Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

nerberatung konzentrieren. Demgegenüber hat Ihre ehemalige Sozialministerin in Verkennung der Haushaltslage die Fördermittel für die lebensweltbezogene Mädchenarbeit im letzten Jahr aber noch einmal ausgeweitet, was ich für eine Schande und Verantwortungslosigkeit sondergleichen halte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Inzwischen ist auch bekannt, woher der Begriff „links“ kommt, wenn man von Sozialdemokraten redet. Ihre Sozialpolitik ist wie zwei linke Hände, die helfen wollen. All Ihre Förderprogramme führen immer nur zu völlig falschen Anreizwirkungen und wecken Begehrlichkeiten, die weder Sie noch wir decken können. Leidtragende sind dann die Menschen in den Kommunen vor Ort, denen Sie vorgaukeln, es wäre Geld da, das aber weder zu Ihrer noch zu unserer Regierungszeit vorhanden gewesen ist. Sie stellen sich jetzt hier hin, versuchen, die Welt neu zu erfinden, und führen sich auf als Gutmenschen.

Momentan wird das Landesblindengeld zusätzlich zur Bundeshilfe im Rahmen des BundesSozialhilfegesetzes pauschal ausgezahlt; egal, ob Arm oder Reich.

(Zurufe von der SPD)

- Lassen Sie sich das von einem angehenden Augenarzt ruhig einmal sagen. - Deshalb dient es nicht zur Deckung des durch die Blindheit bedingten Mehraufwands. Das bedeutet doch, dass wir auch in diesem Bereich sparen und das zur Verfügung stehende Geld zumindest gezielter einsetzen müssen, als Sie es in der Vergangenheit getan haben. Selbst der Behindertenbeauftragte des Landes Niedersachsen musste eingestehen, dass in diesem Bereich Einsparungen möglich und notwendig sind. Im Moment haben wir 500 Euro. Meiner Meinung nach können wir uns aber auch an Größenordnungen von 300 Euro gewöhnen, wie sie in Sachsen-Anhalt und Thüringen längst üblich sind. Damit würden wir auch ein Signal setzen. Wer selbst in diesem Bereich spart, der hat endlich die Zeichen der Zeit erkannt. Das, was Sie nicht getan haben, werden wir als neue Landesregierung tun. Auch im Sozialbereich muss gespart werden.

Was mich am meisten stört, ist, dass Sie sich trotzdem immer noch hier als Gutmenschen hinstellen und so tun, als gebe es noch Geld zu verteilen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich führen die notwendigen Einsparungen zu Härten - Härten in den betroffenen Projekten und auch für die betroffenen Menschen. Aber man muss ganz klar festhalten: Erstens kommen wir ohne diese Härten nicht aus, wenn wir die Handlungsfähigkeit des Landes Niedersachsen weiterhin aufrechterhalten wollen, und zweitens sollten wir die Schuldigen dafür benennen: Das sind Sie! Sie haben in den letzten Jahren überhaupt nicht daran gedacht, erst einmal das Geld zu erwirtschaften, das Sie für Ihre tollen Sozialprojekte ausgegeben haben. Das wird die neue Landesregierung ändern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Helmhold, Sie haben noch einmal das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rösler, lassen Sie mich vorab eine Bemerkung machen. Wenn es bereits vor 20 Jahren lebensweltbezogene Mädchenarbeit, die auch Jungenarbeit ist, gegeben hätte, dann wäre der Frauenanteil in Ihrer Fraktion, auf der Regierungsbank und auch in der CDU-Fraktion heute wahrscheinlich höher.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Zur Sache!)

- Das war ja auch nicht zur Sache, ich kann aber darauf antworten. - Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, dass wir es wichtig finden, dass sich diese Landesregierung und die Koalition an den eigenen Maßstäben messen lassen. Wenn Sie Partnerschaft postulieren, dann halten Sie sie bitte auch ein. Was Sie hier erzählen, stimmt nicht. Sie reden mit den Partnern nicht, sonst hätten die auf diese Kürzungsvorschläge sicherlich nicht so vehement reagiert.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wissen Sie, wie das Herr Gabriel genannt hat?)

Lassen Sie mich noch eines zur Prioritätensetzung sagen. Ich finde es sehr schwierig, die Kleinstförderung auf diese Weise anzugehen. Denn gerade kleine Förderungen haben häufig einen ganz er

