Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Im Gegen- teil!)

- Im Gegenteil! - Weil aber - aus welchen Gründen auch immer - die Robert-Bosch-Stiftung in Niedersachsen überwiegend mit Gesamtschulen zusammengearbeitet hat, ist es zu dieser Vorschlagsliste gekommen. Das ist der Hintergrund gewesen, der dabei eine wichtige Rolle gespielt hat.

In der Situation hat das Niedersächsische Kultusministerium in den ersten Gesprächen gesagt: Es kann nicht angehen, dass die gute pädagogische Arbeit, die wir in den anderen Schulformen wie Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien im Lande Niedersachsen vorfinden, in diesem Projekt völlig unberücksichtigt bleiben soll. Das Kultusministerium hat dann eine Vorschlagsliste vorgelegt, auf der Hauptschulen, Haupt- und Realschulen, eine Realschule und ein weiteres Gymnasium verzeichnet waren. Gemeinsam hat man dann eine Vorschlagsliste für Niedersachsen entwickelt, auf der drei Hauptschulen, eine Haupt- und Realschule, ein Gymnasium und zwei Integrierte Gesamtschulen gestanden haben. Das heißt, das Kultusministerium hat im Grunde genommen nur die Vorschlagsliste der Robert-Bosch-Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung um pädagogisch gut arbeitende Schulen aus Niedersachsen erweitert.

(Beifall bei der CDU)

Immerhin hat es dann im Programmbeirat des Projektes „Reformzeit“ eine Rangliste für niedersächsische Schulen gegeben. Es ist ganz interessant, dass die zwei vorgeschlagenen Integrierten Gesamtschulen auf Platz 1 und 3 standen - das ist eine hervorragende Leistung -, aber drei weitere niedersächsische Schulen - keine Gesamtschulen - auf den Plätzen 7, 8 und 9 standen und somit unter den ersten 10 waren. Von daher ist sehr deutlich geworden, dass im Lande Niedersachsen auch Haupt- und Realschulen und Gymnasien eine entsprechend gute pädagogische Arbeit leisten, die ebenfalls für das Projekt „Reformzeit“ infrage gekommen wären.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nachdem diese Liste für das Projekt „Reformzeit“ nicht übernommen worden ist, hat das Kultusministerium entschieden, dass sich das Land aus dieser Veranstaltung verabschieden müsse, und hat auf eine weitere Beteiligung verzichtet.

Wir halten es für sinnvoll und für mehr als notwendig, die gute pädagogische Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen, in den Schulen, die sich genauso anstrengen wie die Kolleginnen und Kollegen in den Gesamtschulen, genauso zu würdigen und in das Projekt „Reformzeit“ mit einzubeziehen. Deswegen plädieren wir für „Sach- und Rechtslage“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

Ich schließe die Aussprache über die beiden Eingaben.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich rufe zunächst die Eingabe 2696 betreffend Fitnesslandkarte Niedersachsen auf. Dazu gibt es zwei gleich lautende Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD, „Berücksichtigung zu beschließen. Wer den Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Der Antrag der beiden Fraktionen ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, „Sach- und Rechtslage“ zu beschließen. Wer dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Dann kommen wir zur Eingabe 2906 betreffend Teilnahme niedersächsischer Schulen am Projekt „Reformzeit“; darüber haben wir gerade gesprochen. Auch dazu liegen zwei gleich lautende Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD vor, „Berücksichtigung“ zu beschließen. Wer dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Die beiden Anträge sind abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, „Sach- und Rechtslage“ zu beschließen. Wer dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

Wie ich angekündigt hatte, kommen wir nun zu

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Gerichtsnahe Mediation weiter ausbauen! Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3008

Zur Einbringung des Antrages hat Frau Kollegin Grote das Wort. Bitte schön!

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was passiert, wenn zwei sich streiten? Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, denken bestimmt: Dann freut sich der Dritte. Aber dieses Sprichwort meine ich nicht. Also, was passiert, wenn zwei sich streiten? Nun ja, Sie werden jetzt vielleicht denken: Zunächst einmal sollten beide Parteien versuchen, sich zu verständigen, und vielleicht die Hilfe von Schiedsleuten in Anspruch nehmen, um eine Lösung des Problems zu finden. - Das wäre die einfachste Variante. Es klappt aber leider nicht immer.

