Die Robert-Bosch-Stiftung und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, beides Institutionen mit hoher Reputation in Sachen Bildung, haben das Projekt „Reformzeit“ ausgeschrieben, bei dem Schulen ermittelt werden sollten, die sich besonders darum verdient gemacht haben, Schülerinnen und Schüler in ihrer individuellen Entwicklung und gemäß ihren Möglichkeiten optimal zu unterstützen. Ausgesuchte Schulen, so die Idee, sollten Partnerschulen coachen.
Das Projekt sollte sich ursprünglich auf die Bundesländer Berlin, Brandenburg und Niedersachsen erstrecken. In Niedersachsen wurden von den Stiftungen neben einem Gymnasium die GeorgChristoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen und die Integrierte Gesamtschule Franzsches Feld in Braunschweig ausgesucht. Bis zur Auswahl der Projektschulen hatte die Landesregierung wohl
wollend ihre Teilnahme am Projekt zugesagt. Nachdem die Auswahl der benannten Schulen bekannt geworden war, witterte der Kultusminister allerdings Gefahr und fuhr starkes Geschütz zum ideologischen Grabenkampf auf. Niedersachsen, so Kultusminister Busemann an die Adresse der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, könne an dem Projekt nur mitwirken, wenn die teilnehmenden Schulen die Dreigliedrigkeit des niedersächsischen Schulsystems abbilden. Das Kultusministerium machte der Stiftung eigene Vorschläge mit Hauptschulen und Gymnasien. Zu Recht, wie wir finden, sind die Stiftungen auf diesen Kuhhandel nicht eingegangen. Sie verwiesen darauf, dass ihnen die pädagogische Qualität wichtiger sei als die Schulform.
Minister Busemann allerdings blieb stur und zog die Teilnahme Niedersachsens zurück. Die Folgen dieser Entscheidung sind absurd: Zwei Integrierte Gesamtschulen mit herausragenden pädagogischen Erfolgskonzepten dürfen nun zwar ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Schulen in Brandenburg und Berlin weitergeben, in Niedersachsen ist ihr Wissen dagegen anscheinend nicht erwünscht, bzw. sie können niedersächsische Schulen nicht coachen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht nur befremdlich, dass mit dem Ausstieg aus dem Projekt „Reformzeit“ die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung brüskiert wird - deren Präsidenten sind Christina Rau und Lothar Späth, und Hessens Ministerpräsident Koch gehört zu den Mitgesellschaftern, um nur einige prominente Mitglieder dieser Stiftung zu nennen -, es ist vor allem - das ist wohl entscheidend - ein bildungspolitischer Skandal, aufgrund ideologischer Verbohrtheit
ausgesuchten Schulen, die sich bereits bei der Förderung und Integration lernschwacher Kinder hervorgetan haben, die Teilnahme an einem Projekt zu verweigern, in dem sie als Beraterschule andere Schulen an ihren Erfahrungen und Kompetenzen teilhaben lassen könnten. Hier lässt man Beratungs- und Reformpotenzial bewusst brach liegen, weil die pädagogische Wertschätzung, die
den betroffenen Gesamtschulen im Projekt zuteil wird, nicht mit dem eigenen schulpolitischen Credo in Einklang zu bringen ist, bei dem Gesamtschulen des Teufels sind und nur als Auslaufmodell geduldet werden.
„Wie gehen Schulen mit der natürlichen und sozial bedingten Unterschiedlichkeit von Kindern und Jugendlichen um?“
„Wie können sie lernen, diese als Lernchance zu verstehen und zu nutzen? Andere Länder, so PISA, sind darin sehr viel besser als wir. Deutschland hat Nachholbedarf.“
Meine Damen und Herren, das Kultusministerium ist aus dem Projekt vermutlich deshalb ausgestiegen, weil die von den Stiftungen ausgewählten Schulen mehrheitlich Gesamtschulen sind und das Projekt damit implizit attestiert hat, dass das von CDU und FDP propagierte Schulsystem dem oben genannten Nachholbedarf offenbar nicht gerecht wird.
