irreführenden Geschäftspraktiken in irgendeiner Form unter Schutz stellt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das hat auch niemand behauptet! Darum geht es nicht!)

Niemand hat verlangt, dass wir in Zukunft an diesem Tisch auswürfeln, welches niedersächsische Unternehmen wir vielleicht als Nächstes an den Pranger stellen. Natürlich muss es eindeutige Hinweise darauf geben, dass Gefahr für die Verbraucher besteht. Dann muss man in der Lage sein, die Konsequenzen zu ziehen und Ross und Reiter zu nennen. Das ist im Zuge der Gammelfleischaffäre von allen immer wieder gefordert worden.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Aber es ist ja so: Solange ein Skandal in den Schlagzeilen ist, rufen alle nach besserer Kontrolle, nach mehr Transparenz und versuchen, sich in ihren Forderungen gegenseitig zu übertreffen. Das ist dann aber schnell vergessen. Denen, die konsequent bleiben und die ihre Versprechungen einhalten wollen, wird dann Unrealismus und Bürokratismus vorgeworfen - Bürokratismus natürlich nur dann, wenn es der eigenen Ideologie nutzt. Diskriminierende Befragungen von einbürgerungswilligen Immigranten oder neue Gesetzeshürden gegen das Selbstbestimmungsrecht todkranker Menschen sind natürlich keine Bürokratie.

Frau Philipps, Sie haben die Beauftragten angesprochen und auch in diesem Zusammenhang die Bürokratie angeprangert. Ich selbst bin sicherlich kein Freund des Beauftragtenwesens. Aber in diesem Fall ist gerade diese Institution und die damit verbundene Funktion, die man ohne Weiteres dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuordnen kann, ein Element der Bürokratieeindämmung. Wenn man ein so neues Gesetz wie ein Verbraucherinformationsgesetz einbringt, dann gibt es am Anfang immer viele Interpretationsstreitigkeiten. Dann wäre es sinnvoll, dass man nicht immer gleich vor Gericht ziehen muss, um diese dort zu klären.

Zu dem Hinweis, dass unsere Vorstellungen nicht realistisch, nicht umsetzbar seien: Wir haben doch genügend Beispiele, bei denen wir das Gegenteil feststellen können. Die Belastungen der Unternehmer bleiben kalkulierbar. Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern und mit anderen Informationsgesetzen. Die Auskunftspflicht ist auf das vorhandene Wissen begrenzt. Dabei ist logisch, dass das beim Metzger an der Ecke be

grenzter ist als beispielsweise beim NestléKonzern.

Die konstruierte Unzumutbarkeit offenbart aus meiner Sicht nur Ihren mangelnden Respekt vor Verbraucherrechten. Diese Verbraucherrechte sind verfassungsmäßig genauso geschützt wie alle anderen Rechte der Wirtschaft auch. Deshalb müssen wir aufhören, ständig eine Schieflage in die Diskussion zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Man kann auch nicht sagen, dass das Ganze in irgendeiner Form systemwidrig oder ordnungsrechtlich nicht unterzubringen ist. Denken Sie vergleichsweise doch einmal an die umfangreichen aktiven Informationspflichten, die im Aktienrecht festgelegt sind. Haben Sie diese schon einmal in irgendeiner Form als einen Verstoß gegen Wirtschaftsinteressen gemaßregelt? - Nein, das haben Sie nicht, weil diese nämlich nicht in erster Linie den Kleinanlegern dienen, sondern weil sie zum Schutz von institutionellen Großanlegern erlassen worden sind.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Lesen Sie mal das Gesetz!)

Da zeigt sich wieder Ihre ideologische Festlegung. Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Dieses Gesetz ist weder verfassungswidrig noch in irgendeiner Form ein Angriff auf die Wirtschaft, sondern es stellt Chancengleichheit an den Märkten her. Deswegen hoffe ich, dass wir im Laufe der Beratungen zu einer gemeinsamen Position kommen und die Fehlentwicklungen auf der Bundesebene korrigieren können. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat sich die Kollegin Stief-Kreihe noch einmal zu Wort gemeldet. Ihnen bleibt noch eine Redezeit von 41 Sekunden, Frau Stief-Kreihe. Ich räume Ihnen großzügigerweise eine Minute ein.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hört man Frau Philipps, denkt man: Die Welt ist in Ordnung, wir brauchen gar nichts zu machen. Aber noch einmal zurückkommend auf Herrn Minister Ehlen, der den Antrag gleich in Bausch und Bogen

abgelehnt hat: Niemand - auch ich nicht - hat etwas gegen das LAVES gesagt. Ganz im Gegenteil: Wir sind stolz darauf, dass wir das LAVES aufgebaut haben.

(Beifall bei der SPD)

Aber das LAVES ist gegenüber dem Ministerium weisungsgebunden. Das heißt, die Informationen, die aus dem LAVES kommen, können nur herausgegeben werden, wenn das Ministerium zustimmt, dass sie herausgegeben werden. Das ist in der Vergangenheit leider oft nicht passiert. Von daher, Herr Minister Ehlen, müssen Sie sich die Vorwürfe schon gefallen lassen; denn Sie haben bis heute zu den Inhalten eines Verbraucherinformationsgesetzes, das Sie für Niedersachsen zum Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen wünschen, überhaupt nichts gesagt.