Viele streitende Parteien treffen sich dann vor Gericht wieder. In der Regel beschränkt sich das Gericht nur auf die Lösung des vorgetragenen juristischen Sachverhaltes. Der juristische Sachverhalt ist aber oft nur die Hälfte des Streites, der die Beteiligten vor Gericht gebracht hat. Die eigentlichen so genannten Beziehungsprobleme, die sich hinter diesem Streit verbergen, können vor Gericht kaum beachtet werden. Die beteiligten Parteien erhalten nach einiger Zeit der Verhandlung eine richterliche Entscheidung. Der Beschluss bzw. das Urteil kann aber in den seltensten Fällen die Vorstellungen aller Beteiligten erfüllen. Diese Tatsache erschwert die Ausführung der richterlichen Entscheidungen zunehmend, sodass häufig zur Durchsetzung dieser Entscheidungen staatlicher Zwang angewendet werden muss.

Um hier eine bessere und mehr befriedende Lösung für alle Beteiligten zu finden, wurde in der letzten Legislaturperiode von der SPD-Landesregierung das Modell der gerichtsnahen Mediation in Niedersachsen an einigen Gerichten eingeführt. Zur Mediation ausgebildete Richterinnen und Richter versuchen, nach Klageerhebung den Streit so zu schlichten, dass eine interessengerechte und zukunftsorientierte Lösung für alle Beteiligten gefunden wird. Durch die Neutralität der Richtermediatorinnen und Richtermediatoren ist es mög

lich, die völlig zerstrittenen Beteiligten außerhalb der eigentlichen Gerichtsverhandlung an einen Tisch zu holen und auch die Beziehungsprobleme zu durchleuchten. Die Beteiligten erkennen innerhalb des Verfahrens sehr schnell, dass eine von ihnen selbst erarbeitete Lösung viel tragfähiger und nachhaltiger ist als eine mögliche richterliche Entscheidung. Oft betrachten die Beteiligten das Mediationsverfahren als persönlichen und sachlichen Gewinn. Kurzum: Eine gerichtsnahe Mediation kann mit wenigen finanziellen Mitteln innerhalb kurzer Zeit eine konstruktive, individuelle, zukunftsorientierte, kooperative und tragfähige Lösung bringen, gerade dann, wenn die beiden beteiligten Parteien eine eigene Lösung zuvor bereits aufgegeben hatten.

In reinen Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies: Im Modellzeitraum September 2002 bis Februar 2005 haben die streitenden Parteien von rund 2 000 Gerichtsverfahren einer Mediation zugestimmt. Insgesamt wurden 1 500 Mediationsverfahren abgeschlossen. Eine individuelle Lösung wurde innerhalb des genannten Zeitraumes in 75 % aller Fälle erreicht. 90 % der Beteiligten würden das Verfahren der Mediation wieder wählen.

Wir von der SPD-Landtagsfraktion finden, dass diese Zahlen für sich sprechen. In keinem anderen Verfahren wird innerhalb kürzester Zeit eine so hohe Zufriedenheit aller Beteiligten erreicht. Andere Bundesländer wie Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt haben dies bereits erkannt und übernehmen das niedersächsische Modellprojekt zur gerichtsnahen Mediation. Selbst auf EU-Ebene wird die gerichtsnahe Mediation gelobt.

Bei so viel positivem Zuspruch ist es an der Zeit, die gerichtsnahe Mediation an allen niedersächsischen Gerichtsstandorten dauerhaft einzuführen. In diesem Zusammenhang aber haben wir uns gewundert, dass die Landesregierung den positiven Zuspruch offensichtlich nicht teilt. So hat der Staatssekretär Dr. Oehlerking in der Pressemitteilung vom 30. März 2006 zum Thema „gerichtsnahe Mediation“ Folgendes geäußert. Frau Präsidentin, Ihre Zustimmung voraussetzend, möchte ich daraus kurz zitieren: „Mediation durch Richter kann nur eine Übergangslösung sein; denn wir wollen, dass sich die Justiz auf ihre Kernaufgaben, die Rechtsprechung, konzentriert.“ Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Staatssekretär auch hier keine glückliche Figur macht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Dr. Noack, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick ein unterstützenswerter Antrag, auf den zweiten Blick ein wenig zu simpel! Auch die Stoßrichtung, die aus dem letzten Satz deutlich geworden ist, passt nicht zur Mediation.

