Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung vom 9. Mai 2006 zwar auf die eidesstattliche Versicherung des Versetzungsbewerbers gestützt, zugleich, meine Damen und Herren - ich bitte Sie, das wirklich zu berücksichtigen und sich zu vergegenwärtigen -, aber auch betont, dass mit der in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgenommenen Würdigung der vorliegenden Erklärungen keine endgültige Bewertung des Wahrheitsgehalts der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers und der dienstlichen Erklärung des Staatssekretärs verbunden sei. Eine endgültige Klärung dieses Sachverhalts könne nur durch eine Beweisaufnahme herbeigeführt werden, die indessen einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibe.

Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren, beantworte ich die der Landesregierung gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1 verweise ich auf die vorangestellte Vorbemerkung im Hinblick auf die persönlichen und dienstlichen Berührungspunkte.

Zu 2 verweise ich zunächst wiederum auf die vorangestellte Vorbemerkung. Ich möchte aber im Übrigen darauf hinweisen, dass die im September 2004 erfolgte Ausschreibung der Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Hannover ohne weiteres mit dem seinerzeit verhängten Einstellungsstopp vereinbar war. Die Neubesetzung vakanter Beförderungsstellen war durch die Maßnahme zu keinem Zeitpunkt gehindert.

Zu 3: Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist strafbar und mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Die Abgabe unwahrer Erklärungen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann als Dienstvergehen überdies Gegenstand eines Disziplinarverfahrens sein und zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme führen.

Aber - das ist hier sehr wichtig - eine abschließende Bewertung muss einem etwaigen gerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben. Deshalb bitte ich schon an dieser Stelle um Verständnis dafür, dass ich vor dem Hintergrund der laufenden Verfahren hier keine Aussage zu den abgegebenen Erklärungen vortragen werde. Das wären der falsche Zeitpunkt und die falsche Stelle. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Briese. Bitte!

Ich finde das Verfahren mehr als verwirrend. Vielleicht kann die Landesregierung diesem hohen Hause noch einmal detailliert und genau erläutern, wie das offizielle Verfahren zur Besetzung von Gerichtspräsidentenstellen in Niedersachsen genau funktioniert. Wie läuft das formaljuristische Verfahren, bzw. wie verläuft die juristische Bestenauslese in Niedersachsen? Welche Konsequenzen wollen Sie aus dem jetzt laufenden Verfahren ziehen?

Danke schön. - Herr Kollege Briese, ich halte Sie damit einverstanden, dass wir das als zwei Fragen werten.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Das waren eigentlich fast vier Fragen!)

Für die Landesregierung antwortet Frau Justizministerin Heister-Neumann. Bitte!

Wenn das nur eine Frage war, dann werde ich die eine Frage, also den ersten Teil, beantworten. Das Verfahren zur Besetzung der Stellen in der niedersächsischen Justiz gestaltet sich wie folgt - das ist in den anderen Bereichen genauso -:

Zunächst wird die Stelle ausgeschrieben. Die Ausschreibung wird in der Niedersächsischen Rechtspflege und im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht. Das Justizministerium schreibt grundsätzlich unbeschränkt aus.

Wenn Bewerbungen vorliegen, erstellt das jeweilige Gericht den so genannten Besetzungsbericht. Ich hatte in meiner Eingangsschilderung darauf hingewiesen, dass in diesem speziellen Verfahren ein Besetzungsbericht des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vorlag. Dem Besetzungsbericht liegt eine aktuelle Anlassbeurteilung zugrunde.

Aufgrund dieser Anlassbeurteilungen und der Besetzungsberichte treffen wir eine Entscheidung. Bei Stellen in dieser Größenordnung legen wir unsere Auswahlentscheidung dem Kabinett zur Entscheidung vor. Dann wird die Stelle entsprechend besetzt.

Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Nacke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einleitung und insbesondere die Überschrift dieser Frage suggerieren, dass beim Verfahren zur Besetzung der Stelle des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Hannover ein Bewerber aus Sachsen-Anhalt bevorzugt werden sollte. Ich frage die Landesregierung: Hat sie Erkenntnisse darüber, dass dieser Bewerber aus Sachsen-Anhalt während des Besetzungsverfahrens bevorzugt werden sollte oder bevorzugt wurde?

Danke schön. - Für die Landesregierung Frau Ministerin Heister-Neumann!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist Ge- genstand des Verfahrens!)

