Die Menschen im Vorharz werden sich angesichts der Tatsache, dass da unten 11 kg Plutonium liegen, die darauf warten, ins Grundwasser und damit ins Trinkwasser unserer Enkel zu schwemmen, dieses abstruse Verständnis von Rechtsstaat nicht gefallen lassen.
Umso mehr Recht haben sie dazu, weil diese Regierung ihrer Informationspflicht nicht nachkommt. Auch da kann man der in der Überschrift des heutigen Antrags zur Aktuellen Stunde formulierten Empfehlung der FDP folgen, nämlich dass transparent und umfassend aufgeklärt werden muss.
Was ist das offizielle Bild von der Lagerung von Atommüll? Das offizielle Bild ist beispielsweise das aus der Broschüre des Atomforums - mit einem wunderschönen Vorwort von Frau Merkel -, die uns allen vorliegt. Das, was dort am Beispiel Gorleben - andere Fotos gibt es nicht - groß ausgebreitet wird, sieht wunderschön und ordentlich, richtig schön sauber aus.
Aber das Bild, auf dem zu sehen ist, wie es dort tatsächlich aussieht, verdanken wir der vierten Gewalt - in diesem Fall Herrn Schöneberg von der taz.
So lagern die „sicher“ gelagerten Atommüllfässer in der Asse. Das ist der Tatbestand. Ich habe ziemlich lange im Internet recherchiert und viele Fotos der offiziellen Dokumentationen gefunden, aber kein Foto der anderen Art, nämlich wie die Fässer wirklich gelagert werden. „Lüge“ ist ja kein parlamentarischer Ausdruck, deshalb kann ich nur sagen: Es ist eine Verhohnepiepelung der Öffentlichkeit, so zu tun, als ob alles deutsch-ordentlich gelagert wird, aber nicht zu verbreiten, dass die Realität anders aussieht.
Ihre Informationspflicht bezieht sich auch darauf, den Leuten klar zu sagen, was da unten los ist. Das ist Ihre Pflicht, und dieser Pflicht kommen Sie nicht nach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Je länger man sich mit der Asse beschäftigt, desto länger wird die Chronologie des Versagens, des Vertuschens, des Verschiebens und des Versprechens. „Versprechen“ meine ich dabei im doppelten Sinne. Einige wollen heute besonders aufklären. Die meisten wollen nur nach vorne schauen. Keine Schuldigen suchen - das ist Ihre Formel.
Ich meine, das Gegenteil ist richtig und wichtig, und zwar aus folgendem Grund: Wir müssen das Prinzip, das dahintersteht, und die Zusammenhänge mit der Atomenergie insgesamt erkennen. Wir müssen vor allem begreifen, welche Rolle wer zu welchem Zeitpunkt gespielt hat.
Wir müssen die Leichtfertigkeit - um nicht zu sagen: die Fahrlässigkeit - der Handelnden erkennen. Wer waren die Wissenschaftler, die einen Salzstock wie die Asse auswählten, und zwar trotz der Zuflüsse, die nicht erst - - -
Herr Kollege, ich darf einmal unterbrechen: Ob hier jemand quatscht oder nicht, das beurteilen wir hier oben. Ich finde die Wortwahl, mit der Sie auf die Äußerungen anderer Kollegen eingehen, unangemessen. Aber ich bitte auch um Ruhe - auch wenn man anderer Meinung sein kann -, damit Sie hier Gehör finden.
Wer waren die Wissenschaftler, die die Asse ausgewählt haben, und zwar trotz der Zuflüsse, die es schon weit vor 1988 gab? Ein Professor Werner Schneider, ehemals Geologe an der TU Braunschweig, war es nicht. Er kartierte zur damaligen Zeit als TU-Professor die Asse. Er hat in der letzten Woche in Dannenberg einen denkwürdigen Vortrag gehalten. Meine Damen und Herren, er sagte Folgendes: Wenn ich 100 Geologen den Schnitt, den Helmholtz und GSF von der Asse machen, vorlegen würde, würde nicht ein Einziger diesen Salzstock für tauglich erklären. Es gibt und gab klare Indizien: die Einsturztrichter am Rande, das asymmetrische Deckgebirge, die undurchlässige Tonschicht, die fehlte, die Auswaschungen, die es auch damals schon gab, die weggesackte Flanke.
Warum, meine Damen und Herren, hat der „Entsorgungspapst“ Prof. Kühn nicht nur zehn Jahre lang, sondern sogar noch im Jahre 1995 an diesem Salzstock festgehalten, also über Jahrzehnte, und das wider besseres Wissen, und warum hat er im Jahre 2002 auch noch einen Preis für sein Lebenswerk bekommen?
Warum wurde die Asse ausgewählt? - Sie war billig. Man hat damals nämlich verglichen, wie teuer es wäre, diese Fässer - das hat man vor der Küste Spaniens gemacht - einfach im Meer zu versenken. Die Asse war billiger. Also hat man die Asse genommen. Sie war auch fertig.
