Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Sie hat nicht verstanden, dass die prinzipiell gleiche Möglichkeit der Verbreitung von Meinungen für alle die Chance des Internets für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Demokratie ist. Dabei müssten Sie das nach Iran, Ägypten und Tunesien aber eigentlich begriffen haben. Stattdessen stellen Sie sich mit Ihrem Sprachgebrauch und Ihren Positionen an die Seite der erzreaktionären USamerikanischen Tea-Party, die dieses Thema genauso sieht wie Sie.

Liebe FDP, Ihr heutiger peinlicher Profilierungsversuch als Verteidiger der Freiheit des Internets ist so glaubwürdig wie ein Frosch, der sagt, er wolle jetzt den Sumpf austrocknen. Beim Glücksspielstaatsvertrag werden wir dann sehen, ob Sie sich auch gegen die in ihm vorgesehenen Netzsperren wenden werden.

Meine Damen und Herren, die Linke hat das Grundgesetz gelesen. Wir wissen, dass nach Artikel 5 eine Zensur nicht stattfinden darf. Ich verspreche Ihnen für die Linke, dass wir diesen Grundsatz mit aller Kraft verteidigen werden. Machen Sie bei der FDP weiter mit Ihrer Klientelpolitik für Reiche, die sich nach Ihren Vorstellungen mehr Meinungsmacht im Internet sollen kaufen können. Die Linke wird weiter für ein konsequentes Löschen strafbarer Inhalte im Netz, aber gegen jede Zensur kämpfen. Die Linke wird weiterhin gleiche Rechte und Chancen sowie Freiheit und Demokratie im Internet verteidigen - und auch sonst. Versprochen!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Limburg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ist schon gesagt worden: Bereits bei der Einführung des Zugangserschwernisgesetzes, also der Internetsperren, gab es massive Kritik an diesem Stoppschildprinzip. Schon damals war klar, dass es der Mehrzahl der wahren Nutzer von kinderpornografischen Seiten leider ein Leichtes bleiben wird, diese Stoppschilder zu umgehen. Insofern ging es damals nur um reine Symbolpolitik und Schaumschlägerei aus dem Hause von der Leyen. Gleichzeitig wurde die Befürchtung geäußert, dass im Internet am Beispiel der Kinderpornografie unter viel Aufwand eine Zensurinfrastruktur geschaffen werden soll, die später auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden soll.

Man muss sagen - Herr Professor Zielke hat es schon angedeutet -: Leider gibt die Wirklichkeit diesen Befürchtungen mehr als recht. Wir debattieren jetzt über die Onlinespiele, die gesperrt werden sollen. Schon bei Einführung dieses Gesetzes hatten wir eine Debatte um Killerspielseiten, um sogenannte Beleidigungsseiten und Gewaltseiten, die gesperrt werden sollten. Die Urheberrechtsindustrie wollte natürlich Internetseiten sperren lassen, die vermeintlich Urheberrechtsverstöße ermöglichen würden.

All dies zeigt: Öffnet man den Weg hin zu einer Zensurmöglichkeit - und sei es in absolut gutem Glauben und mit besten Absichten -, dann ist es sehr, sehr schwer, später den Deckel draufzuhalten; denn dann beginnt sofort die massive Ausweitung der neuen Instrumente. Deshalb ist es so wichtig, freiheitseinschränkende Maßnahmen wie die Internetsperren schon vor ihrer Einführung gründlichst zu durchdenken und Alternativen zu prüfen. Das ist hier nicht geschehen. Dieses Gesetz ist ein Zeugnis schlechter Gesetzgebungsarbeit des Deutschen Bundestages, meine Damen und Herren.

Eine weitere Kritik war, dass eine Sperrung immer wieder auch völlig unbeteiligte Internetseiten treffen würde; Kollegin Flauger hat es gerade angesprochen. Tatsächlich zeigen Beispiele aus der Schweiz, recherchiert vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, dass zeitweise sämtliche Webseiten einer renommierten

Schweizer Hochschule irrtümlicherweise gesperrt worden sind. Das mag jetzt wie eine Lappalie klingen, wer sich aber im Internet auskennt, der weiß, dass eine solche Sperrung einen fast nicht wiedergutzumachenden Imageschaden für die entsprechende Webseite bedeutet.

