Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Ich darf noch einmal anmerken: Vorbemerkungen sind bei den Mündlichen Anfragen nicht zulässig. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Limburg, es ist richtig, dass wir diese Debatte erst kürzlich - ich glaube, vor einem halben Jahr - geführt haben. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass diese Daten jetzt erhoben werden. Wir sind gerade

dabei, sie zu erheben. Wenn sie über einen gewissen Zeitraum erhoben worden sind, wird der Justizminister diese Zahlen darstellen können. Aktuell kann ich das nicht tun. Aber wir haben jetzt die Voraussetzungen geschaffen, sodass wir in der Zukunft in diesem Bereich auskunftsfähig sind.

Frau Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Schünemann, es ist dargestellt worden, dass die Jugendkriminalität deutlich gesunken ist. Sie haben auch noch einmal ausgeführt, dass insbesondere auch die Rohheitsdelikte zurückgegangen sind. Werden Sie trotz dieser erfreulichen Tendenz weiter an Ihren umstrittenen Forderungen festhalten, das Jugendstrafrecht zu verschärfen und die Höchststrafen zu erhöhen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es eben schon dargestellt: Es ist wirklich wichtig, dass wir gerade bei Jugendlichen die Prävention im Auge haben, uns ganz gezielt um Intensivtäter kümmern und das gesamte Umfeld mit einbeziehen und beleuchten. Deshalb ist es aus meiner Sicht völlig richtig, gerade bei Kindern, die völlig aus dem Ruder geraten, die man überhaupt nicht mehr in den Griff bekommt, eine geschlossene Heimunterbringung vorzusehen. Wir haben dazu in Niedersachsen jetzt auch Gott sei Dank eine Möglichkeit.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Die gar nicht in Anspruch genommen wird! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Kinder- gefängnisse!)

In der Vergangenheit mussten wir das an anderer Stelle umsetzen. Gerade bei diesen Jugendlichen oder Kindern, die in einem großen Ausmaß straffällig geworden sind, ist es wichtig - das ist der entscheidende Faktor -, die Eltern mit einzubeziehen. Wenn sich die Kinder in einer geschlossenen Einrichtung in München befinden, ist das natürlich sehr schwierig. Deswegen ist es wichtig, in Niedersachsen möglichst wohnortnah solche Einrichtun

gen zu haben. Mir ist bewusst, dass die Kommunen das anordnen müssen und dass das eine sehr teure Angelegenheit ist. Deshalb wird davon sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Es handelt sich Gott sei Dank ohnehin nur um Einzelfälle, aber diese Möglichkeit muss da sein.

Ich halte ich es auch für sinnvoll, dass man diesen Extremtätern einmal zeigt, was es bedeutet, wenn sie so weitermachen.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Ex- tremtäter?)

Deshalb ist der Warnschussarrest im Einzelfall durchaus sinnvoll. Wenn jemand eine schwere Straftat begeht, vielleicht sogar jemanden tötet, ist es gerade auch im Hinblick auf die Opfer ganz schwierig, wenn nur zu einer sehr geringen Strafe verurteilt wird.

Ich weiß, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere natürlich bei Jugendlichen, nicht die Strafe im Vordergrund steht, sondern dass es darum geht, dass die Jugendlichen wieder auf einen besseren Weg gebracht werden. Aus dem Grunde finde ich es richtig, dass man zumindest immer überprüft, ob das Strafmaß gerade bei diesen schweren Straftaten richtig und angemessen ist.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Zehn Jah- re reichen nicht?)

Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Behrens von der SPD-Fraktion. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe zwei Fragen zum Themenkomplex Kinderpornografie. Sie haben deren Bekämpfung angesprochen. Das liegt uns ja allen am Herzen. Vorgestern hat Europol über einen großen Schlag informiert, der gegen einen Online-Pädophilenring gelungen ist. Dabei war von 220 geretteten Kindern, 200 Festnahmen, 670 Mitgliedern und von Ermittlungen in 25 Ländern die Rede. Ich frage die Landesregierung, wie sie in diese Ermittlungen eingebunden war. Gab es eine Beteiligung aus Niedersachsen und, wenn ja, mit welchen Erkenntnissen?

