Protokoll der Sitzung vom 15.03.2011

(Beifall bei der CDU)

Aber führen wir doch einmal die Debatte über Equal Pay. Herr Lies, da müssen Sie sich der einen oder anderen unbequemen Wahrheit stellen. Das Problem ist natürlich dadurch verschärft worden, dass man heutzutage Menschen in der Leiharbeit unglaublich lange beschäftigen kann. Es war in der Tat so, dass bis zum 1. Januar 2002 eine Höchstdauer von bis zu 12 Monaten bestanden hat, die dann im ersten Kabinett von Herrn Schröder von Herrn Riester auf 24 Monate ausgedehnt worden ist. Und weil das nicht genug war, hat Ihr Parteifreund Clement diese Höchstdauer von 24 Monaten dann ganz gestrichen. Das ist doch Teil der Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Das könnt ihr doch zurücknehmen!)

In der Tat - das hat Herr Rickert zu Recht gesagt - wollen wir alle gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Aber wir streiten immer noch darüber, wann denn nun Arbeit gleich ist. Da sind wir in Niedersachsen erfreulicherweise, wie ich finde, recht weit beieinander. Sie sprechen immer noch davon, dass es ab dem ersten Tag der Fall sein soll. Wir reden von drei Monaten. Herr Bode hat beim letzten Mal von sechs Monaten gesprochen. In Berlin lag man weiter auseinander. Da hätte man sich auf neun Monate einigen können. Das ist nicht passiert. Warum ist das nicht passiert? - Weil sich Ihre neue sozialdemokratische Wunderwaffe, Frau Schwesig, als eiserne Lady profilieren wollte und diese Einigung verhindert hat.

(Beifall bei der CDU)

Nun stellt sich doch die Frage, lieber Herr Lies, was die Betroffenen davon haben. Wir reden von 800 000 Menschen in der Zeitarbeit. 800 000! Der DGB sagt, etwa 13 % davon arbeiteten länger als zwölf Monate in der Zeitarbeit. Das sind rund 100 000 Menschen. Diesen 100 000 Menschen hat Ihre eiserne Lady, Frau Schwesig, das Recht auf Equal Pay versaut.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich hatte in der Tat gehofft, dass wir hier in Niedersachsen zu einer Einigung kommen können, weil wir näher beieinander sind; das ist ja richtig. Aber da haben Sie uns in der letzten Debatte ein Stöckchen hingehalten. Das ist mir noch einmal deutlich geworden, als ich das im Protokoll nachgelesen habe. Sie haben nämlich einen Stufenplan aufgebaut: Die erste Stufe, haben Sie gesagt, ist der Mindestlohn in der Zeitarbeit, und die zweite Stufe ist der gesetzliche Mindestlohn für alle Branchen.

Aber dann haben Sie gesagt, Herr Lies - ich zitiere -: Wenn wir das geschafft haben - also den gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen -, dann werden wir uns weiter über das Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit unterhalten. - Über dieses Stöckchen werden wir nun allerdings nicht springen. Wir werden weiterhin gegen einen allgemeinen Mindestlohn für alle Branchen sein. Aber wir sind trotzdem für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Dieses Ziel werden wir weiterverfolgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sollten Ihre Blockadehaltung aufgeben. Dann, lieber Herr Lies, können wir vielleicht wirklich einmal darüber diskutieren, ob wir eine gemeinsame Haltung finden. Ich kann Ihnen nur sagen: Geben Sie die Blockadehaltung auf, und lassen Sie diese Spielchen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile Frau Kollegin Flauger das Wort für eine Kurzintervention. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, Sie haben eben gesagt, Subventionen für Firmen, die sich den Mindestlohn nicht leisten könnten, seien mit Ihnen nicht möglich. Dann müssen Sie mir aber bitte auch einmal erklären, warum für Sie Subventionen für Firmen möglich sind, die Löhne von 2 oder 3 Euro je Stunde zahlen, welche dann über Hartz IV aufgestockt werden. Das ist doch staatlich subventioniertes Lohndumping! Den Widerspruch, dass Sie bereit sind, diese Subventionen zu zahlen, dass Sie aber nicht bereit sind, Subventionen zu zahlen, wenn eine Firma den flächendeckend verankerten Mindestlohn nicht zahlen kann, müssen Sie hier bitte noch auflösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur Realität: Die Leiharbeits- und Niedriglohnbedingungen sind für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diejenigen Bedingungen, unter denen sie für eine sehr lange Zeit arbeiten. Wenn Sie sagen, das sei doch nur ein Einstieg, dann liegen Sie damit völlig falsch.

