Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu dieser Frage nicht vor.

Wir kommen jetzt zur

Frage 4: Wie wird sich der MeeresstrategieRichtlinienvorschlag der EU auf das Land Niedersachsen auswirken?

Was es alles gibt. - Diese Frage wird von dem Kollegen Thümler gestellt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das 6. Umweltaktionsprogramm der Europäischen Union fordert, eine Strategie für den

Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt zu entwickeln, die eine nachhaltige Nutzung der Meere fördern und die Meeresökosysteme bewahren soll. Die Europäische Kommission möchte dieser Aufforderung mit ihrer Meeresstrategie-Richtlinie nachkommen. Für das Jahr 2006 ist auch ein Grünbuch über die Meerespolitik angekündigt. Dieses soll einen Gesamtrahmen für die unterschiedlichen Nutzungs- und Verwendungszwecke der Meere entwickeln.

Die Kommission sieht ein hohes Schutzniveau für die Meeresumwelt als Voraussetzung für die Nutzung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenzials der Meere und damit auch als einen Beitrag zur Lissabon-Agenda. Generell geht es darum, die Prinzipien der Wasserrahmenrichtlinie auf die Meere zu übertragen.

Vorrangiges Ziel des Richtlinienvorschlags ist es, einen „guten Zustand der Meeresumwelt“ bis zum Jahr 2021 zu erreichen. Der Richtlinienvorschlag fordert die Mitgliedstaaten in diesem Kontext dazu auf, die Merkmale eines guten Umweltzustands festzulegen. Die Mitgliedstaaten gleicher Meeresregionen sollen als Bewirtschaftungseinheiten ihre Maßnahmen zur Erreichung eines guten Umweltzustands untereinander koordinieren.

Der Vorschlag der EU-Kommission wirft verschiedene Fragen auf, die für Niedersachsen eine große Bedeutung haben. Niedersachsen besitzt ökologisch wertvolle Küsten- und Meeresbereiche, denen eine sehr hohe Wertigkeit zugewiesen ist. Sollte diese Wertigkeit für die Richtlinie übernommen werden, könnte dies für das Land Niedersachsen z. B. bei der Energiegewinnung wegen entsprechender Kompensationsverpflichtungen mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden sein.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wer legt in der Bundesrepublik Deutschland die Merkmale eines „guten Umweltzustands“ der Meere fest, wie wird die Landesregierung dabei beteiligt, und welches Leitbild bzw. welcher Zeithorizont wird einem guten Zustand zugrunde gelegt?

2. Wie will die Landesregierung darauf hinwirken, dass bei der Festlegung der nationalen Merkmale eines „guten Umweltzustands“ im Sinne der Nachhaltigkeit ökonomische, soziale und ökologische Aspekte eine gleich hohe Priorität erhalten?

3. Die Umsetzung der Meeresstrategie-Richtlinie wird sehr wahrscheinlich auch für Niedersachsen

mit hohen Kosten verbunden sein. Gibt es finanzielle Abschätzungen, welche Kosten dem Land schon bisher durch die Erfüllung der EU-Wasserrahmenrichtlinie entstanden sind?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Sander wird die Fragen beantworten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EU-Kommission hat Ende 2005 einen Entwurf für eine Meeresstrategie-Richtlinie vorgelegt. Dieser geht auf einen Ratsbeschluss zurück, wonach in Europa eine starke, integrierte Politik für den Meeresschutz entwickelt werden soll.

Deutschland - auch Niedersachsen - setzt sich für eine Meeresschutzrichtlinie ein, weil die bestehenden internationalen Konventionen, wie z. B. das Oslo-Paris-Abkommen zum Schutz des Nordostatlantiks, keine rechtliche Bindungswirkung entfalten.

Niedersachsen profitiert als Küstenland von einer gesunden Meeresumwelt. Auch für die maritime Wirtschaft und die küstennahe Industrie sind einheitliche Rahmenbedingungen von großer Bedeutung, damit sich in Europa keine Wettbewerbsverzerrungen bezüglich der Nutzung der Küsten und Meere ergeben.

Die Kommission hat sich bei ihrem Richtlinienvorschlag von der Wasserrahmenrichtlinie leiten lassen, die seit nunmehr fünf Jahren existiert. Von dem Richtlinienentwurf werden das Küstengewässer ab der so genannten Basislinie und die sich anschließende Ausschließliche Wirtschaftszone erfasst. Damit schließt die MeeresstrategieRichtlinie nicht nur an den Geltungsbereich der Wasserrahmenrichtlinie an; es gibt vielmehr große räumliche Überschneidungen, die das komplette Küstenmeer betreffen. Dies ist ein Punkt, den Niedersachsen anlässlich der Befassung im Bundesrat Anfang März beanstandet hat. Darüber hinaus gibt es weitere Kritikpunkte.

Insgesamt ist der Kommission nach meiner Einschätzung mit dem Richtlinienvorschlag kein großer Wurf gelungen; vielmehr gibt es erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: So, wie der Richtlinienentwurf derzeit angelegt ist, würde der gute Umweltzustand der Meere in den Regionalabkommen zu entwickeln sein. Das sind das Oslo-Paris-Abkommen für den Nordostatlantik und das Helsinki-Abkommen für die Ostsee. Die Festlegung der Merkmale eines guten Umweltzustands wäre dann nach Artikel 9 der Richtlinie Sache der Mitgliedstaaten. Artikel 11 sieht außerdem eine Genehmigungspflicht der Kommission vor.

