Protokoll der Sitzung vom 24.02.2006

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Es kann kein Zweifel daran bestehen, verehrte Damen und Herren, dass Niedersachsen im Bundesvergleich zu den ärmeren Ländern gehört.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Warum wohl?)

Die Verantwortung dafür, Herr Kollege Rösler, tragen zum großen Teil die Sozialdemokraten und die Grünen mit ihrer verantwortungslosen Finanzpolitik der Neunzigerjahre.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Anteil der Kulturausgaben am Landeshaushalt Niedersachsen ist im Ländervergleich seit jeher beschämend niedrig. Erst, wenn wir lange genug regiert haben, wird Niedersachsen wieder die Handlungsfähigkeit gewinnen, um diesen Zustand zu ändern und um das beträchtliche Potenzial angemessen zu fördern.

(Rolf Meyer [SPD]: Gott sei Dank werden Sie nicht mehr lange regie- ren!)

- Der Kollege Zielke hat vorhin darauf hingewiesen, dass Sie gar nicht daran glauben, je wieder zu regieren; dem kann ich mich nur anschließen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Derzeit strebt die Landesregierung Zielvereinbarungen an, die Sie, meine Kollegen von der Sozialdemokratie, zu Unrecht angreifen. Die Regierung will den Theatern auf fünf Jahre hinaus Sicherheit hinsichtlich der Zuschusshöhe gewähren. Das Parlament sollte sich allenfalls mit der Frage beschäftigen, wie es die daraus resultierenden Festlegungen für künftige Haushalte bewertet. Da es aber für die Kulturförderung außer Verträgen und dem allgemeinen Kulturauftrag des Landes keine Rechtsgrundlage gibt, ist eine solche Festlegung in Zielvereinbarungen ein Geschenk für die Empfänger - und keine Bedrohung.

(Beifall bei der FDP)

Zum Inhalt der Zielvereinbarungen. Kooperationen: Wir erleben zurzeit ein Beispiel mit dem aus den

Häusern heraus geplanten Zusammenschluss der Landesbühne Hannover und des Stadttheaters Hildesheim. Das ist aber eher eine Seltenheit. Wenn Sie mit Theatern sprechen, werden sie Ihnen normalerweise darlegen - Frau Bührmann hat das hier wiederholt -, warum eine Kooperation nicht geht. Aber eine Kooperation ist selbstverständlich eine Grundlage für größere Wirtschaftlichkeit. Bei knappen Mitteln müssen wir immer nach Wirtschaftlichkeit suchen.

Frau Bührmann, die Kleine Anfrage, die Sie unter Nr. 1 des Entschließungsantrages untergebracht haben, sollten Sie am besten noch einmal als solche stellen; das ist guter parlamentarischer Brauch. Wahrscheinlich wird aber die Regierung darauf antworten, dass sie den von Ihnen eingeforderten Katalog über die Aktivitäten der Theater nicht aus eigenen Kräften bereitstellen kann, weil in der Vergangenheit Zielvereinbarungen, die die kommunalen Theater zur Darlegung dieser Aktivitäten anhalten, nicht bestanden haben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Dr. Heinen-Kljajić das Wort. - Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ersten Entwürfe zu den Zielvereinbarungen mit den kommunalen Theatern sind bei den Theaterschaffenden vor Ort - aus meiner Sicht zu Recht - mit großem Befremden zur Kenntnis genommen worden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dabei ist die Kopplung der Zuweisung von Finanzmitteln an die Einhaltung von Zielvereinbarungen zunächst einmal nicht nur aus haushaltspolitischen Gründen sinnvoll, sondern könnte auch aus kulturpolitischer Sicht angesichts der starren Strukturen in der Theaterlandschaft, die in Fachdebatten längst zunehmend infrage gestellt werden, durchaus der richtige Weg sein. Aber die Umsetzung der Idee des Zielkontraktes durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur ist jedenfalls im ersten Anlauf gründlich misslungen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zum einen zeugen die Entwürfe von Unkenntnis dessen, was die Theater vor Ort machen. Zum anderen kranken sie daran, dass man allgemeine Bausteine aus der Koalitionsvereinbarung wie die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements mit brachialer Gewalt auf kommunale Theater heruntergebrochen hat, statt theatergerechte Kriterien festzulegen. Die Hilflosigkeit des Ministeriums beim Versuch, die Stärkung des Ehrenamtes als Leistungsparameter in eine Zielvereinbarung mit den Theatern zu gießen, wird deutlich, wenn man sich ansieht, was dem Stadttheater Lüneburg vorgeschlagen wurde; Frau Bührmann hat das Beispiel schon angeführt: Allen Ernstes wurde vorgeschlagen, dass das Theater Babysitter für junge Eltern engagieren soll, die eine Theateraufführung besuchen wollen. Offensichtlich hat man doch selbst im Ministerium keine Vorstellung davon, wie eine Einbindung bürgerschaftlichen Engagements jenseits der längst existierenden Fördervereine praktiziert werden könnte.