Wir teilen die Haltung der Petenten, dass die Gründe für die Nichtteilnahme Niedersachsens am Projekt „Reformzeit“ nicht hinnehmbar sind und die Entscheidung revidiert werden muss. CDU und FDP haben mit Mehrheit für „Sach- und Rechtslage“ gestimmt. Wir stellen die Eingabe strittig und empfehlen „Berücksichtigung“.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ein oder zwei Ergänzungen zu dem eben Gesagten machen. In der Stellungnahme des Niedersächsischen Kultusministeriums zu der Frage, wie man mit der Beratungskompetenz guter niedersächsischer Schulen umgeht, heißt es:
„Mit dieser Entscheidung ist aber keineswegs in Zweifel gestellt, dass an niedersächsischen Schulen hervorragende Arbeit im Hinblick auf die individuelle Förderung und Unterstützung jeder Schülerin und jedes Schülers geleistet wird. Weiterhin wird keine niedersächsische Schule daran gehindert, ihre Erfahrungen anderen Schulen beratend zur Verfügung zu stellen.“
„Deshalb wurde den von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ausgewählten Schulen freigestellt, für Schulen in Berlin und Brandenburg Beratung anzubieten, die am Projekt ‚Reformzeit‘ teilnehmen.“
Das kann doch wohl nicht wahr sein! Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass man bereit ist, die Kompetenz und den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern in diesem Land, die von diesem Land bezahlt werden, zwar mehrfach anzuerkennen, ihnen aber gleichzeitig zu sagen: Ihr dürft überall beraten, aber bitte schön nicht in Niedersachsen. Von daher ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum
die Landesregierung bei ihrer Position bleibt - das wird auch geschrieben - und sagt: Nur dann, wenn sich das gegliederte Schulsystem bei den beratenden Schulen widerspiegelt, ist eine Beratung auch niedersächsischer Schulen angemessen. - Ich kann nur sagen: Das ist schlicht und einfach ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die gute Arbeit leisten.
ausgewählt - zwei Gesamtschulen und ein privates Gymnasium. Eine dieser Schulen, die Gesamtschule Franzsches Feld, ist für den Deutschen Schulpreis 2006 nominiert worden. Dieser Schulpreis soll am 11. Dezember durch den Herrn Bundespräsidenten an die Schulen verliehen werden.
Alle nominierten Schulen, zu denen auch diese Schule gehört, sind eingeladen worden. Bei einer so hohen Auszeichnung für eine Gesamtschule, nämlich zunächst einmal nominiert und eventuell sogar Preisträger zu werden, täte auch eine Landesregierung aus meiner Sicht gut daran, wenn sie sagen würde: Bei allen Differenzen, die wir in der Sache zum System haben, wollen wir das anerkennen und die Kompetenzen dieser Schule auch anderen niedersächsischen Schulen zur Verfügung stellen, die bereit sind, sich auf diese Art und Weise coachen zu lassen.
Schauen wir mal! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meines Erachtens ist das Problem, um das es hier geht, eine gewisse Vorgeprägtheit, die bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und bei der Robert-Bosch-Stiftung aufgrund ihrer vorherigen Arbeit mit niedersächsischen Schulen gegeben war.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist ja eine Unverschämt- heit!)
- Nein, ich habe gesagt: eine Vorgeprägtheit. Das heißt, man hat Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einer Reihe von niedersächsischen Schulen gehabt. Das ist doch keine Beschimpfung von irgendwem! Das ist eine Feststellung.
Insbesondere die Robert-Bosch-Stiftung hat mit einer Reihe von niedersächsischen Schulen zusammengearbeitet. Die Vorschlagsliste, die vor dem Auswahlverfahren bereits von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung vorgelegt worden ist, enthielt Schulen aus Niedersachsen, die man aufgrund der Zusammenarbeit mit der Robert-KochStiftung bereits kannte. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Gesamtschulen. Das ist nichts Negatives, sondern einfach eine Feststellung von Tatsachen - nicht mehr und nicht weniger.
(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das hat vielleicht etwas mit Arbeitsqualität zu tun!)
- Nein, das hat nichts mit Qualität zu tun. - Man muss sich einmal anschauen, wie die Zusammenarbeit in der Vergangenheit zustande gekommen ist. Sie ist dadurch zustande gekommen, dass sich z. B. Schulen aus eigenem Antrieb heraus mit der Robert-Bosch-Stiftung zusammengetan haben, um bestimmte Projekte durchzuführen. Auch das ist nichts Negatives.