Wir freuen uns über eine Entscheidung für die Bürgerfreiheit, für die Informationsfreiheit im Internet und gegen Zensurversuche aller Art.
Herzlichen Dank, Herr Professor Dr. Zielke. - Für die SPD-Fraktion: Frau Kollegin Behrens, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Geehrte Kolleginnen und Kollegen, „Für Bürgerrechte - Löschen statt Sperren“ ist die hoffnungsvolle Überschrift des Antrags der FDP zu diesem Thema. Wer gehofft hatte, jetzt neue Akzente in der Netzpolitik zu hören, der hat sich heute völlig getäuscht. Wir haben die alten Positionen gehört, die wir in Berlin inzwischen parteiübergreifend vereinbart haben, nämlich dass natürlich „Löschen statt Sperren“ der bessere Weg ist. Das war für die eine oder andere Partei ein langer Weg. Inzwischen aber gibt es einen breiten Konsens.
Sie haben hier einen aufgewärmten Vortrag gehalten, der keine neuen Akzente zum Thema „Bürgerrechte im Internet“ gebracht hat. Das ist gerade deshalb, weil Sie sich in der Hinsicht besonderen Herausforderungen stellen wollten, enttäuschend.
Gab es darüber hinaus Aussagen zum Datenschutz im Internet? - Nein. Gab es Aussagen zur Durchsetzung eines internettauglichen Datenschutzrechtes? - Nein. Gab es Aussagen für ein modernes Petitionswesen in Niedersachsen? - Nein. Gab es Aussagen zu Zielen, Methoden und Maßnahmen von Jugendmedienschutz im Internet? - Nein.
Ich darf insbesondere an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir in diesem Landtag sehr strittig über den Jugendmedienschutzstaatsvertrag diskutiert haben und wir uns als SPD u. a. mit den Grünen und wohl auch mit den Linken
gegen diesen Jugendmedienschutzstaatsvertrag ausgesprochen haben, weil er ganz klar bestimmte Kennzeichnungspflichten und Filteranforderungen gesetzt hat, die einer Internetsperrung gleichgekommen wären.
Die FDP in diesem Landtag hat diesem Jugendmedienschutzstaatsvertrag zugestimmt. - So viel zu Ihrem Thema „Bürgerrechte gewähren“.
Wir sind uns wohl einig, wenn es darum geht, kinderpornografische Darstellungen im Netz zu unterbinden und mit aller Schärfe des Gesetzes zu bekämpfen. Das BKA - Herr Professor Zielke, Sie
haben es richtig dargestellt - hat bewiesen, dass das geht und dass das auch in den Ländern funktioniert, in denen unsere Polizei keinen wirklichen Zugriff auf die Daten hat. Das ist eine gute Aussage dazu, wie wir uns weiterhin verhalten können.
Unabhängig davon, ob es um den Kampf gegen Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern, um illegales Glücksspiel oder um die Stärkung von Urheberrechten geht: Das Aufstellen von Stoppschildern, Legalitätsweichen oder die Blockade des Transports von Datenpaketen bedeuten zwangsläufig immer den Aufbau einer sehr technischen Kontrollinfrastruktur, die ein hohes Missbrauchspotenzial in sich trägt.
Unter veränderten politischen Vorzeichen kann diese Infrastruktur und können diese Maßnahmen sofort zu Zensur und Meinungskontrolle genutzt werden. Deswegen lässt sich diese Technik aus unserer Sicht natürlich nicht mit einer modernen Demokratie vereinbaren, und deswegen ist „Löschen statt Sperren“ der richtige Ansatz. Schön, dass Sie das heute noch einmal deutlich gemacht haben.
Ich möchte zum Thema „Löschen statt Sperren“ ein Thema aufgreifen, das wir vorhin diskutiert haben. Leider hat Herr Kollege Dürr eine Zwischenfrage dazu nicht mehr zugelassen.