Was ist das eigentlich, gerichtsnahe Mediation? Es ist eigentlich ein Ausdruck, der den Sachverhalt nicht richtig trifft. Es ist nämlich keine gerichtsnahe Mediation, sondern es ist eine gerichtliche Mediation, ein Verfahren, das innerhalb der Gerichte läuft, also nicht etwa im Vorfeld, sondern eingeleitet wird, nachdem bereits Klage erhoben ist und nachdem im Regelfall eine Klageerwiderung vorliegt. Dann hat man nämlich den Streitstoff. Man weiß, worüber man redet.

In diesem Verfahren ist es dann möglich, durch Zustimmung der beteiligten Parteien das gerichtliche Streitverfahren gleichsam anzuhalten und in ein gerichtliches Mediationsverfahren überzuleiten. Das Wesentliche an diesem Verfahren besteht darin, dass nicht etwa der Richter oder die Kammer, die zur streitigen Entscheidung berufen ist, dieses Verfahren fortsetzt, sondern ein anderer Richter, eine andere Richterin, der oder die auch eine spezielle Ausbildung im Bereich der Mediation hat.

Das bedeutet, das Verfahren wird angehalten, wird übergeleitet in ein Mediationsverfahren. Man kann jederzeit dieses Verfahren wieder in das streitige Verfahren überleiten. Man verliert keine Zeit. Im Gegenteil, dieses gerichtsnahe Mediationsverfahren bringt es mit sich, dass sehr kurzfristig - das ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren - Termin zum Gespräch anberaumt werden kann.

Nachdem zunächst einmal überlegt worden ist, ob möglicherweise diese Mediationsverfahren ohne Anwälte stattfinden sollten, hat man sehr schnell in der Praxis gemerkt, dass die Anwälte tragende Säulen dieses Mediationsverfahrens sind. Sie müssen nämlich davon überzeugt sein, dass es Sinn macht, in einem solchen Verfahren aufeinander zuzugehen, Themen zu erörtern und insbe

sondere noch nicht im streitigen Verfahren enthaltene Problempunkte einzubeziehen.

Nur dann, wenn die Anwälte in der Lage sind, mit ihren Parteien zusammen ein solches Mediationsverfahren durchzuführen, kann man auch zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Für die Anwälte ist das interessant. Denn Verfahren, die sonst eine Fülle von Schriftsätzen, von Arbeit hervorrufen würden, lassen sich so in relativ kurzer Zeit in aller Regel mit hoher Erfolgsquote - über 80 % - beilegen. Die Anwälte verlieren nichts. Es wird gehandhabt, als wäre es ein streitiges Verfahren.

Es kommt ein Weiteres hinzu. Wenn Sie in einem solchen Mediationstermin eine Einigung erzielt haben, dann kann der Richter, kann die Richterin, der oder die dieses Mediationsverfahren durchführt, als ersuchte Richterin/als ersuchter Richter sofort an Ort und Stelle ein gerichtliches Protokoll aufnehmen. Diese Protokolle, diese gerichtlichen Vergleiche sind vollstreckbare Titel. Das macht einen großen Erfolgsfaktor dieses Verfahrens aus.

Es ist also ein gerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung konsensualer Art mit großen Erfolgsquoten. Es ist nicht zutreffend, dass die Niedersächsische Landesregierung das nicht fördern würde. Im Gegenteil, im Zusammenwirken mit der Niedersächsischen Landesregierung, im Übrigen aber auch unter ständiger positiver Begleitung durch den Rechtsausschuss sind diese Mediationsverfahren in Niedersachsen an nunmehr fast allen Gerichtsstandorten eingerichtet.