Es gab des Weiteren Aussagen, Löschen sei nicht effektiv, Löschen funktioniere u. a. nicht, weil die Provider oder die Server irgendwo auf den Bahamas oder den Philippinen liegen würden. - Bereits bei Einführung der Internetsperren hat der Chaos Computer Club nachgewiesen, dass es sehr wohl möglich war, nämlich mittels einfachster Mitteilung an die Serverbetreiber, die entsprechenden Seiten aus dem Netz entfernen zu lassen. Insofern, Herr Kollege Zielke, kann ich mich Ihrem Lob für das BKA ausdrücklich nicht anschließen. Das Lob gebührt dem Chaos Computer Club und den vielen Petenten der von Frau Flauger angesprochenen Onlinepetitionen. Es war das BKA, das noch vor einem Jahr behauptet hat, Löschen statt Sperren funktioniere überhaupt nicht, und das jetzt unter der Macht des Faktischen seine Meinung hat ändern müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es war - das erkenne ich ausdrücklich an - Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die das Prinzip „Löschen statt Sperren“ in der Bundesregierung gegen den Widerstand der CDU durchgesetzt hat. - Sie, Herr Schünemann, haben sich nicht nur in dieser Frage, sondern auch in den Debatten um die Vorratsdatenspeicherung immer wieder mit sehr harschen Worten an die Bundesjustizministerin gewandt. Zwischen den Zeilen wurde sogar angedeutet, der Bundesjustizministerin sei das Schicksal missbrauchter Kinder gleichgültig. Herr Schünemann, ich finde es absolut ungehörig und unangebracht, wenn den Gegnerinnen und Gegnern der Internetsperren und den Befürwortern des Prinzips „Löschen statt Sperren“ immer wieder indirekt vorgeworfen wird, ihnen sei Kinderpornografie im Grunde genommen egal. Das ist ein ungehöriger Vorwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir müssen aber auch bei den schlimmsten Verbrechen immer abwägend und überlegt handeln und sollten nicht mit populistischen Vorstößen in die Debatte gehen.

Schließlich, Herr Schünemann, bleibt festzuhalten: Wenn Frau Leutheusser-Schnarrenberger im Sinne der Bürgerrechte vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gegangen ist, dann hat sie immer recht bekommen. Als Sie nach Karlsruhe zitiert worden sind, haben Sie eins aufs Dach und Nachhilfe in Sachen Grundrechte bekommen. Mit Ihrer Grundrechtsbilanz, Herr Innenminister, würde ich mich etwas demütiger gegenüber den Hüterinnen und Hütern unseres Grundgesetzes verhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ralf Briese [GRÜNE]: Sehr gut! Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, die Debatte um Internetsperren ist noch nicht vorbei. Noch ist die Aufhebung des Zugangserschwernisgesetzes nicht vollzogen, noch findet lediglich die Anwendung des Gesetzes nicht statt, und schon beginnt - das ist angesprochen worden - die Debatte um Internetsperren für Onlinespiele und andere Formen. Die Befürchtungen der Bürgerrechtler scheinen sich leider zu bewahrheiten. Es bleibt festzuhalten: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, es ist aber auch kein grundrechtsfreier Raum. Grund- und Bürgerrechte gelten auch im Internet, und das muss auch so bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Nun hat sich für die CDU-Fraktion Herr Kollege Rolfes zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuelle Stunden haben es nun mal an sich, dass ein Vorgang aus aktueller Situation heraus diskutiert wird. Man fragt sich manchmal, welche Wirkung damit erzielt werden soll. Ich kann heute feststellen: In Sachen Kinderpornografie sind sich alle einig, dass geeignete Schritte unternommen werden sollen. Wenn ich es richtig verstanden habe, haben auch alle das, was jetzt in Berlin vereinbart wurde, begrüßt. Daher könnte ich mich eigentlich wieder setzen und sagen: Alles ist auf gutem Wege!

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN - Ralf Briese [GRÜNE]: Sehr gut! Ja, setz dich wieder hin!)

Meine Damen und Herren, das zeigt: Das Internet ist nicht gut oder böse, es ist nicht mehr als ein Medium, dessen Zweck es ist, unsere Inhalte, unsere Kommunikation zu transportieren oder zu speichern. Technisch gesehen ist das Internet sogar die reinste Anarchie. Wie man aber an den jüngsten Ereignissen in Nordafrika sieht, kann diese Art von Anarchie sehr wohl eine demokratische Bilanz hervorbringen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nur über ein offenes Internet kann sich die Basis in Tunesien, Ägypten oder anderswo frei äußern.

Meine Damen und Herren, Schätzungen zufolge sind in China 30 000 Beamte damit beschäftigt, Webseiten, Chatrooms und Internetforen Tag für Tag nach subversivem Material zu durchkämmen und bei Bedarf auf den Löschknopf zu drücken. Das ist Zensur, das verurteilen wir sicherlich alle. Wir sind Verfechter eines unzensierten Internets. Also sind wir uns darüber einig: Das Internet kann gut und böse sein, es ist aber kein rechtsfreier Raum. Bei E-Commerce, Onlinebanking oder möglichen Auktionsplattformen soll sich der Staat möglichst heraushalten. Wenn es aber um den Schutz der Kinder vor kriminellen Machenschaften geht, muss der Rechtsstaat diesen Schutz mit voller Kraft durchsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Es war ein innovativer Vorstoß der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Eben ist von jemandem gesagt worden, das hätte nur Showeffekte gehabt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dazu kann ich nur sagen: Durch diesen Anstoß sind wir zu dem gekommen, was wir heute haben.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Nee, nee, nee! Das ist aber jetzt Geschichtsverfäl- schung! - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist Geschichtsklitterung!)