Insofern ist auch Ihre Position falsch, man könne ja mal darüber reden, dass die nach neun Monaten den gleichen Lohn bekommen. Wissen Sie, Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer werden so schnell ausgewechselt, dass viele von ihnen gar nicht so lange in so einer Firma sind. Die hätten von einer solchen Neunmonatsregelung nichts.

Sie kritisieren die Grünen und die SPD für das, was sie getan haben. Diese Kritik halte ich durchaus für berechtigt. Aber es geht nicht, dass Sie hier sagen: „Das waren die - wir haben nichts damit zu tun.“ Sie stehen im Bund und in Niedersachsen in der Verantwortung. Und damit sind Sie verdammt noch mal in der Pflicht, daran etwas zu ändern. Das ist Politik.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! und Hey! bei der CDU)

Herr Lies hat sich ebenfalls zu einer Kurzintervention auf den Beitrag des Kollegen Toepffer gemeldet. Herr Lies, Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Toepffer, ich möchte das gerne klarstellen. Hier geht es nicht darum, dass wir Ihnen ein Stöckchen hinhalten, sondern hier geht es um die Logik. Die Logik ist, dass wir einen Mindestlohn brauchen, der den Schutz vor Ausnutzung von Beschäftigung bedeutet. In Deutschland soll kein Mensch für weniger als 8,50 Euro pro Stunde arbeiten! - Das ist unsere konkrete Forderung, Herr Toepffer.

Unsere zweite Forderung ist, dass den Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit nach kurzer Einarbeitungszeit der gleiche Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird. Wenn es geht, sofort, aber über vier Wochen hätten wir vielleicht reden können.

Jetzt will ich einmal Ihre Logik aufzeigen. Ihre Logik ist: Nach neun Monaten wird der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit gezahlt, aber bis dahin können die Menschen ruhig für 2 oder 3 Euro je Stunde arbeiten. - Aber was ist das denn für eine Lö

sung, Herr Toepffer? - Dann hätten 90 % der Beschäftigten für neun Monate für 2 oder 3 Euro je Stunde gearbeitet, und 10 %, wenn überhaupt, hätten die Chance gehabt, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu bekommen. Herr Toepffer, das ist keine Lösung, sondern das ist nun wirklich eine Verunglimpfung der Menschen, die hier in Deutschland in Arbeit sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Toepffer möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Liebe Frau Flauger, ich will nur eines sagen: Wir werden staatliche Transferleistungen nicht durch Subventionen ersetzen. Das machen wir nicht. Das wollen Sie in Ihrem Antrag, aber das ist nicht die Politik von CDU und FDP.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von der LIN- KEN)

Lieber Herr Lies, wie falsch Sie liegen, wie unlogisch das, was Sie sagen, ist, wird daran deutlich, dass Sie hier Ihr Step-by-Step-Modell, Ihr Schrittfür-Schritt-Modell verteidigen. Aber ich frage Sie: Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn man sich in Berlin auf vier Wochen geeinigt hätte - ohne den flächendeckenden Mindestlohn? Dem hätten Sie doch zugestimmt. - Daran wird deutlich, wie verquer Sie liegen.

(Olaf Lies [SPD]: Vier Wochen sind etwas anderes als neun Monate!)

- Herr Lies, Sie hatten doch im Rahmen Ihrer Kurzintervention die Gelegenheit, etwas zu sagen. Lassen Sie mir doch meine 48 Sekunden, um auf diese beiden Beiträge zu antworten!

(Olaf Lies [SPD]: Ich will Ihnen doch nur helfen!)