Meine zweite Frage: Die meisten Straftaten betreffend Kinderpornografie finden nicht im Netz, sondern bei der Verteilung dieser schrecklichen Bilder statt. Ich frage die Landesregierung, wie die Möglichkeiten der Polizistinnen und Polizisten sind, an

solchen Fällen auch international mitzuarbeiten, und wie da die Erfahrungen sind.

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur ersten Frage: Mir ist nicht bekannt, dass die niedersächsische Polizei dort eingebunden war. Wenn das doch der Fall sein sollte, müsste ich Ihnen das noch nachreichen. Aber nach meinen Erkenntnissen ist das nicht der Fall.

Natürlich ist es gerade im Bereich der Bekämpfung der Kinderpornografie notwendig, im internationalen Verbund zu arbeiten. Wenn es Fälle gibt, von denen wir mitbetroffen sind, ist das natürlich eine völlige Selbstverständlichkeit.

Ich habe mich sehr gewundert, als ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt habe, dass gerade auch der Bereich der Verbreitung von Kinderpornografie fast gar nicht erforscht ist. Das heißt, man weiß zu wenig davon. Man fragt sich, ob vielleicht Profitgier die Antriebsfeder ist oder ob tatsächlich Abartigkeit, d. h. Pädophilie im Prinzip der Hauptgrund ist.

Deshalb habe ich die Universität Hannover gebeten, dass sie die Untersuchung dieses Bereichs unterstützt, und zwar im Zusammenhang mit unserer Initiative White IT. Sie wissen, dass dort insbesondere die IT-Wirtschaft, Opferverbände etc. zusammenarbeiten. Wir können das Ergebnis im Mai dieses Jahres vorstellen. Dann wissen wir genau, wie die Vertriebswege sind. Dann kann man sehr viel gezielter daran arbeiten. Wichtig ist, dass das nicht nur ein Thema in Niedersachsen ist. Das kann man nicht nur national, sondern das muss man international bekämpfen. Deshalb haben wir z. B. die Initiative White IT europaweit initiiert. Ich bin froh, dass sich die Europaabgeordneten in dieses Bündnis mit einbringen.

Herr Professor Zielke für die FDP-Fraktion stellt die nächste Frage. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Vorratsdatenspeicherung eine anlasslose, flächendeckende, sich auf jeden Einzelnen individuell beziehende Speicherung aller Internetverbindungen und aller Telefon

verbindungen über ein halbes Jahr bedeutet, und vor dem Hintergrund, dass dadurch natürlich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erheblich berührt wird, und vor dem weiteren Hintergrund - - -

Vorbemerkungen sind bei den Mündlichen Anfragen nicht zulässig, Herr Professor Zielke!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: „Vor dem Hintergrund“ schon!)

- - - dass das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren einen wesentlich milderen Eingriff in die Rechte der Bürger darstellt,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

frage ich die Landesregierung, da Herr Minister Schünemann eben selbst von 567 Fällen gesprochen hat, in denen wegen fehlender Datenspeicherung keine Aufklärung erfolgen konnte: Wie viele von diesen 567 Fällen hätten mit Quick Freeze genauso wie mit der Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden können, und wie viele hätten definitiv mit Quick Freeze nicht, aber mit allgemeiner Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden können?

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Klaus-Peter Bachmann [SPD], Kreszentia Flauger [LINKE] und Helge Stefan Limburg [GRÜNE])

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einmal will ich darstellen - das wissen Sie, Herr Professor Dr. Zielke -: Da bei der Vorratsdatenspeicherung lediglich die Verbindungsdaten, also keine Inhalte gespeichert werden, ist dies tatsächlich ein Eingriff, der durchaus ein schwerwiegender ist. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht klare Vorgaben gemacht, damit wir diese Mindestdatenspeicherung tatsächlich verfassungskonform umsetzen können. Da gibt es einige Anforderungen, die ich Ihnen gerne darstellen möchte.

