Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es spricht jetzt Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grascha, es gibt kein Gewohnheitsrecht im Unrecht. Nur weil vielleicht vor zehn Jahren jemand anders auch zu schnell gefahren ist, dürfen Sie deswegen nicht die Geschwindigkeit überschreiten.

(Christian Grascha [FDP]: Das habe ich auch nicht gesagt! - Dirk Toepffer [CDU]: Das hat er wirklich nicht ge- sagt!)

Und, Herr Toepffer, einen guten Glauben daran gibt es sicherlich auch nicht. Das wissen Sie als Jurist gut genug.

Drei Zahlen haben in den letzten drei Wochen den großen Bluff vom angeblichen ökonomischen Sachverstand der FDP zerplatzen lassen. Nur noch 4 % der Befragten haben in einer aktuellen NDR-Umfrage der Partei von Herrn Bode wirtschaftspolitische Kompetenz bescheinigt.

(Hört, hört! bei der SPD)

Nur 2,6 % der Wählerinnen und Wähler haben in unserem Nachbarland Bremen der Partei von Herrn Rösler überhaupt noch einen Sitz im Landtag geben wollen. Und die dritte Zahl: Ganze 25 % der vom Landesrechnungshof überprüften Subventionsentscheidungen aus dem Hause des früheren FDP-Landeswirtschaftsministers Walter Hirche waren fehlerhaft.

(Björn Thümler [CDU]: Wo steht das? Wo ist der Bericht? - Zuruf von der FDP: Wo haben Sie das jetzt her, Herr Hagenah?)

Herr Minister Bode, Ihr Vorvorgänger und FDPSäulenheiliger Walter Hirche beschrieb mir auf eine Anfrage im Herbst 2003 seine damals neuen Kriterien der Wirtschaftsförderung so:

„Die NBank wurde aus ökonomischen Gründen mit der zentralen Berater- und Entscheidungsfunktionen ausge

stattet. Jede einzelbetriebliche Förderung wird im Rahmen des Verwendungsnachweises auf die Einhaltung der Förderbedingungen - z. B. Investitionsrahmen und Arbeitsplätze - und auf das tatsächliche Vorhandensein der geförderten Wirtschaftsgüter geprüft. Ministerielle Kernaufgabe

- das ist entscheidend -

bleibt nur die politische Grundsatzentscheidung über die Festlegung der Förderschwerpunkte.“

Daran müssen Sie sich messen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

So weit die Theorie. Aber die Praxis in Niedersachsen sah in vielen Fällen ganz anders aus. Statt sich auf Kernaufgaben zu beschränken, wurde vom Ministerium munter in die Förderentscheidungen hineingefunkt. Viele Förderungen wurden gegen die veröffentlichten Kriterien und das Prüfergebnis der NBank durchgedrückt.

Da der Rechnungshof bislang nur nach dem Stichprobenprinzip vorgegangen ist und weit weniger als 10 % der Förderungen seit 2005 geprüft hat, ist zu befürchten, dass noch viel mehr als die bislang bekannten Fällen fehlerhaft sind. Die Leidtragenden und Betrogenen sind die Steuerzahler und diejenigen Unternehmen, die aufgrund der falschen Entscheidungen bei der Wirtschaftsförderung trotz guter Anträge leer ausgegangen sind. Von solchen Unternehmen kennen wir eine ganze Reihe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit haben die dafür verantwortlichen Minister Hirche, Rösler und Bode dem Land Schaden zugefügt. Es sind Arbeitsplätze und Investitionen verloren gegangen. Sie haben gegen ihren Amtseid verstoßen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nach außen haben auch Sie, Herr Bode, auf Fragen aus dem Parlament zur Förder- und Vergabepraxis immer wieder auf vorgeblich objektive Förderkriterien und Punktesysteme verwiesen, nach denen ohne Ausnahme alle Förderanträge geprüft und entschieden werden.

(Christian Dürr [FDP]: Da waren Sie doch immer dagegen!)