Möglicherweise hätten die, die von Showeffekt sprechen, in ihrer politischen Karriere vorher auch schon etwas daran tun können.

Meine Damen und Herren, es war der erste Schritt, und der erste Schritt ist bekanntlich der halbe Weg. Im Grunde muss klar sein: Ursula von der Leyen hat mit dieser Initiative den Startschuss gegeben. Auch wenn das bestritten wird, es ist so.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Nee, nee, nee! - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Un- sinn!)

Professor Zielke hat eben schon darauf hingewiesen: Nach Informationen des Bundeskriminalamtes hat sich inzwischen gezeigt, dass sich bekannt gewordene kinderpornografische Seiten selbst dann nahezu vollständig löschen lassen, wenn die Seiten auf Servern im Ausland liegen. Innerhalb von vier Wochen, haben wir gehört, ist das sogar bei annähernd 100 % der Seiten möglich. Das ist ein ermutigendes Zeichen, setzt allerdings voraus, dass die Seiten gemeldet und bekannt werden müssen. Daher ist völlig klar: Das BKA kann selber ermitteln, andere Polizeidienststellen können selber ermitteln, aber sie sind insgesamt auf die Mithilfe angewiesen.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt, dass der Koalitionsausschuss von Union und FDP in Berlin entschieden hat, Kinderpornos im Netz zu löschen. Dieser Beschluss ist auf Augenhöhe mit der technischen Entwicklung im Internet. Im Ziel waren sich alle politischen Verantwortungsträger von Anfang an einig: Die widerlichen kinderpornografischen Seiten müssen schnell und nachhaltig aus dem weltweiten Netz verschwinden; denn im Kampf gegen die Kinderpornografie ist das wirksamste Mittel gerade gut genug. Die jetzige Vereinbarung ist sehr wirksam.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Schünemann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es bei der Debatte um Sperren oder Löschen eigentlich? - Es geht um die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch von Kindern

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das passiert nicht nur im Netz!)

und den Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie. Deshalb ist es richtig, dass im Herbst 2009 eine Debatte darüber angestoßen wurde, wie man mit den modernen Kommunikationsmöglichkeiten eines der schlimmsten Verbrechen, die man sich überhaupt vorstellen kann, effektiv verhindern kann.

Wenn man die Debatte verfolgt und sich ein bisschen schlau macht, kommt man schnell darauf, dass es sehr verkürzt ist, nur über die Verbreitungswege zu sprechen. Vielmehr müssen wir in noch stärkerem Maße darüber nachdenken, wie man den sexuellen Missbrauch schon da verhindern kann, wo er passiert, und das auch in den Ländern, in denen wir das nicht beeinflussen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir gerade die Eltern so stärken können, dass ihre Kinder nicht in Gefahr und dass auch Jugendliche nicht mit solchen Internetseiten in Berührung geraten. Deshalb habe ich die Initiative ergriffen und im Dezember 2009 das Bündnis „White IT - Bündnis gegen Kinderpornografie“ gegründet. Der Kampf gegen Kinderpornografie kann nur gelingen, wenn wir einen ganzheitlichen Bekämpfungsansatz wählen. Deshalb bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, die Internetwirtschaft mit ins Boot zu holen. Alle namhaften Firmen haben sich zur Teilnahme bereit erklärt. Wir haben Opferverbände mit dabei. Wir haben wissenschaftliche Institute eingeladen, hier tätig zu werden. Ich glaube, dass in den jetzt gut eineinhalb Jahren zwar noch nicht die Lösung erreicht worden ist, weil sie ausgesprochen schwierig ist, bin aber überzeugt, dass dieser ganzheitliche Ansatz völlig richtig ist.

Ich war überrascht zu erfahren, dass überhaupt noch nicht erforscht worden ist, über welche Wege Kinderpornografie verbreitet wird. Ist es tatsächlich das herkömmliche World Wide Web, oder werden dafür zum größten Teil die sozialen Netzwerke genutzt? Wir haben deshalb eine Forschungsarbeit in Auftrag gegeben, die im Mai in Berlin vorgestellt werden soll; denn wir müssen zunächst über die Fakten verfügen, um darauf aufbauend die Antworten zu finden.

Ich bin sehr froh, dass die Internetwirtschaft auch bereit ist, neue Möglichkeiten zu schaffen, um diese schrecklichen Bilder im Internet ausfindig zu machen. Dafür gibt es die Hash-Werte, die sogenannten Fingerabdrücke, die man dazu heranziehen muss. Wir müssen gemeinsam alles daransetzen, um hier noch erfolgreicher zu sein. Wir arbeiten mit dem Fraunhofer-Institut zusammen, um hier auch neue Entwicklungen auf den Weg zu bringen.

(Daniela Behrens [SPD]: Es geht um Bürgerrechte!)

- Wenn Sie in dem Zusammenhang von den Bürgerrechten sprechen, dann sage ich Ihnen: Das größte Bürgerrecht ist, dass die Kinder vor diesen Straftätern geschützt werden. Das ist das größte Bürgerrecht!