- Ob Sie mir helfen können, weiß ich nicht.

(Zurufe von der SPD)

- Herr Lies, ich weiß nicht, wobei Sie mir helfen wollen. Aber eines kann ich Ihnen ganz deutlich sagen: Mit dem, was Frau Schwesig in Berlin gemacht hat, haben Sie den Menschen, die länger als neun Monate in der Zeitarbeit arbeiten, nicht geholfen. Das ist das Problem!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn man sich auf die neun Monate geeinigt hätte, hätten Sie immer noch sagen, dass den Menschen, die sieben oder acht Monate in der Zeitarbeit arbeiten, nicht geholfen worden ist. Aber die anderen außen vor zu lassen, weil man mit dem Kopf nicht durch die Wand gekommen ist, ist unsozial!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Bode das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es immer wieder amüsant, wenn Herr Hagenah als Grüner über soziale Marktwirtschaft redet. Denn wenn ich mir das grüne Parteiprogramm anschaue, dann sehe ich - das muss ich ganz ehrlich sagen -, dass es eher Züge einer Ökodiktatur als von sozialer Marktwirtschaft trägt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Die heutige Diskussion finde ich aber durchaus spannend. Vergleicht man sie nämlich mit dem, was in den Anträgen von SPD, Grünen und Linken steht, stellt man fest, dass die Antragsteller gar nicht über das Kernanliegen ihrer Anträge gesprochen haben. Das Kernanliegen, das sie hatten, bezog sich darauf, dass sie in der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai für bestimmte Bereiche negative Folgen gesehen haben. Und dafür haben sie Lösungen und Änderungen eingefordert. Aber in der heutigen Diskussion kam das gar nicht mehr vor. Und warum nicht? - Weil wir in den Bereichen, in denen es in der Tat Probleme gab, Lösungen gefunden haben und zu Veränderungen gekommen sind, sodass diese Probleme nunmehr erledigt sind. Insofern hätten Sie Ihre Anträge auch zurückziehen können, meine Damen und Herren.

Kommen wir noch einmal zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai. Wenn Sie dieses Thema schon auf die Tagesordnung setzen, finde ich es wichtig, dass wir hier auch die gesamte Wahrheit beleuchten. Es ist nicht so, wie Sie in Ihren Anträgen schreiben, dass damit einzig und allein Risiken verbunden wären. Damit verbunden sind vielmehr auch große Chancen, nämlich vor dem Hinter

grund des demografischen Wandels. Ich erinnere an die Diskussion um den Mangeln an Fachkräften im Pflegebereich oder an saisonalen Arbeitskräften in der Landwirtschaft und in der Gastronomie. Durch die neuen Freizügigkeitsreglungen werden also Potenziale eröffnet, die wir dringend brauchen, um bei uns eine vernünftige Besetzung auf dem Arbeitsmarkt hinzubekommen. Diese Arbeitskräfte sollten uns daher herzlich willkommen sein.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Minister Bode, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte jetzt am Stück vortragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, was die Forschungsinstitute dazu sagen, beispielsweise das IAB. Das IAB spricht von langfristig positiven Effekten. Ende 2009 haben sich die IAB-Forscher zu den Auswirkungen auf das Lohnniveau geäußert und gesagt, dass unsere hiesigen Arbeitskräfte im Gegensatz zu den Zuwanderern höhere Löhne haben, also davon profitieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wo gab es durch die volle Freizügigkeit Probleme? - Probleme gab es im Bereich der Zeitarbeit. Es bestand die Sorge, dass Tarifverträge importiert werden, die Bedingungen enthalten, die wir hier nicht wollen. Es gab auch die Sorge, dass auch entsprechende Arbeitskräfte sozusagen importiert werden würden. Diese Gefahr war allerdings nicht so groß.

Was haben wir im Vermittlungsausschuss bei den Verhandlungen zum SGB bzw. Hartz IV gemacht? - Wir haben die Möglichkeit geschaffen, über eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit das Einführen solcher Tarifverträge auszuschließen. Problem erkannt - Problem gebannt!

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Sie sind ein Held!)