Protokoll der Sitzung vom 13.09.2011

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Thümler, Sie haben dem Hohen Hause gerade erzählt, dass es eine Klage von Abgeordneten der SPD, und zwar der gesamten Fraktion, gegen die Landesregierung gibt. Sie haben von einem Schriftstück gesprochen, das die SPD-Fraktion an den Staatsgerichtshof gerichtet hat.

(Björn Thümler [CDU]: Nein!)

Ich frage Sie, von wem Sie dieses Schriftstück erhalten haben, ob Sie es eventuell von der Landesregierung erhalten haben. Wir haben uns in der Öffentlichkeit bisher mit Äußerungen oder Zitaten aus solchen Schriftstücken zurückgehalten. Bei dieser Linie wollen wir auch bleiben, bis es zu der Erörterung beim Staatsgerichtshof kommt. Wir wollen damit keine politische Arbeit oder gar Öf

fentlichkeitsarbeiten machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Möllring, bitte!

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schostock, ich hatte versucht, mit einer Zwischenfrage bei Ihnen für Aufklärung zu sorgen, aber das haben Sie ja unterbunden. Daraufhin habe ich meinem Fraktionsvorsitzenden erzählt, was in diesem Schriftstück steht. In diesem Schriftstück hat Herr Lemme, Ihr Prozessvertreter, uns vorgeworfen, dass wir die Steuereinnahmen zu pessimistisch geschätzt hätten.

Wir haben damals für die Haushalte 2009 und 2010 - für 2009 war es der dritte Nachtrag - genau das veranschlagt, was uns die offizielle Steuerschätzung vorgeben hat.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Es geht um die Haushalte 2011, 2012 und 2013. Darüber reden wir gerade!)

- Frau Heiligenstadt, das hätten Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden sagen müssen. Der hat überhaupt nichts zum Haushalt gesagt, aber bei ihm haben Sie nicht dazwischengerufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Eben! - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Außerdem hat Herr Schostock Herrn Thümler gefragt und nicht Sie!)

- Sie brauchen doch nur einen Blick in die Geschäftsordnung zu werfen.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Sie dür- fen jederzeit reden! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Ja, und er darf sogar auch antworten!)

- Genau. Ich darf auch antworten!

(Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich bitte darum, dieses Zwiegespräch nicht fortzusetzen. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Wir haben das, was Sie angreifen, was wir in den Haushalten 2009 und 2010 angeblich falsch veranschlagt haben sollen - - -

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Ein Ab- geordneter hat nur anderthalb Minu- ten! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Könnt ihr mal den Sprechautomaten da drüben abstellen! - Weitere Zurufe)

- Wissen Sie, verehrte Frau Kollegin, als wir, CDU, SPD und Grüne, damals gemeinsam in dem Sonderausschuss „Niedersächsische Verfassung“ gesessen haben, habe ich gesagt: Liebe SPD, liebe Grüne, es ist doch eigentlich nicht in Ordnung, dass die Regierung so lange und so oft reden kann, wie sie will. Wollen wir das nicht ergänzen und reinschreiben „im Rahmen der Geschäftsordnung“?

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Es geht um eine Antwort auf eine Kurzinter- vention!)

- Ich antworte gerade der Kollegin. Wenn Sie eine Frage haben, werde ich sie auch noch beantworten. Aber einer nach dem anderen. Alles andere wäre unhöflich. Wenn einem eine Frage gestellt wird, beantwortet man sie, und dann kommt der Nächste an die Reihe. Was Sie machen, ist einfach unhöflich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Er wechselt das Thema!)

Der Kollege Oppermann, der damals auch in dem Sonderausschuss saß, hat mir geantwortet: Im Prinzip, vom Selbstverständnis des Parlaments her gesehen, hätte ich ja recht, aber das traue er sich innerhalb der SPD nicht. - Deshalb steht das weiterhin in der Verfassung. Aber man kann ja darüber reden, ob man das demnächst ändert.

In den Haushalten 2011 und 2012 haben wir nicht das Lineal angelegt, sondern die offizielle Steuerschätzung hineingeschrieben, wie sie von 16 Bundesländern und der Bundesregierung gemeinsam mit den Wirtschaftsforschungsinstituten und den Sachverständigen erfasst worden ist. Nicht mehr und nicht weniger. Wir haben nicht einfach nur das Lineal angelegt und eine Linie gezogen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist ja schon mal was!)

Ich weiß auch, dass Steuerschätzungen immer nur eine Prognose für die Zukunft sind. Aber anderer

seits wissen wir alle: Der intelligenteste Arzt ist immer der Pathologe, weil er alles im Nachhinein überprüft.

