Herr Kollege Nacke, der Kritikpunkt - deswegen auch die vielen Zuschriften - bezieht sich darauf, dass Sie, was wir eigentlich 2008 verabredet hatten, nämlich dass wir uns das in aller Ruhe angucken und dann eine Neuordnung vornehmen, die dauerhaft und nachhaltig ist, einfach ignoriert haben und jetzt etwas auf den Tisch gelegt haben, ohne jemanden zu informieren und ohne mit den Betroffenen zu reden. Darin geben mir die Zuschriften Ihrer eigenen Parteikollegen recht.
Mein Hauptkritikpunkt ist, dass Sie kurz vor Toresschluss so etwas auf den Tisch legen. Da müssen Sie a die Kritik in Kauf nehmen und b, dass wir sagen: Das hätte bei uns anders ausgesehen. - Denn wir hätten etwas früher angefangen und hätten dann wirklich in einem ordentlichen Prozess die Betroffenen mitgenommen und einen Vorschlag vorgelegt, der ein bisschen länger getragen hätte als bis zur nächsten Wahl. Bei der nächsten Wahl müssen Sie ja wieder neu zuschneiden.
Als nächster Redner hat sich Herr Grascha von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Grascha.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt nicht noch einmal auf die Einzelheiten dieses Gesetzes eingehen. Was genau darin steht, das haben der Kollege Nacke und die Kollegin Modder schon ausgeführt. Es geht um Anpassungen, die wir im Landeswahlgesetz vornehmen müssen und die bundesrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Es geht aber vor allem um die Frage der Wahlkreise. Hierauf möchte ich insbesondere eingehen.
Es ist sicherlich ein entscheidender Punkt, und zwar nicht nur juristisch, dass die Wahlgleichheit zwischen den Wahlkreisen gewahrt wird. Dazu gibt es ein entsprechendes Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1997. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Abweichung von 25 % bei der Zahl der Wahlberechtigten sowohl nach oben als
auch nach unten juristisch wohl auf der sicheren Seite ist. Definitiv kann das aber niemand sagen. Darauf möchte ich an dieser Stelle noch einmal hinweisen.
25 % - auch das muss man sich noch einmal vergegenwärtigen; 70 000 ist die durchschnittliche Anzahl - - -
- Frau Kollegin Heiligenstadt, vielleicht hören Sie erst einmal zu! Wir sind hier nicht in einer Kultusdebatte, sondern es geht hier um ein schlichtes Gesetz. Deshalb ist es vielleicht auch einmal möglich, etwas unemotionaler zu diskutieren.
- Ich bin betroffen, weil ich nämlich aus dem Wahlkreis Einbeck komme. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.
Es sind 70 000 Wahlberechtigte im Schnitt. 25 % Abweichungen nach oben und 25 % Abweichung nach unten bedeuten, dass sich der kleinste Wahlkreis oder sozusagen das Minimum bei 50 000 Wahlberechtigten und die maximale Abweichung bei 86 000 Wahlberechtigten bewegen würden. Das sind immerhin 36 000 Wahlberechtigte und damit wiederum die Hälfte des Durchschnittes. Das darf man bei den 25 % nicht vergessen, meine Damen und Herren.
Änderungsbedarf - das hat der Kollege Nacke dargestellt - gibt es im Bereich Northeim, Lüneburg und Ammerland. Es gibt Vorschläge vom Landeswahlleiter. Der Landeswahlleiter ist nach dem Wahlgesetz dazu verpflichtet, entsprechende Vorschläge zu machen.
Ich sage ganz ehrlich: Diese Vorschläge stimmen zwar rechnerisch. Aber wenn ich das beispielsweise auf den Bereich des Landkreises Northeim beziehe, ist es nicht stimmig, wenn man hier zusätzliche Gemeinden aus anderen Landkreisen dazu nimmt. Das sollte nicht das erste Ziel sein. Das erste Ziel sollte vielmehr sein, dass man Landkreise entsprechend beieinander lässt. Nur wenn es nicht anders geht, wie es beispielsweise im Ammerland der Fall ist, sollte man eine andere Lösung favorisieren.
Ich möchte noch zu der Frage Stellung nehmen - weil es auch von der Frau Kollegin Modder dargestellt wurde -, diese Neuordnung würde nicht lange halten. Natürlich wird die nicht lange halten. Das ist ja keine grundsätzliche Neuordnung der Wahlkreise, sondern wir haben nur kleinere Korrekturen. Wir wollen, dass die Wahl im Jahr 2013 verfassungskonform stattfindet. Dann werden wir uns spätestens in der nächsten Legislaturperiode darüber unterhalten, wie es angesichts der demografischen Entwicklung für das Jahr 2018 aussieht.
(Johanne Modder [SPD]: Sie können den Menschen dort nicht zumuten, je- des Mal neue Wahlkreise zu akzeptie- ren!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf soll eine Reihe von technischen Änderungen, sollen aber auch einige inhaltliche Änderungen vorgenommen werden, über die man, so denke ich, in aller Ruhe im Ausschuss reden muss. Das, was die Gemüter in bestimmten Regionen wie z. B. Lüneburg mehr erregt, sind die von der CDU und der FDP geplanten Änderungen der Zuschnitte der Wahlkreise. Wir haben das ja ausführlich hören können. Hierzu liegen aber auch aus der kommunalen Ebene verschiedene, zum Teil parteiübergreifende Stellungnahmen vor, welche sich vehement gegen die neuen Zuschnitte aussprechen.
