(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist genau in die an- dere Richtung! Man kann doch nicht so ignorant sein, oder kann man? In allen anderen Ländern wird die Schulzeit verkürzt!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Abiturjahrgang und damit die ersten ZwölfJahres-Absolventen haben am letzten Samstag ihre Abiturzeugnisse überreicht bekommen. Laut Zeitungsmeldungen gab es angeblich keinen Leistungsunterschied zwischen den beiden Jahrgängen. Wir werden dieses Thema morgen in der Aktuellen Stunde noch genauer beleuchten.
Erst einmal „Herzlichen Glückwunsch“ an die Abiturientinnen und Abiturienten! Das ist eine große Leistung! Sie ist besonders groß von denen, die es in zwölf Jahren schaffen mussten. Aber waren die große Eile und Mühe, die diese Abiturientinnen und Abiturienten zu erleiden hatten, wirklich not
wendig? Bleiben die Jahrgänge gleich erfolgreich auf ihrem weiteren Weg? Wie viele haben vorher aufgegeben?
Pädagogische Gründe für das Abitur nach zwölf Jahren gibt es nicht. Ist nur ein gewonnenes Jahr wirklich Rechtfertigung genug für Stress, Leistungsdruck und verlorene Kindheit?
Fakten kann man sich schnell aneignen und wieder wegwerfen. Aber was bleibt hängen, wenn man keine ausreichende Zeit für selbstbestimmtes und kreatives Lernen hat? Denn genau diese Möglichkeit raubt das Turboabitur unseren Schülerinnen und Schülern. Teilweise bis zu 36 Wochenstunden benötigen sie, um das Pensum zu bewältigen. Die Folgen dieser Schulzeit werden zu spüren sein, auch wenn die Freude derjenigen, die es geschafft haben, jetzt groß ist.
Die Kritik am Abitur nach zwölf Jahren hat doch nicht aufgehört. Auch Sie aufseiten von CDU und FDP hören die Kritik aus den Schulen doch immer wieder und immer noch. Diese Reform ist und bleibt völlig verkorkst und sollte zurückgedreht werden. So weit auch unsere Sympathie für die Initiative des grünen Gesetzentwurfs. Ich halte allerdings meine Kritik an dem dort vorgeschlagenen Weg aufrecht.
Die Verlagerung der Entscheidung über 12 oder 13 Jahre Schulzeit zum Schulvorstand der Eigenverantwortlichen Schule an Gymnasien bleibt für mich nicht bis zum Ende durchgedacht und muss zu regionalen Ungleichgewichten führen. Unser Vorschlag wäre nach einer gemeinsamen Sekundarstufe bis Klasse 10 eine konsequente Reform und Flexibilisierung der Sekundarstufe II, um so den besonders Schnellen eine kürzere Zeit zu ermöglichen. Aber auch nach vier Jahren Oberstufe wäre ein guter Abschluss möglich.
In der Ausschussberatung wurde diskutiert, ob dieser Gesetzentwurf solche Möglichkeiten offen lässt. Ich sehe diese in dem Entwurf aber nicht. Bis zur Regelung für die Gymnasien wären wir dem Gesetzentwurf zwar nicht gefolgt und hätten uns in der Abstimmung enthalten. Die Freigabe der Entscheidung über 12 oder 13 Jahre auch für Gesamtschulen ist allerdings ein wirklicher Rückschritt.
Vor der letzten Schulgesetznovelle der Landesregierung stand im Gesetz: In den Gesamtschulen werden Schülerinnen und Schüler des 5. bis 13. Jahrgangs unterrichtet. - Dahin muss der Weg zurückgehen.
Dann bleibt der Kern des Konzepts integrativen Unterrichts möglichst ohne Kursdifferenzierung bestehen. Dann haben Schüler wirklich die Möglichkeit zu selbstbestimmtem und kreativem Lernen. Jedes Kind in Niedersachsen sollte das Recht auf einen Platz an einer solchen Schule haben. Ausnahmen mit Sondergenehmigung waren auch für Gesamtschulen möglich. Aber keine Integrierte Gesamtschule, die bis dahin bestand, wollte bis zu dieser letzten Schulgesetzänderung das Abitur nach zwölf Jahren.
Der Formulierung im vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen können wir nicht folgen und werden gegen den Gesetzentwurf stimmen. Aber täuschen Sie sich nicht, wenn wir diesmal mit CDU und FDP stimmen: Die Linke in Niedersachsen will grundsätzlich zurück zum Abitur nach 13 Jahren für alle.
Und wir sind nicht alleine. Das „Volksbegehren für gute Schulen“ ist schon jetzt ein riesiger Erfolg - mit über einer Viertelmillion Unterschriften.
Danke schön, Frau Kollegin. Das war perfektes Timing - Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Försterling, bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab, weil wir grundsätzlich die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren für richtig halten, sowohl an den Gymnasien als auch an den Integrierten Gesamtschulen.