Nach außen hui und nach innen, in der Praxis, pfui!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Je größer die Unternehmen und der Förderantrag waren, desto lockerer gingen Sie offenbar über die gesetzten Regeln hinweg. Kein Wunder, dass die Fördermittel 2009 dann früh leergefegt waren, wenn Sie das Steuergeld so großzügig an Unternehmen verteilen, die die Mittel gar nicht erhalten dürften und angesichts des Starts von Zahlungen noch vor Förderungszusage wohl auch nicht gebraucht haben!

Anfang 2010, als dann schon im ersten Quartal die ganze Jahresförderung ausgeschöpft war, kündigten Sie, Herr Bode, das Ende der einzelbetrieblichen Förderung an.

(Minister Jörg Bode: Das ist falsch!)

Da war Ihr selbstherrliches Geschenkeverteilmodell schlicht bankrott. Sie nahmen die Absage nur zurück, weil es allzu heftige Kritik aus der Wirtschaft gab.

(Minister Jörg Bode: Auch das ist falsch! - Christian Dürr [FDP]: Bisher nur Unwahrheiten, Herr Hagenah!)

Ihr schlechtes Zeugnis vom Landesrechnungshof versuchen Sie jetzt zu bagatellisieren. Da heißt es aus Ihrem Haus: Wo viel gearbeitet wird, da passiert auch einmal ein Fehler.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist dreist, Herr Minister. Was würde denn passieren, wenn z. B. ein Bankangestellter 25 % fehlerhafte Kreditverträge genehmigt? Der fliegt, aber garantiert.

(Christian Grascha [FDP]: Woher ha- ben Sie denn diese Zahlen?)

- Ich lese Zeitung. Sie nicht?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Sie behaupten - Herr Grascha, Sie auch -, Sie hätten schon auf die Probleme reagiert und die Förderkriterien geändert. Dabei haben Sie doch 2010 nur die Punktezahl zur Förderung verdoppelt. Die entscheidende Relation von möglicher Gesamtpunktzahl und 50 % Förderhürde ist wie in den Jahren davor genau gleich geblieben. Keine Veränderung!

(Christian Dürr [FDP]: Sie reden wirr, Herr Hagenah!)

Für mich lautet das erste Resümee aus den Feststellungen des Rechnungshofes: Willkürliche Eingriffe des Wirtschaftsministeriums haben zu unrechtmäßigen Millionenzahlungen geführt. Herr Bode, Sie und Ihre Vorgänger Hirche und Rösler haben die Spendierhosen zum Dienstanzug gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Ihnen bleibt jetzt nur eine Chance: Erstens müssen Sie alle vom Rechnungshof monierten Falschzahlungen umfassend aufklären. Zweitens müssen Sie Rückforderungen an die betreffenden Unternehmen veranlassen. Drittens müssen Sie dem Parlament sofort den lückenlosen Einblick in die Unterlagen gewähren. Und viertens müssen Sie sich endlich selbst an Ihre eigenen Regeln halten.

Sie müssen zum Schluss kommen.

Letzter Satz: Tun Sie das alles nicht, dann bleibt der Verdacht bestehen, dass Sie und Ihre Vorgänger sich mit Steuergeld politische Vorteile erkaufen wollten. So etwas nennt man gemeinhin Amtsmissbrauch.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile nun Herrn Minister Bode das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat, der Landesrechnungshof hat uns eine Prüfungsmitteilung mit der Bitte um Stellungnahme zukommen lassen. Früher gehörte es zum guten Ton, dass man zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt. Dabei konnten in der Vergangenheit dann auch die allermeisten Punkte, die vom Landesrechnungshof mit der Bitte um Stellungnahme übersandt worden waren, im positiven Sinne gemeinsam geklärt werden. Diese sind dann nicht in die Denkschriften des Landesrechnungshofs aufgenommen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass in diesem Fall der mediale Aufschlag gewählt worden ist, hat sich in der Sache einmal mehr als nicht hilfreich erwiesen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Für Sie!)

Die Ausführungen von Herrn Hagenah waren gespickt mit Falschaussagen und Unwahrheiten. Da er sich so mehrfach insbesondere gegenüber mir geäußert hat, hat er bewusst so gehandelt. Jeder weiß ja, wie man das nennt.