Das beste Beispiel ist das Informationsdefizit, das ich Ihnen am Fall der Firma Kaufland aufgezeigt habe - Stichwort „Hackfleisch“. - Null Information aus Ihrem Hause, obwohl Niedersachsen direkt betroffen ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch einmal hat der Kollege Oetjen das Wort. Herr Oetjen, Sie haben noch eine Redezeit von 1:19 Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Klein, ich glaube, wir kommen sehr schnell zueinander, wenn es darum geht, dass wir gemeinsam fordern, bei einer direkten Gesundheitsgefährdung von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Niedersachsen und in Deutschland Produkte und Unternehmen zu nennen. Da sind wir sehr schnell beieinander. Aber ich sage Ihnen auch ganz deutlich für die FDP und, ich nehme an, auch für die Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Wir sind uns eben nicht einig, wenn es darum geht, bei Verdachtsmomenten und bei allen Verstößen, egal, in welchem Bereich, sofort an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich sage hier ganz deutlich: Das wird mit uns nicht machbar sein.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Stief-Kreihe, Sie haben gerade noch einmal die Vor-Ort-Kontrollen angesprochen und auf unsere Debatte - Stichwort „Fleischskandal Lastrup“ etc. pp. - hingewiesen. In der Debatte im Rahmen einer Aktuelle Stunde zu diesem Thema haben Sie die Behörden vor Ort und auch das Landesamt für Verbraucherschutz sehr scharf angegriffen und gesagt, die Vor-Ort-Kontrollen seien nicht in Ordnung. Wir als regierungstragende Fraktionen stellen uns ganz eindeutig vor unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie vor Ort eine fachlich ausgezeichnete Arbeit leisten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind am Ende der ersten Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein, mitberatend die Ausschüsse für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie für Inneres und Sport. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass zusätzlich zu Tagesordnungspunkt 30 auch Punkt 31 der heutigen Tagesordnung, der Antrag der SPD-Fraktion mit dem Titel „Fischotter besser schützen!“, ohne Aussprache in den Ausschuss überwiesen werden soll.

Jetzt kommen wir zu

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Küsten-, Meeresschutz und Schiffssicherheit besser und effektiver gestalten - Innenminister Schünemann muss seinen Widerstand gegen eine einheitliche nationale Küstenwache endlich aufgeben! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2533

Ich erteile Herrn Kollegen Janßen, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort zur Einbringung. Bitte schön, Herr Janßen!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Inzwischen sind gut sieben Jahre vergangen, seit Ende Oktober 1998 der Frachter „Pallas“ vor Amrum gestrandet ist. Obwohl damals 16 000 Seevögel verendet sind, hatten wir Glück im Unglück, weil das meiste Öl aus dem Schiffsrumpf abgepumpt werden konnte. Damals sind wir der ganz großen Katastrophe für die gesamte Küste und den einzigartigen Lebensraum Wattenmeer nur knapp entgangen. Nach der „Pallas“-Havarie war klar: So kann es mit dem Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den einzelnen Bundes- und Landesbehörden nicht weitergehen. Die nach dem „Pallas“-Unfall eingesetzte so genannte Grobecker-Kommission hat im Prinzip schon damals die Einrichtung einer nationalen Küstenwache vorgeschlagen.

Inzwischen sind zwar mit der Gründung des Havariekommandos, mit der Leitstelle der Wasserschutzpolizeien und der Schaffung des Maritimen Lagezentrums durchaus Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. Das hat am Zuständigkeitendschungel innerhalb des Bundes und zwischen Bund und Ländern im Alltagsbetrieb aber nicht viel geändert. Blockierer und Besitzstandswahrer bei Bund und Ländern haben wirkliche Reformen bisher erfolgreich verhindert. Das wiederum beeinträchtigt auch die Effizienz des eingesetzten Havariekommandos. Es liegen für die Akteure, die das Havariekommando in Großschadensereignissen koordinieren sollen, keinerlei Alltagserfahrungen vor, und damit steigt in Schadenssituationen das Risiko von Fehlern in der Zusammenarbeit. Ich bin deshalb sehr froh, dass der Bundesminister eine jahrelange Forderung der Grünen aufgegriffen hat und offenbar einen neuen Anlauf zur Einrichtung einer einheitlichen nationalen Küstenwache unternehmen will. Wie die Vorschläge konkret aussehen werden und wie sie zu bewerten sind, wird man sehen, wenn sie auf dem Tisch liegen.

Meine Damen und Herren, dass sich nun Herr Minister Schünemann sofort zu Wort meldet und lauthals „Mit uns auf keinen Fall!“ ruft, war absehbar. Sie haben sich ja nicht nur in dieser Frage schon öfter als Bremser hervorgetan.

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Nun wollen wir mal nicht Äpfel mit Birnen verglei- chen!)