Niedersachsen bietet den Schülerinnen und Schülern sehr wohl nach wie vor die Möglichkeit, das Abitur nach 13 Jahren abzulegen. Sowohl an der Integrierten Gesamtschule als auch über den Weg
der Realschule oder über den Weg der Oberschule haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, das Abitur nach 13 Jahren abzulegen.
Dieser Gesetzentwurf der Grünen konnte recht schnell im Ausschuss beraten werden, weil die ganzen offenen Fragen, die von den anderen Fraktionen im Laufe der ersten Beratung angesprochen worden sind, nicht beantwortet werden konnten.
Ich fange einmal mit folgender Frage an: Welche Lehrpläne sollen eigentlich gelten? Sollen für das Abitur nach 13 Jahren dann wieder neue Kerncurricula entwickelt werden?
- Es gelten gerade die Kerncurricula. Herr Hagenah, es gibt doch kein einfaches Zurück mehr zu den alten Lehrplänen, weil wir in Niedersachsen die Kerncurricula nicht nur deshalb eingeführt haben, um das Abitur nach zwölf Jahren zu machen, sondern sie sehr wohl auch eingeführt haben, um nach den neuen KMK-Vorgaben auf Kompetenzen zu setzen. Deswegen haben wir die Lehrpläne zu Kerncurricula weiterentwickelt. Das sollte man wissen. Daher muss man auch für das Abitur nach 13 Jahren neue Kerncurricula einführen. Dabei wird man möglicherweise auf dieselben Umstellungsprobleme stoßen wie beim Abitur nach zwölf Jahren.
Sie haben im Ausschuss auch nicht gesagt, wie Sie die Organisation handhaben wollen, wenn beispielsweise beide Möglichkeiten parallel angeboten werden. Ich habe in der ersten Beratung schon deutlich gemacht, dass es dann die Situation geben könnte, dass eine Schule in einem Jahr zweimal die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe anbietet, das erste Jahr der Qualifikationsphase gar nicht anbietet und dann einem anderen Jahrgang das zweite Jahr der Qualifikationsphase anbietet. Mit diesem Problem haben Sie sich gar nicht auseinandergesetzt, Frau Korter.
- Ja. Sie hat ja den Gesetzentwurf geschrieben. Eigentlich habe ich in den Ausschussberatungen Antworten erwartet.
Ich habe auch eine Antwort darauf erwartet, wer für welche Jahrgänge entscheidet. Soll der Schulvorstand heute für die nächsten zehn Jahre entscheiden? Soll damit ein Schulvorstand, der im Schuljahr 2011/12 im Amt ist, für Schülerinnen und Schüler des Jahres 2020/21 entscheiden, nach wie vielen Jahren sie das Abitur ablegen dürfen, oder nicht? Das ist doch eine spannende Frage.
Eine andere Frage ist, wie ich denn die Schuleinzugsbereiche organisiere. Wenn ich bei mir vor Ort nur Gymnasien habe, die sich alle für das Abitur nach 12 Jahren entscheiden, und Schuleinzugsbereiche habe, gebe ich dann den Schülerinnen und Schülern auch frei, das Abitur nach 13 Jahren an einem Gymnasium an einem anderen Standort zu wählen? Nehme ich also eine Öffnung vor, wie sie das Gesetz für Ganztagsschulen etc. auch vorsieht?
Ebenfalls nicht gesagt worden ist, ab wann das Ganze gelten soll und für welche Jahrgänge dann entschieden wird. Kann ein Schulvorstand also für einen jetzigen 9. Jahrgang entscheiden, dass er noch mal den 10. Jahrgang macht, oder schon für den 7. oder für den 6. Jahrgang?
Das hätte man alles einmal beantworten können. Alle diese Fragen sind in der ersten Beratung gestellt worden. Darauf gab es keine Antworten. Deswegen ist es konsequent, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Försterling. - Es gibt den Wunsch nach zwei Kurzinterventionen. Zunächst hat Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, Sie bauen Probleme auf, damit Sie sich nicht entscheiden müssen und damit Sie nicht daran arbeiten müssen, diesen Gesetzent
wurf zu konkretisieren. Ich habe im Ausschuss ausdrücklich angeboten, dass wir über die Lösungsmöglichkeiten noch weiter diskutieren und die Details gemeinsam erarbeiten können - wenn man es denn will. Aber Sie wollten ja gar nicht. Sie sagen, dass Sie für das Abitur nach Klasse 12 sind. Also sehen Sie gar keinen Diskussionsbedarf.
Im Ausschuss wurde eigentlich von gar keinem richtig beraten. Alle haben doch gesagt: Das haben wir im Plenum schon ausgeführt.
Erstens. Erkundigen Sie sich bei Ihrem FDPMinister in Schleswig-Holstein. Der kann es offensichtlich umsetzen. Andere Kultusministerien, in anderen Bundesländern, können es auch.