Nein.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Bockmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ja dankbar, dass die Ministerin diese Anfrage beantwortet hat und wir nun darüber diskutieren können. Noch am gestrigen Tage hatte sie nämlich unseren Geschäftsführer Herrn Möhrmann gebeten, sie zurückzuziehen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie hat auch erklärt, warum!)

Das OVG Lüneburg hat seiner Entscheidung das Vorbringen des Antragstellers, also des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Halle, zugrunde gelegt und dabei berücksichtigt, dass er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Sie wissen, eine eidesstattliche Versicherung ist strafbewehrt, und gerade der Präsident eines Verwaltungsgerichts dürfte sich durchaus darüber im Klaren gewesen sein, welche Folgen die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung hätte.

Aber wenn es so ist, wie es ist, warum hat dann der Staatssekretär eine dienstliche Erklärung nach der Marke „Heilpflaster Placebo“ abgegeben, die, wenn sie falsch ist, überhaupt keine Konsequenzen nach sich zieht? Warum hat er nicht auch eine ernsthafte eidesstattliche Versicherung abgegeben?

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Landesregierung Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn jemand im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung Behauptungen aufstellt, dann ist es absolut üblich, dass derjenige, der angesprochen wird, in einer bestimmten Form darauf reagiert. Und das hat unser Staatssekretär mit der Abgabe der dienstlichen Erklärung getan.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Die Frage ist nicht beant- wortet!)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Möhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich: Da mieten zwei hochkarätige Juristen in Hannover ein Haus - das wird auch an keiner Stelle bestritten -, und gestern kommt die Ministerin zu mir und sagt, sie könne in dieser Sache nicht antworten, weil es noch ein rechtsförmliches Verfahren gibt. Heute allerdings bekommen wir nun eine ausführliche Antwort. Aber auf die entscheidenden Fragen, die wir gestellt haben, ist diese Antwort nicht eingegangen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ja, was denn nun?)

Herr Möhrmann, die Zeit für die Einleitung der Frage ist abgelaufen. Jetzt müssen Sie fragen.

Ich möchte von der Landesregierung wissen: Warum ziehen die beiden hochkarätigen Juristen nach ihrer Meinung wohl nach Hannover um, wenn sie eigentlich damit rechnen müssen, dass der Kreis der Bewerber auf Niedersachsen eingeschränkt wird?

Herzlichen Dank, Herr Kollege Möhrmann. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann.

Sehr geehrter Herr Möhrmann, in Ihrer Eingangsschilderung haben Sie Ihre Frage eigentlich schon selbst beantwortet. Was ich Ihnen vortragen kann, das habe ich Ihnen vorgetragen, nämlich den tatsächlichen Ablauf dieses Besetzungsverfahrens. Aber zu den Inhalten, die zum Teil strittig sind, kann ich nichts sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das haben Sie eben sogar selbst erkannt. Ich möchte die in dem Besetzungsverfahren beteiligten Personen jedenfalls nicht beschädigen. Ich hoffe, dass das auch nicht Ihr Interesse ist. Deshalb sollten Sie sehr vorsichtig sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Frage, warum jemand schon sein Haus verkauft, obwohl ein Besetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen und entschieden ist, müssen Sie ihm selber stellen. Ich würde das nicht tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Plaue. Bitte!

Herr Kollege Nacke, den Begriff „AmigoWirtschaft“, den wir in der Überschrift dieser Anfrage verwendet haben, haben nicht wir erfunden, sondern die Presse, die diesen Vorgang aufgegriffen hat. So ist das Leben nun mal!

(Norbert Böhlke [CDU]: Sie müssen sich nicht entschuldigen, Herr Plaue!)

- Ich entschuldige mich gar nicht. Wenn ich etwas schreibe, dann stehe ich in der Regel dazu - ganz im Gegensatz zu anderen in diesem hohen Hause.

Frau Ministerin, Sie sagen selbst, dass der Herr Staatssekretär mit dem Bewerber ein Gespräch geführt hat. Als Folge dieses Gesprächs verkauft der Bewerber nun sein Haus und zieht nach Niedersachsen. Das Bewerbungsverfahren, das zunächst regional offen war, wird plötzlich aus nicht nachvollziehbaren Gründen mit einer regionalen Auswahlkomponente versehen. Sind Sie auch aus Ihrer Lebenserfahrung heraus nicht ebenfalls der

Meinung, dass das Verfahren, das Sie hier organisiert haben, höchst anrüchig ist und einer parlamentarischen Überprüfung bedarf?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Was!)

Für die Landesregierung Frau Ministerin HeisterNeumann!