Ich schlage vor, dass wir uns im Ausschuss die kommunalen Strukturen anhören, um dann möglichst im Konsens zu einer Lösung zu kommen.
Meine Damen und Herren, wenn neue Wahlkreiszuschnitte notwendig werden, weil dies z. B. aus wahl- und verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, dann sollten Art und Umfang im Konsens vorgenommen werden. Sonst entsteht leicht der Eindruck, dass parteipolitische Motive für die Mehrheitsentscheidung der Regierungskoalition mit entscheidend sind.
Ich hielte es, meine Damen und Herren, für falsch, wenn man hier einfach mit Koalitionsmehrheiten Dinge durchzieht. Sie wissen, das hinterlässt gerade in diesem Punkt immer wieder ein Geschmäckle. Ich gehe davon aus, dass das nicht im Sinne und nicht im Interesse der CDU und der FDP ist.
Besten Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen wundere ich mich schon über die Debatte. Es wird ja so getan, als ob das jetzt schon alles festgezurrt sei und wir gar keine Ausschussberatung mehr haben würden. Dass alles quasi im Vorfeld schon im Konsens abgeklärt sein sollte, ist, wie ich finde, ein etwas komisches Verständnis von Parlamentarismus. Wir haben ja noch eine Ausschussberatung. Ich hoffe einmal - auch an Herrn Nacke gerichtet -, dass das, was hier beraten wird, nicht schon gesetzt ist. Wenn Sie definitiv davon überzeugt sind, dass das alles schon richtig ist, was Sie in erster Lesung einbringen, dann könnten wir uns die Ausschussberatung sparen.
Die Debatte zu dem Thema ist eröffnet. Es wird kontrovers diskutiert, ob das alles sinnvoll ist. Und dann können wir vielleicht noch die eine oder andere Änderung vornehmen. Das ist jedenfalls mein Verständnis davon, wie ein Landtag und eine Ausschussarbeit funktionieren sollten.
- Herr Nacke, Sie haben hier gerade in Ihrer Oberlehrerfunktion gesagt, man soll dann, wenn ein Redner redet, mal zuhören. Ich bitte Sie, das zu befolgen und nicht dazwischenzureden, wenn andere Leute hier vorn reden.
Hinsichtlich der Wahlgrundsätze herrscht ein breiter Konsens. Wir haben damit jedenfalls keine Probleme. Wahlgrundsätze, die Formvorschriften, aber auch das allgemeine Wahlrecht sollten natürlich auf allen politischen Ebenen deckungsgleich sein.
Ich will nur zwei oder drei Themen ansprechen, die die Grünen hier immer wieder einmal angesprochen haben.
Wir sind in dieser Debatte immer noch relativ ängstlich. Das aktive Wahlrecht für die Kommunalwahlen liegt bei 16 Jahren. Ich finde, dass man das auch bei Landtagswahlen anstreben sollte. Das wäre sehr wichtig für die jüngere Generation.
Man kann sagen, dass wir auch beim Wahlrecht nach Umzügen immer noch recht behäbig sind. Jemand muss drei Monate in einer Kommune leben, um dort das Wahlrecht zu haben. Frau Modder, Sie wissen, dass wir in der letzten Legislaturperiode schon einmal darüber diskutiert haben, ob das heute, im Zeitalter von E-Government, Internet und mehr Medien und mehr Informationsmöglichkeiten nicht deutlich schneller gehen könnte. Wir leben bekanntlich in einer sehr flexiblen und sehr dynamischen Gesellschaft, in der es immer mehr und immer weitere Umzüge gibt. Insofern sollte man die Dreimonatsgrenze noch einmal überdenken.
Nun aber noch einmal zurück zur Kerndebatte. Herr Nacke, es ist keine Frage - da haben Sie völlig recht -, dass die Wahlkreisveränderungen verfassungskonform und rechtssicher sein müssen. Das steht über allem. Auch ich finde, dass eine Wahl frei von Anfechtungen bleiben muss.
Natürlich sollen bei einem Neuzuschnitt von Wahlkreisen keine parteitaktischen Spielchen gespielt werden; auch das ist richtig. Ich meine aber, dass wir uns etwas vormachen, wenn hier der Vorwurf erhoben wird, dass das stattfindet. Wir sehen doch überall, dass die Wählerinnen- und Wählervolatilität - die Schwankungen - immer stärker wird. Wir haben immer weniger fest gebundene Wählergruppen. Wahlkreise kippen immer schneller. Es gibt eigentlich fast gar keine traditionellen Wahlkreise mehr, die immer wieder derselben Partei zugehörig sind.
Wir haben eine unglaublich starke Dynamik und Veränderung auf dem Wählermarkt. Sogar Südoldenburg musste das bei einer Bürgermeisterwahl schon einmal erfahren. Kürzlich hat in Lingen ein Außenseiterkandidat gewonnen. Auch ein ehema
liger Landwirtschaftsminister hat schon einmal eine CDU-Hochburg erobert. Ich will damit nur sagen: Da ist sehr viel an Veränderung und Schwankung vorhanden.