staunlichen Effekt: Sie multiplizieren sich in der Anwendung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss erkennen, dass ein eingesetzter Euro wahrscheinlich den Effekt von 100 Euro in der Verbreitung hat. Ehe Sie Kleinstförderprogramme abschaffen, erwarte ich, dass Sie sie evaluieren und dass Sie nachvollziehbar darstellen, warum die sich aus Ihrer Sicht nicht bewährt haben. Denn sonst finde ich es zu einfach, so zu argumentieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist folgender. Ich finde, dass Sie sich mit Ihrer Einschränkung von Präventionsarbeit Probleme schaffen werden, die Sie dann wieder mit viel Geld bekämpfen müssen. Man kann nicht mit Drogenberatung aufhören. Man kann nicht die sozialpädagogische Begleitung von jugendlichen Straftätern drastisch reduzieren. Das potenziert sich doch als Problem in der Zukunft. Damit rechtfertigen Sie dann wieder Ihren Ruf nach immer mehr Polizei. Solche Kreisläufe tragen wir jedenfalls nicht mit. Das kann man nicht als Sozialpolitik verkaufen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Ministerin, wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich als Anwältin der sozial Schwachen im Lande vor solche Anmutungen - 156 Millionen Euro aus diesem ausgequetschten Etat herauszuholen - stellen. Wir hätten beispielsweise auch erwartet, dass Sie sich als Sozialministerin und für Drogenberatung Zuständige gegen die Pläne Ihrer Kollegin Heister-Neumann stemmen, das Spritzenaustauschprogramm in Gefängnissen einzustellen. Es ist doch widersinnig, dass dies innerhalb des Kabinetts nicht diskutiert worden ist und Sie sich dazu nicht zumindest zu Wort gemeldet haben. Das hätte ich von Ihnen erwartet. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt 1 b) liegen mir nicht vor. Er ist damit abgeschlossen.

Wir kommen jetzt zu

c) Rot-grüne Bundesregierung lässt Niedersachsen im Stich - Konzeptionslose und unwirtschaftliche Standortauflösungen führen zu noch mehr Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Regionen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/281

Das Wort zu diesem Antrag hat der Kollege Althusmann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rückblickend auf die gerade stattgefundene Debatte möchte ich noch nur Folgendes anmerken. Eines ist für die Menschen unmissverständlich und deutlich geworden: Diese Landesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen kümmern sich um die wirklichen und wesentlichen Probleme in diesem Land, und sie schlagen Lösungen zusammen mit den Menschen im Dialog vor. Das haben Sie in den vergangenen Jahren überhaupt nicht hinbekommen, Frau Harms.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast 10 000 Soldaten - im Übrigen auch aus Niedersachsen - leisten in diesen Stunden einen unschätzbaren Dienst für den Frieden, für die Freiheit und für die Wahrung von Menschenrechten, meist unter Gefahr für Leib und Leben, teilweise sogar unter Verlust ihres eigenen Lebens.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Der Einsatz unserer Bundeswehr im In- und Ausland genießt Anerkennung und Respekt und verdient Dank für einen nicht alltäglichen Dienst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Umso unverständlicher ist eine bald monatlich - gerade von Ihnen - immer wieder angestoßene Diskussion um Standortschließungen, um die Frage der Erhaltung der Wehrpflicht oder aber über eine erneute Reform der Bundeswehr mit den dann damit verbundenen Standortschließungen, bevor überhaupt die alte Reform in irgendeiner Form einmal abgeschlossen worden wäre.

Niemand bestreitet die Notwendigkeit einer umfassenden Modernisierung unserer Streitkräfte, die

Notwendigkeit der Erhöhung des Investitionsanteils im Verteidigungshaushalt, die Notwendigkeit des Erkennens, dass wir eine veränderte sicherheitspolitische Lage, gerade an den Rändern Europas haben, was eine neue Form von Konfliktfähigkeit erfordert. Dennoch darf ich an dieser Stelle unmissverständlich erklären: Es rächen sich die Fehler der Vergangenheit. Es rächt sich die fehlende Ernsthaftigkeit der damaligen SPD-Landesregierung hier in Niedersachsen. Sie haben nämlich die niedersächsischen Interessen – Herr Bartling, ich schaue Sie an - bei Ihrer Bundesregierung in der Vergangenheit in keinster Weise gewahrt. Sie, Herr Gabriel - der ehemalige Ministerpräsident -, haben völlig überzogene und überproportionale Reduzierungen von Bundeswehrstandorten mit über 11 000 Dienstposten, die hier gestrichen wurden - wie immer sehr schnell, aber meistens wie immer falsch und zu schnell - als tragbar bezeichnet. Eine sicherheitspolitische Begründung dafür gab es nicht. Es fand eine Pseudobeteiligung der Kommunen statt, ebenso wie jetzt auch die Gespräche, die in Berlin stattgefunden haben, nach Aussage von Betroffenen eher eine Farce waren. Und jetzt erfolgt durch einen aus Niedersachsen stammenden Bundesverteidigungsminister, durch einen aus Niedersachsen stammenden Bundeskanzler erneut ein schwerer Schlag für bestimmte Regionen, für strukturschwache Regionen in Niedersachsen. Wer einmal auf die niedersächsische Landkarte schaut, sieht, dass es dort nun wahrlich keine Alternativen gibt.

Mit den geplanten Standortauflösungen des Jagdbombergeschwaders 38 Friesland in Upjever, des Fliegerhorstes Ahlhorn und der Schließung der Bundeswehrfachschule in Oldenburg werden erneut über 1 700 Dienstposten gestrichen. Dies wird in diesen Regionen zu verheerenden Auswirkungen führen. Wir werden feststellen, dass dort mehr Menschen in Arbeitslosigkeit geschickt werden. Dies steht in keinem Verhältnis zu dem angeblich von der Bundesregierung immer wieder in den Vordergrund gestellten Kriterienkatalog.