Meine Damen und Herren, neben den Problemen bei der praktischen Umsetzung an kommunalen Theatern ist die aktive Einbindung von Bürgern, die Sie in Ihrer Beantwortung der Mündlichen Anfrage der Kollegin Bührmann als kulturpolitisch wertvolles Ziel benennen, zudem absolut unglaubwürdig. Angesichts Ihrer Kürzungen im Bereich der freien Kultur verkommt diese Aussage zum frommen Wunsch. Nirgendwo sonst ist die aktive Einbindung der Bürger so hoch wie im Bereich der freien Kultur. In Kunstvereinen, Musikund Kunstschulen, Chören und soziokulturellen Zentren sind die Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich aktiv. An keiner anderen Stelle hat das Ehrenamt in der Kultur eine höhere Bedeutung. Aber genau an dieser Stelle haben Sie radikal gekürzt und zerschlagen mit der Neuausrichtung der Kulturförderung vorhandene Strukturen, die wir gerade wegen der Haushaltslage öffentlicher Kassen ausbauen müssten, statt sie zu schwächen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Kooperation mit benachbarten Bühnen als Vorgabe ist aus unserer Sicht ebenfalls der falsche Ansatz. Zum einen ist es künstlerisch schwierig, Kooperationen vorzuschreiben; denn sie machen unter dem Aspekt künstlerischer Qualität doch eigentlich nur dann Sinn, wenn sie von beiden

Seiten auch tatsächlich gewollt werden. An dieser Stelle wäre es sicherlich sinnvoller, Kooperationsmodelle auszuschreiben und Anreize zu schaffen, statt bei Nichteinhaltung mit Kürzungen zu drohen. Zum anderen wären aus grüner Sicht Kooperationen nicht nur mit anderen Stadttheatern, sondern auch mit allen Ensembles und Theatern aus der Region wünschenswert.

Dass von oben verordnete Theaterbesuche bei Schülerinnen und Schülern die Lust am Theater wecken, ist ebenfalls mehr als fraglich. Davon abgesehen gibt es bereits zahlreiche Initiativen, um Jugendliche für das Theater zu gewinnen. Was fehlt, ist originäres Jugendtheater. Dafür mangelt es an Geld.

Herr Stratmann, wir appellieren daher an Sie, in den noch laufenden Verhandlungen um die Zielvereinbarungen Leistungsparameter festzuschreiben, die der Theaterwirklichkeit gerecht werden, und erwarten, dass die von den Theatern geäußerten Bedenken auch tatsächlich berücksichtigt werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Stratmann das Wort.

(Zurufe der SPD: Kurz!)

- Ich gehe davon aus, der Herr Minister weiß, dass hier noch 4:30 Minuten ausgewiesen sind. Alle Rednerinnen und Redner haben ihre Zeit noch nicht einmal ausgeschöpft.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Bührmann hat mir gerade vorgeworfen, ich sei schlecht informiert und würde zu wenig lesen. Ich hatte vor einiger Zeit - dies will ich Ihnen dazu sagen - eine schreckliche Erscheinung.

(Heiterkeit)

Weil ich zu viel lese, kam es bei mir zu einer Alterserscheinung: Ich brauche jetzt eine Lesebrille. Ab und an lese ich auch einmal die Klassiker. In den letzten Tagen wurden im Zusammenhang mit

dem Ressort, für das ich zuständig bin, etliche Reden gehalten. Es waren fulminante Reden, die sich beispielsweise auf die Langzeitstudienbeiträge - das war am Mittwoch -, auf die Föderalismuskommission und jetzt auf das Thema Theater bezogen. Bei diesen Reden fiel mir Johann Wolfgang von Goethe ein: Getretener Quark wird breit, nicht stark.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das kennzeichnet das, was wir hier seit Tagen von der Opposition, von der SPD, erleben. Ich weiß nicht, wie lange Sie so weitermachen wollen. Diese Woche war zugegebenermaßen eine Karnevalswoche. Wir sind hier aber in Norddeutschland und Karneval verfängt hier nicht wirklich. Angesichts dessen müssen Sie sich überlegen, ob Sie Ihre Strategie nicht langsam ändern.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Frau Bührmann, ich glaube, auch Sie müssen doch - so gut informiert, wie sie sind -, wenn Sie auf andere Länder schauen, zur Kenntnis nehmen, dass es dort zurzeit Diskussionen darüber gibt, im Theaterbereich Kürzungen von bis zu 25 % vorzunehmen. In anderen Ländern wird darüber nachgedacht, ganze Theater zu schließen. So wird beispielsweise in Berlin, wo ja die Ihnen nahe stehende ehemalige Kulturabteilungsleiterin jetzt die Verantwortung für die Theater trägt, über ganz andere Größenordnungen diskutiert. Wir hier in Niedersachsen tun genau das Gegenteil. Wir schaffen für die Theater eine verlässliche finanzielle Grundlage für die nächsten Jahre und sichern diese mit einer Verpflichtungsermächtigung ab. Das muss uns in Zeiten wie diesen in Deutschland erst einmal jemand nachmachen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unsere Theater werden insoweit beneidet.