Ich wundere mich schon sehr, dass sich die FDP hier heute als Hort der Verteidigung gegen Sperrgesetze hinstellt, obwohl genau diese Internetsperren zur Kontrolle von Onlineangeboten in den Eckpunkten zum Glücksspielstaatsvertrag wieder enthalten sind. Sind das gute Internetsperren, oder sind das schlechte Internetsperren? - Sie müssen sich schon entscheiden. Sind Sie für Internetsperren oder für das Löschen? - Beides geht nicht.
(Christian Dürr [FDP]: Da müssen Sie sich mit Herrn Jüttner synchronisie- ren! Was ist denn Ihre Auffassung? Ihre oder das, was Herr Jüttner ge- sagt hat?)
Also müssen Sie die Eckpunkte im Glücksspielvertrag ändern. Auch Sie tragen ja Regierungsverantwortung.
Werden Sie dort als FDP einwirken, damit die Sperren aus dem Glücksspielstaatsvertrag herausgenommen werden?
Die FDP hat hier den Antrag zum Thema „Löschen statt Sperren“ für die Aktuelle Stunde gestellt. Die FDP ist hier in Niedersachsen mit an der Landesregierung beteiligt und hat einem Gesetz zugestimmt, das Internetsperren zulässt, nämlich im Hinblick auf die Kontrolle von Onlinespielen. So ist das. Sie müssen sich schon einmal entscheiden, was Sie wollen.
Frau Behrens, warten Sie einen Augenblick. - Herr Kollege Dürr, die FDP hat noch eine Restredezeit von 2:30 Minuten. Es wäre sehr sinnvoll, wenn Sie Ihre Redezeit vom Redepult aus nutzen und Frau Behrens ausreden lassen würden. - Bitte schön, Frau Behrens, eine Minute haben Sie noch.
Will man Bürgerrechte im Internet stärken, meine Damen und Herren, braucht man u. a. klare Datenschutzregeln und genügend Datenschutzbeauftragte auf Länderebene und in allen anderen Bereichen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte und auch der niedersächsischen Datenschutzbeauftragte haben sich heute sehr kompetent und maßgeblich zu Wort gemeldet und haben die zunehmenden Eingriffe in die Grundrechte der Bürger kritisiert. Hier könnte auch die FDP einmal ansetzen und sich positiv betätigen.
Außerdem brauchen wir eine gut aufgestellte Polizei, die Internetkriminalität in jeder Form mit aller Schärfe des Gesetzes verfolgt; denn wir haben nicht ein Rechtsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem, liebe Kollegen von der FDP.
Abschließend, geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss man diesen Antrag zur Aktuellen Stunde wohl als verzweifelten Versuch der FDP werten, sich die alte Bastion der Bürgerrechte wieder zu erarbeiten. Das gelingt Ihnen aber nicht mit solchen Aktuellen Stunden, sondern das gelingt Ihnen nur, wenn Sie die Bürgerrechte im Internet und in
anderen Bereichen in Ihren Anträgen und auch in Ihrer Politik deutlich machen. Das aber vermissen wir hier total.
Für die Fraktion DIE LINKE liegt mir die Wortmeldung von Frau Flauger vor. Bitte schön, Frau Flauger, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist so weit: Das Netzsperrengesetz, das federführend von der CDU - leider aber auch von der SPD - verabschiedet wurde, ist vom Tisch. Es ist nie ein taugliches Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornografie gewesen; denn die Sperren wären viel zu leicht zu umgehen gewesen. Viele Juristinnen und Juristen haben das Gesetz als in Teilen verfassungswidrig beurteilt; eine Minderheit allerdings nicht. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Das Aufstellen von Stoppschildern im Internet erfüllt nur eine Alibifunktion und hilft gegen Kinderpornografie gar nicht. Sperrlisten lassen sich auch kaum dauerhaft geheim halten, und wenn sie dann öffentlich werden, sind sie auch noch ein Wegweiser für diejenigen, die an Kinderpornografie interessiert sind. In Dänemark sind solche Listen öffentlich geworden. Im Übrigen waren dort 90 % der in diesen Listen aufgeführten Seiten ohne kinderpornografische Inhalte.