Nachdem sie zunächst einmal nur für Landgerichte vorgesehen waren, haben wir sie zwischenzeitlich auch an den Amtsgerichten, und - was von besonderer Bedeutung ist - wir haben sie auch beim Verwaltungsgericht Hannover, beim Verwaltungsgericht in Braunschweig sowie bei den Sozialgerichten in Hannover und Lüneburg. Das bedeutet: Was Sie mit Ihrem Antrag wollen, ist eigentlich schon vorhanden, nämlich eine an fast allen Gerichtsstandorten eingerichtete Mediation.

Es kommt ein Weiteres hinzu. Da dieses Mediationsverfahren bisher lediglich ein Projekt ist, noch nicht gesetzlich festgelegt ist, müssen die Gerichte, müssen die Gerichtspräsidien mitwirken. Nur im Zusammenwirken zwischen Justizministerium und Präsidien ist es möglich, diese Mediationsverfahren einzurichten. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Nach den sehr erfolgreichen Ansätzen z. B. beim Landgericht Göttingen haben andere Ge

richte dieses Modell übernommen. Es ist zu einem Exportschlager Niedersachsens in der Bundesrepublik Deutschland geworden.

Übrigens: Das ist ein Beispiel dafür, dass Wettbewerb im Verfahren unter den Ländern zu durchaus zukunftweisenden Ergebnissen führen kann. Auch ein Argument für die Föderalismusreform!

Was jetzt Not tut, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass wir dieses Verfahren in die Zivilprozessordnung und in die Verfahrensordnungen der anderen beteiligten Gerichtszweige übernehmen. Wir müssen nämlich von einem Projekt hin zu einer in der Zivilprozessordnung zunächst verankerten Verfahrensform überleiten. Es wird der Auftrag, auch an das Justizministerium, sein, zusammen mit dem Parlament, zusammen mit dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, eine solche Initiative auf Bundesebene einzuleiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen werden. Das wäre ein sehr schöner Erfolg für Niedersachsen.

Ich räume durchaus ein - das haben Sie auch gesagt, Frau Kollegin -: Gestartet worden ist das Projekt von der Vorgängerregierung. Wir haben es übernommen, wir haben es deutlich unterstützt, wir haben es im Projektstadium verlängert. Ich meine, wir sollten zusammenwirken, das auch in Zukunft so zu gestalten.

Es ist noch nicht alles bis ins letzte Detail geklärt. Sie wissen, dass es auch eine vorgerichtliche konsensuale Streitschlichtung gibt. Es gibt besonders ausgebildete Mediatoren, die natürlich argwöhnisch darauf achten, ob nicht möglicherweise ihre Tätigkeit und ihre Einkünfte beschnitten werden. Da muss man vernünftige Lösungen finden. Da gilt es, auch wettbewerbsrechtliche Fragen zu klären. Auch das werden wir tun.

Übrigens - damit lassen Sie mich schließen -, was der Staatssekretär zitiert hat, ist nichts anderes als der Beschluss der Justizministerkonferenz. Die hat nämlich Folgendes beschlossen: „Förderung der konsensualen Streitbeilegung. Die gerichtsinterne Mediation“ - das ist das, worüber wir eben geredet haben - „kann als Übergangslösung ein lohnender Weg sein, um konsensuale Streitbeilegung zu fördern.“ Der Staatssekretär hat also nichts anderes gemacht, als die bereits getroffene Festlegung, die einstimmig getroffen worden ist, zu vertreten, was ja auch seine Aufgabe ist. Ich halte die For

mulierung für nicht sonderlich fördernd. Das habe ich auch deutlich gesagt.

Wir sollten - und das machen wir in Niedersachsen ja auch - über die Beschlüsse der Justizministerkonferenz hinaus neue Impulse geben. Aber dafür haben wir ja eine gute Justizministerin. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich jetzt Herr Kollege Briese zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem wir nach diesen Erläuterungen nun erfahren haben, was die Mediation ist, können wir sehr schnell zu den Konklusionen kommen.