Zum einen ist es ganz entscheidend, dass die Datensicherheit gewährleistet ist. Unter anderem kann man dies über eine Verschlüsselung errei

chen, sodass man es dann, wenn ein Datenzugriff erfolgen muss, wieder entschlüsselt und die Daten erst dann im Klartext zur Verfügung stehen.

Zum anderen ist es absolut wichtig - das hat das Bundesverfassungsgericht auch gesagt -, dass es sich um schwerwiegende Straftaten handeln muss. Das heißt, es muss klar definiert sein, wann ein Zugriff erfolgen darf.

Wichtig ist darüber hinaus, dass die besonders sensiblen Bereiche ausgenommen werden, z. B. die Telefonseelsorge. In diesem Zusammenhang müssen wir also Einschränkungen vornehmen.

Ferner muss eine richterliche Anordnung vorliegen. In der Regel muss es bei der Erfassung einen offenen Zugriff geben. Wird dies verdeckt gemacht, ist es notwendig, dass man den Betroffenen im Nachhinein informiert.

Das sind die Vorgaben, die das Verfassungsgericht selber gemacht hat. Man bräuchte diese Vorgaben also nur in einem Gesetz umzusetzen. Dazu bräuchte man eigentlich nicht ein Jahr, sondern das könnte man relativ schnell machen.

Nun zu dem Thema „Quick Freeze“. Dieses Verfahren wird in den USA durchaus angewendet. Allerdings speichern die privaten Telekommunikationsfirmen diese Daten selber über einen sehr langen Zeitraum. Das heißt, wenn etwas passiert ist und man auf die Daten zugreifen will, dann kann man, wenn eine Anordnung vorliegt, staatlicherseits eine Speicherung vornehmen. Das kann dann durchaus sinnvoll sein.

Bei uns ist die Praxis völlig anders. Die Daten werden mittlerweile maximal fünf, sechs Tage gespeichert. Wir haben uns bei der Telekom und bei anderen privaten Anbietern erkundigt. Es ist so, dass die Daten, wenn die Rechnung erstellt ist, sofort gelöscht sind. In der Regel gibt es heute eine Flatrate, sodass die Daten eigentlich gar nicht mehr gespeichert werden müssen. Wenn es dann einen Vorfall gibt und man meint, dass Quick Freeze durchgeführt werden muss, dann kann man, weil nichts mehr gespeichert ist, auch nichts einfrieren. Wenn es null und nichtig ist, dann kann man auch nichts mehr einfrieren. Das ist also etwas, was völlig ins Leere läuft und überhaupt nicht funktioniert.

Gerade Kinderpornografie ist in der Vergangenheit im Internet erst nach längerer Zeit ans Tageslicht gekommen. Wenn die Daten nur wenige Tage gespeichert werden, dann kann man darauf überhaupt nicht mehr zugreifen. Das gilt auch für die

mehr als 500 Fälle, die ich angesprochen habe. Das heißt, bei diesen über 500 Fällen - ich weiß die Zahl nicht mehr genau; ich glaube, es waren 587 -, die wir nachgewiesen haben, hätte man mit Quick Freeze nichts erreichen können. Dieses Instrument hätte in diesen Fällen überhaupt nichts bewirkt.

Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Wenn das Bundesverfassungsgericht selber sagt, wie man es verfassungskonform machen kann - das ist gar nicht seine Aufgabe -, dann finde ich es - das muss ich schon sagen - schlicht fahrlässig, wenn man es so lange liegen lässt. Im Bereich Kinderpornografie hört meiner Ansicht nach auch das Taktieren im politischen Geschäft auf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damit keine Irritationen entstehen, möchte ich noch einmal die Regularien zu den Zusatzfragen festhalten: Sie müssen zur Sache gehören. Es muss knapp und sachlich gesagt werden, worüber Auskunft gewünscht wird. Einleitende Bemerkungen - das haben wir festgeschrieben - sind nicht mehr erlaubt. - Das zu den Mündlichen Anfragen.

Ich rufe Frau Twesten auf, die die nächste Frage stellt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Frage formulieren und das dann noch erläutern; ich mache es andersherum.