Es gibt allerdings in der Tat etwas, was sich gegenüber der Vergangenheit unterscheidet. Wir wollen keine Verträge mehr, die diese verlässlichen Rahmenbedingungen nicht mehr mit sich bringen, weil sie jederzeit kündbar sind. Solche Kündigungen hat es ja auch gegeben. Wir wollen das tun, was sich heute auch bereits in anderen Bereichen bewährt hat. Wir werden mit den Theatern individuell abgestimmt Zielvereinbarungen schließen. Sie können hier nicht behaupten, dass das Gegenteil der Fall ist, weil es noch gar keine Zielvereinbarungen gibt, aus denen Sie zitieren

könnten. Diese Zielvereinbarungen, die wir schließen wollen, werden auf jedes Theater und die Theaterlandschaft in Niedersachsen individuell abgestimmt sein. Die Theaterlandschaft in Niedersachsen ist gottlob sehr unterschiedlich. Das soll sie auch bleiben.

(Christina Bührmann [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Nein. - Wir werden von niemandem etwas verlangen, was er nicht auch tatsächlich erbringen kann.

Die Tarifsteigerungen sind ein wichtiges Argument. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass sie zu einem Problem werden können. Ich sage aber auch dies: Wenn Sie gemeinsam mit uns daran mitwirken, dass es zu keinen oder nur zu sehr moderaten Tarifsteigerungen kommt, haben wir dieses Problem nicht. Es gibt aber SPD-Kommunalpolitiker, die auf der einen Seite ihre Kämmerer anweisen, in diesem Bereich eine rigide Politik zu betreiben, und die sich auf der anderen Seite populistischerweise auf die Seite von ver.di schlagen und Tarifsteigerungen einfordern. So geht es eben auch nicht. Das bezeichnen wir als unseriös.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun zu den Zielen des Landes. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir mit den Theatern, auf deren besondere Gegebenheiten abgestellt, viel stärker über inhaltliche Ansätze sprechen. Sie haben in Ihrer Rede bestätigt, dass das Thema Kinder- und Jugendtheater und die Frage, wie wir junge Leute, die ja die späteren Besucher und Abonnenten sein werden, in unsere Theater hineinbekommen, von maßgeblicher Bedeutung sind. Nun hat uns derjenige, der diese Dinge zurzeit vorbildlich in Niedersachsen betreibt, nämlich Herr Schultze in Osnabrück, für die von uns geplante Maßnahme expressis verbis gelobt. Er hat sogar den Mut gehabt, das öffentlich in der Zeitung zu tun. Ich könnte ihn hier zitieren. Sie haben ihn nicht zitiert, obwohl Sie das, was er gesagt hat, eigentlich wissen müssten. Wir werden auch von anderen dafür gelobt, dass wir diesen Weg gehen. Auch andere Theater sind mit uns der Meinung, dass dies die richtigen Entscheidungen sind. Im Übrigen sind diejenigen, auf die ich mich eben bezogen habe, schon viel weiter als Sie. Sie erkennen nämlich an, dass wir große Finanznöte haben. Sie sehen, was in anderen Ländern läuft, und sind deshalb dankbar dafür,

dass wir ihnen das Angebot der finanziellen Verlässlichkeit machen. Ich bekomme Briefe aus anderen Ländern, in denen mir Menschen, die im Kinder- und Jugendbereich arbeiten, sagen: Wir finden es gut, dass ein Landeskulturminister diesen Weg beschreitet. Wir würden uns das auch von unserer Landesregierung wünschen. Das passiert bei uns noch nicht. Ihr seid insofern viel weiter, als es andere sind.

Ich will an dieser Stelle ganz ausdrücklich allen Kulturpolitikern dieses Hauses, aber auch den bei mir im Hause zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür danken, dass sie die Gespräche mit viel Mut und Engagement geführt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)