Das bringt mich zu einem weiteren Aspekt: Wenn erst mal eine Sperrinfrastruktur eingerichtet ist, dann wachsen die Begehrlichkeiten. Man muss nicht besonders pessimistisch sein, um da Befürchtungen zu haben. Das zeigen auch Fakten. Die Musikindustrie hat schon deutliches Interesse bekundet, und auch die innenpolitischen Hardliner von CDU und CSU zeigen Interesse. Wie weit diese Zensurwünsche gehen, kann man z. B. in einem Beitrag vom 6. April auf der Internetseite des NDR nachlesen, in dem der niedersächsische Innenminister Schünemann mit den Worten wiedergegeben wird, er fordere, extremistische Internetseiten zu löschen. Wir sollten bitte nicht vergessen, wer in diesem Bundesland definiert, was „extremistisch“ ist. Das macht nämlich der Verfassungsschutz unter der Ägide von Herrn Schünemann selbst.
Wir alle sollten uns einmal sehr ernsthaft überlegen, worin es enden kann, wenn solche Maßstäbe für Sperren oder Löschen im Internet angelegt werden. Es ist also gut, dass das Netzsperrengesetz jetzt vom Tisch ist.
- Ja, das kann ich mir denken, Herr Thiele. Der Innenminister sollte die Homepage der Linken gleich aus dem Netz nehmen. Das könnte Ihnen so passen. Danke. Genau das habe ich gemeint. Sie haben es auf den Punkt gebracht.
Die Tatsache, dass besagtes Gesetz jetzt vom Tisch ist, verdanken wir vielen Menschen, die im Netz und auf der Straße gegen dieses Gesetz gekämpft haben. 130 000 Menschen haben eine Petition gegen dieses Gesetz online unterzeichnet.
Meine Damen und Herren, für die Bekämpfung strafbarer Inhalte im Netz gibt es Möglichkeiten. Hier ist auch dargestellt worden, wie erfolgreich entsprechende Löschaufträge ins Ausland sind. Das funktioniert sehr gut. Problematisch allerdings ist, dass beim BKA nur 6,3 Stellen mit dem Arbeitsschwerpunkt „Löschen statt Sperren“ verankert sind. Das bezeichnete auch Frau LeutheusserSchnarrenberger von der FDP als Vollzugsdefizit - und zwar völlig zu Recht.
Angesichts der von mir aufgeführten Fakten kann man klaren Verstandes nicht mehr für Netzsperren sein. Deshalb ist es richtig, dass die FDP dies jetzt auch nicht mehr ist. Wir sollten denjenigen dankbar sein, die gegen dieses Gesetz protestiert haben. Wir sollten allerdings auch einmal gucken, ob der Versuch der FDP, sich in Abgrenzung zur CDU als Verfechter der Freiheit im Internet zu profilieren, angesichts der Positionen, die die FDP sonst einnimmt, angemessen ist.
Wie verhält es sich? Was sagt die FDP zu einem anderen wichtigen Thema der Netzpolitik, nämlich zum Thema der Netzneutralität? - Netzneutralität bedeutet, dass Daten unabhängig von Inhalt und Herkunft mit der gleichen Priorität und der gleichen Geschwindigkeit durchs Netz geleitet werden, bis auf technisch begründete Ausnahmen. Jetzt gibt es Bestrebungen, zahlungskräftigen Kunden höhere Prioritäten und damit höhere Geschwindigkeiten einzuräumen. Was sagt die FDP zu diesem Angriff auf den demokratischen Charakter des Internets?
Was sagt sie zu der Forderung und zum Antrag der Linken im Bundestag, Netzneutralität abzusichern und damit z. B. auch die Interessen nicht so finanzstarker kleiner und mittelständischer Unternehmen wahrzunehmen? - Claudia Bögel, Mittelstands- und IT-Beauftragte der FDP, sagte, es dürfe nicht zu einer sozialistischen Gleichmacherei im Netz kommen. - Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Fraktion in der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“, sagte, das Sozialismusinternet hätten wir schon in China. - Wissen Sie, erstens ist das schon in sich falsch; denn es ist überhaupt nicht sozialistisch, Internetinhalte zu zensieren. Zweitens zeigt das, dass die FDP die Chancen und den demokratischen Charakter des Internets überhaupt noch nicht begriffen hat.