Die Missachtung dieser Situation werfen wir Ihnen vor. Z. B. die Frage Wangerland, des Standortes, der längst aufgelöst wurde, hat man überhaupt nicht mit in diesen angeblichen Kriterienkatalog einbezogen. Natürlich sage ich auch: Eine wirtschafts- oder arbeitsmarktpolitische Begründung der Bundeswehr ist mit Sicherheit auch in Stationierungsfragen allein zu kurz gesprungen. Aber zumindest müssen Standortschließungen ja auch Sinn machen. Sie müssen finanziell und wirt

schaftlich nachvollziehbar sein. Das, was Herr Struck im Moment dort macht, ist weder finanziell noch in irgendeiner anderen Form nachvollziehbar.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU] und Dr. Philipp Rösler [FDP])

Ich will das an ein paar Beispielen festmachen: Die Verlegung der Flugabwehrraketengruppe 25 im Jahr 2005 von Eydelstedt und Großenkneten nach Schleswig-Holstein ist weder strategisch noch finanziell zu begründen. Nein, vielmehr wird mit dieser Verlegung vermutlich ein Mehrkostenanteil von über 40 bzw. 41 Millionen Euro entstehen. Wir haben dort eine Kaserne, in der noch immer 800 Soldaten tätig sind. Diese Kaserne aufzulösen würde in diesem Moment überhaupt gar keinen Sinn machen, weil dort noch Streitkräfte, Basis und Marine sind.

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel für unwirtschaftliches Handeln dieser Bundesregierung: Der Bund hat im letzten Jahr der Deutschen Bahn AG den Bahnanschluss in Ahlhorn für 1,25 Millionen Euro abgekauft, um die Verlegung der Kampfstaffeln der FlaRak-Gruppe 25 zu Auslandseinsätzen über die Nordseehäfen jederzeit gewährleisten zu können. Auch diese 1,25 Millionen Euro sind jetzt quasi durch diese Standortentscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat, in den Sand gesetzt. In Upjever wurde ein Wirtschaftsgebäude mit über 14 Millionen Euro neu gebaut und gerade erst eingeweiht. Jetzt soll dieser Standort geschlossen werden. Dort wurden 14 Millionen Euro in den Sand gesetzt.

Meine Damen und Herren, es wird überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob von einigen Standorten, wie Schweringhausen, Varrelbusch oder Barnstorf Staffeln nach Ahlhorn oder Großenkneten zusammengefasst werden können, um sie inhaltlich und strategisch zusammenzufassen, um damit sogar Einsparvolumina bis zu knapp 3 Millionen Euro zu erzielen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir stellen jetzt in Niedersachsen die hart treffenden Entscheidungen infrage. Wir sind uns mit Ihnen, auch von der SPD-Fraktion, eigentlich einig. Ich erinnere so an einige Aussagen des Herrn Adam in der letzten Legislaturperiode, der am 25. Januar mal locker und leicht erklärte, dass natürlich immer eine Standortprüfung stattfinden und natürlich die Strukturschwäche einer Region für die Bundesregierung ausschlaggebend sein müsse. Selbst die Grünen - der ehemalige Abgeordnete Golibrzuch haben ausdrücklich gesagt, dass insbesondere

strukturschwache Regionen von Reduzierungen verschont bleiben müssen.

Insofern stelle ich fest, meine Damen und Herren: Es wäre ein gutes Zeichen, wenn von diesem Parlament einstimmig das Signal an diese Bundesregierung ausginge, dass wir nicht bereit sind, erneut klaglos hinzunehmen, dass diese Bundesregierung ohne Sinn und Verstand eine Bundeswehrreform durchsetzt, die am Ende dazu führt, dass Dienstposten wieder in Niedersachsen überproportional gestrichen werden und genau die Regionen getroffen werden, die strukturschwach und von Arbeitslosigkeit gebeutelt sind. Das werden wir nicht hinnehmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat sich der Abgeordnete Hans-Werner Schwarz von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Schwarz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Althusmann hat sehr dezidiert die Situation dargestellt. Ich kann aber unmöglich heute aus diesem Saal herausgehen, ohne etwas zu dieser Situation gesagt zu haben. Ich komme aus einem betroffenen Gebiet und sage Ihnen: Sie finden vor Ort wirklich außergewöhnlich schwierige Situationen vor. Ich spreche von Barnstorf/Eydelstedt. Dort sind insgesamt 500 Soldaten betroffen. Die Familien führen dort Alltagsgespräche nur mit dem Schwerpunkt Standortverlegung. Dort wird die Existenz in ernsthafter Weise bedroht. Es gibt Familien, die Häuser gekauft haben und diese Häuser nicht mehr abstoßen können, weil es keine Nachfolgeregelung gibt, und Ähnliches.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle sagen, dass man mit dem Wort „Skandal“ im Prinzip sehr vorsichtig umgehen sollte. Aber das, was dort passiert ist, nähert sich ernsthaft einem Skandal.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)