Dann wendete man eine Salamitaktik an: 1967 versprach der Betreiber zunächst, fünf Jahre lang nur zu prüfen. Dieses Versprechen brach man sofort; denn man fing sofort an, einzulagern. Man behauptete aber, das nur zeitlich begrenzt zu machen, als Versuch, und damit - das ist wichtig - rückholbar. 1974 rückte man davon plötzlich ganz ab. Ich frage: Wer, bitte schön, hat das genehmigt? Das will ich wissen! Ich meine die Abkipptechnik, zu der Kollege Sohn ein Bild hochgehalten hat. Man hat es dort einfach hineingekippt, sodass die Fässer kaputt gingen und ihre Fracht freigaben. Wer zum Teufel hat das genehmigt? Das will ich wissen!
Was dort passiert ist, ist möglicherweise der Grund dafür, dass dies ein faktisches Endlager wird, so
Herr Kollege, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen? Wie ich gerade sehe, haben Sie vorne auf dem Rednerpult demonstrativ das Zeichen „A“ für Asse aufgestellt. Was Sie als Fraktion an ihren Plätzen machen, ist die eine Sache. Ich möchte Sie aber bitten, dieses Emblem am Rednerpult zu entfernen.
Fachlich zu verantworten hat diese ganze Misere der Betreiber GSF. Da nutzt es auch nichts, dass er sich vor einem Jahr das neue Etikett „Helmholtz“ zugelegt hat. Ich kann Helmholtz nur warnen, sich nicht mit dieser Altlast zu beschäftigen. Sie haben, wie ich glaube, mit dem Namenswechsel nichts Gutes gemacht.
Meine Damen und Herren, wer waren die Politiker, die all das absegneten? Ich zitiere einmal aus der Broschüre der Landesregierung mit dem Titel „Umweltgerechter Wohlstand für Generationen“; das wird heute noch einige Male passieren. Darin steht Folgendes:
„Die Verpflichtung, Lösungen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle zu finden, obliegt der Generation, die die Vorzüge der Kernenergie nutzt.“
Zur ersten Generation, meine Damen und Herren, gehörte beispielsweise Atomminister Strauß. Diese Generation hat sich schon „davongestohlen“. Aber es gab - das zeigt das Denken jener Zeit - auch einen Herrn Stoltenberg. Herr Stoltenberg wollte die Bundesrepublik noch im Jahre 1981 mit 100 Atomkraftwerken überziehen. Sehen Sie sich dieses Denken von damals bitte genau an! Dann wissen Sie, worum es geht.
- ich tue das von ganzem Herzen -, die trotz der Anfeindungen in all den Jahren - Kanther nannte sie „das unappetitliche Pack“ - und anderer Verunglimpfungen - Kollege Sohn hat eben aufgezählt, was Herr Hirche über sie gesagt hat - immer wieder aufgeklärt, aufgedeckt und - das sage ich ausdrücklich - aufgepasst haben.
Meine Damen und Herren, wo war die Aufsicht, auch die der Vorgängerregierungen, Herr Jüttner? Auch in den Vorgängerregierungen waren erklärte Atomkraftgegner zuständig: Frau Griefahn, Herr Trittin, Frau Bulmahn, Herr Jüttner und Herr Gabriel. Hier geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten. Hier geht es um schlampige Arbeitsweise. Wieso, bitte schön, interessiert sich Herr Gabriel erst jetzt für das Inventar der Asse?
Wieso haben Sie, Herr Jüttner, sich nicht früher für die abgekippten, die kaputten, die sogenannten eingepökelten Fässer interessiert, von denen klar war, dass sie wohl nicht mehr rückholbar sind
bzw. dass das zumindest sehr schwierig sein würde? Wieso haben - ich sage es einmal flapsig - all diese Antiatomminister nicht das Atomrecht durchgesetzt?
Meine Damen und Herren, als ich am 6. Juni dieses Jahres hier im Landtag für die Fraktion der Linken unseren Antrag zum Thema Asse einbrachte und von Laugen sprach, die bei den Kammern angekommen sind und mit Caesium verseucht sind, wurde ich belächelt und vor allem aus Ihren Reihen sehr stark angefeindet. Die folgenden Redner von SPD, CDU und FDP stellten dann heraus, dass die Assewelt zwar problematisch, im Wesentlichen aber weiterhin wohlgeordnet sei. Die Asse sei eher ein örtliches Problem und habe mit der Nutzung der Atomenergie, wie Herr Dürr sagte, nichts zu tun.
Das ist in der Tat eine dolle Interpretation! Ich weise Sie einmal darauf hin: 90 % des Mülls dort unten kommen entweder aus der Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe oder aus Atomreaktoren.