(Heiterkeit - Johanne Modder [SPD]: Sie sind noch nicht ganz tot! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Leichenfled- derei!)

Für denjenigen, der es vorhersagen muss, ist es dagegen immer ausgesprochen schwierig. Aber etwas anderes als die offizielle Steuerschätzung könnten auch Sie dem Haushalt nicht zugrunde legen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Er ist schon verwest, der Haushalt! - Johanne Modder [SPD]: Wir stellen fest: Die Landesregierung ist tot!)

Meine Damen und Herren, mir ist im Moment nicht klar, ob das eben eine Kurzintervention war. Aber da die Aussprache nun beendet ist, kann ich den nächsten Redner aufrufen, und das ist der Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch Regierungen haben Halbwertzeiten. Nicht erst seit der Wahl am Wochenende, sondern auch an einer ganzen Reihe weiterer Anhaltspunkte wird deutlich, dass die schwarz-gelbe Regierung ihre Halbwertzeit vermutlich bereits am Ende der vergangenen Wahlperiode erreicht hatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe überhaupt keine Probleme, neidlos anzuerkennen, dass Schwarz-Gelb nach der Regierungsübernahme 2003/2004 in Sachen Haushaltskonsolidierung durchaus beeindruckend gestartet ist. Die massiven Einschnitte bei den Personalkosten waren hoch wirksam. Auch die Boomjahre 2005 bis 2008 machten es möglich, den Abbau der Nettoneuverschuldung gut darzustellen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Die Mehr- wertsteuererhöhung wollen wir dabei nicht vergessen!)

Aber Schwarz-Gelb hat keine Kondition. Schon während der Bankenkrise ging ihnen die Luft aus, und 2009 und 2010 hat der Finanzminister mit

insgesamt 4,6 Milliarden Euro neuer Schulden regelrecht hyperventiliert.

Und was ist 2011? - Trotz rund 1 Milliarde Euro Vermögensverzehr, trotz einer weiteren Milliarde Euro, die Ende 2010 noch zur Verfügung stand, trotz Mehreinnahmen bei der Förderabgabe, trotz erneuter erstaunlicher Zinseinsparungen - ich frage mich, wann da mal endlich richtig geschätzt wird - und trotz sprudelnden Steuerquellen ist die Landesregierung nicht in der Lage, die hohe Nettoneuverschuldung von 1,9 Milliarden Euro in diesem Jahr abzusenken.

Das heißt: Die schwarz-gelbe Landesregierung und die sie unterstützenden Fraktionen gebärden sich zwar wie die Verkörperung der Schuldenbremse. Aber tatsächlich sind sie diesem Ziel noch nicht einen Schritt näher gekommen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie tritt auf das Gaspedal!)

Sie machen den großen Maxe und erklären, Niedersachsen werde die Schuldenbremse schon drei Jahre früher als erforderlich einhalten. Diese Aussage ist aber weder belastbar noch überprüfbar und schon gar nicht seriös.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jedenfalls müssten Sie dafür zukünftig sehr viel mehr tun, als irgendwelche immer kürzer werdende Balken auf ein Stück Papier zu zeichnen.

Und natürlich, meine Damen und Herren, war es auch nicht seriös, uns einen Haushaltsentwurf 2012 vorzulegen, der mit einer Nettoneuverschuldung von 1,6 Milliarden Euro die geltende Schuldenbremse der Niedersächsischen Verfassung schlicht ignorierte und mal eben um 700 Millionen Euro überstieg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war schlicht dreist, zu dreist, um damit durchzukommen, und es hat schon etwas Tragikkomisches, wie jetzt das Zurückrudern erklärt wird. Da verkündet der Kollege Thümler per Pressemitteilung, dass es der Landesregierung in vorbildlicher Weise gelungen sei, eine verfassungsrechtliche Diskussion um den Artikel 71 Niedersächsische Verfassung zu vermeiden.

(Zustimmung bei der CDU)

Wo waren Sie denn, Herr Thümler? - Vielleicht haben Sie es ja nicht gemerkt, aber diese Diskussion wurde geführt, und sie wurde sogar intensiv geführt. Schon gleich nach der Haushaltsklausur

der Landesregierung haben wir auf die Verfassungswidrigkeit dieser Maßnahme hingewiesen. Wir waren in dieser Frage mit Ihnen im Ring. Wahrscheinlich hätte Sie das Trommelfeuer der Opposition und des Stauerzahlerbundes wie üblich weitgehend unbeeindruckt gelassen. In der Hinsicht haben Sie ja mehrheitsgestützte Nehmerqualitäten.