Überwiegend erfolgt die Vertretung in den bestehenden Meeresschutzorganisationen durch das Bundesumweltministerium oder das Umweltbundesamt. Die Länder werden im Rahmen von Vorbesprechungen beteiligt und müssen sich in Zukunft noch stärker einschalten.

Ein Leitbild für einen guten Meereszustand ist in dem Richtlinienvorschlag nicht enthalten. Es werden lediglich einige Elemente genannt, die zu berücksichtigen sind. Die Definition eines guten Meereszustandes soll aus einem ganzheitlichen Ansatz entwickelt werden. Damit erwächst ein großer Bedarf für die Meeresforschung, insbesondere auch in Niedersachsen.

Als Zeithorizont für den guten Meereszustand nennt der Richtlinienvorschlag das Jahr 2021. Einigen Mitgliedsstaaten wie Schweden ist dieser Zeitrahmen zu wenig ehrgeizig. Aus niedersächsischer Sicht erscheint er realistisch, weil er sich insbesondere mit dem Ziel der Wasserrahmenrichtlinie deckt, prioritäre gefährliche Stoffe aus der Meeresumwelt bis zum Jahr 2020 zu verbannen.

Zu Frage 2: Der Richtlinienvorschlag verlangt von den Mitgliedsstaaten, bei der Erstellung von Maßnahmenprogrammen dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung und insbesondere den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen angemessen Rechnung zu tragen. Dem könnte z. B. dadurch Rechnung getragen werden, dass, wie bei der Wasserrahmenrichtlinie, die Maßnahmenpläne von der Landesregierung, also durch Kabinettsbeschluss, festgesetzt werden.

Zu Frage 3: Für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sind dem Land Niedersachsen bisher Kosten in Höhe von rund 7 Millionen Euro entstanden. Eine seriöse Schätzung der Kosten, die sich aus der Meeresstrategie-Richtlinie ergeben könnte, ist nach meiner Auffassung derzeit nicht möglich. Unser Nachbarland Niederlande befürchtet - diese

Zahl möge sich jeder verinnerlichen - 135 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten, die in Ergänzung zu den Kosten der Wasserrahmenrichtlinie bereitgestellt werden müssten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, passend zu diesem Thema hat auf der Tribüne soeben eine Parlamentariergruppe aus den Niederlanden Platz genommen. Ich darf unsere Nachbarn herzlich begrüßen. Wir freuen uns, dass Sie hier sind.

(Beifall im ganzen Hause)

Zu einer Zusatzfrage hat sich der Kollege Heineking gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Richtlinienvorschlag wirft meiner Meinung nach zwei wichtige Fragen auf:

Erstens. Wie kann die im Kommissionsvorschlag geforderte Analyse unter wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzungsaspekten erstellt werden?

Zweitens. Wie können insbesondere die ökologischen Kosten einer Verschlechterung der Meeresumwelt berechnet werden?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heineking, wir brauchen noch besondere Hinweise von der Kommission. Alles, was im Augenblick vorhanden ist, ist im Grunde genommen sehr nebulös. Deshalb ist dies wichtig. Diese Forderung müssen wir auch als Bundesrepublik Deutschland stellen. Einige andere Staaten haben die Kommission bereits darauf hingewiesen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Biester stellt eine Zusatzfrage.

Herr Minister Sander, Sie haben in Ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass es bereits eine Fülle von internationalen Verträgen gibt - von nationaler Gesetzgebung und Aktionsprogrammen -, die alle das Ziel des Umweltschutzes im Bereich des Meeres beinhalten. Für den Betrachter scheint es sich so darzustellen, dass mit der Richtlinie der EU noch etwas oben draufkommen wird. Wie kann erreicht werden, dass eine gewisse Harmonisierung der gesamten Projekte, Gesetze und Verträge erfolgt und letzten Endes nicht auf ohnehin schon vorhandene Projekte noch draufgesattelt wird?

Herr Präsident! Sehr geehrter Kollege Biester, Sie haben richtig darauf hingewiesen, dass wir eine sehr viel bessere Verzahnung brauchen. Wir haben schon im Rahmen der Bundesratsbefassung darauf aufmerksam gemacht. Wir haben deutlich gemacht, dass wir bei den weiteren Beratungen in der Kommission mitarbeiten wollen und müssen, um unsere spezifischen norddeutschen Meeresinteressen durchsetzen zu können und immer wieder darauf hinzuweisen. Die einzige Möglichkeit ist, mehr Transparenz von der Kommission einzufordern, damit wir dort mehr einwirken können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort hat nun Herr Kollege Hegewald. Bitte schön!

Reinhard Hegewald (CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sander, sieht die Landesregierung eine Gefahr darin, dass es keine klare Abgrenzung zur Wasserrahmenrichtlinie und zur FFH-Richtlinie gibt und es somit zu einem komplizierten Nebeneinander von Regelungen kommen wird?

Vielen Dank, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege, das ist ganz interessant: Diese Überschneidungen gibt es. Darauf haben wir auch die Kommission hingewiesen. Die Kommissi

on sagt, das sei gewollt. Aber wenn diese Überschneidung gewollt ist, dann sollten wir die Möglichkeit nutzen, dass die Wirkungen sich ergänzen, und nicht die Wasserrahmenrichtlinie auf der einen Seite und die Meeresschutzstrategie auf der anderen Seite getrennt behandeln und verwirklichen müssen. Insofern ist das, was die Kommission sagt, auch für uns und unsere Fachleute manchmal nicht ganz einsichtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Wir wechseln jetzt von Emden nach Borkum. Bitte schön, Herr Kollege Ontijd!